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Bundesverfassungsgericht: Hausdurchsuchung bei Handwerker war unverhältnismäßig

Maler aus Bremen hat Verfassungsbeschwerde gewonnen. Begründung: Ein Anfangsverdacht rechtfertigt keine Hausdurchsuchung. Die Stadt Bremen muss nun mit einem Verfahren auf Schadensersatz und Schmerzensgeld rechnen.

"Höchstrichterlich ist festgestellt worden, dass das Bremer Ordnungsamt gegen Grundrechte verstoßen hat", sagt Jonas Kuckuk vom Vorstand des BUH, "Die Rechte von Handwerkern ohne Meisterbrief sind mit diesem Urteilsspruch endlich vor Übergriffen von Ordnungsbehörden und Handwerkskammern geschützt."

Der Berufsverband BUH e.V. hat die selbstständigen Malergesellen Karsten Bischoff und Marco Thiede unterstützt und maßgeblich dazu beigetragen, dass deren Fall bis vor das Bundesverfassungsgericht getragen werden konnte. "Handwerker können sich von nun an erfolgreich gegen Hausdurchsuchungen wehren" sagt Hilke Böttcher, Fachanwältin für Handwerksrecht aus Hamburg, die die Beschwerde vor dem Bundesverfassungsgericht geführt hat, "Ich bin in der Ansicht bestätigt worden, dass Hausdurchsuchungen wegen so genannter ‚unerlaubter Handwerksausübung' unverhältnismäßig sind und damit schwer durchzusetzen."

Beispielhaft hat das Bundesverfassungsgericht jetzt festgestellt, dass ein Anfangsverdacht allein für eine Hausdurchsuchung nicht ausreicht. Um festzustellen, ob jemand "unerlaubtes Handwerk" (Verstoß gegen die Handwerksordnung, HWO) ausübt oder nicht, darf keine Hausdurchsuchung durchgeführt werden.

Die Kläger Karsten Bischoff und Marco Thiede behalten sich vor, die Stadt Bremen wegen Schadensersatz und wegen Schmerzensgeld zu belangen. "Ich bin froh darüber, dass wir nun die Möglichkeit hätten, uns die finanziellen Verluste zurückzuholen und uns für die erlittene Unbill entschädigen zu lassen", sagt Marco Thiede. Karsten Bischoff ist froh über den Spruch der Verfassungsrichter und sieht sich in seinem Unrechtsgefühl bestätigt: "Wir fühlten uns unschuldig. Es war mir damals unbegreiflich, warum eine Hausdurchsuchung durchgeführt worden ist", sagt Bischoff und hofft, "dass dieses Urteil dazu führt, dass rechtschaffene Handwerker nun keinen ungebetenen Besuch mehr bekommen."

Für Jonas Kuckuk, vom Vorstand des BUH e.V. ist es wichtig, "dass diese ‚Im Namen des Volkes' getroffene Entscheidung nicht im Bürokratiedschungel der Behörden untergeht und ignoriert wird, sondern dass danach gehandelt wird. Wir sind deshalb sehr an einer Stellungnahme des zukünftigen Dienstherren des Ordnungsamtes, dem neuen Innensenator interessiert." Kuckuk fordert weiterhin die Stadt Bremen auf, "alle Abteilungen der Bremer Behörden, die sich mit Verstößen gegen die Handwerksordnung beschäftigen, anzuweisen, sich an die Grundrechte zu halten. Zum anderen verlangen wir Auskünfte darüber, welche weiteren Fälle dieser Art es außerdem gibt und dass diese Ermittlungen sofort eingestellt werden. Sämtliche durch Hausdurchsuchungen beschlagnahmten Unterlagen und Computer müssen sofort zurückerstattet werden. Denn diese sind illegal erlangt worden. Es kann nicht sein, dass Sozialabgaben und Steuern zahlende Unternehmen noch länger kriminalisiert und schikaniert werden, nur weil diese über keinen Meisterbrief verfügen."

Zum Hintergrund:

Weil ohne Handwerksmeistertitel: Pauschalverdacht und Bußgeldbescheide

Drei Männer des Bremer Ordnungsamtes der "Sonderermittlungsgruppe Schwarzarbeit" durchsuchten im Oktober 2001 die Privat- und Geschäftsräume des Malers Karsten Bischoff. Zuvor hatten Beamte seinen Kollegen Marco Thiede auf einer Baustelle angetroffen und nahmen an, hier würde "unerlaubte Handwerksausübung" durchgeführt. Hintergrund: weder Karsten Bischoff noch Marco Thiede verfügten über einen Meisterbrief. "Dabei hatten die Beamten noch nicht einmal genau hingesehen, denn das Auftragen von Binderfarbe zum Beispiel ist meisterfrei", sagt Hilke Böttcher, Fachanwältin für Handwerksrecht aus Hamburg. Bischoff und Thiede hatten ihre Firma im Holz- und Bautenschutz damals bereits seit sechs Jahren gewerblich angemeldet und verdienten somit völlig legal ihren Lebensunterhalt. Aus den bei der Hausdurchsuchung bei Karsten Bischoff beschlagnahmten Unterlagen schätzte und bezifferte die Bremer Ordnungsbehörde das nun verhängte Bußgeld für Thiede und Bischoff auf insgesamt 140.000 Euro. Ihre Existenz war nun bedroht.

Ehrverletzende Kriminalisierung

Während der Hausdurchsuchung schreckten die Beamten auch vor Einschüchterung nicht zurück. Sie beschlagnahmten bei Karsten Bischoff das private Sparbuch mit den Worten, davon könne sich Bischoff verabschieden. Als die Beamten eine Liste mit Namen fanden, triumphierten sie: ‚Wir haben sie!' "So als ob Karsten und ich die Spitze einer kriminellen Bande wären", erinnert sich Marco Thiede und schüttelt den Kopf.

Verfahren gegen Bußgeldbescheide verschleppt

Mit Hilfe des Berufsverbandes Unabhängiger Handwerkerinnen und Handwerker e.V. wehrten sich Bischoff und Thiede gegen diese Bußgelder mit öffentlichkeitswirksamen Aktionen (1): zwischen Dezember 2001 und März 2004 haben Bremer Medien, wie Bild, taz, Weser Kurier, Weser Report, Bremer Anzeiger und der landeseigene öffentlich-rechtliche Sender "Buten und Binnen" immer wieder über den Fall berichtet.

Der Weg, sich mit juristischen Mitteln zu wehren, war langwierig und steinig: erst zweieinhalb Jahre später, am 16. März 2004 fand das Verfahren wegen der Bußgeldbescheide statt. Jahre des Wartens und der Sorge um die Existenz. Die fehlenden Unterlagen behinderten die weitere Arbeit und der Ruf des kleinen Unternehmens war nachhaltig geschädigt.

An diesem ersten und einzigen Prozesstag attestierte damals die Richterin den Behördenmitarbeitern schlampige Arbeit, denn das klagende Ordnungsamt müsse anhand jeder einzelnen Rechnung den Melergesellen nachweisen, welche Arbeiten sie durchgeführt haben sollen, die vom Meisterzwang betroffen gewesen sein könnten. "Dieser Prozess war eine einzige Lachnummer", sagt Marco Thiede rückblickend, "die Behörde hat sich meiner Meinung nach lächerlich gemacht."

Behörde Hand in Hand mit Handwerkskammern

Der Prozess offenbarte eine systematische Strategie der Bremer Behörde: Schikane gegen Handwerker ohne Meisterbrief. "Wenn das Bußgeld die Handwerker finanziell nicht schon in die Knie gezwungen hätte, so sollte doch ein Vergleich angestrebt werden. Aber auch das Bezahlen eines erheblich geringeren Bußgelds hätte ein indirektes Schuldeingeständnis bedeutet", sagt Jonas Kuckuk vom Vorstand des BUH e.V., der die beiden Handwerker begleitet hat. So sahen es auch Bischoff und Thiede und weigerten sich, einen Vergleich zu akzeptieren: "Das wollte ich auf keinen Fall, ich wollte freigesprochen werden", sagt Marco Thiede. Doch dazu kam es nicht: Das Verfahren zur Zahlung eines Bußgelds wurde sang- und klanglos nach weiteren anderthalb Jahren im November 2005 eingestellt.

Zum aktuellen Bundesverfassungsgerichtsbeschluss

Die Maler konnten lediglich im Nachhinein gegen die Hausdurchsuchung Beschwerde einlegen beim Landgericht Bremen, das diese im März 2002 als unbegründet abgewiesen hatte. Da sich Bischoff in seinen Grundrechten verletzt fühlte, legte er Verfassungsbeschwerde ein. Betroffen waren für ihn unter anderem das Grundrecht auf freie Berufsausübung (Art. 12 GG), die Unverletzlichkeit der Wohnung (Art. 13 GG) und damit die Unverhältnismäßigkeit der Hausdurchsuchung gegen ihn. Darin wurde er nun vom Bundesverfassungsgericht bestätigt: "[…] im Rahmen der Ermittlungstätigkeit [ist] noch unklar, ob überhaupt eine Ordnungswidrigkeit gegeben ist oder ob es sich um die von Art. 12 Abs. 1 GG geschützte Ausübung der Berufsfreiheit handelt, so gebietet der insofern schwache Anfangsverdacht eine strenge Verhältnismäßigkeitsprüfung." (2 BvR 532/02)

Weitere Informationen


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