BUH-Stellungnahmen, Argumente gegen den Meisterzwang, Studien zum Meisterzwang, Qualität, Ausbildungsleistung, Inländerdiskriminierung, Meisterzwang ist verfassungswidrig
Brief des BUH-Mitglieds Klaus Müller (1995)
Ich bedanke mich für das Interesse, das Sie der Berufsfreiheit im
Handwerk entgegenbringen.
Noch mal ein kurzer historischer Abriß vom
Handwerk. Um die Jahrtausendwende entstanden die Zünfte als
städtische Organisationen, um die Interessen des aufkommenden
Handwerks zu sichern. Aus der Form des Handwerksarbeiters wurde schnell die
Dreigliederung Lehrling, Geselle , Meister. Letztere schafften es, immer
mehr Lehrlinge und Gesellen für ihren Vorteil auszunutzen und den
Gesellen den Weg zum Meister zu erschweren.
In der Hochzeit des 16.und 17. Jahrhunderts mußten die Gesellen
unterschiedlich lange Wanderzeiten, bis 10 Jahre, und sogenannte Muthjahre,
das Warten auf die Meisterzulassung , bis 5 Jahre, über sich ergehen
lassen. Der Mensch mußte von ehelicher Geburt, christlichem Glauben
und natürlich bei guter Kasse sein. Das Meisterstück und der
sogenannte Meistertrunk (Ausschank der am Ort ansässigen Meister )
verschlangen ein ganzes Vermögen.
Am 2. November 1810 wurde in Preußen die allgemeine Gewerbefreiheit
eingeführt, ca. 60 Jahre später am 21. Juni 1869 wurde die
Gewerbefreiheit per Reichsgesetz auf das ganze Land ausgeweitet. Jeder
Mensch kann nun einen Handwerksbetrieb eröffnen. Die Handwerksmeister
versuchen immer wieder, dieses Gesetz zu kippen. Aber zu keinem
Zeitpunkt werden im Handwerk mehr Menschen ausgebildet, als in diesen
Jahren der Gewerbefreiheit.
Erst 1935 gelingt es den Handwerksmeistern, die Gewerbefreiheit wieder zu
unterbinden mit Einführung des großen
Befähigungsnachweises. Dies geschah mit Hilfe der Nationalsozialisten,
um den Mittelstand zu stärken und linientreu zu halten.
Im Jahre 1945 wird in der amerikanischen Besatzungszone die handwerkliche
Gewerbefreiheit eingeführt. 1949 sind fast die Hälfte aller
Betriebsinhaber/innen keine Meister. 1953 wird in Westdeutschland durch
geschickte Politik die Handwerksordnung (HWO) und dadurch der große
Befähigungsnachweis im stehenden Gewerbe wieder zur Pflicht. In den
Kernbestimmungen wurde sie sogar großenteils von 1935
übernommen. Wegen der Einschränkung der Berufsfreiheit
(Grundrecht auf freie Berufswahl GG Art. 12) gab es auch damals
verfassungsrechtliche Bedenken, diese wurden zum angeblichen Schutz des
Handwerks vom BVG (Bundesverfassungsgericht) zerstreut. 1965 und 1993 gab
es Novellierungen.
1993 schafften es die Lobbyisten des Handwerks fast - für sich selbst - eine Gewerbefreiheit innerhalb der HWO zu bekommen. Heute kann jeder Handwerksmeister außerhalb seines Gewerkes Aufträge ausführen,wenn ein Auftragszusammenhang besteht. Z.B: Klempner, das fertige Badezimmer, Zimmerer, Maurer, schlüsselfertiges Bauen.
Immer wieder wird von der Handwerkskammer der Verbraucherschutz in den Vordergrund gestellt, um den großen Befähigungsnachweis zu untermauern. Aber wenn dies so ist, warum gibt es dann an den Gerichten eine eigene Kammer für Pfusch am Bau, die über Verfahren gegen Meisterbetriebe nicht klagen kann? Ein wirklicher Schutz für den Verbraucher ist durch die HWO nicht gegeben, eher eine Absicherung des Handwerks. Verbraucherfreundlich wäre eine regelmäßige Fortbildung, um das handwerkliche Niveau zusteigern.
Selbst die Ausbildung findet in der Praxis anders
statt. Der Meister hat mit der Geschäftsführung (Manager) seines
Betriebes genug zutun. Die Ausbildung im Betrieb wird in der Regel zu 80%
von den Gesellen geleistet, die mit den Auszubildenden auf der Baustelle
sind. Da auf diese Art und Weise in den heute oft sehr spezialisierten
Betrieben eine umfassende Ausbildung nicht mehr gewährleistet ist,
übernimmt diese Aufgabe schon jetzt eine überbetriebliche
Ausbildung, die den Lehrling für immer längere Zeiten dem Betrieb
entreißt. Durch ebensolche Nachteile für Lehrling und Betrieb
sind die Ausbildungszahlen nicht sehr hoch. Wie schon erwähnt, wurden
zur Zeit der Gewerbefreiheit mehr Menschen im Handwerk ausgebildet als
heute.
Für die Fortbildung der GesellInnen kann ein freies
Ausbildungsangebot, ähnlich dem der Universitäten, entwickelt
werden. So kann die GesellIn unterschiedliches Fachwissen erlangen und
verschiedene Praktiken erlernen, in gleitender Zeit und nicht in einem
Block, wie auf den Meisterschulen.
Wie sich immer wieder zeigt, ist die Meisterprüfung oft kein Garant für Qualität, Können und Praxis. Der Befähigte ist nicht befugt, der Befugte ist nicht befähigt. Dies gilt für den fachlichen Bereich ebenso wie für den kaufmännischen. Durch die zeitliche, finanzielle und psychische Belastung stellt der große Befähigungsnachweis eine Hürde auf dem Weg zur Selbstständigkeit der GesellInnen dar. Wir meinen, HandwerkerInnen werden so ungleich gestellt in ihren beruflichen Entwicklungsmöglichkeiten. Weltweit zeigen andere Länder, daß es ohne den großen Befähigungsnachweis geht.
Dieser stellt eine direkte Diskriminierung der Frauen im Handwerk dar.Wenn eine Frau 2,5 bis 3 Lehrjahre, danach 3 GesellInnenjahre vorweisen muß, Kinderwunsch und pro Kind ca. 3 Jahre Ausfallzeit hat, und dann außerhalb ihres Wohnortes eine Meisterschule besuchen muß und mit ca. 50-100.000,- DM Kosten und Arbeitsausfall rechnen muß, werden die wenigsten Frauen Interesse haben, diesen Weg auf sich zu nehmen. Daran ändert auch ein Meisterbafög wenig. Eine andere Form für selbständiges Arbeiten im Handwerk bietet sich ihr laut HWO aber nicht. Bleibt ihr also das Dasein als Arbeitnehmerin, daß ihr z.B. in der Situation als Mutter, und damit verbundenem Wunsch nach Teilzeitarbeit, kaum Möglichkeiten bereit hält.
Der Wunsch nach Selbständigkeit hat viele Hintergründe. Ich z.B. wurde durch Holzschutzmittel in meiner Lehre vergiftet. In einem normalen Betrieb hätte ich größte Auseinandersetzungen mit meinem Arbeitgeber gehabt, wenn ich mich geweigert hätte, Holzschutzmittel oder andere Gefahrenstoffe, auf die mensch durch Sensibilisierung aufmerksam wird, zu benutzen. Die Selbständigkeit bietet mir die Möglichkeit für selbstbewußtes, verantwortliches Handeln.
Für mich , wie auch für andere HandwerkerInnen, bietet das Reisegewerbe eine Möglichkeit, unseren Beruf selbständig auszuüben. Diese Art zu arbeiten entstand aus der Kultur der Reisenden GesellInnen und darf nicht Opfer einer juristisch fatalen Entscheidung werden. Dies ist gerade jetzt eine große Gefahr! Dieses Recht muß erfochten werden, genauso wie das freie selbständige Arbeiten von GesellInnen ohne großen Befähigungsnachweis.
Ich hoffe, Sie haben den Mut, dieses durch die Handwerkskammer
dominierte Thema aufzugreifen, und politisch mit uns durchzusetzen.
Bücher:
Mit Gruß, Klaus Müller
Bei Anmerkungen und Kritik freut sich der BUH über email, Post oder FAX an die Geschäftsstelle.
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