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für Gewerbefreiheit auch im Handwerk - weg mit dem Meisterzwang
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Ein starkes Stück

FREIBRIEF 1/2007, S. 14 + 15

Erfordert der Verkauf über den Tresen hinweg den Meisterbrief?

Das Konditorenhandwerk ist nicht nur sehr süß, sondern auch überaus vielseitig: sowohl der Speiseeishersteller als auch der Torten-, Teegebäck- und Desserthersteller sowie der Confiseur etwa sind Teilberufe des Konditors. Der Konditor gehört auch nach der Novellierung der Handwerksordnung (HWO) vor drei Jahren noch immer zu den meisterpflichtigen Handwerksberufen. Begründung für die Beibehaltung war, dass die Meisterpflicht für die so genannten „gefahrengeneigten Gewerke sachgerecht“ sei. Am 1. Januar 2007 trat die Novellierung der Meisterprüfungsverordnung für das Konditorenhandwerk in Kraft.

Anlass für den FREIBRIEF, die genaue Grenze zwischen meisterfreien und meisterpflichtigen Cafébetrieben auszuloten. Die Ergebnisse zeigen einmal mehr, wie willkürlich diese Grenze gezogen wird. Die „Gefahrengeneigtheit“ des Konditorhandwerks liegt für den Konditormeister Wolfgang Becker aus Esens (Ostfriesland) auf der Hand: „Ich muss jeden Tag mit sensiblen Lebensmitteln umgehen, wie Milch, frischen Früchten, Eiern und Sahne, und dabei sind die hygienischen Bedingungen das A und O“, sagt der 36-Jährige und ist der Meinung, dass der Meisterbrief Qualität garantiere.

Der Meisterbrief aber ist nicht notwendig für den Speiseeishersteller etwa, der ein Teilberuf des Konditors ist. Das bestätigt von der Bremer Handwerkskammer Michael Curtze, zuständig u.a. für die „Bekämpfung von Schwarzarbeit“: „Der Speiseeishersteller ist ein handwerksähnlicher Beruf und die Herstellung und die Veräußerung von Speiseeis sind nicht meisterpflichtig.“

Ein italienisches Eiscafé in Bremen

Eines von insgesamt 53 Eiscafés in Bremen ist das „San Marco“. Sahne, Milch und Zucker sind die Zutaten, die zur Speiseeisherstellung gehören. Verschiedene Beigaben, wie Früchte, Bourbonvanille oder Schokolade und vor allem die Balance zwischen Frieren und Rühren sind die Kniffe, die das Genussprodukt unverwechselbar machen. Überlieferte Rezepte seien der Schlüssel für das original italienische Eis, das Paolo Lotto seit 1991 in Bremen anbietet: „Ich lege sehr viel Wert darauf, mein Eis auf traditionell italienische Weise herzustellen“, sagt Lotto.

Bevor der 41-Jährige vor knapp zwanzig Jahren nach Deutschland kam, arbeitete er in der italienischen Tourismusbranche. Aus einem Sommer, in dem er in Peine seine deutschen Sprachkenntnisse aufbessern wollte, wurden fünf Jahre. Wie Lotto haben sich inzwischen acht Kollegen aus dem mittelständischen Betrieb mit damals 15 Mitarbeitern mit einem eigenen Eiscafé selbstständig gemacht. Das Eisherstellen zu lernen, sei kein Problem gewesen:

„Das war kein Geheimnis. Ich musste lediglich Zeit investieren, zum Beispiel früher zur Arbeit kommen, um dem Patrone in der Eisküche über die Schulter zu schauen.“ Nach und nach habe er die Rezepte erfahren und die Maschinen kennen gelernt. Heute glaubt Lotto, dass die Bezeichnung „original italienisch“ einen nicht zu unterschätzenden Marktwert habe. Vor steigender Konkurrenz fürchtet sich auch seine Lebensgefährtin Ginni Pin 23)nicht: „Es ist zudem die italienische Atmosphäre und die Qualität unseres Service, was unsere Gäste zu schätzen wissen.“

Um sich weiterzubilden und neue Trends zu entdecken, besuchen beide Seminare, etwa auf der internationalen Eis-Messe in Rimini.

Von „Gefahrengeneigtheit“ keine Spur?

Wie jedes Eiscafé in Deutschland wird auch „San Marco“ regelmäßig und unangekündigt von den Behörden besucht; mit Eisproben wird die hygienische Qualität erfasst und überprüft, ob der Speiseeishersteller mit sensiblen Lebensmitteln gewissenhaft umzugehen weiß. Das Gesundheitsamt etwa fungiert hier in der Rolle des Wächters über die Interessen des Verbrauchers - gänzlich ohne die Argusaugen der Handwerkskammern oder die Vorschriften der Handwerksordnung zu benötigen. Die Frage ist nun, ob entweder der Beruf des Speiseeisherstellers nicht „gefahrengeneigt“ genug ist - was angesichts der zweifellos wichtigen Hygiene etwa niemand behaupten würde - oder ob ein anderer Grund vorliegt, warum der Zwang zum Meister für Konditoren erhalten geblieben ist. Wann ist der Meisterbrief notwendig, wenn die vermeintliche „Gefahrengeneigtheit“ offenbar nicht der Grund ist?

Der „Handelsbetrieb“ macht den Meister

Noch als frisch gebackener Konditorgeselle stieg Wolfgang Becker 1991 in das Eiscafé seiner Eltern in Esens ein.

Der damals 21-Jährige wollte eigentlich nur eine Saison überbrücken, war aber schließlich dem Reiz erlegen, seine Ideen im eigenen Laden verwirklichen zu können: „Es war klasse, dass ich alles ausprobieren konnte“, erinnert er sich. Seine Eltern staunten über die neuen Eiskreationen und vor allem über die Torten, mit denen der Sohn immer mehr Kunden begeisterte.

Er schaffte es, das Angebot an selbstgebackenen Kuchen seiner Mutter im Café so zu erweitern, dass die Kunden seine Torten nicht mehr nur im Eiscafé verzehrten, sondern sich einpacken ließen oder für Feste bestellten. Beckers innovative Ideen kamen gut an und das Geschäft brummte. Das ging eine Weile gut, bis „mich jemand beiseite nahm und mich darauf hinwies, dass ich den Konditormeistertitel dafür benötigen würde“, wohlgemerkt nicht für die Torten, die innerhalb des Eiscafés verzehrt wurden, sondern für den Außerhausverkauf der Torten.

Ein- und dieselbe Torte, mal meisterfrei und mal meisterpflichtig?

Curtze von der Bremer Handelskammer erläutert, dass nach seiner Rechtsauffassung, „ein Verkauf über den Tresen hinweg das Café zu einem Handelsbetrieb macht und somit eine Meisterpflicht“ bestehe. Also nur „innerhalb des Café-betriebs zum sofortigen Verzehr ist eine Veräußerung von Konditorprodukten ohne Meistertitel erlaubt“.

Juristisch: die Unerheblichkeitsgrenze

Diese Auffassung teilt Rechtsanwältin Hilke Böttcher, Spezialistin für Handwerksrecht aus Hamburg nicht: „Ob Torten in einem Eiscafé mit oder ohne Meister verkauft werden dürfen“, erläutert sie, „ist nicht davon abhängig, ob sie drinnen oder nach draußen verkauft werden, sondern ob die so genannte Unerheblichkeitsgrenze erreicht ist.“ Hierbei sei die Balance des Arbeitszeitaufwands (NICHT des Umsatzes!) zwischen dem Produzieren von Speiseeis und von Torten gemeint.

Wenn also mehr Arbeitszeit für das Herstellen von Speiseeis aufgewendet werde als für die Torten, sei der Meistertitel nach §3 der HWO nicht notwendig. „Die Grenze liegt bei 1665 Stunden Arbeitszeitaufwand jährlich." Selbst wenn man jeden Tag im Jahr viereinhalb Stunden Tortebcken würde, wäre diese Grenze noch nicht überschritten.

Meisterlich gesehen: Meisterqualität

Dass sich Wolfgang Becker womöglich gegen den Hinweis, den Meistertitel erwerben zu müssen, juristisch hätte wehren können, war damals wie heute nicht in seinem Interesse. Der Druck von Außen war nur „der letzte Anschubser, um meinen Plan, den Konditormeister zu machen, auch umzusetzen.“ Schonnach einem Jahr konnte er 1995 den verliehenen Titel einrahmen. Neben den erworbenen Fähigkeiten zum Ausbilder habe ihn begeistert, dass ihm die kaufmännische Seite der Selbstständigkeit vermittelt worden sei: „Die Grundlagen in Buchführung und Kniffe und Tricks, die ich für die Geschäftsübernahme beachten musste, waren sehr hilfreich.“ Für ihn habe sich der Meister vor allem aus fachlicher Sicht gelohnt: „Ich lege Wert darauf, keine Fertigpulver zu verwenden und kann Rezepte variieren und weiterentwickeln und weiß, warum sie funktionieren.“ Becker ist der Meinung, dass ein Meistertitel Qualität auch im Eisbereich sicherstelle.

Politisch: logisch und konsequent

Dass das Konditorhandwerk gestückelt meisterfrei, insgesamt aber meisterpflichtig sei, „entbehrt durchaus der Logik“, sagt Jonas Kuckuk vom BUH, „aber in der HWO nach Logik und Konsequenz zu suchen, habe ich schon vor langer Zeit aufgegeben.“ Dass die Handwerkskammer der Meinung sei,dass nicht die vermeintlichen Gefahren schon in der Herstellung von Torten, sondern insbesondere der Handelsbetrieb beim Verkauf über den Tresen hinweg den Meistertitel erfordere, wundere ihn nicht:

"Dieses Beispiel offenbart eine politische Lüge.“ Seiner Meinung nach sei das ausschlaggebende Kriterium für den Erhalt des Meisterzwang nicht, mögliche Gefahren von dem Verbraucher fern zu halten, sondern schlicht die wirtschaftliche Prosperität:

„Überall dort, wo Geld verdient wird, soll mit dem Meisterzwang die Konkurrenz klein gehalten werden. Man könnte annehmen, mit logischer Konsequenz würde allein dieses eine Ziel verfolgt.“

Sonja Höstermann

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