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für Gewerbefreiheit auch im Handwerk - weg mit dem Meisterzwang
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BUH-Stellungnahmen, Argumente gegen den Meisterzwang, Studien zum Meisterzwang, Qualität, Ausbildungsleistung, Inländerdiskriminierung, Meisterzwang ist verfassungswidrig

BUH-Stellungnahme zur RWI-Studie "Der Große Befähigungsnachweis im Deutschen Handwerk"

des Rheinisch-Westfälischen Instituts für Wirtschaftsforschung (RWI), Essen

Zu der Diskussion um den sogenannten Großen Befähigungsnachweis - der Bestimmung, daß sich in Deutschland im Handwerk nur selbständig machen darf, wer vorher einen Meisterbrief erworben hat (kurz Meisterzwang) - wurde im Mai 1999 vom RWI eine Studie pro Meisterzwang vorgelegt. Die Ergebnisse der RWI-Studie können nicht unwidersprochen bleiben.

Die zentrale These der RWI-Studie ist, daß der Meisterzwang den Wettbewerb im Handwerk nicht schwächt sondern sogar verschärft. Ein wesentlicher Wettbewerbsgarant im Handwerk sei die potentielle Konkurrenz der Meisterreserve.
Die Werbung der Handwerkskammern für die Meisterausbildung gibt den Anteil der selbständigen Meister mit 48% an, 37% der Meister sind Betriebsleiter und 9% Ausbilder. Es bleiben 6% der Meister, die keiner Tätigkeit nachgehen, für die ein Meisterbrief erforderlich ist. Die RWI-Studie geht fälschlicherweise davon aus, daß 50% der Meistern keine meisterpflichtige Tätigkeit ausüben. Zu den verbleibenden 6% gehören Menschen, die sich weit vom Handwerk weg entwickelt haben, wie z.B. der Fliesenlegermeister Walter Riester, der als potentielle Konkurrenten im Handwerk nicht mehr auftritt.
In den nächsten fünf Jahren wird sich ein großes Meisterloch auftun, wenn altersbedingt 200.000 selbständige Handwerksmeister aus dem Berufsleben ausscheiden werden. Hiervon sind mehr als ein drittel der Vollhandwerksbetriebe betroffen. Nach Schätzungen des ZDH werden für 50.000 Betriebe keine Nachfolger gefunden werden und damit 500.000 Arbeitsplätze verloren gehen. Eine Meisterreserve, die als potentielle Konkurrenz den Wettbewerbim Handwerk sicherstellt, gibt es folglich nicht.

Seit 1949 ist die Anzahl der Vollhandwerksbetriebe von 951.886 auf 546.695 in 1997 gesunken. Dieser Verlust an Handwerksbetrieben ist um so erstaunlicher, weil typischerweise im Verlauf der Entwicklungeiner Volkswirtschaft der Dienstleistungssektor - zu dem das Handwerk zum großen Teil gehört - stärker wächst als in Deutschland und nicht wie im Handwerk sogar kleiner wird. In der RWI-Studie wird das Verhältnis von abgelegten Meisterprüfungen zu bestehenden Betrieben betrachtet. Aus der Tatsache, daß diese Verhältnis von 4,1% in 1949 auf 5,8% in 1997 gestiegen ist, wird geschlossen, daß ausreichend Betriebsgründungen im Handwerk möglich seien. Ignoriert wird die einfach Tatsache, daß dieses Verhältnis nur deswegen gestiegen ist, weil die Zahl der Betriebe zum Schaden für den Arbeitsmarkt und die Verbraucher so stark abgenommen hat. Auch die Anzahl der abgelegten Meisterprüfungen ist gesunken.

Das Institut für Mittelstandsökonomie an der Universität Trier (INMIT) hat im Auftrag der Handwerkskammer Trier eine Studie erstellt, die einen kausalen Zusammenhang zwischen dem Meisterzwang und der verhältnismäßig niedrigen Insolvenzquote im Handwerk nachweisen sollte. Obwohl die Studie als Argumentationshilfe für den Meisterzwang geplant war, wird sie unter Verschluß gehalten. Einzig im Internetangebot des INMIT findet man eine Kurzzusammenfassung der Studie. Dort erfährt man, daß sich bei jungen Handwerksunternehmen die Insolvenzquote nicht von der der Gesamtwirtschaft abhebt. Hieraus muß man folgern, daß in der für Unternehmen kritischen Gründungsphase der Meisterbrief keinen besonderen Schutz vor Insolvenz bietet. Umgekehrt ist dies ein weiterer Hinweis darauf, daß die niedrige Insolvenzquote von etablierten Handwerksbetriebe, entgegen der These des RWI, auf die geringere Wettbewerbsintensität im Handwerk zurückzuführen ist.
Interessant wäre die Frage, ob die Insolvenzquote im Handwerk niedriger sein könnte, wenn den Jungunternehmern das Eigenkapital nicht durch die Ausbildungs- und Unterhaltskosten von DM 70.000,- bis 120.000,- für den Meisterbrief geschmälert würde, bzw. die Jungunternehmer selber entscheiden dürften, welche Fortbildungen sie absolvieren wollen. Viele Menschen - insbesondere Familienväter und -mütter - können diese Kosten trotz Meister-BAföG nicht tragen, und sind deswegen vom Handwerksmarkt ausgeschlossen. Damit ist die in der RWI-Studie geforderte Voraussetzung nicht erfüllt, daß jeder der die notwendige Eignung besitzt, das Recht erwerben kann, diesen auch selbständig auszuführen. Unwidersprochen schränkt der Meisterzwang die freie Berufsausübung (Artikel 12 GG) ein. Es ist fraglich, ob bei den veränderten Gegebenheit, das Verfassungsgericht den Meisterzwang heute wieder tolerieren würde wie 1961. Seitdem hat es bei vergleichbaren Verfahren häufiger zugunsten der freien Berufsausübung geurteilt.
Einheimischen Handwerksgesellen kann der Zwang zum Meisterbrief nicht mehr zugemutet werden, wenn man Bürgern anderer EU-Staaten diesen nicht abverlangt. Vergleichbare Bestimmungen in Österreich wurden dort vom Verfassungsgerichtshof als inländerdiskriminierend bezeichnet; es wurde eine Gesetzesüberprüfung eingeleitet.

Die Handwerksverbände verstehen es immer wieder, Wettbewerber außerhalb des Handwerks aus Randbereichen des Handwerks zu verdrängen. Als Handhabe dient das Gesetz zur Bekämpfung der Schwarzarbeit, das unerlaubte Gewerbeausübung unter Strafe stellt. Mit Hilfe des "dynamischen Handwerksbegriffs" unterwirft das Handwerk immer wieder neue Tätigkeitsbereiche dem Meisterzwang. Dies führt dazu, daß Unternehmen, die bestimmte Arbeitstechniken selbst mit entwickelt haben, diese dann nicht mehr ausüben dürfen. Z.B. ist der Trockenbau trotz eindeutiger Stellungnahme des Wirtschaftsausschusses des Bundestages immer wieder strittig. Zwischen 1991 und 1996 wurde 13.000 Steuern zahlende Betriebe wegen unerlaubter Gewerbeausübung verurteilt. Von einer wissenschaftlichen Studie sollte man erwarten könne, daß zwischen unerlaubter Gewerbeausübung und Steuerhinterziehung differenziert wird. Die volkswirtschaftlichen Kosten und die Beschränkung des Wettbewerbs durch diese Verfolgung von steuerzahlenden Betrieben wird von der RWI-Studie außer acht gelassen.
Trotz der letzten Novellierung der Handwerksordnung wird Interdisziplinarität im Handwerk häufig unterbunden, auch Handwerksmeister dürfen nur in den engen Grenzen ihres eigenen Handwerks tätig sein. Die deswegen nicht realisierten Innovationen und die verhinderten Synergierenditen für Unternehmen und Kunden, die entstehen könnten, wenn mehr Leistungen von einem Unternehmen angeboten werden dürften, müssen den volkswirtschaftlichen Kosten des Meisterzwangs auch zugerechnet werden.
Die volkswirtschaftlichen Kosten für die Abgrenzungsstreitigkeiten zwischen Handwerk, Industrie und Handeln werden in der RWI-Studie unterschlagen.

Wenn in der RWI-Studie behauptet wird, daß "es sicher nicht übertrieben ist, zu behaupten, daß eine Aufhebung des Großen Befähigungsnachweises zugleich das Ende des dualen Systems der Berufsausbildung in Deutschland bedeuten würde" zeigt sich, daß die Autoren wenig von der Dualen Berufsausbildung wissen. Von den ca. 350 Ausbildungsberufen in Deutschland gehören rund 120 zum Handwerk, die anderen zu Industrie und Handel.
Die Befürchtung vom RWI ist unbegründet. Seit 30 Jahren wird nach dem Berufsbildungsgesetz in Industrie und Handel ohne Meisterzwang hervorragend im Dualen System ausgebildet. Probleme sind hier nicht bekannt.
Der Anteil der Auszubildenden, die außerhalb des Handwerks ausgebildet werden, hat sich sogar von rund einem drittel 1956 auf 62% heute erhöht.

Von dem Anspruch der RWI-Studie "einen pragmatischen Ansatz zur Betrachtung des Für und Wider eines Großer Befähigungsnachweises im deutschen Handwerk" zu versuchen, bleibt nicht viel übrig, wenn man sich anschaut, wieviele Kritikpunkte von Handwerkern und anderer Studien - wie z.B. von der Deregulierungskommission 1991 oder der Monopolkommission 1998 - vernachlässigt wurden. Argumente, die gegen den Meisterzwang sprechen, wurden systematisch unterschlagen.

In Anbetracht der vielen nicht behandelten Fragen und der Unstimmigkeiten drängt sich die Frage auf, ob nur auf dem Bau oder auch in der Wissenschaft, gepfuscht wird.

Die Politik ist aufgefordert, bei den schwachen Argumenten der Gegner der Gewerbefreiheit, vielen Tausend Gesellen den Start in die Selbständigkeit zu erlauben. Nach verschiedenen Schätzungen könnten dann 200.000 bis 500.000 Arbeitsplätze neu entstehen.

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