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für Gewerbefreiheit auch im Handwerk - weg mit dem Meisterzwang
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BUH-Stellungnahmen, Argumente gegen den Meisterzwang, Studien zum Meisterzwang, Qualität, Ausbildungsleistung, Inländerdiskriminierung, Meisterzwang ist verfassungswidrig

2001: Debatte um PDS Gesetzentwurf zur Abschaffung des Meisterzwangs

Im Jahr 2001 hatte die PDS einen Gesetzentwurf in den Bundestag eingebracht, mit dem der Meisterzwang deutliche gelockert worden wäre.

Gleichzeitig wäre mit diesem Gesetzentwurf der Koalitionsvertrag der Rot-Grünen Koalition von 1998 umgesetzt worden. In dem Vertrag heißt es:

"Wir werden den Zugang zur selbständigen Tätigkeit im Handwerk erleichtern. Es muß künftig möglich sein, den Meisterbrief nach der Existenzgründung berufsbegleitend zu erwerben. Der große Befähigungsnachweis bleibt Voraussetzung für die Selbständigkeit im Handwerk."

Obwohl Rot-Grüne genau diese Lockerung des Meisterzwangs im Koalitionsvertrag vereinbart hatte, hat die Koalition dem Gesetzentwurf zur Umsetzung dieser Absprache nicht zugestimmt.


Bundestagsdebatte vom 18.10.2001 zur Drucksache 14/6791

Ich rufe Tagesordnungspunkt 13 auf:
Erste Beratung des von den Abgeordneten Uwe Hiksch, Eva Bulling-Schröter, Gerhard Jüttemann, weiteren Abgeordneten und der Fraktion der PDS eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung der Handwerksordnung
- Drucksache 14/6791 -
Überweisungsvorschlag:
Ausschuss für Wirtschaft und Technologie (f)
Ausschuss für Arbeit und Sozialordnung
Ausschuss für die Angelegenheiten der Europäischen Union
Ich eröffne die Aussprache. Alle Reden sind zu Protokoll gegeben worden.2) Deshalb schließe ich die Aussprache.
Interfraktionell wird Überweisung des Gesetzentwurfs auf Drucksache 14/6791 an die in der Tagesordnung aufgeführten Ausschüsse sowie darüber hinaus an den Ausschuss für Bildung, Forschung und Technologiefolgenabschätzung vorgeschlagen. Gibt es andere Vorschläge? - Das ist nicht der Fall. Dann ist die Überweisung so beschlossen.
Anlage 6

Zu Protokoll gegebene Reden zur Beratung des Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung der Handwerksordnung (Tagesordnungspunkt 13)

Christian Lange (Backnang) (SPD): Eine dynamische Wirtschaft lebt von Neugründungen: Arbeitsplätze werden geschaffen oder gesichert. Darin sind wir uns alle einig.

Ihr Antrag zielt auf die Abschaffung des großen Befähigungsnachweises. Das geht im Wesentlichen aber an den eigentlichen Anforderungen von modernen Handwerksbetrieben vorbei: Der Meisterbrief muss europafest werden. Das ist das primäre Ziel von Reformüberlegungen, nicht seine Abschaffung. Wir wissen doch alle, was wir am Meisterbrief haben: hohe Qualität und hohe Ausbildungsleistung. Darauf will die PDS also verzichten? In der Tat ist es problematisch, dass gerade im Handwerk die Gewerbeanmeldungen in der letzten Jahren rückläufig gewesen sind. Die Zahl der Existenzgründungen, die Gründungsquote, liegt im Bereich des Handwerks bei 5 Prozent, während die Neugründungen in sonstigen Wirtschaftsbereichen bei 11 Prozent liegen. Wir aber wollen mehr Existenzgründun gen, mehr Betriebsübernahmen und mehr Wachstum und Beschäftigung im Handwerk.

Wir haben bereits einiges erreicht: Das Bundesverfassungsgericht hatte deutlich gemacht, dass die Handwerksordnung, die einen Eingriff in das Grundrecht der Berufsfreiheit nach Art. 12 GG darstellt, grundrechtsfreundlich ausgelegt werden muss. In Europa stehen wir praktisch allein mit der Meisterprüfung als Marktzugangsvoraussetzung.

Wir müssen aufpassen, dass das Thema Inländerdiskriminierung nicht zum Sprengsatz für den großen Befähigungsnachweis wird. Daher bin ich sehr froh, dass wir gemeinsam mit dem Handwerk eine Lösung gefunden haben: Ende November 2000 hat eine Arbeitsgruppe von Bund und Ländern festgelegt, wie künftig die Handwerksordnung anzuwenden ist. Dabei geht es vor allem um gemeinsa me Mindeststandards bei der Anwendung des Ausnahmetatbestandes nach § 8 HwO, dafür also, wann also eine Meisterprüfung unzumutbar ist.

Zur Verdeutlichung einige Beispiele: Zukünftig gibt es einheitliche und erleichterte Voraussetzungen für Ausnahmen, wenn der Antragsteller in fortgeschrittenem Lebensalter ist oder langjährig in seinem Handwerk als Geselle in herausgehobener Stellung tätig war oder sich ihm die günstige Gelegenheit für die Übernahme eines Betriebs bietet. Aber der Nachweis fachlicher Qualifikation bleibt weiterhin erforderlich. Zukünftig muss auch derjenige keine Meisterprüfung ablegen, der lediglich eine begrenzte Spezialtätigkeit aus dem Kernbereich eines Handwerks ausüben will, zum Beispiel Mitarbeiter der Reparaturabteilung einer Staubsaugerfirma, die mehrere Jahre in dem Bereich beschäftigt waren und sich selbstständig machen.

Eine Meisterprüfung ist auch nicht zumutbar, wenn Arbeitslosigkeit wegen Outsourcing droht, bei langen Wartezeiten für die Ablegung der Meisterprüfung, bei gesundheitlichen und anderen sozialen Gründen oder für staatlich geprüfte Techniker.

Mit diesem Beschluss der gemeinsamen Arbeitsgruppe wird auch klarge stellt - so wie vom Bundesverfassungsgericht gefordert -, dass einfache Tätigkeiten nicht zum handwerklichen Kernbereich gehören. Die Umsetzung des Beschlusses liegt in der Verantwortung der Länder.

Auf den Weg gebracht wurde auch die Umsetzung des Urteils des EuGH vom 3. Oktober 2000, in dem klargestellt wurde, dass Handwerksbetriebe, die in einem anderen EU-Mitgliedstaat ansässig sind und nur gelegentlich in einem Aufnahmeland tätig werden wollen, durch die mit einer Eintragung in die Handwerksrolle verbundenen Verzö gerung oder durch sonstige Erschwernisse sowie finanzielle Belastungen nicht abgeschreckt werden dürfen. Das BMWi holt derzeit dazu Vorschläge der Bundesländer und des Handwerks ein und prüft diese.

Wir haben auch durch die Verbesserung der Förderbedingungen für das Meister-BAfög gerade für Existenzgründungen ein wichtiges Zeichen gesetzt. Das brauchen wir dringend - da stimme ich zu - angesichts der rund 200 000 Betriebe im Handwerk, die zur Übernahme anstehen. Damit setzen wir auch ein wichtiges und unübersehbares Zeichen in Sachen Meisterbrief.

Der Zentralverband des Deutschen Handwerks, der ZDH, befürchtet, dass für 50000 dieser Betriebe die Betriebsübergabe scheitern könnte. Dies müssen wir verhindern, auch im Hinblick auf die etwa 500000 Arbeitsplätze, die durch den Generationenwechsel betroffen sind. Wir müssen die Betriebe bei allen Fragen, die ein Generationenwechsel mit sich bringt, unterstützen. Denn die kleinen und mittleren Unternehmen, insbesondere die Handwerksbetriebe, ermöglichen jungen Menschen den Zugang zu beruflicher Qualifikation und damit eine berufliche Perspektive. Im Handwerk wäre diese Ausbildungsleistung ohne den Großen Befähigungs nachweis nicht möglich. Vor allem deshalb wollen wir den Großen Befähigungsnachweis beibehalten.

Außerdem haben wir zur Förderung der Leistungs- und Wettbewerbsfähigkeit von Existenzgründern und etablierten Unternehmen des Handwerks spezifische Programme bereit gestellt. Von den Gewerbefördermitteln entfal rund 80 Prozent auf das Handwerk; das sind 209 Millionen DM. Konkret bedeutet dies: Wir unterstüt zen Existenzgründer und etablierte Unternehmen des Handwerks durch Bereitstellung zinsgünstiger öffentlicher Darlehen und durch die Förderung der Unternehmensberatung. Wir stärken die Innovationsfähigkeit des Handwerks. Wir führen die Modernisie rung und Flexibilisierung der berufli chen Bildung konsequent fort.

Karl-Heinz Scherhag (CDU/CSU): Dem Gesetzentwurf der PDS auf Änderung der Handwerksordnung wird die CDU/CSU-Fraktion nicht zustimmen.

Ich möchte dies wie folgt begründen: In der letzten Legislaturperiode haben sich die Fraktionen der CDU/CSU, der SPD, der FDP und Bündnis 90/Die Grünen mit einer Neuordnung der Handwerksordnung auseinander gesetzt. Hierbei entstand ein überarbeitetet Gesetz, das mit großer Mehrheit im Bundestag angenommen und einstimmig im Bundesrat verabschiedet, am 1. April 1998 in Kraft getreten ist. Dieses Gesetz hat sich mit allen Fragen des Handwerks auseinander gesetzt. Es hat alle 124 Vollhandwerke geprüft und hierbei viele Vollhandwerke zusammengelegt oder gegenseitig für verwandt erklärt, sodass am Ende 94 Vollhandwerke übrig geblieben sind.

Dieses moderne, der Zeit angepasste Gesetz wurde und wird im In- und Ausland erkannt, und viele Länder würden ein solch hervorragendes Gesetz gerne übernehmen. Erst vor wenigen Monaten hat das bulgarische Parlament nach dem Vorbild der deutschen Handwerksordnung in fast vergleichbarer Form ein entsprechendes Gesetz erlassen. Darüber hinaus haben sich die Fraktionen auch mit der Anlage B der Handwerksordnung beschäftigt und hierbei 57 handwerksähnliche Berufe festgeschrieben.

Wie intensiv wir uns, seinerzeit mit den einzelnen Berufen auseinander gesetzt haben, möchte ich nur am Beispiel der Trockenbauer nochmals in Erinnerung rufen.

Wenn die PDS jetzt erneut einen Vorstoß macht, um den Großen Befähigungsnachweis zu unterlaufen, so ist dies reiner Populismus. Alle Fraktionen waren sich bisher einig, dass die Qualität des deutschen Handwerks und das damit verbundene duale Ausbildungssystem nur dann Bestand hat, wenn der Große Befähigungsnachweis nicht infrage gestellt wird. Meister, Lehrlinge und Gesellen wird es dann nicht mehr geben. Immer wieder wird aber dennoch von einzelnen Gruppen aus unterschiedlichen Interessenslagen heraus versucht, die Handwerksordnung zu durchlöchern und so auf Dauer infrage zu stellen.

Ich möchte alle Kolleginnen und Kollegen warnen, sich nicht auf den falschen Weg zu begeben, den handwerklichen Mittelstand infrage zu stellen. Jede Veränderung der Gesetzeslage hätte zur Folge, dass mit weiteren Lehrstellen- und Arbeitsplatzverlusten zu rechnen ist. Die von der PDS vorgeschlagenen Veränderungspunkte kehren alle paar Jahre wieder. Richtiger werden sie dadurch nicht.

Ohne kaufmännische, fachliche und pädagogische Prüfung kann man keinen Betrieb führen. Deshalb ist der Große Befähigungsnachweis unabdingbar mit der Führung eines Handwerksbetriebes verbunden. Was die Erlangung des Großen Befähigungsnachweises nach der Existenzgründung angeht, so kann ich nur davor warnen: Wer vor seiner Betriebsgründung keine Zeit aufbringt, wird es auch hinterher, wenn er den Betrieb führt, nicht tun. Er wird vorher feststellen, dass er im allgemeinen Wettbewerb die hohen Anforderungen eines Handwerks unternehmers nicht erfüllen kann.

Bei der Betrachtung der Insolvenzen, die wir derzeit in hohem Maße verzeichnen, lässt sich aber immer wieder feststellen, dass in den seltensten Fällen Handwerksbetriebe in Konkurs gehen. Das ist unter anderem den hohen Qualitätsanforderungen in der Ausbildung zu verdanken.

Ich möchte Sie deshalb alle bitten, die Handwerksordnung, wie sie seit fast 100 Jahren besteht, nicht aufzugeben.

Andrea Fischer (Berlin) (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Die Bundesregierung verbessert die Rahmenbedingungen von Existenzgründern. Gute Bedingungen für Selbstständige sind bedeutsam für die wirtschaftliche Entwicklung, denn Selbstständige entwickeln Ideen für neue Produkte und schaffen so Beschäftigungspotenziale. Im Durchschnitt schafft jeder Selbstständige vier bis fünf zusätzliche Arbeitsplätze.

Nun erschwert es jedoch die Handwerksordnung erheblich, sich im Handwerk selbstständig zu machen. So muss ein Geselle, der sich selbstständig machen will, zunächst eine weitere, extrem kosten- und zeitintensive Ausbildung absolvieren, um ein Unternehmen in seiner Profession gründen zu dürfen. Dabei konnte er nur durch eine dreijährige, erfolgreich absolvierte Ausbildung Geselle werden. Er oder sie muss einen Meisterlehrgang absolvieren, der sich berufsbegleitend über mehrere Jahre hinzieht und Kosten von rund 40000 DM verursacht.

Diese Regelung ist nicht mehr zeitgemäß. Sie ist im Übrigen einmalig in der Europäischen Union, nachdem das österreichische Verfassungsgericht die entsprechende Regelung in Osterreich für verfassungswidrig erklärt hat. Wir freuen uns daher, dass das BMWi und die Koalitionsfraktionen im Konsens mit dem Zentralverband des Deutschen Handwerks und den Ländern Erleichterungen für Gründer, die ohne Meisterbrief einen Handwerks betrieb gründen wollen, vereinbart haben. Wir konnten hier wichtige Liberalisierungen durchsetzen. Die Möglichkeit der Erteilung von Ausnahmebewilligungen nach § 8 HwO, die Selbstständigkeit ohne Meisterbrief ermöglicht, wurde ausgeweitet. Bund und Länder haben sich am 21. November 2000 darauf verständigt, eine möglichst einheitliche und flexible Anwendung der Handwerksordnung zu garantieren.

Eine "Regelliste" von speziellen Ausnahmetatbeständen, die die Meisterprüfung unzumutbar machen, - § 8 Hw0 - und eine "Generalklausel" für sonstige Fälle wurden festgeschrieben. Damit wurde jeweils ein Hinweis verbunden, ob die Ausnahmebewilligung befristet, also bis zur Ablegung der Meisterprüfung, erteilt wird oder auf Dauer eine Meisterprüfung nicht notwendig ist. Wichtige Ausnahmefälle, nach denen ein Handwerk jetzt auch ohne Meisterbrief ausgeübt werden kann, sind vor allem die "Gelegenheit zur Betriebsübernahme", die auch der Erhaltung bzw. Schaffung von Arbeitsplätzen dient, sowie die lange, seit über zehn Jahren geforderte "Altgesellenregelung". Diese Regelung erkennt bei einem Alter von etwa 47 Jahren einen Ausnahmefall an und verbindet dies mit der Möglichkeit, die Altersgrenze bei langjährig - 20 Jahre - tätigen Gesellen zu verkürzen. Die Koalitionsfraktionen werden aufmerksam beobachten, wie die Leitlinien in den Ländern umgesetzt werden.

Mit diesen Regelungen haben wir einen wichtigen Impuls zur Liberalisierung und Modernisierung einer sehr alten Institution geschaffen.

Dr. Heinrich L. Kolb (FDP): In regelmäßigen. Abständen kommen sie immer wieder: die Forderungen, den Meisterbrief im Handwerk abzuschaffen. Kamen sie früher von den Grünen, kommen sie nun von der PDS. Die Grünen haben sich also auch hier den Realitäten fügen müssen. Im vorliegenden Fall steht aber der Bund unabhängiger Handwerker als Autor hinter dem Gesetzentwurf.

Schon die Problembeschreibung ist widersprüchlich: Auf der einen Seite wird gesagt, die Meisterprüfung sei verzichtbar, weil bereits der hohe Kapitalbedarf für eine Existenzgründung im Handwerk das Erfordernis einer besonderen Qualifikation begründe. Auf der anderen Seite wird darauf verwiesen, dass bei Abschaffung des Meistervorbehalts dann auch kapitalschwache Gründer den Weg in die Selbstständigkeit finden können. Ja, was gilt denn nun? Braucht es einen hohen Kapitaleinsatz oder genügt die schwache Kapitalbasis?

Die Antwort liegt auf der Hand: Die Ausstattung eines Gründers im Handwerk mit Kapital ist selbstverständlich eine Frage seiner Qualifikation. Es ist richtig, dass die meisten Banken und Sparkassen sehr günstige Existenzgründerkredite an Handwerksmeister vergeben - ganz einfach, weil die Banken wissen, dass die Bestandsfestigkeit von Handwerksgründungen aufgrund der guten meisterlichen Qualifizierung der Gründer signifikant höher ist als bei Unternehmensgründungen in Bereichen, die die Meisterprüfung nicht kennen. Als Beispiele mögen hier das Gastgewerbe, die Boutiquen oder die Videotheken dienen.

Der Gesetzentwurf geht - fälschlicherweise - davon aus, der Meistervorbehalt stelle ein Hemmnis bei der Gründung von Unternehmen dar. Folglich müssten sich eigentlich alle Absolventen der Meisterlehrgänge, die dieses - in der Denkweise der Antragsteller - enorme Hindernis überwunden haben, selbstständig machen. Die Zahlen sprechen dagegen: lediglich 52 Prozent eines Meisterjahrganges streben in die Selbstständigkeit. Aber 89 Prozent der Absolventen versprechen sich bessere berufliche Aufstiegs chancen aufgrund höherer Qualifikation. Genau um diese Qualifikation geht es beim großen Befähigungsnachweis. Mangelnde Qualifikation steht laut DtA auf Platz drei der Gründe für ein Scheitern von Gründungen. Wir erreichen bestandsfeste Arbeitsplätze am besten mit dem großen Befähigungsnachweis und nicht ohne ihn.

Ich kann auch nicht erkennen, welche Gründe es für die hervorragenden Gesellen, von denen im Gesetz die Rede ist und an deren Existenz ich keinerlei Zweifel hege, geben könnte, sich nicht der Meisterprüfung zu stellen. Die alte Bundesregierung hat das Meister-BAföG eingeführt, dass auch von der jetzigen Bundesregierung nicht eingestellt wurde. Ich finde es von daher zumutbar, dass für das Ausüben bestimmter handwerklicher Tätigkeiten der Nachweis, dass diese Tätigkeiten auch qualifiziert erbracht werden können, verlangt wird. Und so sehen das in ständiger Rechtsprechung auch das Bundesverfassungsgericht und das Bundesverwaltungsgericht, die wiederholt die HWO in ihrer bestehenden Form bestätigt haben.

Der Vorstoß gegen die Handwerksordnung ist durchsichtig. Niemand kommt auf die Idee, zum Beispiel die Pharmazeutisch-Technischen Assistenten zur Selbstständigkeit als Apotheker zuzulassen. Auch das Erfordernis eines erfolgreich abgeschlossenen Pharmaziestudiums hat seinen Sinn. Und niemand käme auf die Idee, kaufmännisch begabte Bürger das Aspirin über den Tresen reichen oder das vom Arzt auf geschriebene Medikament aus dem Regal holen zu lassen.

Der vorliegende Gesetzentwurf mit seiner Selbstver pflichtung der Existenzgründer, innerhalb eines Zeitraumes von zehn Jahren die Meisterprüfung zu machen, führt zur faktischen Abschaffung des Meisterbriefs. Denn was passiert nach diesen zehn Jahren? Dazu schweigt sich der Gesetzentwurf - vermutlich vorsätzlich - aus. Ich glaube nicht, dass die Betriebe dann geschlossen werden, weil der Inhaber die Meisterprüfung nicht abgelegt hat.

Auch die verbesserte Rechtssicherheit beim Verbraucher wird sich nicht einstellen. Der Verbraucher ist auf der sicheren Seite, wenn er seine Dienstleistungen vom Meisterbetrieb bezieht. Dann braucht er ein Verfahren wegen Schwarzarbeit nicht zu fürchten und kann sich sicher sein, dass er beste Qualität für sein Geld erhält.

Ich denke, es ist deutlich geworden, dass der Gesetzentwurf versucht, ein Problem zu lösen, das es nicht gibt. Er kann folglich nur abgelehnt werden.

Uwe Hiksch (PDS): Mit dem heutigen Entwurf eines Gesetzes zur Änderung der Handwerksordnung legt die PDS-Bundestagsfraktion einen wichtigen Lösungsansatz vor, um das Handwerksrecht zu modernisieren, die Gründung von neuen Betrieben zu ermöglichen und gleichzeitig der bestehenden Handwerksordnung mehr Akzeptanz zu geben.

In der Bundesrepublik gibt es seit vielen Jahren eine intensive Diskussion über die heutige Handwerksordnung. In vielen wissenschaftlichen und politischen Debattenbeiträgen wird sie als Hemmschuh für die Gründung neuer Existenzen gesehen. Die Zahl der Existenzgründungen liegt im Bereich des Handwerks wesentlich niedriger als in den sonstigen Wirtschaftsbereichen. Während in den sonstigen Wirtschaftsbereichen die Gründungsquote 11 Prozent beträgt, liegt sie im Handwerk gerade so bei 5 Prozent. Jede auf diese Art verhinderte Neugründung eines kleinen oder mittleren Unternehmens bedeutet nicht nur den Verzicht auf dringend erforderliche Arbeitsplätze, sondern auch den Verzicht auf mögliche Innovationen. Die PDS will die Gründung neuer Unternehmen erleichtern.

Um Existenzgründungen zu erleichtern und damit die Zahl der ausbildungsfähigen Betriebe zu erhöhen sowie Betriebsschließungen aufgrund von Abmahnverfahren und Bußgeldern zu verhindern, muss es künftig möglich sein, den großen Befähigungsnachweis, also den Meisterbrief, auch nach der Existenzgründung berufsbegleitend zu erwerben. Unsere Neuregelung erleichtert die freie Berufsausübung. Durch unseren Gesetzentwurf wird sichergestellt, dass sich das deutsche Handwerk im zunehmenden internationalen Wettbewerb besser behaupten und entwickeln kann.

Gerade wegen des bevorstehenden Generationswechsels im Handwerk muss eine schnelle Lösung gefunden werden. In den nächsten Jahren werden über 200 000 Betriebe keinen Nachfolger finden. Hier ist die Politik gefordert. Wir müssen den Menschen signalisieren: Wir wollen euch unterstützen, wenn ihr einen Betrieb gründen wollt.

Die PDS stellt dabei den großen Befähigungsnachweis nicht infrage, vielmehr tragen wir dazu bei, dass durch eine behutsame Weiterentwicklung und Modernisierung das Handwerksrecht wieder von den Betroffenen mehr Akzeptanz findet. Die Alternative dazu ist, dass sich der Meisterbrief überleben wird. Die starre und unflexible Haltung der Handwerkskammern sichert nicht den Meisterbrief, sondern wird seine gesellschaftliche Delegitimierung beschleunigen. Der Meisterzwang, so wie ihn die heutige Handwerksordnung festschreibt, entspricht einem längst überholten ordnungspolitischen Denken. Wenn Ihnen das ein demokratischer Sozialist sagen muss, so sollten Sie schon einmal anfangen, darüber nachzudenken und ihre Koalitionsvereinbarung in diesem Bereich vielleicht nachzulesen. Oder Sie sollten sich vielleicht die Mahnung des Bundesverbandes der unabhängigen Handwerker zu Herzen nehmen:

Man muss fragen, was höher steht: Das Recht, sich den täglichen Lebensunterhalt mit seiner Hände Arbeit zu verdienen, oder das Privileg der Meisterbetriebe, sich vor Konkurrenz zu schützen. Es sollte ein Bestreben der Politik sein, möglichst viel dieser Arbeit in reguläre Arbeitsplätze zu überführen. Hierfür muß der Marktzugang erleichtert werden.

Wir legen einen Gesetzesentwurf vor, der auch neue Ausbildungsplätze im Handwerk ermöglicht. Die vielfach vertretene Auffassung der Handwerkskammern, dass der Meisterbrief die Ausbildung sichert, ist nach unserer Überzeugung nicht stichhaltig: Nicht eine ordnungspolitisch fixierte und durch die Praxis der Handwerkskammern noch verschärfte künstliche Beschränkung der Zahl der ausbildungsfähigen Betriebe trägt dazu bei, die berufliche Bildung im Handwerk zu sichern. Schon heute wird in den Betrieben und auf den Baustellen die praktische Ausbildung durch die erfahrenen Gesellen geleistet. 60 Prozent aller Jugendlichen erhalten keine Ausbildung nach der Handwerksordnung, sondern nach dem Berufsbildungsgesetz. Nach dem Berufsbildungsgesetz sind in allen Wirtschaftsbereichen außer dem Handwerk Gesellen mit Ausbildereignungsprüfung ausbildungsberechtigt.

Mit unserem Gesetzesentwurf können erhebliche Erleichterungen beim beruflichen Zugang zum Handwerk geschaffen werden. Durch die Festlegung, dass nach spätestens zehn Jahren der Betriebsleiter im Kernbetätigungsbereich des Unternehmens einen Befähigungsnachweis erbringen muss, halten wir ausdrücklich am großen Befähigungsnachweis fest. Wir wollen aber, dass sich Betriebe der Gruppen Anlage A oder Anlage B, aber auch andere Dienstleister freier entfalten und sich besser an verändernde Marktsituationen anpassen können. Gerade flexiblere Märkte und neue Herausforderungen müssen Betriebe ohne größere Hemmschwellen meistern können. Durch die Ablegung einer Ausbildungseignungsprüfung vor der Existenzgründung oder vor der Betriebsübernahme soll die Zahl der ausbildungsfähigen Betriebe wesentlich erhöht werden und auf alle Dienstleistungen ausgedehnt werden können. Besondere gesetzliche Ausführungsbestimmungen sind nicht erforderlich; es kann auf das Berufsbildungsgesetz zurückgegriffen werden.

Auch das Argument der Handwerkskammern, dass nur der große Befähigungsnachweis die Qualität der handwerklichen Leistungen sichern könne, ist falsch. Die Monopolkommission hat schon in ihrem Sondergutachten zur Reform der Handwerksordnung - auch eine Quelle, die nicht vorrangig von demokratischen Sozialisten zitiert, aber anscheinend nur von ihnen gelesen wird - im Mai 2001 ausgeführt:

Das Argument, der Nachweis der Meisterqualifikation sei erforderlich, um die Qualität der handwerklichen Dienstleistungen zu sichern, kann insofern nicht überzeugen, als ein sehr großer Anteil der handwerklichen Dienstleistungen gar nicht von Meistern erbracht wird. Der Qualitätssicherung von handwerklichen Dienstleistungen in Deutschland dient zunächst einmal die allseits unbestritten hohe Qualität der Ausbildung zum Handwerksgesellen. Diese versetzt insbesondere die fachlich versierten Gesellen mit mehrjähriger Berufserfahrung in die Lage, selbständig Aufträge zu erledigen. Daher werden die vom Kunden nachgefragten Leistungen in der Praxis vielfach vom Gesellen und gar nicht vom Meister erbracht.

Genau diesen Gesellinnen und Gesellen wollen wir mit unserem Gesetzentwurf die Selbstständigkeit ermöglichen. Gut ausgebildete Handwerksgesellen sind die Qualitätsgaranten bei den zu erbringenden Leistungen. Dass zwischen Qualität und Meisterzwang kein zwangsläufiger Zusammenhang besteht, kann jedem schnell klar werden: Wenn wir zum Beispiel an hochwertige Uhren denken, denken wir zuerst an die Schweiz. In der Schweiz gibt es aber überhaupt keinen Meisterzwang. Trotzdem stehen Schweizer Uhren weltweit für beste Qualität.

Ein weiteres Problem der heutigen Handwerksordnung ist auch die so genannte Inländerdiskriminierung. Dies wird von vielen Menschen als Diskriminierung empfunden. Ich habe in den letzten Monaten an vielen Handwerkerstammtischen auch in den Grenzregionen zu Polen und Tschechien teilgenommen, bei denen diese Regelung nicht verstanden wird. Sie verstehen nicht, dass ihre europäischen Kollegen noch nicht einmal einen Gesellenbrief, geschweige denn den Meisterbrief, vorweisen müssen, um hier ein Handwerk selbstständig auszuüben. Während bei der Gründung eines Handwerksbetriebes von hier lebenden Handwerksgesellen der große Befähigungsnachweis als Grundlage für die Anmeldung eines eigenen Betriebes verlangt wird, können sich alle EU-Ausländerinnen und -ausländer und bald auch die Kolleginnen und Kollegen aus den mittel- und osteuropäischen Staaten ohne Meisterbrief selbstständig machen.

Der Europäische Gerichtshofes hat am 27. September 2001 entschieden, dass sich ein polnischer Bäckermeister auch ohne Meisterbrief in Berlin niederlassen darf. Für ihn gelten dann dieselben Regeln wie für einen inländischen Bäckermeister. Nur braucht er keinen Meisterbrief, um sich selbstständig zu machen. Das Luxemburger Gericht entschied zudem, dass sich Bürgerinnen und Bürger aus den Kandidatenstaaten unmittelbar auf die Europa-Abkommen berufen können. Der Anspruch auf ein Visum und eine Aufenthaltsgenehmigung ist damit auch bei deutschen Gerichten einklagbar. Das gilt für alle gewerblichen, kaufmännischen, handwerklichen und freiberuflichen Tätigkeiten, wenn sie selbstständig ausgeübt werden.

Zur so genannten Inländerdiskriminierung hat die Monopolkommission in ihrem Sondergutachten weiter festgestellt:

Eine solche Inländerdiskriminierung ist gegenwärtig im deutschen Handwerksrecht angelegt. Bereits durch die Bewilligung einer Ausnahmegenehmigung nach § 9 HwO werden deutsche Handwerksmeister diskriminiert, weil die im EU-Ausland niedergelassenen Handwerksunternehmer nicht den gleichen Anforderungen genügen müssen, wenn sie Dienstleistungen in Deutschland erbringen. ... Die deutsche Rechtsprechung hat jedoch bisher die Inländerdiskriminierung nicht als Verstoß gegen die Verfassung angesehen und die Benachteiligung deutscher Handwerker gegenüber ihren ausländischen Konkurrenten toleriert.

Am 21. November 2000 hat die Bund-Länder-Konferenz aufgrund der Notwendigkeit, eine einheitliche Handhabung der Handwerksordnung zu erreichen, bereits die so genannten Leipziger Beschlüsse verabschiedet. Das war ein Versuch, notwendige Konsequenzen aus den von mir beschriebenen Problemen, vor denen das Handwerksrecht heute steht, zu ziehen. Gerade die Leipziger Beschlüsse machen deutlich, dass eine klarstellende gesetzliche Regelung notwendig ist. Von Betroffenen erfahre ich immer wieder, dass sich Behörden nicht an die dort getroffenen Vereinbarungen halten. Es werden immer wieder Kenntnisprüfungen verlangt, obwohl das Bundesverfassungsgericht bereits 1961 klarstellte, dass die Gesellenprüfung und Berufserfahrung zur Erteilung einer Ausnahmegenehmigung ausreichend sind. Die Realität in Deutschland ist, dass Handwerkskammern und Behörden immer restriktiver mit Abmahnverfahren, Betriebsschließungen und Bußgeldern gegen kleine und mittelständische Unternehmen vorgehen, die keinen Meisterbrief vorweisen können, selbst wenn sie in der Anlage B der Handwerksrolle eingetragen sind oder im handwerklichen Nebenbetrieb in unerheblichem Umfang handwerkliche Dienstleistungen anbieten. Jeden Arbeitstag werden in Deutschland nach Aussagen des Berufsverbandes unabhängiger Handwerker im Durchschnitt zwölf existenzvernichtende Bußgeldbescheide verhängt. Dies ist sicher kein existenzgründerfreundliches Klima. Es kann nicht angehen, in Sonntagsreden die kleinen und mittleren Unternehmen zu loben und die bestehenden Betriebe kaputtzumachen.

Wir brauchen dringen Rechtssicherheit für die Selbstständigen in Deutschland. Die Monopolkommission empfiehlt die Abschaffung des Großen Befähigungsnachweises als Voraussetzung für den Marktzutritt im Handwerk. Dieser Forderung der Monopolkommission haben wir uns nicht angeschlossen. Wir versuchen mit unserem Antrag eine Lösung aufzuzeigen, die die Handwerksordnung zukunftsfähig macht und die Akzeptanz für den Meisterbrief erhöht. So hat die rot-grüne Bundesregierung bereits 1998 in ihrem Koalitionsvertrag festgelegt: Wir werden den Zugang zur selbstständigen Tätigkeit im Handwerk erleichtern. Es muss künftig möglich sein, den Meisterbrief nach der Existenzgründung berufsbegleitend zu erwerben. Der große Befähigungsnachweis bleibt Voraussetzung für die Selbstständigkeit im Handwerk.

Bundeswirtschaftsminister Werner Müller ging nach einen Bericht der "Südwest Presse" vom 12. Oktober wesentlich weiter und sagte, dass er "eine juristisch problematische Handwerksordnung verteidige, deren Streichung massiv neue Arbeitsplätze brächte". Ich kann nur sagen: Herr Müller, problematisch ist sie doch nicht erst seit heute, sie ist es doch schon seit 1953.

Die PDS hat einen Entwurf vorgelegt, der die Versprechen der rot-grünen Bundesregierung konkret umsetzt. Ich hoffe, dass in den anstehenden Ausschussberatungen die Fraktionen zu ihren bisherigen Aussagen stehen und dem Entwurf der PDS-Bundestagsfraktion zustimmen.

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