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Ob Meinung oder Beruf - Freiheit bleibt ein gefährdetes Gut

Möbel für die UdSSR

Geboren wurde ich 1963 in der sächsischen Kreisstadt Wurzen, 30 Kilometer östlich von Leipzig. Mein Einstieg ins Handwerk begann begann im Alter von 14 mit einer Lehre als Möbeltischler. Die Lehrstelle beim volkseigenen Betrieb (VEB) Möbelwerke Eilenburg hatte mir meine Mutter vermittelt. Ich habe mir den Betrieb angesehen und gleich einen Ausbildungsvertrag erhalten. Es war zwar ein Industriebetrieb, aber die Lehre war rein handwerklich.

Meine Leistungen waren so gut, dass ich Gelegenheit bekam, mit einer Prüfung die dreijährige Lehrzeit um ein halbes Jahr zu verkürzen. Im VEB Möbelwerke Eilenburg habe ich dann überwiegend Möbel für die UdSSR hergestellt und für den Transport in Container verpackt. Im benachbarten Nischwitz habe ich dann meine spätere Frau kennengelernt. Wir sind zusammengezogen und ich habe dann eine Arbeit in der dortigen Wandtafelfabrik aufgenommen. Der Betrieb und die Leute haben mir aber nicht so gefallen. Innerhalb des Betriebes wurde ich jeden Tag an einem anderen Arbeitsplatz eingesetzt. Andere hatten noch weniger Glück. Es gab welche, die dort seit 13 Jahren am Band standen und Schrauben, Seile und Umlenkrollen anbrachten.

Dachdeckerlehre per Abendschule

Als ich den Onkel meiner Frau kennenlernte, wurde mein Interesse für das Dachdeckerhandwerk geweckt. Er hatte eine leitende Funktion in der PGH (Produktionsgenossenschaft Handwerk) Dachdecker Pionier Wurzen. Da habe ich dann gleich als Helfer angefangen, mit meinem Schwiegeronkel als Chef. Die Arbeitsgruppen waren gut, drei Leute in einer Brigade, insgesamt 34 Beschäftigte oder Werktätige, wie das damals hieß. Nach einem Jahr hat mich mein Chef gefragt, ob ich nicht noch eine Dachdeckerlehre machen wolle. Aber mit 18 Jahren musste ich erst mal zur Nationalen Volksarmee. Nach dem Ende des Militärdienstes, mit 19 Jahren, habe ich dann die Lehre per Abendschule gemacht. Für den Erwerb des Gesellenbriefes im Dachdeckerhandwerk musste ich, zusätzlich zur handwerklichen Ausbildung, an der polytechnischen Oberschule die 9. und 10. Klasse nachholen. Nebenbei habe ich im Betrieb gearbeitet und Gehalt als Dachdeckerhelfer bezogen. Das lief alles parallel. Das Verhältnis der Kollegen untereinander und auch mit unserem Chef war sehr gut damals. Nach zwei Jahren habe ich also die Gesellenprüfung gemacht. Meine Freundin und ich haben geheiratet. Das war notwendig, um eine Wohnung zu bekommen. Von 1983 bis 1989 haben wir dann in Wurzen gelebt und gearbeitet. Im Februar 1989 haben wir unsere Flucht in den Westen geplant.

Flucht in den Westen

Wir wollten einfach aus unserem Käfig rauskommen. In der Platte, in der wir gewohnt haben, gab es in jedem Eingang einen Nachbarn, der von der Volkspolizei (Vopo) oder der Staatssicherheit (Stasi) war. Die bekamen als Erste eine Wohnung und hatten immer gleich Telefon. Wo immer wir hingegangen sind, fühlten wir uns beobachtet. Du hast z. B. mit Leuten in der Schule zusammen Fußball gespielt und dann später erfahren, dass der Vopo oder von der Stasi war.

Oktober 1989 sind wir dann mit unserem zweijährigen Sohn über die österreichisch-ungarische Grenze geflüchtet. Zuerst mit dem Zug über Prag nach Budapest. Von dort brachte uns ein Schlepper per PKW an die Grenze, die wir zu dann Fuß überquert haben. In Österreich sind wir zunächst nach Wien gebracht worden. Anschließend ging es mit einem Sammelzug bis ins Lager Schöppingen bei Münster. Zuerst wollte ich nach Stuttgart, aber dann hat mich ein Geschäftsmann mit nach Ibbenbüren genommen, um mir eine Wohnung zu zeigen. Die war möbliert, und wir haben sie sofort genommen. Erst dort habe ich angefangen, mir einen Job zu suchen.

Neue Arbeit in Westfalen

Den ersten Job vermittelte mir ein Nachbar. Ich habe dann von Dezember 1989 bis Mai 1990 bei einem örtlichen Dachdeckerbetrieb gearbeitet. Zu einem der Arbeitskollegen hatte ich ein ganz gutes Verhältnis. Der hat mich gefragt, ob wir nicht im Nachbarort Mettingen arbeiten wollen, bei einem großen Dachdeckerbetrieb. Zwischendrin habe ich auch mal anderthalb Jahre bei einem großen Discounter in der Logistikzentrale gearbeitet und in der Kühlkammer Warenlieferungen vorbereitet. Das war Knochenarbeit, vor allem für den Rücken, aber dafür gab es gutes Geld. Auch im Osten war ich noch einmal für ein Jahr arbeiten. In der Nähe von Schwerin hatte mein Schwager ein Hotel übernommen. Mit seinem Sohn habe ich eine Kneipe neben dem Hotel betrieben. Das ging aber nur ein Dreivierteljahr gut, zu unterschiedlich waren unsere Vorstellungen von Betriebsführung. Es ging also wieder zurück nach Ibbenbüren. Dort sah ich den Lieferwagen einer Dachdeckerei. Ich habe mir die Telefonnummer notiert, dort angerufen und sofort einen Job bekommen. Insgesamt acht Jahre war ich dort, bis ich von einer anderen Dachdeckerei abgeworben wurde. Die suchten jemand, der Bauklempnerei macht, und haben dafür einen Vorarbeiterlohn gezahlt. Aber da gab es dann jeden Abend Gemecker über die Arbeit. Immerhin habe ich mir dort das "Rinne machen" angeeignet und einen Spengler-Lehrgang bei Rheinzink absolviert.

Einstieg ins Reisegewerbe und erste berufliche Verfolgung

2007 hatte ich dann eine Operation am Arm und war ruhiggestellt. Da las ich zum ersten Mal etwas über Dachdeckerei im Reisegewerbe. Schon am 1. Mai wechselte ich zu dieser Arbeitsform. Damals gab es noch Förderung von der Arbeitsagentur für sogenannte Ich-AGs - das war eine gute Starthilfe. Die Reisegewerbekarte für Dachdecker- und Bauklempnerarbeiten bekam ich ohne Probleme. Bis mich dann eines Tages meine Frau anrief: „Hier stehen zwei, die wollen deine Unterlagen einsehen.“

Die waren von der Kreishandwerkerschaft Rheine und vom Ordnungsamt. Die haben wir natürlich stehen gelassen. Fünf Mal innerhalb der letzten sieben Jahre ist mein ehemaliger Arbeitgeber und jetziger Konkurrent ausgerückt, um mich bei der Kreishandwerkerschaft (KHS) anzuschwärzen. Dabei tat sich besonders der Geschäftsführer hervor. Der hat mich regelrecht observiert und sogar heimlich Fotos gemacht. Die KHS hat für solche Fälle auch einen eigenen Fahnder, Herrn A., der dann nicht nur mir, sondern auch meinen Kunden auf die Pelle gerückt ist.

Erfolglose Einschüchterungsversuche

Beim ersten Mal, im Jahr 2008, wurde ich bedrängt und sollte abgemahnt werden, weil ich angeblich bestimmte Arbeiten nicht ausführen dürfe. Dem habe ich mit dem Hinweis widersprochen, dass ich hin und wieder auch einmal meine volle Kunstfertigkeit einsetzen darf. Der anschließende Krisenrat der KHS kam dann zu dem Ergebnis, dass man mich dafür wohl nicht belangen könne. So wurde mir das jedenfalls später mündlich mitgeteilt. Ein Jahr später wiederholt sich das gleiche Spiel. Da ging es um Dachdeckerarbeiten, um die ich bei einer Zimmerei vorgesprochen hatte. Wieder wurde seitens der Kreishandwerkerschaft behauptet, ich dürfe diese nicht ausführen bzw. hätte mir den Auftrag auf unzulässige Weise verschafft. Da haben sie das Ordnungsamt sogar so weit gebracht, einen Wohnungsdurchsuchungsbeschluss gegen mich zu erwirken. Immerhin hat dann der Hinweis darauf, dass das Verfassungsgericht in ähnlichen Fällen Durchsuchungen schon für unzulässig und unverhältnismäßig befunden hat, in Verbindung mit einer Intervention beim damaligen Minister für Arbeit, Gesundheit und Soziales in NRW, Laumann, dafür gesorgt, dass es keine Durchsuchung gab. Da war erst einmal Ruhe

Schikane macht vor Kunden nicht halt 2010 dann wieder die gleiche Masche. Mein alter Chef zieht bei einem Angebot den Kürzeren und prompt folgte eine Abmahnung der KHS an mich.

Mein vom BUH empfohlener Anwalt hat das aber erfolgreich abgewehrt und bekam seine Aufwendungen von der Kreishandwerkerschaft ersetzt. In diesem Fall ist die KHS aber auch noch mit einer Unterlassungserklärung wegen Schwarzarbeitsbeschäftigung an den Bauherren herangetreten. Der ist natürlich aus allen Wolken gefallen. Konnte zwar auch abgewehrt werden, aber da habe ich, um das Geschäftsverhältnis nicht zu belasten, dem Bauherren die Hälfte seiner Anwaltskosten erstattet.

Anschwärzen, die vierte und fünfte...

Das Spiel wiederholte sich 2012 in neuer Variante zum vierten Mal. Mein ehemaliger Arbeitgeber schwärzte mich an, Fahnder A. ermittelte, aber diesmal wollte mich die KHS zwingen, bei der Handwerkskammer Münster eine Ausnahmebewilligung zu beantragen. Da hätte ich mich dann einer Prüfung unterziehen müssen. Es braucht nicht viel Fantasie, um sich vorzustellen, dass die einen selbstbewussten, reisenden Handwerker nur zu gern durchfallen lassen würden. Mal davon abgesehen, dass es nach so vielen Jahren Berufserfahrung einfach lächerlich ist, eine Sachkundeprüfung ablegen zu müssen. Jetzt, im März 2014, erlebe ich gerade den fünften Fall von Anschwärzung. Wieder wurden heimlich Fotos durch Herrn A. von der KHS gemacht, und meinem Kunden hat man durch das Ordnungsamt Steinfurt ein schriftliches Zeugenanhörungsprotokoll zukommen lassen. Mal sehen, was da noch kommt.

Nur nicht klein beigeben!

Im Moment machen sie gerade nicht weiter, aber wer weiß schon, was sie sich als Nächstes einfallen lassen. Meine Frau und ich hätten niemals gedacht, wegen meines Berufes an Zeitungen, Minister und Bundestagsabgeordnete schreiben zu müssen. Durch die ständige Verfolgung durch die KHS fühle ich mich in der Ausübung meiner Grundrechte als freier Bürger behindert. Wir wurden 40 Jahre lang – nur von einem anderen Verein – verfolgt, darum weiß ich, wovon ich spreche. Diese Verfolgung hier durch die KHS, wo es um die Arbeit und die nackte Existenz geht, ist genauso schlimm. Da standen plötzlich zwei auf dem Hof und wollten meine Wohnung durchsuchen! Da darf man nicht klein beigeben.

von Mario Kleinod

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