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Scherhag (CDU)
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Dr. Kolb (BMWi)
Hinsken (CSU)

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Protokoll der Bundestagsdebatte vom 11.12.1997 zum Meisterzwang

Das Protokoll der Debatte der 210. Sitzung findet sich beim Bundestag.

Um ihn besser zugänglich zu machen, habe ich das Format bearbeitet (ohne den Text zu verändern).

Die farbliche Kennzeichnung der Redenden sollte ursprünglich nur der besseren Übersicht dienen; herausgekommen ist dabei mehr: Betrachtet man einmal die Zwischenrufe, wird klar, WER hier das Sagen hat und wer im Bundestag zum Thema Handwerk den Ton angibt. Die Dominanz zweier Handwerksfunktionäre in der Diskussion zeigt, dass hier der Bock zum Gärtner gemacht wurde.

Weitere Kommentare verkneife ich mir an dieser Stelle, unsere Argumente sind auf den anderen Seiten der Homepage dargestellt.

Den mehrfach zitierten Bericht der Deregulierungskomission finden Sie unseren Archivseiten.

Dieses Dokument ist ein reines html-file ohne Graphiken. Zum genaueren Studium empfehle ich, ihn mit der "Sichern"-Funktion ihres Browsers zu speichern und ihn in Ruhe offline zu lesen.

mnah

Es sprechen folgende Bundestagsabgeordnete:
Karl-Heinz Scherhag (CDU) KFZ-Meister, Präsident der Handwerkskammer Koblenz, Präsidium ZDH
Ernst Schwanhold (SPD) wirtschaftspolitischer Sprecher der Fraktion
Margareta Wolf (Bündnis 90/Die Grünen) wirtschaftspolitische Sprecherin der Fraktion
Jürgen Türk (F.D.P.)  
Rolf Kutzmutz (PDS):  
Dr. Heinrich L. Kolb (F.D.P.) Parl. Staatssekretär beim Bundesminister für Wirtschaft
Ernst Hinsken (CSU) Bäckermeister, stellvertretender Innungsobermeister


Und los gehts...:


  Plenarprotokoll 13/210
Deutscher Bundestag
Stenographischer Bericht
210. Sitzung
Bonn, Donnerstag, den 11. Dezember 1997

(...)

Tagesordnungspunkt 9:
a) Erste Beratung des von den Fraktionen der CDU/CSU, SPD und F.D.P. eingebrachten Entwurfs eines Zweiten Gesetzes zur Änderung der Handwerksordnung und anderer handwerksrechtlicher Vorschriften (Drucksache 13/9388) 19198 C
b) Erste Beratung des von den Abgeordneten Margareta Wolf (Frankfurt) und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung der Handwerksordnung (Drucksache 13/8846) 19198 D

(...)

Ich rufe jetzt die Tagesordnungspunkte 9 a und 9 b auf:

a)Erste Beratung des von den Fraktionen der CDU/CSU, SPD und F.D.P. eingebrachten Entwurfs eines Zweiten Gesetzes zur Änderung der Handwerksordnung und anderer handwerksrechtlicher Vorschriften
-- Drucksache 13/9388 --
Überweisungsvorschlag:
Ausschuß für Wirtschaft (federführend)
Rechtsausschuß
Ausschuß für Raumordnung, Bauwesen und Städtebau
Ausschuß für Bildung, Wissenschaft, Forschung, Technologie und Technikfolgenabschätzung

b)Erste Beratung des von der Abgeordneten Margareta Wolf (Frankfurt) und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung der Handwerksordnung
-- Drucksache 13/8846 --
Überweisungsvorschlag:
Ausschuß für Wirtschaft (federführend)
Rechtsausschuß
Ausschuß für Arbeit und Sozialordnung
Ausschuß für Familie, Senioren, Frauen und Jugend
Ausschuß für Bildung, Wissenschaft, Forschung, Technologie und Technikfolgenabschätzung
Nach einer interfraktionellen Vereinbarung ist für die Aussprache eine Stunde vorgesehen. Widerspruch? -- Das ist nicht der Fall.
Dann ist es so beschlossen.
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zur Rede von:

Scherhag (CDU)
Schwanhold (SPD)
Wolf (B90/Grüne)
Türk (F.D.P.)
Kutzmutz (PDS)
Dr. Kolb (BMWi)
Hinsken (CSU)

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Ich eröffne die Aussprache. Das Wort hat der Kollege Karl-Heinz Scherhag, CDU/CSU.
Karl-Heinz Scherhag (CDU/CSU): Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Der Gesetzentwurf zur Novellierung der Handwerksordnung, der Anlagen A und B, den wir eingebracht haben, hört sich für Außenstehende so an, als ob es sich hier um ein reines Gesetz für das Handwerk handele. In Wirklichkeit steht aber hinter diesem Gesetz und seinen Veränderungen Deutschlands größter Wirtschaftsbereich. Deshalb möchte ich zu Beginn meiner Rede mit einigen Zahlen aufwarten.
830 000 Handwerksbetriebe, in denen mehr als 6,6 Millionen Menschen beschäftigt sind, erwirtschaften einen jährlichen Umsatz von 1 000 Milliarden DM.
(Ernst Hinsken [CDU/CSU]: Das sind Zahlen!)
In dem Wirtschaftsbereich Handwerk werden rund 630 000 Lehrlinge ausgebildet.
(Ernst Hinsken [CDU/CSU]: Noch besser!)
Sieht man sich die Entwicklung der letzten 20 Jahre im Vergleich zur Entwicklung in der Industrie an, so stellt man fest, daß sich das Handwerk in rasanter Weise zum größten Arbeitgeber der Bundesrepublik entwickelt hat.
(Ernst Hinsken [CDU/CSU]: Wohl wahr!)
Zwischen 1987 und 1996 sind allein in mittelständischen Unternehmen 2 Millionen neue Arbeitsplätze entstanden, während Großunternehmen im gleichen Zeitraum über 500 000 Arbeitsplätze abgebaut haben.
(Dr. Dionys Jobst [CDU/CSU]: Leider wahr!)
Im Zeitraum von 1991 bis 1996 hat sich allein die Zahl der Lehrlinge im Handwerk um 100 000 erhöht, während die Lehrverträge im gewerblich-technischen Bereich der Industrie- und Handelskammern im gleichen Zeitraum von 385 000 auf 257 000 zurückgegangen sind. Das ist ein Minus von genau 128 000.
(Ernst Hinsken [CDU/CSU]: Hört! Hört!)
Auch in diesem Jahr waren bis zum Stichtag 30. September bereits 211 000 neue Lehrverträge im Handwerk abgeschlossen.
(Jürgen Türk [F.D.P.]: Absolute Spitze!)
Das heißt: Das Handwerk wird auch 1997 seiner Verantwortung gerecht, junge Menschen für die Zukunft auszubilden und ihnen sichere Arbeitsplätze zu garantieren.
(Beifall bei der CDU/CSU und der F.D.P. -- Ernst Hinsken [CDU/CSU]: Sehr gut! -- Ernst Schwanhold [SPD]: Ernst, wie viele bildest du denn aus?)
Sieht man sich die Zahlen genauer an, so stellt man fest, daß 70 Prozent aller Lehrlinge im gewerblich-technischen Bereich im Handwerk ausgebildet werden. -- Ich komme noch darauf zurück, Herr Kollege Schwanhold.
(Ernst Schwanhold [SPD]: Ich habe den Hinsken gefragt!)
Deshalb war es mit Beginn der Arbeiten an den Anlagen A und B zunächst einmal besonders wichtig, daß die bestehenden Betriebsstrukturen des Handwerks beachtet wurden. Unser Hauptaugenmerk galt deshalb der Entwicklung der einzelnen Berufe, der Betriebszahlen der einzelnen Gewerke, den Mitarbeiterzahlen und den auch in Zukunft zur Verfügung stehenden Ausbildungsplätzen. In den genannten Bereichen sollte sich die neue Handwerksordnung in ihrer Entwicklung positiv für das gesamte deutsche Handwerk in das neue Jahrtausend hinein auswirken.
All den Diskussionen um die Infragestellung des großen Befähigungsnachweises kann deshalb entgegengetreten werden, weil der Wegfall dieses großen Befähigungsnachweises in Deutschland eine totale Systemveränderung bedeuten würde.
(Ernst Hinsken [CDU/CSU]: Sehr wahr!)
Wenn wir von der klassischen Einteilung -- Lehrling, Geselle, Meister -- abkehren, werden wir die positiven Chancen nicht mehr nutzen können, die das duale System im Handwerk mit sich bringt.
(Beifall bei der CDU/CSU und der F.D.P.)
Doch nun zur eigentlichen Handwerksordnung. Wir haben auf Grund der Diskussion aus der letzten Legislaturperiode und der im Raum stehenden Deregulierungswut ein Eckwertepapier geschaffen, durch das alle Berufe einer Prüfung unterzogen wurden, bevor wir die Neuordnung vorgenommen haben. Wesentliche Punkte bei der Neuordnung waren der Bestand der Betriebe und Berufe, die Arbeitsplatz- und Lehrstellenentwicklung, die Zukunftschancen und die Tradition der Berufe.
Dabei kamen wir schnell zu der Erkenntnis, daß jeder einzelne der 80 Millionen Bürger der Bundesrepublik vom Handwerk berührt wird:
(Ernst Hinsken [CDU/CSU]: So ist es!)
ob im Nahrungsmittelhandwerk das Brot, die Brötchen und die Fleischwaren, im Baugewerbe der Rohbau und der Innenausbau, im Gesundheitswesen der Zahntechniker, der Friseur und der Orthopädiemechaniker oder im Sicherheitsbereich die Gas-, Wasser- und Lüftungsinstallateure, die Elektrohandwerke oder das Kfz- Gewerbe mit all seinen sicherheitsrelevanten Aspekten.
Immer wieder mußten wir feststellen, daß gut ausgebildete Handwerker benötigt werden und daß dies in der ganzen Bundesrepublik, von Kiel bis Passau, gewährleistet ist.
(Zurufe von der CDU/CSU: Sehr wahr!)
Das deutsche Handwerk muß in Zukunft verstärkt dem europäischen Wettbewerb standhalten und sein hohes Niveau zu vergleichsweise wettbewerbsfähigen Preisen anbieten, um im gemeinsamen Markt bestehen zu können.
(Beifall des Abg. Ernst Hinsken [CDU/CSU])
Wir haben auch die Forderung der Kunden nach möglichst vielen Gewerken aus einer Hand erfüllt.
(Ernst Schwanhold [SPD]: Ja, bei den Bäckern und den Konditoren!)
Hier waren Handwerkszusammenlegungen, aber auch Verwandtschaften untereinander zu schaffen. Auch die steigende Nachfrage nach mehr Lehrstellen wurde berücksichtigt. Wir gehen davon aus, daß mit der neuen Handwerksordnung mehr Lehrstellen angeboten werden können. In Zukunft können in einem Beruf noch mehr unterschiedliche Ausbildungsberufe als bisher angeboten werden.
(Ernst Hinsken [CDU/CSU]: Sehr richtig!)
Ich bringe hier ein Beispiel: In den zusammengefaßten Berufen wie beispielsweise im Kfz-Gewerbe gibt es 55 255 Kfz-Betriebe, aber nur 2 600 Kfz-Elektrobetriebe. Da sich aber die Entwicklung der Automobile so verändert hat, daß heute in jedem Kfz-Betrieb auch mindestens ein Kfz-Elektriker benötigt wird, ist es für jedermann nachvollziehbar, daß die 2 600 Kfz-Elektrobetriebe nicht den Nachwuchs für 55 255 Kfz-Betriebe ausbilden können. Hier fehlen Meister und Gesellen.
(Ernst Hinsken [CDU/CSU]: So ist es!)
Mit der neuen Anlage A geht dies in vielen anderen Berufen in ähnlicher Form. Ich bin davon überzeugt, daß wir damit einen großen Schritt in Richtung Bewältigung des Schülerberges in den nächsten Jahren getan haben.
(Ernst Schwanhold [SPD]: Was meint er mit Schülerberg?)
Dieser Gesetzentwurf wird heute in Gemeinsamkeit der Fraktionen von CDU/CSU, F.D.P. und SPD eingebracht. Für Ihren Einsatz, Herr Kollege Schwanhold, herzlichen Dank.
(Beifall bei der CDU/CSU und der F.D.P. -- Jürgen Türk [F.D.P.]: Konstruktive Arbeit!)
Die Grünen haben sich nach der ersten Zusammenkunft aus der gemeinsamen Verantwortung zurückgezogen und einen eigenen Gesetzentwurf vorgelegt. Hier, meine Damen und Herren, zeigt sich wieder, daß die wirtschaftlichen Traumtänzer dieses Parlaments die Grünen sind. Denn betrachtet man ihren Gesetzentwurf, so stellt man fest, daß jede Art von Sachkenntnis und wirtschaftlicher Kompetenz fehlt.
(Beifall bei der CDU/CSU und der F.D.P.)
Der Gesetzentwurf ist fehlerhaft und entspricht nicht der Wirklichkeit.
(Ernst Schwanhold [SPD]: Das stimmt!)
Ich würde der Fraktion der Grünen empfehlen, ihren Gesetzentwurf zurückzuziehen. Bis zur zweiten und dritten Lesung des Gesetzes besteht ja noch die Möglichkeit, meine liebe Frau Wolf, sich das Buch "Das Handwerk der Zukunft -- Leitbilder für nachhaltiges Wirtschaften" aus einem Verlag in Berlin zu beschaffen. Das kann ich Ihnen empfehlen.
(Beifall bei der CDU/CSU und der F.D.P. -- Margareta Wolf [Frankfurt] [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das habe ich gelesen!)
Auch den Artikel vom 8. Dezember 1997 aus der "Frankfurter Allgemeinen Zeitung" mit der Überschrift "Große Zukunft für das Handwerk" sollte sich die Fraktion der Grünen einmal zu Gemüte führen. Hier heißt es -- ich zitiere nur einen kurzen Teil daraus --:
Auf der Suche nach Leitbildern für nachhaltiges Wirtschaften im Sinne vernünftigen Umgangs mit Rohstoffen, Energie und Umwelt fällt jetzt neuer Glanz auf alte Tradition: Seit der "Agenda 21", der Konferenz von Rio 1992, gilt das Handwerk als sozioökonomischer Königsweg aus der Krise der Industriegesellschaft.
(Hartmut Schauerte [CDU/CSU]: Das merken Sie sich einmal!)
"Regionalentwicklung statt Globalisierung", "Maßanfertigung statt Massenproduktion", "Wochenmarkt statt Welthandel", "Reparatur statt Entsorgung" heißen die Schlagworte für postindustrielles Wirtschaften.
(Ernst Hinsken [CDU/CSU]: Sehr gut!)
Meine Damen und Herren, ich komme zum Schluß und fasse zusammen:
Das Gesetz zur Handwerksordnung ist ein in die Zukunft gerichtetes Gesetz. Es wird neue Arbeitsplätze schaffen. Es wird Existenzgründern neue Chancen eröffnen.
(Beifall bei der CDU/CSU und der F.D.P. -- Ernst Hinsken [CDU/CSU]: Das brauchen wir auch!)
Es bietet jungen Menschen durch die Schaffung neuer Berufe mehr Lehrstellen, also Chancen für die Zukunft, und es wird die Einmaligkeit des deutschen Handwerks und des damit verbundenen dualen Systems auf der Welt noch einmal bekräftigen.
Meine Damen und Herren, ich bitte Sie: Stimmen Sie diesem Gesetzentwurf zu.
(Beifall bei der CDU/CSU und der F.D.P. -- Ernst Hinsken [CDU/CSU]: Da hat einer gesprochen, der von der Materie etwas versteht!)
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Vizepräsident Hans-Ulrich Klose: Das Wort hat der Kollege Ernst Schwanhold, SPD.
Ernst Schwanhold (SPD): Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Es war notwendig, über die Novellierung der Handwerksordnung miteinander zu diskutieren. Ich will gleich am Anfang sagen: Ich halte es auch für notwendig, daß wir dies möglichst ohne Parteienstreit tun, weil wir damit den Problemen des Handwerks nicht gerecht werden würden.
(Beifall bei der CDU/CSU und der F.D.P.)
Gleichwohl will ich schon eine Vorbemerkung machen. Wenn Sie einmal Ihren Entwurf aus der Koalition anschauen und mit dem vergleichen, was heute im Ausschuß zustande gekommen ist, dann müssen Sie erkennen, daß Sie auf den Sachverstand der Opposition nicht haben verzichten können.
(Jürgen Türk [F.D.P.]: Deshalb sind Sie ja eingeladen worden!)
Wir hätten uns blamiert, wenn wir Ihren Entwurf hier vorgelegt hätten.
Die großen Leistungen des Handwerks will ich nicht kleinreden. Ich will ausdrücklich unterstützen, welche besondere Bedeutung das Handwerk in der Bundesrepublik Deutschland nicht nur als Wirtschaftsfaktor, sondern auch als stabilisierendes gesellschaftliches Element hat. Diese Rolle muß auch für die Zukunft gestärkt werden. 30 Prozent der Beschäftigten, inklusive derjenigen, die vom Handwerk leben, sind mit 100 Milliarden DM Wirtschaftsleistung vom Handwerk abhängig. Diese Zahlen hat der Kollege Scherhag genannt. Mir haben eifrige Mitarbeiter dies auch alles aufgeschrieben.
Deshalb lasse ich diesen Teil einmal weg und werde ein paar Fragen stellen, die wir zu beantworten haben: Welche Rolle wird der Große Befähigungsnachweis in der Zukunft spielen? Weshalb ist die Diskussion über die Handwerksordnung notwendig geworden?
Ich sage für die SPD: Wir werden am Großen Befähigungsnachweis festhalten,
(Beifall bei der CDU/CSU und der F.D.P.)
weil damit die Zahl der Ausbildungsleistungen, eine qualitativ hochstehende Dienstleistung oder qualitativ hochstehende Produkte und in besonderem Maße auch Gesamtverantwortung für die regionale Wertschöpfung, die durch das Handwerk viel besser gewährleistet ist als durch alle anderen Bereiche, untrennbar verbunden sind.
(Beifall bei der F.D.P. -- Zurufe von der CDU/CSU: Sehr richtig! -- Auch das stimmt!)
Wenn wir diesen Punkt einmal völlig unangetastet lassen, dann gibt es Veränderungen innerhalb des Handwerks, die auch die Handwerksverbände zur Kenntnis zu nehmen haben. Es macht keinen Sinn, den Versuch zu unternehmen, etwas, was sich vom Handwerk wegentwickelt, über Klagen wieder zum Handwerk zurückzuholen. Man kann den Verbänden, den Kreishandwerkerschaften, den Handwerkskammern und dem ZDH nur empfehlen, den Wettbewerb in den unterschiedlichen Formen, in denen er sich entwickelt hat, offensiv anzunehmen und nicht einerseits so zu tun, als ob man nach Freiheit rufen dürfe, und andererseits für sich selbst Schutzzäune zu reklamieren.
Dies ist ein Punkt, der in der Diskussion bei uns immer wieder eine Rolle gespielt hat. Ich will dies als Appell an das Handwerk weitergeben -- nicht, um den großen Befähigungsnachweis in Frage zu stellen --, weil ich glaube, daß derjenige, der klagt und sich seine Reservate erhalten will, letzten Endes dem Erhalt des großen Befähigungsnachweis am wenigsten dient.
(Beifall bei der SPD) Der große Befähigungsnachweis muß sich auch zukünftig verändern. Er muß sich sehr viel mehr an den Wünschen der Kunden orientieren, er muß sich auch sehr viel mehr mit neuen technischen Veränderungen auseinandersetzen und muß diese aufnehmen. Dadurch gibt und gab es eben die Notwendigkeit, die Ausbildungsinhalte vom Vorbehaltsbereich zu trennen. Dies ist uns gelungen, und es war auch notwendig.
Vizepräsident Hans-Ulrich Klose: Herr Kollege Schwanhold, gestatten Sie Ihrem Kollegen Tauss eine Zwischenfrage?
Ernst Schwanhold (SPD): Ja, ich gestatte sie ihm.
Vizepräsident Hans-Ulrich Klose: Bitte.
Jörg Tauss (SPD): Herr Kollege Schwanhold, Sie haben gerade berechtigt darauf hingewiesen, daß hier auch im Zusammenhang mit der Novellierung der Handwerksordnung Bedenken geäußert werden. Mir wurden solche Bedenken immer wieder beispielsweise von kleinen Computerläden und jungen Existenzgründern vorgetragen, die befürchten, daß im Zusammenhang mit einer Novellierung und der Verpflichtung zur Beschäftigung von Meistern ihre Existenz gefährdet wäre. Inwieweit wurde -- wenn ich an das anknüpfen darf, was Sie eben ausgeführt haben -- diesen Bedenken nun tatsächlich Rechnung getragen? Können wir diese Befürchtungen, die ja vehement geäußert worden sind, zerstreuen?
Ernst Schwanhold (SPD): Herr Kollege Tauss, die Darstellung, die Sie gegeben haben, ist exemplarisch für eine Reihe von Berufen. Ich will sie aber im Bereich der Elektroberufe gerne konkret beantworten. Dort hat sich aus dem Beruf des Büromaschinenmechanikers und des Radio- und Fernsehtechnikers heraus ein komplettes Feld von Informations- und Kommunikationsgeschäften entwickelt, die zum Beispiel erstens handeln, die zweitens Software anbieten, die drittens die Montage von Computern vornehmen, die viertens auch Einrichtungen innerhalb von Betrieben und in Privathäusern vornehmen.
Können wir jetzt diese Entwicklung, die zu 30 000 und mehr Betrieben geführt hat, dadurch bremsen, daß wir einen neuen Vorbehaltsbereich in den bisherigen Berufen schaffen, damit es keine Anschlußregelungen für die Betriebe der Informations- und Kommunikationstechnologie geben kann, ohne daß ein Meister eingestellt wird? Ich glaube, dieser Bereich hat sich so weit vom Handwerk entfernt entwickelt, daß wir ihn nicht zerschlagen dürfen und wir darauf achten müssen, daß die bisher bestehenden Betriebe eine Zukunftschance bekommen. Gleichzeitig darf der Büromaschinenmechaniker, der in Zukunft Informationsmechaniker heißen wird
(Ernst Hinsken [CDU/CSU]: Informationstechniker!)
-- Informationstechniker --, den Wettbewerb aufnehmen und sich in diesen Bereich vorwagen. Aber er bekommt keinen Vorbehaltsbereich.
(Zuruf von der CDU/CSU)
-- Entschuldigung, ich antworte jetzt dem Kollegen Tauss.
Lassen Sie mich eine Bemerkung dazu machen: Man kann sich auch über einzelne Elemente solch eines Berufes neue Berufsfelder erarbeiten. Zum Beispiel kann die strukturierte Verkabelung als ein Element, das im Vorbehaltsbereich des Büromaschinenmechanikers aufgeführt ist, nicht auch im Informations- und Kommunikationssektor mit einem solchen Vorbehalt belegt werden. Deshalb müssen wir in der Begründung nachschauen, ob wir ausreichend Sicherheit geschaffen haben, daß beide, einerseits die bei den Industrie- und Handelskammern organisierten Händler mit dem Dienstleistungsangebot, welches ich eben angesprochen habe, andererseits die Handwerker, ihre eigenen Chancen entwickeln, ohne daß es gegenseitige Behinderungen gibt.
(Ernst Hinsken [CDU/CSU]: Richtig!)
Das ist auch für den Bereich des Druckers so zu sehen. Dort haben wir den Buchdrucker, der auf das Hochdruckverfahren festgeschrieben worden ist. Gleichzeitig hat sich das Druckhandwerk in den Bereich des Offsetdrucks hinein entwickelt. Dieser ist nicht als Bereich des Handwerks geschützt worden. Es war die Frage: Machen wir zugunsten von 1 500 Betrieben, die bisher noch mit dem Hochdruckverfahren arbeiten, einen Vorbehalt, der 15 000 Offsetdruckereien langfristig Schwierigkeiten bereiten und ihnen Wettbewerbschancen nehmen würde? Ich glaube, es war verantwortlich, den Entwicklungen, die in diesem Bereich eingeleitet worden sind, in der Weise Rechnung zu tragen, daß wir in die Ausbildung des Buchdruckers, in die Ausbildung des Hochdruckers den Offsetdruck aufnehmen, aber nicht gleichzeitig daraus einen Vorbehaltsbereich mit dem Erfordernis eines Großen Befähigungsnachweises entwickeln.
Meine Damen und Herren, damit sind wir in einem Kernbereich, der für das Handwerk in Zukunft von Interesse ist. Wir müssen den handwerklichen Betrieben dynamische Entwicklungsmöglichkeiten eröffnen, so daß sie sich neue Techniken erschließen. Je eher Handwerksbetriebe diese von sich aus aufnehmen, desto weniger entsteht der Wettbewerb, den wir gelegentlich durch einen Schutzzaun vermieden haben. Ich möchte, daß die Handwerker ihre Chancen offensiv annehmen und begreifen und daß wir die Vorteile, die das Handwerk in Ausbildung, in Qualifizierung und in Verbraucherschutz bietet, durch exzellente Leistungen aufrechterhalten und das Handwerk im Wettbewerb und nicht durch Schutzzäune verteidigen. Das ist die erste Bemerkung genereller Art, die ich machen will.
Eine zweite Bemerkung: Wir haben auch eine Verpflichtung gegenüber Traditionen des Handwerks. Da hat es in den letzten 50 Jahren eine unterschiedliche Entwicklung gegeben: In Ostdeutschland haben sich andere Berufe entwickelt als in Westdeutschland. Wir hatten abzuwägen, ob es unser Recht und unsere Verpflichtung ist, zugunsten einiger weniger Betriebe, die sich innerhalb Ostdeutschlands, innerhalb der alten DDR, zum Beispiel als handwerkliche Kosmetikbetriebe, entwickelt haben, eine gewachsene Struktur von einigen zehntausend Kosmetikinstituten und -betrieben zu zerstören. Wir haben uns dafür entschieden, daß einerseits die Verbrauchersicherheit und der Verbraucherschutz für diejenigen, die Kosmetikdienstleistungen in Anspruch nehmen, durch eine gute, gesicherte, auf eine vernünftige Basis ausgedehnte Ausbildung gewährleistet wird und daß andererseits nicht jeder Betrieb, der Kosmetikdienstleistungen anbietet, in Zukunft einen Meister einstellen muß. Das wäre unverantwortlich gewesen gegenüber den Ausbildungsstrukturen, gegenüber den Betrieben und insbesondere auch gegenüber denen, die in dieses Berufsfeld einsteigen wollen.
An diesem Beispiel habe ich exemplarisch deutlich gemacht, daß es bei der Novellierung zu Schmerzen kommt. Deshalb wollen wir sie möglichst nicht im Streit vornehmen. Es gibt weitere Berufe: die Bestatter, die Stuhlbauer und andere.
(Ernst Hinsken [CDU/CSU]: Wenn die SPD auf anderen Gebieten auch so vernünftig wäre, wäre es super!)
Wir sind mit der Ausweitung der Vorbehaltsbereiche sehr vorsichtig umgegangen. Wir haben nur einen einzigen neuen Beruf in die Anlage A zur Handwerksordnung aufgenommen; das ist der des Gerüstbauers.
(Hartmut Schauerte [CDU/CSU]: Und das mit guten Gründen!)
-- Dafür gibt es gute Gründe.
Ich will deshalb noch eine generelle Bemerkung zur Frage machen, ob es eigentlich notwendig gewesen wäre oder eine Chance geboten hätte, einfache Dienstleistungen von komplizierten Handwerksleistungen dadurch zu trennen, daß wir einen Beruf in die Handwerksrolle A und gleichzeitig einen ähnlichen Beruf in die Handwerksrolle B aufnehmen. Wir haben dies als einen nicht gangbaren Weg angesehen, weil dadurch zwangsläufig bisher geschaffene Strukturen zerstört und Ausbildungsplätze vernichtet worden wären.
Ich mache dies am Beispiel des Gebäudereinigers deutlich. Wir sind mit großen Schmerzen daran gegangen und haben versucht, die völlig unsortierten 610-DM-Arbeitsverhältnisse im Bereich der Gebäudereiniger aufzudröseln und in vernünftige Arbeitsverhältnisse zu überführen. Vor einiger Zeit ist der Beruf des Gebäudereinigers in die Handwerksrolle A übernommen worden. Noch immer sind 60 Prozent der Beschäftigten des Gebäudereinigerhandwerks in 610-DM-Arbeitsverhältnissen. Ich weise ausdrücklich darauf hin, daß die Handwerker dies anders wollen.
(Zustimmung bei der CDU/CSU)
Sie wollen fest Beschäftigte. Das ist außerordentlich positiv und zu begrüßen.
Meine sehr verehrten Damen und Herren von der Koalition, ich bitte Sie sehr herzlich, diesen Wünschen der Handwerker Rechnung zu tragen, damit wir dort sozialversicherungsverpflichtige Arbeitsverhältnisse bekommen. Das aber geht nur, wenn wir Einschränkungen bei den 610-DM-Arbeitsverhältnissen machen, damit sich nicht einzelne Unternehmen, die damit relativ verantwortungslos umgehen, über Wettbewerbsverzerrungen Vorteile gegenüber den Unternehmen verschaffen können, die gerne sozialversicherungspflichtige Beschäftigungsverhältnisse haben.
Hätten wir aber in B- und A-Berufe aufgeteilt, dann wäre daraus folgendes entstanden: Kaum jemand hätte einen Angehörigen eines A- Berufes und damit einen Meister angestellt. Vielmehr wären die Unternehmen in Betriebe nach der Handwerksrolle B aufgesplittet worden, was dazu geführt hätte, daß die Ausbildung von vielen tausend Menschen zurückgegangen wäre und daß man insbesondere komplett in die 610-DM-Arbeitsverhältnisse gegangen wäre.
(Zurufe von der CDU/CSU: Sehr richtig!)
Dies ist aus sozialpolitischen und aus handwerkspolitischen Gründen nicht vertretbar gewesen. Deshalb haben wir auf die Aufsplittung in A- und B-Handwerksrollen verzichtet.
(Beifall bei der SPD)
In diesem Zusammenhang möchte ich eine Bemerkung zum Antrag der Grünen machen. Der Antrag der Grünen ist eine Verkleisterung der tatsächlichen Aufgabe des Großen Befähigungsnachweises.
(Ernst Hinsken [CDU/CSU]: Da hat er recht!)
Frau Kollegin Wolf, Sie wissen dies sehr genau. Sie wollen ihn für einige Berufe, nämlich die gefahrenbewehrten Berufe, aufrechterhalten, wobei Sie ganz genau wissen, daß die Gefahrenbewehrung schon in der Vergangenheit überhaupt kein Kriterium der Handwerksordnung gewesen ist. Anderenfalls müßte man da noch ganz andere Berufe hineinnehmen. Sie wollen über dieses Vehikel verkleistern, daß Sie insgesamt die Handwerksordnung aushebeln wollen.
(Beifall bei der CDU/CSU -- Ernst Hinsken [CDU/CSU]: Genauso ist es!)
Dies werden wir aus den Gründen, die ich anfangs genannt habe, nicht mitmachen. Aber ich bin ziemlich sicher, daß wir bis zum Herbst 1998 -- dann werden wir intensiver darüber zu reden haben - - soviel Einsicht produziert haben werden, daß Sie unseren Weg mitgehen werden.
Lassen Sie mich noch auf die Fragen eingehen, wie wir eigentlich im europäischen Kontext mit der Handwerksordnung umgehen und welche Möglichkeiten wir schaffen, daß sich auch langjährig erprobte Gesellen, die über ein hohes Fachwissen verfügen, in bestimmten Bereichen selbständig machen können und wir nicht Betriebe in den Ruin hineintreiben, weil es keinen Meister gibt, zumal die von Ihnen zwischenzeitlich einmal abgeschaffte Förderung für den Meister zu einer Meisterlücke geführt hat, so daß wir heute nicht genügend Meister haben.
(Hartmut Schauerte [CDU/CSU]: Wir haben das Meister-BAföG überhaupt erst eingeführt!)
-- Herr Kollege Schauerte, regen Sie sich nicht auf! Auf Grund unserer Interventionen haben Sie das Meister-BAföG wieder eingeführt. Sie hatten es gekillt; Herr Kollege Hinsken weiß dies sehr genau.
(Ernst Hinsken [CDU/CSU]: Das haben wir aus eigenem Antrieb wieder eingeführt! -- Zuruf des Abg. Hartmut Schauerte [CDU/CSU])
-- Warum regen Sie sich denn so auf? Wir haben doch einen gemeinsamen Gesetzentwurf vorgelegt. Ich möchte der staunenden Öffentlichkeit nur deutlich machen, welche Krokodilstränen Sie gelegentlich über Nachfolgeregelungen vergießen, obwohl Sie selbst dafür gesorgt haben, daß es nicht so gelaufen ist, wie es hätte laufen können.
(Beifall bei der SPD)
Lassen Sie mich bei den Gesellen bleiben: Es gibt Betriebe, die seit Jahren von Altgesellen geführt werden, weil ein alter Meister nur formell Betriebsinhaber, aber nicht mehr in der Lage ist, den Betrieb selbst zu führen, und dieser Meister keinen Nachfolger hat. Teilweise handelt es sich um Betriebe mit 20 oder 30 Beschäftigten. Die Kolleginnen und Kollegen, die dort arbeiten, leisten eine vorzügliche Arbeit, und die Kunden sind damit zufrieden. Ist es richtig, wenn dieser Meister nun stirbt oder sich zurückzieht, daß die Handwerkskammern dem Gesellen dann sagen, er könne diesen Betrieb nicht weiterführen, obwohl sich dafür kein Meister findet? Oder müssen wir nicht eine Brücke bauen, damit solche Betriebe, auch gebunden an diesen Gesellen, weitergeführt werden?
(Beifall des Abg. Jörg Tauss [SPD])
Diese Brücke haben wir gebaut, und dennoch sieht die Praxis der Handwerkskammern und der Kreishandwerkerschaften anders aus. Wir haben uns über viele Bereiche gerade aus Ihrem Gebiet, Herr Hinsken, dem Trockenbau, unterhalten. Ich will deshalb noch einmal den Appell an diejenigen richten, die dort tätig sind: Geben Sie auch denen eine Chance, die qualifiziert sind und denen man nicht mehr zumuten kann, die Meisterprüfung abzulegen, eine Chance für den Fortbestand des Betriebes und für den Fortbestand der Arbeitsplätze.
(Beifall bei Abgeordneten der SPD)
300 000 kleine und mittlere Betriebe werden in den nächsten drei Jahren einen Betriebsnachfolger suchen. Eine Umfrage bei den Handwerksbetrieben in Bayern hat ergeben, daß sehr viele natürliche Nachfolger, nämlich die Söhne oder die Töchter, die Handwerksbetriebe nicht übernehmen wollen.
(Hartmut Schauerte [CDU/CSU]: Wegen Ihrer Steuern!)
Vizepräsident Hans-Ulrich Klose: Gestatten Sie dem Kollegen Hinsken eine Zwischenfrage?
Ernst Schwanhold (SPD): Aber selbstverständlich.
Ernst Hinsken (CDU/CSU): Herr Kollege Schwanhold, darf ich Sie bitten, sich daran zu erinnern, daß wir im Jahre 1993 bei der Neufassung der Handwerksordnung mit Ihrer Mithilfe erreicht haben, daß Altgesellen, die gewisse Voraussetzungen erfüllen, in die Lage versetzt werden, einen Betrieb weiterzuführen, ohne die Meisterprüfung absolvieren zu müssen? Wir haben schon damals richtig gehandelt, und ich weise es entschieden zurück, wenn hier behauptet wird, das würde von einigen Kammern unterlaufen.
(Beifall bei der CDU/CSU)
Ernst Schwanhold (SPD): Lieber Kollege Hinsken, Sie wissen sehr genau -- ich bin gern bereit, Ihnen diese Fälle vorzulegen --, daß das, was den Gesetzestext angeht, zwar richtig ist, aber daß wir im Richterrecht andere Entwicklungen haben. Ich kann Ihnen Belege dafür bringen, daß Betriebe, die so geführt worden sind, wie ich es gerade beschrieben habe, auf Grund einer richterlichen Anordnung stillgelegt worden sind.
Ich appelliere an die Handwerkskammern und an die Handwerker, mit mehr Toleranz an diese Probleme heranzugehen, weil sie sonst am Ende ihren eigenen Berufsstand und ihre eigene Zukunft gefährden.
(Beifall bei der SPD)
Das ist der Punkt, auf den ich hinweisen möchte. Daß Sie, Herr Kollege Hinsken, das politisch wollen, steht außer Frage. Lassen Sie mich noch bei der Nachfolgeregelung bleiben. Es gehört zur Verantwortung eines jeden Unternehmers, in seinem Unternehmen seinen eigenen Nachfolger heranzuziehen. Das steht außer Frage. Aber eine Umfrage bei den bayerischen Handwerkern hat ergeben, daß 70 Prozent der Kinder den Betrieb nicht übernehmen wollen.
(Hartmut Schauerte [CDU/CSU]: Wegen der hohen Steuern!)
Wir werden bis zum Jahre 2001 noch rund 1 Million Arbeitsplätze verlieren, weil wir nicht in genügender Zahl Betriebsnachfolger haben.
(Karl-Heinz Scherhag [CDU/CSU]: Ihr diskriminiert doch dauernd die Selbständigen! Das ist doch das Problem!)
Das gilt nicht nur für das Handwerk, sondern für die kleinen und mittleren Betriebe insgesamt, aber es ist ein ganz besonderes Problem des Handwerks.
(Ernst Hinsken [CDU/CSU]: Leider wahr!)
Wir werden in diesem Zeitraum durch Neugründungen nicht annähernd so viele Arbeitsplätze schaffen können, weil auch noch ein paar Pleiten hinzukommen.
Angesichts von 4,5 Millionen Arbeitslosen zum gegenwärtigen Zeitpunkt -- wenn man richtig hinschaut, stellt man fest, daß es neben den registrierten Arbeitslosen noch ein paar mehr gibt -- müssen wir, liebe Kolleginnen und Kollegen von der Union, schon sehr viel mehr Gehirnschmalz darauf verwenden, wie wir Arbeitsplätze in diesem Land erhalten, und dürfen nicht ausschließlich darüber nachdenken, wie ein Gesetz so engstirnig interpretiert werden kann, daß gut funktionierende Betriebe kaputtgemacht werden.
(Beifall bei Abgeordneten der SPD)
Dies scheint ein wirklich ernstes Problem zu sein, und die Handwerkskammern wären gut beraten, wenn sie uns für die nächste Legislaturperiode oder für eine fernere Zukunft Vorschläge dazu unterbreiten würden, wie wir auf einen sicheren Pfad kommen, damit auch Betriebsübergänge möglich sind und Arbeitsplätze erhalten werden.
(Ernst Hinsken [CDU/CSU]: Die Vorschläge liegen vor! Sie und Ihre Kolleginnen und Kollegen müssen sie nur umsetzen!)
Lassen Sie mich einen letzten Punkt ansprechen, verehrter Herr Kollege Hinsken: Stringent sind wir in unserer Argumentation nicht gewesen, und dennoch stehen wir dazu. Wir haben zum Beispiel im Bereich des Daches zugelassen, daß Dachdecker und Zimmerleute in etwa die gleiche Arbeit ausführen. Das war gut und richtig, weil sich das regional so herausgebildet hat und weil in bestimmten Bereichen auch die Technik soweit ist, daß man dafür nicht einen eigenen ausschließlichen Befähigungsnachweis benötigt. Sie werden mir in diesem Zusammenhang aber auch die Frage gestatten, ob es wirklich sinnvoll war, im Zuge dieser Debatte den Bäcker und den Konditor als zwei getrennte Handwerke zu belassen.
(Heiterkeit -- Ernst Hinsken [CDU/CSU]: Das war sehr wichtig!)
Ich danke Ihnen für die Geduld, meine sehr verehrten Damen und Herren.
(Beifall bei der SPD)
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Schwanhold (SPD)
Wolf (B90/Grüne)
Türk (F.D.P.)
Kutzmutz (PDS)
Dr. Kolb (BMWi)
Hinsken (CSU)

zum Ende
Vizepräsident Hans-Ulrich Klose: Das Wort hat die Kollegin Margareta Wolf, Bündnis 90/Die Grünen.
Margareta Wolf (Frankfurt) (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Herr Kollege Scherhag, als ich Sie vorhin gehört habe, habe ich gedacht, es ist wirklich gut, daß ich nicht im Mittelalter geboren bin und wir nicht im Mittelalter diskutieren; denn sonst hätten Sie mich wahrscheinlich zur Hexenverbrennung empfohlen.
(Ernst Hinsken [CDU/CSU]: Dafür sind Sie viel zu hübsch!)
-- Danke, Herr Hinsken. -- Aber, Herr Scherhag, Sie haben vorhin auf die positive Resonanz der Medien hingewiesen. Ich kann Ihnen aus dem Gedächtnis sagen -- ich habe das jetzt leider nicht dabei --: Die Zeitung "Impulse" hat sich in einem Titelthema damit beschäftigt und gesagt, Ihr Gesetzeswerk sei verstaubt. Der BDI, der DIHT und die "FAZ" haben sich damit beschäftigt, und alle haben sie in ein ähnliches Horn gestoßen.
(Heinrich-Wilhelm Ronsöhr [CDU/CSU]: Danach müssen Sie sich aber auch sonst richten!)
-- Behalten Sie mal die Ruhe! -- Auch damit muß man sich einmal auseinandersetzen.
Zu Ihnen, verehrter Herr Kollege Schwanhold: Sie sagen, ich wolle durch die Hintertür den Meisterbrief abschaffen. Ich will überhaupt nichts durch die Hintertür! Aber ich nehme doch an, daß wir beide zusammen in 1998 eine größtmögliche europäische Harmonisierung von Gesetzen, Verordnungen und auch von Gewerberecht und Steuern anstreben. Ich bin da ganz guten Mutes, daß wir einen Weg finden werden.
Noch ein Stichwort zum Anfang. Herr Hinsken, Sie haben vorhin gesagt, seit 1993 sei der Übergang von alteingesessenen Gesellen in die Rolle der Leiter von Betrieben möglich.
(Ernst Hinsken [CDU/CSU]: Das haben wir ins Gesetz geschrieben!) -- Das haben Sie ins Gesetz geschrieben, wunderbar. -- Aber Sie glauben gar nicht, wie viele Anrufe ich in den letzten Wochen und Monaten bekommen habe. Ich nehme auch an, daß Herr Schwanhold nicht ohne Grund gesagt hat, daß die Realität eine andere sei.
Ich habe heute morgen -- dieses Beispiel ist mir jetzt noch präsent -- einen Anruf von einem Fliesenleger bekommen, der 59 Jahre alt ist. 44 Jahre war dieser Mann Fliesenleger, in Amerika und in Südafrika. Dieser Fliesenleger hat zum Beispiel das Haupthaus der Firma VW mit Marmorfliesen belegt.
(Zuruf von der F.D.P.)
-- "VW" hätte ich nicht sagen dürfen; ist in Ordnung. --
(Heinrich-Wilhelm Ronsöhr [CDU/CSU]: VW ist immer in Ordnung!)
Jetzt ist er seit fünf Jahren zurück in Hofgeismar. Für das gesamte nächste Jahr hat er Angebote von vielen Automobilfirmen in Hessen. Nun hat man ihn damit konfrontiert, daß er seinen Betrieb nicht weiter leiten dürfe. Man hat ihm gesagt, er müsse eine Handwerksmeisterprüfung nachmachen. Das hat er auch versucht und ist durchgeflogen. Jetzt stehen sie bei ihm vor der Tür und sagen: Den Laden mußt du dichtmachen. Dieser Mann bezieht heute Sozialhilfe. Er ist 59 Jahre alt. Das geht -- das wissen wir alle -- Menschen in diesem Alter tatsächlich an die Ehre.
Vizepräsident Hans-Ulrich Klose: Frau Kollegin Wolf, gestatten Sie dem Kollegen Scherhag eine Zwischenfrage?
Margareta Wolf (Frankfurt) (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Gerne.
Karl-Heinz Scherhag (CDU/CSU): Frau Kollegin Wolf, Sie wissen doch, daß wir nach EG-Recht die Möglichkeit haben, daß jemand, der nachweist, fünf Jahre einen Betrieb geführt zu haben, hier ohne Meisterprüfung arbeiten kann. Wir haben innerhalb der EG und in der Bundesrepublik auch die Regelung, daß jemand, der das 50. Lebensjahr vollendet hat, eine Meisterprüfung nicht nachmachen muß. Das hat Herr Hinsken eben schon gesagt. Warum führen Sie ausgerechnet das Beispiel mit Südafrika an? Ich will Ihnen ganz offen sagen: Natürlich kommen aus der ganzen Welt Leute zu uns, die sagen, daß sie irgendwo einen Meisterbetrieb geführt haben. Aber es gibt ja anderswo keine Meisterbetriebe in der Form, wie wir sie in Europa haben. Deswegen erzählen Sie hier bitte keine Dinge, die nicht in Ordnung sind.
(Otto Schily [SPD]: Ist das eigentlich eine Frage oder eine Kurzintervention?)
-- Das ist keine Intervention. -- Ich frage Sie, ob Sie das wirklich nicht wissen oder ob Sie das wider besseres Wissen hier verkündet haben.
Margareta Wolf (Frankfurt) (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Herr Kollege Scherhag, ich habe überhaupt kein Interesse daran, hier etwas wider besseres Wissen zu verkünden. Dieser von mir angesprochene Herr -- ich kann Ihnen morgen gerne die Adresse und die Telefonnummer geben, und Sie können ihn anrufen -- hat mir seinen Fall schriftlich und mündlich geschildert. Ich weiß in der Tat, daß seit 1966 Handwerker, die im europäischen Ausland sechs Jahre am Stück gearbeitet haben und dann nach Deutschland zurückkommen, sich hier selbständig machen können, ohne daß der Meisterbrief die Voraussetzung dafür ist. Das finde ich gut, richtig und wichtig. Sie weiten das jetzt in Ihrem Gesetzentwurf auch auf Nicht-EU- Ausländer aus. Aber, Herr Kollege Scherhag, haben Sie sich auch schon einmal überlegt, daß das Inländerdiskriminierung ist und daß das viele Gesellen, die keinen Meisterbrief haben, verärgert?
(Zuruf des Abg. Karl-Heinz Scherhag [CDU/CSU])
-- Doch, das wird so begriffen. Diskutiert doch einmal mit den Leuten! -- Sie sagen: Wir stehen unter hohem Wettbewerbsdruck; die dürfen hier was, was wir nicht dürfen. Das sagen mir gerade jüngere Handwerker. Diese Geschichte stimmt. Ich faxe Ihnen das morgen zu, und Sie können dann gerne mit dem Herrn reden. Ich habe an die Handwerkskammer Kassel geschrieben und hoffe, daß man dort eine Ausnahmegenehmigung erwirken kann.
Jetzt möchte ich gerne zusammenhängend vortragen, weil ich nur noch vier Minuten habe. Sie, verehrte Kolleginnen und Kollegen von der Koalition und von der SPD, würden doch mit mir dahin gehend übereinstimmen, daß der Prozeß der Erarbeitung Ihres Gesetzentwurfs überaus große Erwartungen nach sich zog. Sie würden vielleicht auch mit mir übereinstimmen, daß man nach zwei Jahren - - es war sehr mühselig --, in denen Sie Verbände angehört haben und in denen Sie unzählige Sitzungen hatten, tatsächlich mehr Ergebnisse erwarten könnte. Aufwand und Ertrag, so möchte ich behaupten, stehen hier in keinem vernünftigen Verhältnis mehr. Sie beschränken sich auf kleine Strukturveränderungen -- die ich übrigens in der Tat richtig und sinnvoll finde -- und die Zusammenlegung von Gewerken. Das ist alles schon erwähnt worden. Aber im Endeffekt, Herr Kollege Schwanhold, bleibt eigentlich alles so, wie es ist.
Auf Grund der Zwischenfrage des Kollegen Tauss haben Sie die Computerbranche angesprochen. Ich fand es bemerkenswert, daß Sie auf diese Frage sehr lange geantwortet haben.
(Ernst Hinsken [CDU/CSU]: Er hat aber korrekt geantwortet!)
Das ist auch wirklich ein riesengroßes Problem. In dem ursprünglichen Entwurf war vorgesehen, auch in der Computerbranche den Meistertitel vorzuschreiben. Das wären 30 000 bis 50 000 Betriebe gewesen, von denen wir immer sagen, sie bilden für die Zukunft aus. Der Kollege Kolb hat sich, wie ich weiß, mit dieser Branche einige Scharmützel im Internet geliefert. Diese Scharmützel haben Sie offensichtlich dazu veranlaßt, diese Branche wieder herauszunehmen. Denn Sie konnten auf die Fragen der Computerleute tatsächlich keine Antwort geben. Sie sind immer davon ausgegangen, daß es eine Trennung und nicht einen fließenden Übergang zwischen Software und Hardware gibt. Diesen aber gibt es ständig, wie Sie merken, wenn Sie mit den Leuten reden. -- Ich bin ja immer froh, wenn man etwas einsieht.
(Ernst Schwanhold [SPD]: Mit unserer Hilfe!)
-- Ach, bitte, Ernst! Die Koalition hat schon so viel von dir gelernt; warum muß ich jetzt auch noch etwas von dir lernen?
(Heiterkeit und Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD)
Unsere These ist, daß die Voraussetzungen für die Zulassung zum deutschen Handwerk zu hoch sind. In keinem anderen europäischen Land ist der Zugang zum Handwerk so schwierig wie in der Bundesrepublik. Sie wollen mir doch nicht sagen, daß in anderen europäischen Ländern, etwa in der Schweiz -- wir können sie alle durchgehen --, die Voraussetzungen so hoch sind! Ausschließlich in Luxemburg und in Deutschland haben wir so hohe Voraussetzungen für den Zugang zum Handwerk.
(Zuruf von der F.D.P.: Aber die beste Qualität!)
Wir behaupten, daß das tatsächlich Existenzgründungen erschwert.
In Zeiten so hoher Arbeitslosigkeit -- Sie haben darauf hingewiesen -- muß man auch einmal eine Antwort auf die OECD- Studie geben. Die OECD-Studie besagt, 500 000 neue Selbständige wären tatsächlich möglich, wenn in Deutschland das Gewerberecht nicht so überreguliert wäre.
Vizepräsident Hans-Ulrich Klose: Frau Kollegin Wolf, gestatten Sie eine weitere Zwischenfrage? -- Bitte, Herr Hinsken.
Ernst Hinsken (CDU/CSU): Frau Kollegin Wolf, wären Sie bereit, zur Kenntnis zu nehmen, daß die Insolvenz- oder Betriebsaufgaberate gerade im Handwerksbereich deshalb so niedrig ist, weil die Meisterprüfung zu erbringen ist, um überhaupt den Weg in die Selbständigkeit gehen zu können, und somit die Grundlage geschaffen ist, für das spätere Leben auch das notwendige Fundament zu haben?
Margareta Wolf (Frankfurt) (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Herr Kollege Hinsken, ich bin immer gerne bereit, von Ihnen etwas zur Kenntnis zu nehmen. Sie spielen jetzt vermutlich auf den betriebswirtschaftlichen Aspekt an, Stichwort Insolvenzrate. Können Sie mir umgekehrt erklären -- das beantwortet, glaube ich, auch Ihre Frage --, warum Sie sich als Bäcker nur mit einem Meistertitel selbständig machen können, der Koch hingegen ohne Meistertitel ein Restaurant aufmachen kann, in dem er mindestens ebenso hohe betriebswirtschaftliche Anforderungen erfüllen muß wie Sie als Bäcker? Koch ist bei uns heute kein meisterpflichtiger Beruf. Sie können sich einfach nach der Lehre selbständig machen. Dabei haben Sie mindestens so hohe betriebswirtschaftliche Aufwendungen wie der Bäcker. Im übrigen ist die Insolvenzrate in Frankreich, wo wir nicht diesen Zwang haben, sondern die Freiwilligkeit der Meisterprüfung, auch die Freiwilligkeit für den Zugang zu dieser Ausbildung, nicht überproportional hoch. Aber ich denke, das schlagendste Argument ist tatsächlich das des Kochs.
(Zuruf von der CDU/CSU: Das mit Frankreich stimmt nicht!)
-- Natürlich stimmt das. Koch ist kein meisterpflichtiger Beruf, und es gibt viele Starköche, etwa Herrn Witzigmann -- Sie gehen dort doch vermutlich auch essen --, die wunderbare Restaurants führen, wo man nicht nur gut essen kann, sondern die sich auch rechnen.
(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN -- Abg. Ernst Hinsken [CDU/CSU] meldet sich zu einer Zwischenfrage)
-- Sie reden ja noch, Herr Hinsken.
(Ernst Hinsken [CDU/CSU]: Aber Sie nehmen mir soviel von meiner Zeit weg, wenn ich das alles beantworten muß!)
Meine sehr verehrten Damen und Herren, würde sich von den rund 6 Millionen unselbständig Beschäftigten im Handwerk, die wir heute haben, nur jeder Hundertste selbständig machen und jeweils 3 bis 4 Leute einstellen, könnten im Handwerk bis zu 250 000 neue Arbeitsplätze entstehen.
Die Zulässigkeit der Meisterpflicht im Handwerk wird von ihren Befürwortern immer mit dem Urteil des BVG von 1961 begründet. Das Bundesverfassungsgericht hat allerdings schon 1961 darauf hingewiesen, daß die Meisterpflicht nur so lange gerechtfertigt ist, wie einfachere Möglichkeiten zur Sicherung dieses besonders wichtigen Gemeinschaftsgutes nicht bestehen, nicht geschaffen werden können oder zu seiner Sicherung nicht ausreichen.
Wir meinen, daß dieses einfachere und genauso wirkungsvolle Mittel bereits existiert. Es ist die Gesellenprüfung. Mit ihr werden Kenntnisse erworben, die für die sichere und qualitativ hochwertige Ausführung zumindest einfacher Arbeiten völlig ausreichend sind. Wir wollen den Meisterbrief, wie ich finde, stärken. Wir wollen, daß es ihn weiter gibt, aber auf freiwilliger Basis.
(Ernst Hinsken [CDU/CSU]: Wie soll das denn funktionieren?)
-- Sie kommen ja noch zu Wort.
Ich denke, daß die französische Entwicklung, wo Handwerker die freiwillige Meisterausbildung zunehmend als Gütesiegel nutzen, tatsächlich ein positives Beispiel ist. Ich meine, Handwerker sollten entscheiden können, ob sie die Meisterausbildung durchlaufen. Das gilt nicht für die gefahrengeneigten Handwerke, damit wir uns nicht falsch verstehen. Sie sollten selber entscheiden, ob sie das umfassende Qualitäts- oder Gütesiegel "Meisterbrief" tragen oder ob sie sich auf einfachere handwerkliche Tätigkeiten konzentrieren und spezialisieren. Wir wissen alle, daß diese einfachen Tätigkeiten tatsächlich immer mehr zunehmen.
Meine Damen und Herren, abschließend möchte ich sagen: Wir werden ja vermutlich in den Ausschüssen noch darüber diskutieren. Ich glaube, daß nicht durch Abschottung, sondern nur durch Öffnung das deutsche Handwerk vor dem Hintergrund des europäischen Binnenmarktes tatsächlich bestehen kann.
(Ernst Hinsken [CDU/CSU]: Genau das machen wir!)
Ich wünsche uns weiter eine so leidenschaftliche Debatte.
(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der PDS)
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zur Rede von:
Scherhag (CDU)
Schwanhold (SPD)
Wolf (B90/Grüne)
Türk (F.D.P.)
Kutzmutz (PDS)
Dr. Kolb (BMWi)
Hinsken (CSU)

zum Ende
Vizepräsident Hans-Ulrich Klose: Das Wort hat jetzt der Kollege Jürgen Türk von der F.D.P.
Jürgen Türk (F.D.P.): Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Für die F.D.P. kann und will ich sagen:
Die intensive Arbeit der parlamentarischen Arbeitsgruppe aus Koalition und SPD hat sich gelohnt,
(Ernst Hinsken [CDU/CSU]: Sehr wahr!)
und zwar für das Handwerk und für den Kunden. Das möchte ich hier als verbraucherpolitischer Sprecher betonen.
(Beifall bei der F.D.P. und der CDU/CSU)
Es ging darum, die Struktur der Handwerksberufe den wirtschaftlichen und technischen Entwicklungen anzupassen -- das ist ja nichts Ehrenrühriges -- die Beweglichkeit am Markt zu erhöhen und das Leistungsangebot aus einer Hand zu verbreitern. Im Ergebnis dessen konnte von derzeit 127 Handwerken in der Anlage A eine Konzentration auf 93 erreicht werden, insbesondere auch durch Verbreiterung des Leistungsangebots. Neu aufgenommen wird lediglich das Gerüstbauhandwerk -- es wurde schon gesagt: aus guten Gründen --, wobei gesichert bleibt, daß Arbeitsgerüste von den jeweiligen Gewerken natürlich weiterhin selbst aufgestellt werden können.
Daß die Kosmetik -- mein Spezialthema, das darf ich nicht vergessen -- entsprechend den ostdeutschen Erfahrungen nicht in die Anlage A aufgenommen wird, bedauere ich. Nicht weil es mir und anderen um den Aufbau einer weiteren Hürde gegangen wäre, sondern weil es in diesem Bereich immerhin um die Haut und unter die Haut geht und damit um Qualitätsarbeit und Nachwuchssicherung. Aber genau das kann und muß jetzt durch eine einheitliche Ausbildungsordnung unter Einbeziehung der Kosmetikschulen aller Eigentumsformen, worauf wir uns verständigt haben, erreicht werden. Dadurch wird dieser Bereich auch für jüngere Auszubildende geöffnet.
Richtig war auch, die ostdeutschen Glasbläser einzuordnen, genau wie die Pfefferküchler in das Bäckerhandwerk, die auch weiter den Titel "Pfefferküchler" führen dürfen, sozusagen als Markenzeichen. Damit tragen wir bewußt auch der Tradition Rechnung. Sinnvoll ist meines Erachtens auch, daß innerhalb der verbreiterten Handwerke eine Schwerpunktsetzung bei der Meisterprüfung zugelassen wird. Ebenfalls wichtig ist die Klarstellung, daß durch die Zusammenlegung des Büroinformationselektronikers und des Radio- und Fernsehtechnikers zum Informationstechniker der Vorbehaltsbereich nicht auf den EDV- und Datenverarbeitungsbereich ausgedehnt wird.
(Ernst Hinsken [CDU/CSU]: Richtig, jawohl!)
Der Existenzgründer, der mich kürzlich anrief, kann also getrost sein Gewerbe PC-Service und -Handel wie bisher anmelden und ausüben.
(Ernst Hinsken [CDU/CSU]: So ist es!)
Im Bereich des Drucks und der Erstellung von Druckvorlagen wird es ebenfalls nicht zu einer Ausdehnung des Vorbehaltsbereiches auf den Offsetdruck und die neuen Medienberufe kommen.
(Vorsitz: Vizepräsident Dr. Burkhard Hirsch)
Ich glaube, das ist auch vernünftig so. Die Begründung dafür ist folgende: Diese Tätigkeiten, zum Beispiel auch die strukturierte Verkabelung von Computeranlagen, sind für ein bestimmtes Handwerk nicht wesentlich -- so ist das definiert --, und deshalb ist hier auch keine Meisterprüfung erforderlich.
Ansonsten steht die F.D.P. zum Großen Befähigungsnachweis. Begründet wurde das heute schon genug. Warum soll abgeschafft werden, was sich zur Qualitätssicherung und Lehrausbildung bestens bewährt hat?
(Beifall bei der F.D.P.)
Das Handwerk hat gerade hier Überdurchschnittliches geleistet. Ich glaube, daß diese Leistungen einen positiven Faktor für den Standort Deutschland darstellen.
Noch ein Wort zum Antrag von Bündnis 90/Die Grünen -- Frau Wolf hat sich offenbar schon verabschiedet --, in nicht gefahrengeneigten Berufen auf den Großen Befähigungsnachweis zu verzichten: Im Antrag wird vorgeschlagen, daß Gesellen sich nach dreijähriger Berufsausübung in die Handwerksrolle eintragen können und nach zwei Jahren selbständiger Arbeit und einem Ausbildungseignungsnachweis Lehrlinge ausbilden dürfen. Hier stellt sich die Frage, warum der geforderte Nachweis nicht mit dem Meisterabschluß enden kann, wie wir es derzeit haben.
(Zuruf des Abg. Jörg Tauss [SPD])
Auf keinen Fall darf die betriebswirtschaftliche Ausbildung unter die Räder kommen, denn ohne diese wird die gerade gegründete Existenz wenig Chancen haben. Ich nenne hier das Stichwort Insolvenzrate. Wir brauchen also eine gute Ausbildung, um die Insolvenzrate nicht in die Höhe schnellen zu lassen.
Daß für die Industriemeister der Weg in die Selbständigkeit vereinfacht wird, wird ebenfalls zu mehr Existenzgründungen führen. Allerdings sollte sich das Handwerk, gerade weil jetzt unweigerlich der europäische Binnenmarkt auf uns zukommt, Gedanken darüber machen, ob Ausbildungsinhalte den jeweiligen Anforderungen entsprechen und Ausbildungszeiten gestrafft werden können. Wir wollen diese Zeiten verkürzen, damit Leute schneller Existenzen gründen können. Die Novellierung der Handwerksrolle ist dafür jedenfalls eine gute Grundlage.
Vielen Dank.
(Beifall bei der F.D.P. und der CDU/CSU -- Ernst Schwanhold [SPD]: Frau Wolf ist übrigens wieder da!)
-- Soll ich es deswegen wiederholen? -- Ich denke, nein.
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zur Rede von:
Scherhag (CDU)
Schwanhold (SPD)
Wolf (B90/Grüne)
Türk (F.D.P.)
Kutzmutz (PDS)
Dr. Kolb (BMWi)
Hinsken (CSU)

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Vizepräsident Dr. Burkhard Hirsch: Ich gebe das Wort dem Abgeordneten Rolf Kutzmutz.
Rolf Kutzmutz (PDS): Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Vor dem Hintergrund des Wortwechsels der Einbringer dieser Vorlage -- sofern ich ihn vorhin richtig mitbekommen habe -- empfinde ich es als Skandal, daß diese große Koalition, die über Monate an dieser Sache gearbeitet hat,
(Ernst Hinsken [CDU/CSU]: Über Monate? Zwei Jahre!)
-- Jahre, das ist ja noch schlimmer, Herr Hinsken -- erst gestern abend um 17 Uhr in der Lage war, den Gesetzentwurf auszuliefern.
(Zuruf von der CDU/CSU: Was?)
-- Ja, gestern um 17 Uhr; vielleicht war es auch 35 Minuten früher.
(Zuruf von der CDU/CSU: Montag!)
Wir reden hier nicht über die Festsetzung der Vermarktungsnormen für Avocados im Rahmen der aufhebbaren 93. Verordnung zur Änderung der Ausfuhrliste. Wir reden über einen Bereich, der im Arbeits- und Lebensstandort Deutschland eine große Rolle spielt. Die Zahlen sind vorhin genannt worden, ich muß sie nicht wiederholen. Ich sage aber auch: Genau diese Schlamperei, die gestern abend mit dieser zu späten Auslieferung eingetreten ist, ist nur der vorläufige Höhepunkt einer konsequenten Fortsetzung der monatelangen Diskriminierung der PDS-Gruppe.
Ich möchte hervorheben: Auch wir haben vielfältige Kontakte zu den Betroffenen; auch wir hätten konkrete Anregungen zur Anpassung der Berufszulassungsbilder geben können: erstens zu bereits eingetretenen und weiter absehbaren Veränderungen in der Arbeitswelt, zweitens zur größeren Flexibilisierung von Dienstleistungsangeboten aus einer Hand sowie drittens zur Vermittlung von in unterschiedlichsten späteren Tätigkeitsfeldern anwendbaren Fähigkeiten und Fertigkeiten im Rahmen der Berufsausbildung in Handwerksbetrieben.
Anders als die Kolleginnen und Kollegen von den Bündnisgrünen, die einen eigenen Gesetzentwurf vorgelegt und deshalb nicht mitgearbeitet haben, hätten wir uns dieser Aufgabe auch nicht entzogen. Aber wir wurden nicht gefragt. Ich fordere Sie auf, meine Damen und Herren: Nennen Sie mir einen vernünftigen Grund, warum wir als Gruppe der PDS in diesen Fragen nicht mitberaten durften.
(Dr. Dagmar Enkelmann [PDS]: Ja, das möchte ich auch einmal wissen!)
Nennen Sie mir einen vernünftigen Grund, warum wir jede Information tröpfchenweise aus dem Wirtschaftsministerium abrufen mußten und so immer im Rückstand waren. Ich bin der Auffassung: Es gibt keinen vernünftigen Grund.
(Beifall bei der PDS -- Ernst Hinsken [CDU/CSU]: Ihr konntet ja im Ausschuß gut mitarbeiten!)
Fakt ist jedenfalls, Herr Kollege Hinsken, daß sich der Zentralverband des Deutschen Handwerks uns gegenüber wesentlich kooperativer zeigte als die Fraktionen des Hauses oder das zuständige Ministerium.
(Ernst Schwanhold [SPD]: Sie haben mich nicht einmal gefragt in den zwei Jahren, Herr Kollege Kutzmutz!)
-- Herr Kollege Hinsken ist mein Zeuge; auch ihn habe ich gefragt. Wir haben erst durch die Veröffentlichung erfahren, daß diese Sache überhaupt läuft.
(Ernst Hinsken [CDU/CSU]: Was haben Sie mich gefragt?)
-- Ich habe Sie gefragt, warum wir nicht mitarbeiten dürfen. Da haben Sie mich auf Herrn Kolb verwiesen -- Sie werden sich sicherlich daran erinnern -- und gesagt, daß ich die Informationen ja dort abrufen könne.
(Ernst Hinsken [CDU/CSU]: Hier waren die großen Fraktionen beteiligt! Sie sind eine Gruppe!)
-- Ja, die großen Fraktionen waren beteiligt, aber das ändert nichts an der Tatsache, daß eine Gruppe nicht beteiligt war. Ich erwarte, daß die anstehenden Beratungen in den Ausschüssen nicht nur als Formalität zur Absegnung der Ergebnisse einer außerparlamentarischen interfraktionellen Arbeitsgruppe benutzt werden, sondern daß wirklich beraten wird.
Aus den gegebenen Gründen waren wir natürlich noch nicht in der Lage, den Antrag der großen Koalition bis in alle Einzelheiten durchzuarbeiten. Aufgefallen ist mir, daß Ihre plötzliche Eile offenkundig dem Auslaufen der Zulassungsfrist für DDR- Industriemeister als Handwerker zum Jahresende geschuldet ist. Da es bei der künftigen Unbefristung sowieso eine rückwirkende Regelung geben muß, erscheint es mir nicht als ein Beinbruch, die Novelle im übrigen nicht wie geplant im April, sondern erst im Juni 1998, dann aber nach ordentlicher parlamentarischer Beratung, in Kraft zu setzen.
Ein Hauptstreitpunkt in dieser Debatte ist offenkundig die Bestimmung von Grenzen des Handwerk-Vorbehaltes. Wir lassen uns dabei in erster Linie von der Notwendigkeit einer Qualitätssicherung für Ausbildung und Leistungsangebot in nichtindustrieller gewerblicher Tätigkeit leiten. Dies scheint uns ein Gebot sowohl der Erhaltung und des Aufbaus des Arbeitsstandortes Deutschland als auch des Verbraucherschutzes zu sein.
(Beifall bei der PDS)
Ich betone aber nochmals: Für uns geht es um nichtindustrielle gewerbliche Tätigkeit. Die Meisterschaft soll für das Werk der Hände beurkundet werden und für nichts anderes.
Auf ein zweites Problem, welches meines Erachtens im Mehrheitsentwurf noch nicht berücksichtigt ist, machte Frau Kollegin Wolf aufmerksam: die gegenwärtig noch vorhandene Diskriminierung von Deutschen gegenüber EU-Ausländern bei der Eintragung in die Handwerksrolle.
(Zuruf von der CDU/CSU: Stimmt doch gar nicht!)
Dies ist ein Problem, das sich nach Vollendung des Binnenmarktes massiv zuspitzen könnte. Ich denke dabei nur beispielhaft an Filialisten ausländischer Augenoptiker.
Die Lösungen dieser beiden Probleme sind für uns Schlüsselfragen einer Novellierung der Handwerksordnung. Gerade sie scheint mir aber im Mehrheitsentwurf noch auszustehen. Grundsätzlich können wir uns dabei Veränderungen im Sinne des von Bündnis 90/Die Grünen vorgelegten Gesetzentwurfes vorstellen: Außer in gefahrgeneigten Gewerken sind die bestandene Gesellenprüfung und mindestens drei Jahre ununterbrochene Tätigkeit in diesem Handwerk Voraussetzung für den Eintrag in die Handwerksrolle. Allerdings müßte unseres Erachtens der Kreis der von dieser Öffnung ausgeschlosse- nen Handwerke über die von den Bündnisgrü- nen benannten hinaus auch auf Chirurgiemechaniker, Zweiradmechaniker, Landmaschinenmechaniker und Orthopädieschuhmacher erweitert werden. Ferner ist für uns die eindeutige Festschreibung der bestandenen Ausbilder- Eignungsprüfung als Voraussetzung für den Eintrag in die Handwerksrolle bei den übrigen Gewerken unverzichtbar.
Wir befürworten den Vorschlag der Bündnisgrünen, im übrigen die Ausbildungsberechtigung für Nicht-Meisterbetriebe an deren zweijährige ununterbrochene Existenz zu koppeln.
Vizepräsident Dr. Burkhard Hirsch: Herr Kollege!
Rolf Kutzmutz (PDS): Letzter Satz , Herr Präsident!
Auf diesem Wege könnten sich Potenzen im Handwerk für mehr Beschäftigung und qualitativ hochwertige Dienstleistungen viel besser als bisher erschließen lassen. Heute früh wurde gemeldet: Die Novelle steht. Ich glaube aber, daß wir in den Ausschüssen noch genügend Zeit haben, sie weiter zu beraten.
Danke schön.
(Beifall bei der PDS -- Ernst Hinsken [CDU/CSU]: Donnernder Applaus!)
zum Anfang

zur Rede von:
Scherhag (CDU)
Schwanhold (SPD)
Wolf (B90/Grüne)
Türk (F.D.P.)
Kutzmutz (PDS)
Dr. Kolb (BMWi)
Hinsken (CSU)

zum Ende
Vizepräsident Dr. Burkhard Hirsch: Ich gebe nun dem Parlamentarischen Staatssekretär Dr. Heinrich Kolb das Wort.
Dr. Heinrich L. Kolb, Parl. Staatssekretär beim Bundesminister für Wirtschaft: Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Wir gehen mit der heute vorliegenden Novelle den zweiten Schritt auf dem Weg zu einem modernen und zukunftsfähigen Handwerk. Den ersten Schritt sind wir 1994 gegangen, als wir damals dem Handwerk im Rahmen einer Novellierung des § 5 Handwerksordnung ermöglicht haben, anläßlich der Erledigung eines Auftrages dem Kunden ein breites Angebot aus einer Hand zu unterbreiten.
Mit der zweiten Novelle, mit der 98er Novelle -- wenn ich so sagen darf --, werden wir diese Entwicklung fortsetzen. Wir greifen damit auch einen Restanten aus der 12. Legislaturperiode auf. Damals hat uns der Wirtschaftsausschuß aus Anlaß der 94er Novelle ins Stammbuch geschrieben, die Bearbeitung der Anlage A der Handwerksordnung anzugehen. Es war nur folgerichtig, daß sich seit Beginn dieser Legislaturperiode eine Arbeitsgruppe mit dieser Novellierung befaßt hat.
Ich kann mich übrigens noch gut daran erinnern -- es muß im September 1994 gewesen sein --, daß sich der 12. Deutsche Bundestag in seiner letzten Sitzung mit der Anlage A der Handwerksordnung und insbesondere mit dem Beruf des Glasbläsers befaßt hat. Ich freue mich schon, wenn wir heute den Glasbläsern in Thüringen zurufen können: Das Anliegen ist aufgenommen worden. Wir werden mit dem Beruf Glasbläser und Glasapparatebauer zukünftig eine angemessene Regelung haben.
(Beifall bei der CDU/CSU und der F.D.P. -- Ernst Hinsken [CDU/CSU]: Es war nicht einfach, hier einen Konsens zu finden!)
Die Struktur der Handwerksberufe wird verbessert. Die Flexibilität der Handwerker am Markt wird erhöht. Ein breites Leistungsangebot aus einer Hand durch Zusammenfassungen und Verwandtschaften wird ermöglicht. Impulse für Beschäftigung und Ausbildung werden geschaffen, und nicht zuletzt wird die Attraktivität der handwerklichen Existenzgründungen erhöht.
Das griffigste Ergebnis ist sicherlich, daß die Anlage A der Handwerksordnung künftig statt 127 Berufen nur noch 93 Berufe umfassen wird. Das heißt aber nicht, daß der Geltungsbereich der Meisterprüfung verkleinert wird, sondern es wird im wesentlichen - - bei Überführung von sechs Handwerken aus Anlage A in Anlage B, das sind der Stricker, der Handschuhmacher, der Schirmmacher, der Gerber, der Steindrucker und der Bürsten- und Pinselmacher -- eine Konzentration auf weniger, aber dafür breitere Handwerke erfolgen.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, die Arbeitsgruppe, der ich vorsitzen durfte, hat sich zweieinhalb Jahre lang mit der komplexen Materie der Handwerksordnung intensiv befaßt. Ich möchte die Gelegenheit nutzen, allen Kollegen und natürlich auch den Fachbeamten, die mitgewirkt haben, ganz herzlich für diese Arbeit zu danken.
(Beifall bei Abgeordneten der F.D.P. und der CDU/CSU)
Ich denke, daß wir auf das, was wir erreicht haben und was wir heute vorlegen, durchaus stolz sein können.
Ich will drei Kernpunkte unserer Arbeit nennen.
Erstens wird der Große Befähigungsnachweis gestärkt. Das war ein wichtiger Punkt unserer Arbeit. Ich glaube, allein die Tatsache, daß sich der Deutsche Bundestag zum zweitenmal innerhalb von vier Jahren mit dem Großen Befähigungsnachweis befaßt und sich auch bei der Überarbeitung der Anlage A zum Großen Befähigungsnachweis bekennt, stellt einen Wert an sich dar. Wir sprechen damit ein klares Votum für die Struktur des deutschen Handwerks und für den Großen Befähigungsnachweis aus.
(Zustimmung bei der F.D.P.)
Der Vorschlag, der auf dem Tisch liegt, verbindet das Anliegen, mehr Liberalisierung zu bekommen, mit dem Erhalt der traditionell bewährten Qualifikations- und Ausbildungsstrukturen im Handwerk. Es muß hier noch einmal gesagt werden: Das Handwerk trägt die Hauptlast der Ausbildung in Deutschland. Deswegen sind wir im Gegensatz zu den Vorstellungen der Grünen der Ansicht, daß sich radikale Experimente mit den Grundsätzen der Handwerksordnung prinzipiell verbieten. Deshalb muß der Meisterbrief als Großer Befähigungsnachweis für alle Handwerksberufe der Anlage A und nicht nur für einige wenige gefahrengeneigte Berufe unverändert erhalten bleiben.
(Beifall bei Abgeordneten der F.D.P. und der CDU/CSU sowie des Abg. Ernst Schwanhold [SPD])
Vizepräsident Dr. Burkhard Hirsch: Herr Kollege, die Abgeordnete Wolf möchte eine Frage stellen.
Dr. Heinrich L. Kolb, Parl. Staatssekretär beim Bundesminister für Wirtschaft: Bitte sehr, Frau Kollegin.
Vizepräsident Dr. Burkhard Hirsch: Bitte schön.
Margareta Wolf (Frankfurt) (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Herr Kollege Kolb, die Deregulierungskommission, die von der Bundesregierung eingesetzt worden ist, kam zu dem Ergebnis, daß der Meisterbrief nicht unbedingt ein Garant für eine Verstetigung bei der Ausbildung ist. Ohne Zweifel gibt es einen sehr hohen Ausbildungsstand im Handwerk. Würden Sie vielleicht bereit sein, zur Kenntnis zu nehmen, daß 1926 -- ohne Großen Befähigungsnachweis -- mehr ausgebildet wurde als heute? Konkret gab es 1926 bei knapp 4 Millionen Beschäftigten im Handwerk 767 000 Lehrlinge, und 1980 lag diese Zahl um etwa 100 000 niedriger - - bei gut 4 Millionen Beschäftigten im Handwerk.
(Ernst Schwanhold [SPD]: Es gibt auch Produktionsfortschritte, liebe Kollegin!)
Dr. Heinrich L. Kolb, Parl. Staatssekretär beim Bundesminister für Wirtschaft: Frau Kollegin Wolf, ich wundere mich doch etwas darüber, daß Sie diese Debatte hier jetzt so rückwärtsgewandt führen wollen. Ich glaube, die Verhältnisse der Jahre 1926 und 1997 kann man schon deswegen nicht miteinander vergleichen, weil 1926 viele Handwerksbetriebe noch sehr viel leichter geeignetes, qualifiziertes Personal finden konnten.
(Ernst Schwanhold [SPD]: 1926 haben auch die Radio- und Fernsehtechniker viel ausgebildet! -- Heiterkeit)
-- Wahrscheinlich ist auch das, Herr Kollege Schwanhold, eine Erklärung, nämlich daß neue Berufe hinzugekommen sind. Wir haben ja unlängst miteinander diskutiert, als es um die Frage ging: Haben wir genug Ausbildungsplätze in Deutschland? Ich will nur noch einmal darauf hinweisen, daß das Handwerk in den letzten zehn Jahren den Bestand an Ausbildungsplätzen um 100 000 erhöht hat. Es hat in dieser Beziehung, obwohl es schon eine große Last trug, weiter zugelegt. Gerade die Tatsache, daß das Handwerk so ausbildungsbereit ist, ist ein starkes Argument dafür, in diesem Bereich auch in Zukunft die bewährte Struktur beizubehalten. Der zweite Punkt. Die Novelle bringt das Handwerk in eine bessere Wettbewerbsposition. Durch breit angelegte Gewerbe ermöglichen wir dem Handwerk, flexibler, schneller und kostengünstiger als bisher am Markt zu agieren.
Drittens. Die Novelle wird für die Ausbildung, die Beschäftigung und die Arbeitsplätze im Handwerk neue Impulse geben. Insbesondere können unter dem Dach eines breiten Handwerksberufes jetzt mehrere Ausbildungsberufe angeboten werden. Die breiter angelegten Handwerke werden auch attraktiver für junge Menschen sein, die sich für einen Ausbildungsberuf entscheiden müssen. Aus meiner Sicht ist es wichtig, daß wir nach einem Inkrafttreten der Novelle am 1. April dann auch sehr schnell eine Überarbeitung der Ausbildungsordnungen und der Meisterprüfungsverordnung vornehmen. Es geht darum, daß die angebotenen Chancen möglichst schon zum nächsten Einstellungstermin und beim Beginn des nächsten Ausbildungsjahres genutzt werden können.
Ich möchte die Kernüberlegungen unserer Novelle noch einmal an einigen Beispielen aus dem Baubereich untermauern. Dort, am Bau, wird durch Bündelung von Gewerken ermöglicht, daß zukünftig der Rohbau, der technische Ausbau und das Dach jeweils weitgehend "aus einer Hand" angeboten werden können. Das ermöglicht günstigere Angebote der Handwerker, reduziert die Zahl der Schnittstellen und verbessert die Konkurrenzsituation gegenüber der Industrie. Das Zimmerergewerbe -- das ist hier schon gesagt worden, aber ich halte es für wichtig, es hier noch einmal zu verdeutlichen -- wird zum Beispiel auch das Decken von Ziegeldächern vornehmen können. Dem Dachdecker wird die Erstellung von Lehrstühlen ermöglicht werden.
(Heiterkeit)
-- "Lehrstühlen" ist gut! Natürlich von Dachstühlen! Da ich in einem anderen Zusammenhang Initiator einer Lehrstuhlinitiative bin, Herr Kollege Tauss, bitte ich mir nachzusehen, daß ich von Dachstühlen auf Lehrstühle gekommen bin.
(Ernst Schwanhold [SPD]: Im Moment sehen wir Leerstühle bei der Regierung!)
Die Erstellung von Dachstühlen wird also dem Zimmerer ermöglicht, und zwar nach einer Ausbildung in dem künftig jeweils neu hinzukommenden Bereich.
Den technischen Ausbau aus einer Hand wird künftig das neue Handwerk Installateur und Heizungsbauer leisten, das Wasserleitung und Heizung jetzt zusammen anbieten kann. Im Bereich der Elektroinstallation haben wir drei der sechs Elektrohandwerke zu einem breiten Handwerk Elektrotechniker zusammengefaßt. Diese Zusammenführung, vor allen Dingen des bisherigen Elektroinstallateurs mit dem Fernmeldeanlagenelektroniker, wird von allen Betroffenen, mit denen ich bisher gesprochen habe, ausdrücklich begrüßt.
Die Prüfung der vorliegenden Vorschläge für neue Handwerke -- auch das muß ich hier noch einmal deutlich sagen -- wie auch die Frage, ob und wie wir bei bestimmten Handwerken den Vorbehaltsbereich erweitern sollten, waren ein besonders schwieriges Feld unserer Arbeiten. Die Arbeitsgruppe hat sich hierbei an die verfassungsrechtlichen Vorgaben gehalten, die wir bereits vor anderthalb Jahren in unseren Eckwerten dargestellt haben.
Das aus wohlerwogenen Gründen durchgehaltene Konsensprinzip in der Arbeitsgruppe hat auf Grund der verfassungsrechtlichen Vorgaben und der wirtschaftspolitischen Erfordernisse keine weiterreichenden Schritte zugelassen. Es mußten viele Kompromisse gemacht werden. Unter dem Strich kann man sagen, daß die Gruppe eine recht hohe Hürde angelegt hat, die nur der Gerüstbauer überspringen konnte, und das nicht zuletzt wegen seiner beispielhaften Ausbildungsleistung. Diese strenge Auswahl macht aber meines Erachtens das Ergebnis unserer Arbeit plausibel und die Handwerksordnung insgesamt konsistent.
Ein anderer Punkt ist hier schon genannt und auch vom Kollegen Tauss nachgefragt worden. Ein in der Öffentlichkeit immer wieder verquer dargestelltes Problem -- das ist eine Frage, die uns in der Arbeitsgruppe bis zuletzt beschäftigt hat -- ist das Verhältnis des Handwerks zur PC-Branche. Sie haben gesagt, Frau Kollegin Wolf, ich hätte im Internet Scharmützel ausgetragen. So weit würde ich nicht gehen. Richtig ist, daß ich mich mit vielen Betroffenen -- das sind nicht nur die PC-Händler, sondern auch Betroffene in vielen Handwerksbereichen -- intensiv unterhalten habe: mit den Klempnern, den Wachsziehern, den Gerüstbauern, mit wem auch immer.
(Ernst Schwanhold [SPD]: Das haben wir alle!)
-- Ja, ebenso die Kollegen. Das will ich hier ausdrücklich sagen. Wir haben uns viele Stunden Zeit genommen, jeden, der mit uns sprechen wollte, zu Wort kommen zu lassen.
Ich habe mich durchaus einsichtig gezeigt.
(Ernst Schwanhold [SPD]: Das hat lange gedauert!)
Wir hatten zuerst erwogen, den Klempner aus der Anlage A in die Anlage B zu überführen. Wenn Sie sich jetzt den Vorschlag ansehen, so stellen Sie fest, daß dies nicht mehr der Fall ist.
Natürlich haben wir uns auch mit den Argumenten aus der PC- Branche auseinandergesetzt. Aber man muß auch einmal sehen, daß das Handwerk in diesen Bereich nicht neu vordringt, sondern dort bisher schon, vor allem durch den Büroinformationselektroniker, vertreten war. Dieses Handwerk soll jetzt mit dem Radio- und Fernsehtechniker zum Informationstechniker zusammengelegt werden, da sich auf Grund der schnellen technischen Entwicklung die Grenzen zwischen den beiden Gewerken zunehmend verwischt haben und künftig sicherlich noch mehr verwischen werden.
In diesem Bereich sind aber neben den Handwerkern eine Vielzahl von Betrieben nichthandwerklicher Art tätig. Die rasante technische Entwicklung führt zu immer neuen Fragen, wo hier der Kern des Handwerks liegt. Für viele der immer weiter vereinfachten Reparaturen von Elektronikgeräten, soweit sie überhaupt noch vorgenommen werden, soll auch künftig kein großer Befähigungsnachweis verlangt werden, Herr Kollege Tauss.
Andererseits kann man nicht leugnen, daß auch in der Elektronik bestimmte Bereiche zum Handwerk gehören. Ich meine, daß die Arbeitsgruppe wohlberaten war und eine weise Entscheidung getroffen hat, hier keine neuen Grenzen zu Lasten der einen oder anderen Seite zu ziehen, sondern es beim Status quo zu belassen. Das ist im Gesetzentwurf durch eine Übergangsregelung ausdrücklich so bestimmt.
Ich will noch zum Vorschlag von Bündnis 90/Die Grünen sagen, daß meine Partei, die Bundesregierung und -- ich denke, das sagen zu können -- auch die parlamentarische Arbeitsgruppe diesen Vorschlag ablehnt. Ihm liegt ein völlig anderes Verständnis des Großen Befähigungsnachweises zugrunde. Sie haben damit den, wenn ich mich recht erinnere, bei den Eckwerten noch vorhandenen Konsens der Fraktionen dieses Hauses aufgegeben. Ich frage mich, Frau Kollegin Wolf, was Sie dazu bewogen hat.
Sie haben gesagt, unser Vorschlag sei verstaubt. Wenn Sie denn jetzt so modernistisch sind, dann muß ich Sie fragen, wie Sie unter diesem Gesichtspunkt die Position der Grünen etwa bei der Steinkohle oder Ihre Haltung zum Ladenschlußgesetz -- das ist doch gerade einmal eineinhalb Jahre her -- erklären wollen.
(Margareta Wolf [Frankfurt] [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das können Sie mir gerade nicht vorwerfen!)
Nein, meine Damen und Herren, Bündnis 90/Die Grünen gefährden mit ihrem Entwurf, so liberal er bei oberflächlicher Betrachtung auch sein mag, das Ziel der Sicherung des qualifizierten Nachwuchses für die gesamte gewerbliche Wirtschaft und damit auch ein ganz wichtiges Ziel im Interesse der Allgemeinheit.
Machen wir uns doch nichts vor, Frau Kollegin Wolf: Wer würde den mühsamen Weg zum Meister auf sich nehmen, wenn die Verknüpfung mit der Berechtigung zur Berufsausübung entfiele und der Meisterbrief nur noch Voraussetzung für die Lehrlingsausbildung bliebe, so wie Sie es vorschlagen. Im Ergebnis würde die Ausbildungsbereitschaft der Betriebe und auch die Ausbildungswilligkeit der Jugendlichen erheblich zurückgehen.
(Ernst Schwanhold [SPD]: Das stimmt! Da hat er recht!)
Das ist etwas, was wir gerade in der heutigen Zeit nicht gebrauchen können. Man kann nicht auf der einen Seite den Mangel an Lehrstellen beklagen und auf der anderen Seite den Großen Befähigungsnachweis abschaffen.
(Beifall bei der F.D.P. sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU und der SPD)
Meine Damen und Herren, wir gehen jetzt mit der Novelle in die Ausschußberatung. Ich hoffe, daß wir weiterhin konstruktiv miteinander arbeiten können. Ziel bleibt das Inkrafttreten zum 1. April, auch deswegen, weil wir die neuen Regelungen möglichst schon zum nächsten Herbst für die Ausbildung in Deutschland nutzbar machen wollen.
Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.
(Beifall bei der F.D.P. und der CDU/CSU sowie des Abg. Ernst Schwanhold [SPD])
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zur Rede von:
Scherhag (CDU)
Schwanhold (SPD)
Wolf (B90/Grüne)
Türk (F.D.P.)
Kutzmutz (PDS)
Dr. Kolb (BMWi)
Hinsken (CSU)

zum Ende
Vizepräsident Dr. Burkhard Hirsch: Nun gebe ich dem Abgeordneten Ernst Hinsken das Wort.
Ernst Hinsken (CDU/CSU): Sehr geehrter Herr Präsident! Verehrte Kolleginnen und Kollegen! "Ende gut, alles gut", sagte ich am 2. Dezember 1993, also vor vier Jahren, als wir die Novelle zur Handwerksordnung einstimmig -- ich betone "einstimmig", Frau Kollegin Wolf -- hier im Deutschen Bundestag beschlossen haben. Ergänzend fügte ich damals hinzu, daß wir damit einen weiteren Meilenstein zur Fortentwicklung des Handwerksrechts setzen.
Ich weise jetzt noch einmal darauf hin, daß gerade von einem Handwerksmeister in der heutigen Zeit viel verlangt wird: Er muß etwas vom Marketing verstehen und von Personalführung, und wenn er im grenznahen Bereich tätig ist, dann soll er möglichst auch noch Sprachen beherrschen. Er soll sich im Vertragsrecht auskennen und von Betriebswirtschaft etwas verstehen. -- Das ist eine große Bandbreite, die den Handwerksberuf auf der anderen Seite sehr schön macht. Das möchte ich hier als Handwerksmeister besonders herausstellen.
Aus Zeitgründen klammerten wir vor vier Jahren die Neufassung der Anlage A aus. Und nun, nach fast zwei Jahren Beratungszeit, legt die hierfür eingesetzte Arbeitsgruppe einen Vorschlag vor. Wir haben jeden Beruf auf die Waagschale gelegt.
(Ernst Schwanhold [SPD]: Stimmt nicht!)
Wir haben uns intensiv damit auseinandergesetzt. Wir haben lange Zeit beraten.
Ich möchte an dieser Stelle schon feststellen, daß ich mich besonders darüber gefreut habe, daß es einen breiten Konsens gab und daß man, um das Ganze gemeinsam bündeln zu können, in den einzelnen Bereichen auf Egoismus verzichtet hat, daß also das Gemeinsame in den Vordergrund gestellt wurde. Das trifft vor allen Dingen auf Sie, Herr Kollege Scherhag, aber auch auf den Kollegen Dr. Pohler und die Kollegen Türk und Schwanhold zu. Letzterem möchte ich ausdrücklich dafür danken, daß er hier bereit war, das eine oder andere mitzutragen, obwohl es ihm nicht ganz paßte, weil auch unsererseits ein gewisses Entgegenkommen gezeigt wurde.
(Zuruf von der CDU/CSU: So war es!)
Eines sei besonders lobend hervorgehoben, nämlich die exzellente Führung, Herr Staatssekretär Dr. Kolb, die Sie hier an den Tag legen.
(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU und der F.D.P. -- Ernst Schwanhold [SPD]: Oh, oh! Eine Katastrophe war das!)
Sie waren nicht müde. Sie haben immer angeregt und wurden vor allen Dingen von tüchtigen Beamten Ihres Hauses unterstützt. Ich bedaure sehr, daß heute Herr Ministerialrat Schulze nicht da ist, der großartige Arbeit geleistet hat, auch wenn wir oftmals anderer Meinung als er waren. Deshalb Ihrem Haus und Ihnen persönlich ein herzliches Wort des Dankes!
(Beifall bei der CDU/CSU und der F.D.P.)
Wir haben allen Anlaß, gerade das Handwerk fit zu machen -- für das Jahr 2000 und die dann folgenden Jahre, für die offenen Grenzen und für das gemeinsame Europa. Wir können mit besonderem Stolz vermerken, daß wir in der Bundesrepublik Deutschland 830 000 Betriebe haben, die 6,7 Millionen Mitbürger beschäftigen. Das ist der Wirtschaftsbereich Nummer eins. Das sollte besonders herausgehoben werden -- vor allem vor dem Hintergrund, daß Arbeitsplatzabbau im handwerklichen Bereich ein Fremdwort ist und daß sich gerade dieser mittelständische Bereich in den letzten Jahren trotz aller Wirren und trotz Rezession behauptet hat und weiter nach vorne entwickelt.
(Beifall bei der CDU/CSU und der F.D.P.)
Das Handwerk ist ein Wirtschaftszweig, in dem nicht nur Qualitäts- und Meisterarbeit erbracht wird, sondern in dem auch das Verhältnis von Arbeitgebern und Arbeitnehmern stimmt. Man weiß, daß man in einem Boot sitzt. Man ist sich bewußt: Wenn es dem einen gut geht, geht es auch dem anderen gut. Man ergänzt sich gegenseitig. Das ist ein hoher Wert, der bei dieser Diskussion nicht unter den Tisch fallen darf und der uns bei der Neufassung der Anlage A unserer Handwerksordnung beflügelt hat.
Kollege Scherhag hat schon darauf hingewiesen, aber es ist meines Erachtens so wichtig, daß man es noch einmal sagen darf: Im handwerklichen Bereich werden 40 Prozent aller Lehrlinge beschäftigt. Frau Kollegin Wolf, man stelle sich einmal vor, es gäbe das Handwerk nicht. Wie viele junge Leute würden auf der Straße stehen und würden nicht entsprechend ausgebildet, um die Zukunft bewältigen und bestehen zu können! Deshalb ein herzliches Wort des Dankes speziell an das Handwerk!
(Beifall im ganzen Hause)
Es wurde schon darauf verwiesen, daß alle Handwerksberufe in vielen mehrstündigen Sitzungen überprüft wurden. Ich meine sagen zu dürfen, daß wir uns von der Frage leiten ließen, ob es Verwandtschaften zwischen den Berufen gibt und ob die Berufe deshalb zusammengefaßt werden können, um damit dem Handwerk die Möglichkeit zu geben, flexibler und schneller am Markt zu agieren. Außerdem haben wir geprüft, ob neue Handwerksberufe geschaffen werden sollen. Bei der Anlage A erschien uns vor allen Dingen folgender Grundsatz von Bedeutung: Einerseits sollen im Interesse des Handwerks und des Verbrauchers ohne Abwertung des Großen Befähigungsnachweises vermehrt Leistungen aus einer Hand angeboten werden können, und andererseits soll dem deutschen Handwerk für das nächste Jahrtausend die Zukunftsperspektive, von der ich eben gesprochen habe, gegeben werden.
Mit dieser Novelle legalisieren wir einige Bereiche im Handwerk, die bisher illegal ausgeführt wurden. Deswegen ist dem Grundgedanken Rechnung getragen worden, mehr Leistungen aus einer Hand erbringen zu können. Diese Arbeit wurde vom deutschen Handwerk positiv begleitet. In die Entscheidungsfindung haben wir auch den DGB und die Kolpingfamilie eingebunden. Wir haben uns vom DIHT beraten lassen; wir haben auch Industrieverbände herangezogen, um vernünftige und sachgerechte Entscheidungen zu Papier bringen und heute vorlegen zu können.
Ich meine, daß der Präsident des Deutschen Handwerks recht hat, wenn er feststellt, daß sich diese Gruppe von dem alten Grundsatz "Ausbildungsberuf ist gleich Ausbildungsberuf" abwendet. Denn unter dem Dach eines Ausbildungsberufes werden in Zukunft mehrere Ausbildungsberufe möglich sein. Ich kann mir ersparen, näher darauf einzugehen, weil das der Kollege Scherhag bereits in hervorragender Weise getan hat.
Statt der 127 Handwerke -- Herr Kollege Türk, Sie haben das bereits gesagt -- wird es zukünftig 63 geben.
(Ernst Schwanhold [SPD]: 93!)
Davon bleiben 48 Handwerke gänzlich unverändert, und zwar entweder, weil auf Grund der einschlägigen Strukturdaten kein Änderungsbedarf gegeben war oder weil seitens der Verbände keine Vorschläge vorgelegt wurden.
Sechs Handwerke wurden von der Anlage A in die Anlage B überführt. Ich kann mir ersparen, sie zu nennen, weil sie bereits von Herrn Staatssekretär Dr. Kolb genannt worden sind. Gerade in diesen sechs Fällen erschien es auf Grund der Strukturdaten, insbesondere auf Grund der seit Jahren geringen Ausbildungsleistung, als unverhältnismäßig, diese Berufe in der Anlage A zu belassen.
Ich gebe zu, daß es mich traurig stimmt, daß es diese Traditionshandwerke künftig nicht mehr geben wird. Um so mehr freue ich mich aber darüber, daß einige kleine, aber regional wichtige Berufe, Frau Kollegin Wolf, zum Beispiel der Pfefferküchler und auch der Wachszieher -- ich bedanke mich für den Hinweis -- gerettet werden konnten. Die Pfefferküchler sollen künftig unter die Fittiche der Bäcker schlüpfen und ihren Meistertitel behalten können.
Ich glaube, daß wir richtig gehandelt haben, nur einen Beruf in die Anlage A aufzunehmen, nämlich den des Gerüstbauers. Hierfür spricht die starke Aufwärtsentwicklung, insbesondere bei der Ausbildungsleistung, aber auch die erhöhten Schwierigkeitsgrade und die zunehmenden sicherheitstechnischen Anforderungen. Wir haben allerdings sichergestellt, daß all diejenigen Handwerke, die bisher zur Ausübung ihrer Tätigkeiten Gerüste gebaut haben, dies auch weiterhin tun dürfen. Wir wollen das Rad der Zeit nicht zurückdrehen. Das war ein bestimmendes Element bei der Entscheidungsfindung für die einzelnen Berufe.
Andere Gewerbe, zum Beispiel Kosmetikerinnen -- Herr Kollege Türk hat es bereits angesprochen --, Bestatter, Bodenleger oder der Handy-Man, wurden nach intensiver Diskussion und Abwägung aller Gesichtspunkte nicht in die Anlage A aufgenommen.
Ich wollte eigentlich noch etwas zu dem Druckerwesen und zu den Offsetdruckern sagen. Meine Redezeit ist aber abgelaufen. Ich will mich dieser Tatsache fügen und nur noch zum Schluß darauf verweisen, daß es insbesondere bei den sechs Elektrohandwerken -- Elektroinstallateure, Elektromechaniker, Fernmeldeanlagenelektroniker, Elektromaschinenbauer, Radio- und Fernsehtechniker und Büroinformationselektroniker -- gelungen ist, sie zu drei Handwerksberufen zusammenzufassen. Ich bin gerne bereit, zu einem späteren Zeitpunkt noch näher darauf einzugehen.
Verehrte Kolleginnen und Kollegen, eine letzte Bemerkung. Lassen Sie uns jetzt dieses Ergebnis im Ausschuß zügig beraten, so daß nicht eintrifft, was Sie, Herr Kutzmutz, prophezeien, daß das Gesetz erst später in Kraft tritt, sondern dieses Gesetz bereits zum 1. April kommenden Jahres in Kraft treten kann. Das Handwerk braucht es, und wir wollen es.
Herzlichen Dank.
(Beifall bei der CDU/CSU und der F.D.P.)
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zur Rede von:
Scherhag (CDU)
Schwanhold (SPD)
Wolf (B90/Grüne)
Türk (F.D.P.)
Kutzmutz (PDS)
Dr. Kolb (BMWi)
Hinsken (CSU)
Vizepräsident Dr. Burkhard Hirsch: Ich schließe die Aussprache.
Interfraktionell wird Überweisung der Gesetzentwürfe auf den Drucksachen 13/9388 und 13/8846 an die in der Tagesordnung aufgeführten Ausschüsse vorgeschlagen. Der Gesetzentwurf der Fraktionen der CDU/CSU, SPD und F.D.P. soll allerdings nicht an den Ausschuß für Familie, Senioren, Frauen und Jugend überwiesen werden. Gibt es andere Vorschläge? -- Das ist nicht der Fall. -- Dann ist die Überweisung so beschlossen.
Interfraktionell ist vereinbart, den Tagesordnungspunkt 10 -- Beratung der Großen Anfrage der Fraktionen der CDU/CSU und F.D.P. zur internationalen Attraktivität und Wettbewerbsfähigkeit des Hochschulstandortes Deutschland als Aufgabe deutscher Politik -- von der Tagesordnung abzusetzen. -- Dazu erhebt sich kein Widerspruch. Dann ist das so beschlossen.

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