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für Gewerbefreiheit auch im Handwerk - weg mit dem Meisterzwang
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BUH-Stellungnahmen, Argumente gegen den Meisterzwang, Studien zum Meisterzwang, Thesen zum Meisterzwang Qualität, Ausbildungsleistung, Inländerdiskriminierung, Meisterzwang ist verfassungswidrig

Der Meisterzwang in seiner heutigen Form verstößt eindeutig gegen EU-Recht

Inzwischen greifen Rechtsvorgänge im Bereich der europäischen Union tief in das bundesdeutsche Wirtschaftsrecht ein, was allein deshalb logisch ist, da die EU ja gegründet wurde und es Kernpunkt sämtlicher EU-Verträge ist, innerhalb der europäischen Union den Wirtschaftsmarkt zu liberalisieren und europaeinheitliche Lebens- und Wirtschaftsbedingungen, insbesondere im Dienstleistungsbereich (hierzu gehört nach EU-Verständnis auch der Werkleistungsbereich) zu schaffen. Dies wird in Deutschland regelmäßig negiert.

Am 25. März 1957 verabschiedeten die damaligen Vertragsparteien (einschl. die Bundesrepublik Deutschland) den "Vertrag zur Gründung der Europäischen Gemeinschaft". In der damaligen Fassung war bereits das Ziel in der Präambel festgeschrieben worden, vorhandene Schranken im wirtschaftlichen Verkehr abzubauen, damit ein unbeschränkter Austausch von Waren und Dienstleistungen erfolgen kann. In den Artikeln 62 und 64 des Vertrags wurde ausdrücklich klargestellt, dass die Vertragspartner keine neuen Beschränkungen im freien Dienstleistungsverkehr vornehmen und daß die bis zum Jahre 1957 erlangte Freiheit des Dienstleistungsverkehrs nicht weiter beschränkt werden darf (das sog. "stand-still-Abkommen"). Die Handwerksordnungs-Novellen der Jahre 1965, 1994 und 1998 sowie die Anwendung des "dynamischen Handwerksbegriffs" verstoßen in wesentlichen Punkten gegen diese stand-still-Abkommen.

Wesentliche Änderungen der Handwerksordnung nach 1957 stimmen im übrigen auch nicht der Entscheidung des BVerfG vom 17.07.1961 übereinstimmen, denn die Änderungen führten zu einem anderen, wesentlich engeren Wortlaut des § 1 HwO. Der Wortlaut § 1 Abs. 2 HwO lautete 1953-1964:

"Ein Gewerbebetrieb ist Handwerksbetrieb im Sinne dieses Gesetzes, wenn er handwerksmäßig betrieben wird und zu einem Gewerbe gehört, das in der Anlage A zu diesem Gesetz aufgeführt ist."

Demnach lag also nur dann ein Handwerksbetrieb vor, wenn das Handwerk vollständig d.h. in allen zum Berufsbild gehörenden Einzeltätigkeiten oder "im Wesentlichen" (d.h. alle wesentlichen Tätigkeiten des Berufsbilds) ausgeübt wurden.

Entsprechend lautete in der 4. Legislaturperiode des Bundestags (1961-1965) der Antrag zur Änderung des § 1 Abs. 2 HwO in BT-DrS IV/2335 noch
"Ein Gewerbebetrieb ist Handwerksbetrieb im Sinne dieses Gesetzes, wenn in ihm handwerksmäßig vollständig oder die wesentlichen Tätigkeiten ausgeübt werden, die zu einem in der Anlage A dieses Gesetzes aufgeführten Gewerbe gehören."

Im Laufe des Gesetzgebungsverfahrens wurde aus "die wesentlichen" der beschlossene Wortlaut der HwO-Novelle 1965 "vollständig oder in wesentlichen Tätigkeiten".

"Ein Gewerbebetrieb ist Handwerksbetrieb im Sinne dieses Gesetzes, wenn er handwerksmäßig betrieben wird und vollständig oder in wesentlichen Tätigkeiten ein Gewerbe umfaßt, ..."

Dies aber bedeutete, dass es nunmehr ausreichte, eine einzelne als "wesentlich" erachtete Tätigkeit auszuüben, um dem Verbot des § 1 HwO zu unterliegen, also eine massive Ausweitung des Anwendungsbereichs, die den Darlegungen des BVerfG am Ende seiner o.g. Entscheidung vom 17.07.1961 zur Verhältnismäßigkeit klar widerspricht.

Der Wortlaut des § 1 HwO wurde dann durch die HwO-Novelle 1994 erneut geändert, ohne dass sich gegenüber der 1965 vorgenommenen Ausweitung des Anwendungsbereichs eine wesentliche Änderung ergeben hätte.

Der heutig Wortlaut des § 1 HwO mit seinem weiten Anwendungsbereich, bezogen auf bereits einzelne als "wesentlich" erachtete Gewerbetätigkeiten, wird also nicht von der damaligen Aussage des BVerfG in seiner Entscheidung vom 17.07.1961 umfaßt, der Meisterzwang des § 1 HwO sei grundsätzlich zulässig und (damals) verhältnismäßig.

Schon deshalb liegt ein Verstoß gegen das oben genannte Abkommen vor.

Aber nach Art. 64 haben sich die Mitglieder sogar verpflichtet, über das Ausmaß der Liberalisierung

"hinauszugehen, falls ihre wirtschaftliche Gesamtlage und die Lage des betreffenden Wirtschaftszweiges dies zulassen."

Das bedeutet für die BRD mit ihrer guten wirtschaftlichen Gesamtlage, dass die bisher erlangte Dienstleistungsfreiheit nicht ausreichend ist. Nach Art. 64 des EG-Vertrags und den Stellungnahmen der Monopolkommission und der Deregulierungskommision ist der Meisterzwang daher sachlich nicht mehr gerechtfertigt und die Handwerksordnung verstößt insgesamt gegen das bestehende EG-Recht. Insbesondere sind die nach 1957 eingeführten weiteren Beschränkungen der Dienstleistungsfreiheit in der Handwerksordnung europarechtswidrig.
(Übernommen mit freundlicher Genehmigung von Rechtsanwältin Hilke Böttcher, Osterstr. 141, 20255 Hamburg)

Die Ungleichbehandlung von Erfahrungen, die in Deutschland erworben wurden, im Gegensatz zu Erfahrungen, die im EU-Ausland erworben wurden, beinhaltet eine unzumutbare Inländerdiskriminierung einheimischer Gesellen. Dies wird auch von dem Bundespräsidenten kritisiert.

Bundespräsident Johannes Rau hat mehrmals, u.a. bei der Eröffnungsveranstaltung des Fachkongresses des Bundesinstituts für Berufsbildung am Mittwoch den 23.10.2002 in Berlin festgestellt:

"Meine Damen und Herren, wer Reformbedarf im Ausbildungssystem sieht, der muss ihn konkret definieren und konsensorientiert an einer gemeinsamen Lösung mitzuwirken versuchen. Allgemein gehaltene Kritik reicht nicht aus, und sie führt auch nicht wirklich weiter. Ein ganz konkretes Problem, das in den nächsten Jahren gelöst werden muss, auch das haben wir schon gehört, sehe ich zum Beispiel darin, dass sich Handwerker aus einigen EU-Staaten mit den in ihren Heimatländern geltenden Qualifikationsanforderungen in Deutschland selbständig machen und niederlassen können - und das auch ohne Meisterbrief. Ein gut ausgebildeter deutscher Handwerker dagegen braucht den Meisterbrief, um einen eigenen Betrieb gründen zu können. Dass das vernünftig sein soll, das ist nicht nur den Betroffenen schwer zu erklären. Ich will mich jetzt nicht beteiligen an der Diskussion um den Meisterbrief, um den großen Befähigungsnachweis als eine notwendige Grundlage für eine selbständige Existenz. Nur so viel: In dieser Frage, die auch mit der Attraktivität einer Handwerkslehre zu tun hat, erwarte ich von den Unternehmen und ihren Verbänden mehr Flexibilität und die Bereitschaft, ausgetretene Pfade zu verlassen."

Nicht nur der amtierende Bundespräsident, sondern auch ein ehemaliger Bundespräsident hat sich kritisch zum Meisterzwang geäußert. Am 27.5.02 im Karlsruher Verfassungsgespräche auf Phoenix äußerte sich Prof. Dr. Roman Herzog zur Meisterzwang wie folgt:

"Problematisch ist immer noch der Große Befähigungsnachweis in seinem Verhältnis zu den europäischen Gesetzgebungsorganen bzw. umgekehrt sage ich den Repräsentanten des Deutschen Handwerks seit etwa 20 Jahren, sie müßten eigentlich zweierlei tun, ähnlich wie bei der als ähnlich schrecklich empfundenen Rechtsprechung zum Reinheitsgebot bei der Bierproduktion, die gelaufen ist. Man müßte nur die Rechtsbestimmungen, die Ausschlußformeln sausen lassen, und das ganze, den Großen Befähigungsnachweis, wie das Reinheitsgebot bei unserem deutschen Bier, als Reklamegesichtspunkt ins Feld führen. Man käme sehr viel weiter, was beim Deutschen Befähigungsnachweis den weiteren Vorteil hätte, daß die Handwerksorganisationen endlich gezwungen wären, die schwarzen Schafe im deutschen Handwerk beim Namen zu nennen, anzuprangern und rauszuschmeißen."

Der ehemalige Bundespräsident und ehemaliger Präsident des Bundesverfassungsgerichts Prof. Dr. Roman Herzog weist hier den Weg. In diesem Sinne ist es schon lange an der Zeit den Meisterzwang aufzuheben.

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