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BUH-Stellungnahmen, Argumente gegen den Meisterzwang, Studien zum Meisterzwang, Qualität, Ausbildungsleistung, Inländerdiskriminierung, Meisterzwang ist verfassungswidrig

Steht der Meisterbrief zur Disposition?

Langsam entsteht in der Öffentlichkeit eine breite Diskussion um die Öffnung der handwerklichen Märkte auch für Menschen und Unternehmen, die keinen Meistertitel besitzen.
Die Verbände des konventionellen Handwerks führen eine Menge Gründe an für die Beibehaltungdes bestehenden Systems. Doch stehen einige davon nicht in direktem Zusammenhang mit der Frage nach dem Sinn oder Unsinn des "Meisterzwangs", daß also nur BesitzerInnen des Meistertitels in Deutschland ein Handwerk selbständig ausüben dürfen.
Hier sollen die Gründe, mit denen das konventionelle Handwerk den Meisterzwang rechtfertigt, einmal näher angeschaut und besprochen werden.

Konventionelles Handwerk: "Der Meisterbrief steht zu Disposition"

Unabhängiges Handwerk: Keineswegs, der Meisterbrief ist ein wichtiges Mittel, den hohen Ausbildungsgrad der deutschen HandwerkerInnen aufrecht zu erhalten. Doch daran haben die Betroffenen selbst großes Interesse.
Der Meisterzwang wird in Frage gestellt. Auch Leute ohne Titel sollen im Handwerk selbständig sein können.


Konventionelles Handwerk: "Der Meistertitel schützt vor Insolvenz."

Unabhängiges Handwerk: Nach eigenen Aussagen der Handwerksverbände kommen auf 10.000 Betriebe im Handwerk 20 Insolvenzen. In allen anderen Branchen gibt es 50 Insolvenzen auf 10.000 Betriebe. Das ergibt 0,2% Insolvenzen im Handwerk und 0,5% Insolvenzen in allen anderen Branchen. Einen Unterschied von 0,3 Prozentpunkten.
Würde man noch die "anderen Branchen" weiter aufschlüsseln, ergäben sich große Unterschiede zwischen ihnen, wo einige Branchen wie Teppichhandel oder Gastronomie wahrscheinlichviel größere Pleitequoten aufweisen als zum Beispiel Lebensmittelläden oder Anwaltskanzleien.
Hier stellt sich die Frage, ob wegen Unterschieden im Bereich von Tausendsteln ein solcher Aufwand wie der der zwangsweisen Meisterausbildung getrieben werden muß.
Abgesehen davon liegt es in jeder Branche, auch im Handwerk, letztendlich in der Verantwortung des einzelnen Unternehmers, ob er seinen Betrieb vorausschauend führt. Ist er einmal Bankrott, kümmert sich auch die Handwerkskammer nicht mehr um ihr ehemaliges Mitglied.


Konventionelles Handwerk: "Das Handwerk bildet besonders viel und gut aus:"

Unabhängiges Handwerk: Das soll es auch weiterhin unbedingt tun. Doch ist die Güte der Ausbildung nicht darin begründet, daß eins der Firmenmitglieder einen Meistertitel trägt. Vielmehr ist der eine Faktor das duale Bildungssystem, also das Zusammenwirken von schulischer und betrieblicher Ausbildung, das in allen gewerblichen Berufen stattfindet. Der andereFaktor ist die relative Überschaubarkeit der Betriebe.
Man kann, was die Anzahl der Lehrlinge angeht, davon ausgehen, daß kein Unternehmer wissentlich über Jahre hinweg ausbilden würde, hätte er keinen Nutzen davon. Das soll auch so sein und wird hier sogar sehr unterstützt. Es ist also unwahrscheinlich, daß die Mehrzahl der handwerklichen UnternehmerInnen wegen des Gemeinwohls Lehrlinge ausbilden. Und sie tun es auch nicht, weil sie einen Meistertitel ihr eigen nennen.
Interessant ist hier noch das vielbeschworene handwerkliche Leitbild des Meisters oder der Meisterin, die persönlich den Auszubildenden durch ihre Anwesenheit Vorbildund Leitfigur sein sollen.
Leider sind in heutigen Handwerksbetrieben die MeisterInnen üblicherweise unterwegs zu Kundengesprächen oder im Büro, die Anleitung übernehmen die Gesellinnen und Gesellen. Die Auszubildenden sind heute auch nicht mehr 13 bis 17 Jahre alt, sondern beginnen mit mindestens 16 Jahren, in vielen Fällen sogar nach dem Abitur, anderer Ausbildung, Studium usw. ihre Lehre. Sie sind außerdem freiheitlicher erzogen als noch vor 30 Jahren. Beides hat zur Folge, daß sie sich gar nicht mehr so leicht "formen" lassen,wie die Theorie vom Meister-Leitbild es gern möchte.
Das duale Bildungssystem läßt sich auch ohne Meisterzwang und ohne Meister-Leitbild aufrechterhalten.


Konventionelles Handwerk: "Das Handwerk schafft Arbeitsplätze."

Unabhängiges Handwerk: Die Handwerksbetriebe schaffen tatsächlich Arbeitsplätze. Aber die Handwerksverbände wenden eine Menge Energie auf, um Arbeitsplätze zu zerstören.
Sie veranlassen Betriebsstillegungen, wo sie nur können. Nicht etwa, weil Kunden Schaden zugefügt wurde, Steuern oder Sozialleistungen hinterzogen wurden. Der einzige Grund ist:"unerlaubte Handwerksausübung".
Die Handwerksverbände bedienen sich allerdings einer besonderen Methode, um Arbeitsplätzein ihren Einflußbereich zu ziehen. Sie betreiben eine aggressive Expansionspolitik, indem sie immer wieder neue Branchen in die Handwerksrolle (das Verzeichnis der Vollhandwerke) zu acquirieren wissen. Mit der Vereinnahmung der Möbelrestauratoren wurdem dem Tischlerhandwerk Arbeitsplätze "geschaffen", die Lehmbauer bereicherten die Zimmerer und Maurer, und die nicht-organisierten kleinen und mittleren EDV-Unternehmen werden demnächst die Büroinformations-elektroniker stärken. Zwar wird es nach der aktuellen Überarbeitung der Handwerksrolle zunächst kein eigenes neues Berufsbild geben. Doch die Büroinformatinselektronikermeister (die schon in die Rolle eingetragen sind) brauchen nur per dynamischem Handwerksbegriff zu erklären, daß diese oder jene Tätigkeit wesentlicher Teilbereich ihre Handwerks seien. Der dynamische Handwerksbegriff besagt, daß zu einem Handwerk die Tätigkeitsfelder gehören, die das besagte Handwerk für sich wählt. Diesem Vorgehen sind die Gerichte auch in der jüngsten Vergangenheit immer noch gefolgt.
Die ersten Verfahren gegen Computer- und Software-Unternehmen laufen schon. Man darf gespannt auf ihren Ausgang sein.
Die handwerklichen Betriebe schaffen tatsächlich Arbeitsplätze. Doch das täten sie auch ohne Zwangsorganisation.
Die Handwerksverbände aber betreiben Arbeitsplatzzerstörung oder Arbeitsplatz-acquise durch die mehr oder weniger feindliche Übernahme ganzer Branchen.


Konventionelles Handwerk: "Der Meistertitel sichert die Qualität des Produkts"

Unabhängiges Handwerk: Unter der Annahme, daß dem so sei, wäre der Meisterzwang gar nicht nötig. Die Kundschaft ginge zum Meisterbetrieb und nicht zur schlechter ausgebildeten Konkurrenz oder zum Discounter, um das Qualitätsprodukt in Auftrag zu geben. Der Meistertitel ist geschützt. Wer ihn nicht erworben hat, darf ihn nicht führen. Also besteht keine Gefahr, daß für den Kunden der Meisterbetrieb nicht mehr erkennbar würde. Wollte allerdingsdie Kundschaft keine besondere Qualität oder wären ihr andere Qalitätskriterien wichtiger, müßte sie den Meister nicht bemühen. Alle handwerklichen Produkte haben ohnehin Konkurrenz durch industriell hergestellte Massenware.
In Abgrenzung zur Massenware soll die Meisterausbildung unbedingt weiter Qualitätsprodukte ermöglichen. Doch würde die Öffnung des Marktes für Nicht-MeisterInnen einen Wettbewerb der Meisterschulen nach sich ziehen, weil diese nur noch durch die Qualität ihrer Ausbildung legitimiert würden, nicht mehr durch gesetzlich gegebene Notwendigkeiten. Das Niveau der Meisterschulen würde sicherlich steigen, die Inhalte sich der Praxis wieder mehr annähern.


Konventionelles Handwerk: " der Meisterzwang bringt Sicherheit"

Unabhängiges Handwerk: Von dem Begriff "Gefahr" wird im Handwerk sehr undifferenziert Gebrauch gemacht.
Um herauszufinden, wo der Meistertitel Gefahren abwenden kann, wäre folgende Vorgehensweise denkbar:
Zunächst werden alle Gewerke, die außerhalb ihrer handwerklichen Regeln andere Gesetzeswerke erfüllen müssen, aussortiert. Zimmerer und Maurer gehorchen zum Beispiel den Architekten, den Statikern, der VOB, den Bauordnungen und der Berufsgenossenschaft. Deren Anweisungen sind wesentlich konkreter als die handwerklichen Grundlagen. Man könnte demnach, was die Gefahren angeht, die Zimmerei und Maurerei schon aus dem Meisterzwang befreien.
Die Bäcker und Metzger müssen die Nahrungsmittelverordnung befolgen. Andernfalls wird ihnen der Betrieb vom Gesundheitsamt geschlossen, nicht durch die Handwerkskammer.

Für die übrigen Berufe muß der Begriff "Gefahr " definiert werden. Wenn ein Korbflechter sich beim Flechten mit den Weiden ins Auge sticht, erblindet er möglicherweise. Aber ist Korbflechten deswegen ein Gefahrenhandwerk?
Wenn der Kunde durch die maßgefertigten Schuhe Blasen oder krumme Zehen bekommt, ist das ein Beleg für die schlechte Leistung des Schuhmachers. Doch das kann dem Kunden mit Konfektionsschuhen genauso passieren. Der Schuhmacher betreibt deswegen kein Gefahrenhandwerk.
Sollte er öfter solche Produkte abliefern, wird die Kundschaft hoffentlich angemessenreagieren. Trüge er einen Meistertitel , würden dem Schuhmachermeister auch hier wegen schlechter Leistung keine Maßnahmen seitens seiner Kammer drohen.

Die Meisterausbildung gewährleistet einen großen Teil der deutschen handwerklichen Qualität. Aber sie schützt in keiner Weise vor schlechten Produkten. Die Gerichte sind überlastet mit Klagen unzufriedener Kunden gegen Handwerksbetriebe.
Hier versagen die Handwerksverbände als Kontrollinstanz.
Der Meistertitel verpflichtet nicht zur Ausführung der erlernten Techniken in der erlernten Weise. Er stellt dem Betriebsinhaber frei, welche Arbeiten er selbst ausführt und wie er die Mitarbeiter kontrolliert. Nicht einmal die Betriebshaftpflichtversicherung ist Vorschrift.
Trotzdem ist die Qualität der durchschnittlichen deutschen Handwerksleistungen unbestritten.Sie geht nur nicht auf das Konto des Meisterzwangs und der Handwerksverbände. Sie ist den Ansprüchen der Verbraucher zu verdanken.
Ähnlich sieht es in der Schweiz aus, deren handwerkliche Tradition und Fähigkeiten sprichwörtlich sind. Dort ist der Meisterzwang allerdings überflüssig.


Nina Knostmann
1997

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