BUH-Stellungnahmen, Argumente gegen den Meisterzwang, Studien zum Meisterzwang, Qualität, Ausbildungsleistung, Inländerdiskriminierung, Meisterzwang ist verfassungswidrig
Dieser Text ist Teil der vom 27.11.2000 | Kontaktinformation am Ende der Seite
Hintergrundinformation zum Meisterzwang von den Jungen Liberalen Baden-Württemberg und dem Berufsverband unabhängiger Handwerkerinnen und Handwerker
Meisterzwang im Handwerk verhindert Existenzgründungen, Betriebsübernahmen, Arbeits- und Ausbildungsplätze
In Deutschland darf sich im Handwerk im wesentlichen nur selbständig machen, wer einen Meisterbrief vorweisen kann. Die verschiedenen Möglichkeiten ohne Meisterbrief selbständig zu arbeiten, werden von den Ordnungsämtern und den Handwerkskammern sehr restriktiv ausgelegt und angewandt.
Durch diese Regelungen werden einheimische Handwerker gegenüber
Anbietern aus anderen EU-Ländern erheblich benachteiligt. So
dürfen Unternehmer aus z.B. Frankreich oder Holland ohne jeden
Qualifikationsnachweis - alleine mit der Gewerbeanmeldung im Heimatland -
in Deutschland Handwerksleistungen anbieten. Auch für eine
Niederlassung in Deutschland wird von Bürgern anderer EU-Staaten kein
Meisterbrief verlangt, sondern nur eine drei bis sechs jährige
Selbständigkeit und in Zukunft - in einigen Handwerken - sogar nur
eine Ausbildung und fünf Jahre Berufstätigkeit. (Richtlinie
1999/42/EU)
Diese Inländerdiskriminierung wird von den Betroffenen nicht
verstanden und ist auch sachlich durch nichts zu rechtfertigen. Mittels des
Meisterzwangs entziehen sich deutsche Handwerksbetriebe weitgehend dem
Wettbewerb. Angesichts des absehbar zunehmenden Wettbewerbsdrucks durch
liberale EU-Regelungen liegt es jedoch auch im Interesse der
Meisterbetriebe selbst, sich durch die Abschaffung des Meisterzwangs
rechtzeitig für einen schärferen Wettbewerb mit Konkurrenten aus
dem EU-Ausland zu rüsten.
Aufgrund eines neuen EuGH Urteils vom 3.10.00 hat sich die Benachteiligung
einheimischer Handwerker neuerlich verstärkt.
Übereinstimmend sehen verschieden wirtschaftswissenschaftliche Gutachter und Verbraucherschützer (AgV) im Meisterzwang eine unnötige Behinderung von Selbständigkeit mit negativen Auswirkungen für das Angebot an Handwerksleistungen für den Verbraucher, auf den Arbeitsmarkt und das Angebot von Ausbildungsplätzen.
In Industrie und Handel hat sich seit über 30 Jahren das
Berufsbildungsgesetz bewährt. Nach diesem darf Ausbilden, wer
Kenntnisse auf Gesellenniveau (Facharbeiterniveau) hat und die
Ausbildereignungs-prüfung abgelegt hat. Ein Qualitätsunterschied
zwischen den in Industrie oder Handwerk ausgebildeten Menschen besteht
nicht. Die Absolventen aus den verschiedenen Wirtschaftsbereichen
konkurrieren mit gleichem Erfolg am Arbeitsmarkt. Eine Präferenz der
Wirtschaft für Handwerksgesellen gegenüber den verwandten
Industriefacharbeitern (z.B. Beton- und Stahlbetonbauer (Industrie) oder
Betonstein- und Terrazzohersteller (Handwerk) besteht nicht. Die Ausbildung
in der Industrie durch Facharbeiter mit Ausbildereignungsprüfung ist
der im Handwerk vollständig gleichwertig.
Das Argument der Verfechter des Meisterzwangs, daß dieser für
die Ausbildungsleistung des Handwerks von Nöten sei, geht also
vollständig ins Leere. Die Ausbild durch Gesellen ist der in einem
Meisterbetrieb gleichwertig, in dem auch heute schon tatsächlich von
den Gesellen ausgebildet wird. Und warum sollte weniger im Handwerk
ausgebildet werden, wenn es mehr Betriebe gäbe, die Ausbilden
dürfen? Auch in anderen Länder ohne Meisterzwang, wie z.B. der
Schweiz oder in Meisterfreien Trockenbau wird in gleicher Qualität und
Menge von Meisterbetrieben und Nicht-Meisterbetrieben ausgebildet. Diese
Tatsache hat ja auch den Gesetzgeber dieses Jahr bewogen den Trockenbau
endgültig vom Meisterzwang zu befreien.
Wer heute im weiten handwerklichen Umfeld Produkte oder Dienstleistungen
anbietet (etwa im handwerksähnlichen Gewerbe, im Minderhandwerk, im
unerheblichen handwerklichen Nebenbetrieb oder im Reisegewerbe) muß
sehr häufig Verfolgungen durch Ordnungsämter und Handwerkskammern
über sich ergehen lassen. Handhabe ist hier das Gesetz zur
Bekämpfung der Schwarzarbeit, daß entgegen der
umgangssprachlichen Bedeutung nicht Steuer- und Sozialabgabenhinterziehung
sonder angeblich unerlaubte Handwerksausübung unter Strafe stellt.
Bedauerlicherweise sind die Wirtschaftsministerien von Bund und
Ländern nicht in der Lage oder nicht Willens Auskünfte
darüber zu erteilen, welche Tätigkeiten unter die sogenannten
Vorbehaltsbereiche des Handwerks fallen. Für die Betroffenen
Unternehmer bedeutet dies, dass sie auf Aufträge verzichten, die sie
ausführen dürften und im Glauben andere Aufträge annehmen zu
dürfen, diese ausführen und dann gegen sie existenzvernichtende
Bußgelder verhängt werden.
Auch das Verfassungsgerichtsurteil 1 BvR 608/99 vom 31.3.2000 hat zu kaum
einer Erleichterung für die Betroffenen geführt. Weiterhin werden
selbst einfachste Tätigkeiten nicht als Minderhandwerk eingeordnet und
die Möglichkeit eines unerheblichen Nebenbetriebs wird verwehrt.
Auch werden weiterhin trotz des Verfassungsgerichtsurteils 1 BvR 2176/98
Reisegewerbekarten für Handwerksausübung verweigert.
Bei Abschaffung des Meisterzwangs erwarten wir bundesweit 500.000 neue
Existenzgründungen die nach drei bis vier Jahren ca. 2 Millionen
Arbeitsplätze schaffen könnten. Im Gegensatz dazu drohen bei
Beibehaltung des Meisterzwangs in den nächsten fünf Jahren bei
ca. 50.000 Betrieben im Handwerk die Übergaben an Nachfolger zu
scheitern, wodurch ca. 500.000 Arbeitsplätze verloren gehen werden.Das
Land Baden-Württemberg muss bis dahin alle Möglichkeiten voll
ausschöpfen, die Situation zu verbessern. Wir fordern die
Landesregierung auf, bis zur generellen Abschaffung des Meisterzwangs durch
die Bundesregierung, die Handwerksordnung zu flexibilisieren. Das
De-facto-Berufsverbot im Handwerk muss bis zu seiner völligen
Abschaffung von der Landesregierung maximal untergraben werden. Dies kann
per Verordnung geschehen.
Wichtigste Forderung des BUH und der Jungen Liberalen
Baden-Württemberg ist dabei, einen Kriterienkatalog zu erlassen, der
klar regelt, unter welchen Umständen Ausnahmebewilligungen zu erteilen
sind. Damit wird die Erteilung solcher Ausnahmebewilligungen der
Willkür der Regierungspräsidien und Handwerkskammern entzogen.
Gleichzeitig entsteht bei dementsprechend erfüllten Kriterien ein
Rechtsanspruch der Antragsteller auf Erteilung der
Ausnahmebewilligungen.
Weiter fordern wir das baden-württembergische
Wirtschaftsministerium auf, die vom Bundesverfassungsgericht verlangte
großzügige Vergabe
der Ausnahmebewilligungen endlich in
der Verwaltung durchzusetzen.
Die Spitzenstellung im Handwerk kann mittelfristig nur gesichert werden, indem mehr Wettbewerb zugelassen wird.
Handwerksähnliche Betriebe haben von 18.933 in 1996 auf 21.191 zum 30.6.2000 zugenommen. Im Gegensatz dazu haben die Betriebe des Vollhandwerks vom 99.000 in 1996 auf 97.661 abgenommen, obwohl seit 1998 die Betriebe des Gerüstbaus nicht mehr dem handwerksähnlichen Gewerbe, sondern dem Vollhandwerk zugerechnet werden. Zum Gerüstbau ist noch zu bemerken, daß dieser Gewerbebereich im ersten Halbjahr 1999 bundesweit mit 5,4% oder -335 Betrieben den größten Rückgang zu verzeichnen hatte.
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