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für Gewerbefreiheit auch im Handwerk - weg mit dem Meisterzwang
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Die Böhnhasenjagd in Schleswig-Holstein nimmt kein Ende

Jahrhunderte im Krieg gegen unabhängiges Handwerk

(Aus dem FREIBRIEF 1/2017) Die Konstruktion von „unerlaubter Handwerksausübung“ in Verbindung mit Verfolgung und Strafe ist keineswegs neu. Schon im Mittelalter verteidigten die Zünfte ihr Monopol mit der Kriminalisierung unzünftiger Handwerker. Auch im 17. und 18. Jahrhundert wurde die Jagd auf Unzünftige fortgesetzt. Die Einführung der Gewerbefreiheit in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts brachte vorübergehend Ruhe – schon wenige Jahrzehnte später sahen Vertreter von Kreishandwerkerschaften „Armeen anrücken“ und „Anarchisten unseren Stand unterwandern“, wie Der Spiegel (23/1974) wiedergab. In dieser Zeit (1973) registrierte etwa die Handwerkskammer Lübeck – zuständig für den südöstlichen Bereich von Schleswig- Holstein – jedoch lediglich 27 Verfahren und die verhängten Bußgelder waren noch moderat. Anders als in den Jahren bis 2004, wo ein Bußgeld die Höhe von 150.000 Euro erreichen konnte und die Vernichtung der geschäftlichen Existenz nach sich zog

Gegen die „schwarzen Armeen“ machten die Meister im ganzen Bundesgebiet mobil. Mit Spitzeln, Spähern und Detektiven spürte man auf, wer in der Branche angeblich an den Gesetzesbestimmungen über das lautere Handwerk vorbei gearbeitet hatte. Beim Konkurrenzkampf setzte der verwöhnte Handwerkerstand schon damals lieber auf die nunmehr illegal gewordene Böhnhasenjagd und ersetzte dabei das eine oder andere Prinzip des Rechtsstaates durch unnachgiebiges Jagdfieber seitens der Kammern. Auch im nördlichsten Bundesland des Meisterzwangs sind seit den 1990er-Jahren sogenannte „selbstständige“ Ermittlungsgruppen im Auftrag der Gewerbeämter unterwegs, um der „unerlaubten Handwerksausübung“ das Handwerk zu legen. Dieses Modell besteht in Schleswig- Holstein bis heute – bei ungenierter Kofinanzierung durch die örtlichen Handwerksorganisationen. Diese stellen nicht selten erhebliche Summen zur Finanzierung eines Fahnders zur Verfügung.

Bürgerrechte – für Monopolisten keinHindernis

Im Jahr 2000 entdeckte der Landesdatenschutzbeauftragte bei einer Prüfung der Handwerkskammer Flensburg eine gewaltige Datensammlung. Die aufgefundenen, „bis zu 15 Jahre alten Vorgänge reichten von verdächtigen Gewerbeanmeldungen über Anzeigen von Bürgern, dass der Nachbar in seiner Garage nebenbei Autos repariere oder Polstermöbel auffrische, bis hin zu ausgeschnittenen und gesammelten Zeitungsannoncen und Grundlagenmaterial für konkrete Ordnungswidrigkeitsverfahren.“ (22. Tätigkeitsbericht des LD SH 2000) Des Weiteren führte die Kammer eine „Schwarzarbeiterdatei“ in elektronischer Form. Entgegen ihrer irreführenden Bezeichnung enthielt diese Datei jedoch genau jene personenbezogenen Daten der oben genannten Art, die bereits in Papierform vorlagen. Nach der Devise „wer weiß, wofür man das mal noch gebrauchen kann“ wurde einfach jede Information vorsichtshalber archiviert. Abgesehen davon, dass für die Führung einer solchen Datei keine Rechtsgrundlage besteht, vermochte die Kammer nicht, die Notwendigkeit dafür zu belegen.

Ungetrübtes Unrechtsbewusstsein

Die Kammer begründete die Sammelpraxis mit ihrer angeblichen Erfahrung, dass es im Bereich der illegalen Handwerksausübung und der Schwarzarbeit auf lange Sicht immer wieder zu Wiederholungstaten käme. „Nach unseren Feststellungen waren allerdings nur in drei Prozent aller Sachverhalte Rückfälle zu verzeichnen“, so der Datenschutzbeauftragte. Dessen damalige Schelte führte jedoch zu keinerlei Mäßigung der kriminellen Sammelwut, sondern zeigte sich in den Folgejahren nur in einem anderen Gewand. Um auch an die Daten der freien Handwerker im Reisegewerbe zu gelangen, verschickte die Handwerkskammer an alle Gewerbeämter die Aufforderung, deren Daten aus der Gewerbeanmeldung an sie weiterzureichen. Ohne Rechtsgrundlage ist eine solche Praxis aber nicht zu rechtfertigen und prompt folgte die nächste kritische Erwähnung im Tätigkeitsbericht der Datenschützer. Die Eingabe eines BUH-Mitglieds, der Opfer dieser illegalen Praxis geworden war, führte 2012 zu einer erneuten Rüge im Datenschutzbericht. Wirklich geholfen hat das allerdings wieder nicht und bis heute häufen sich Jahr für Jahr die Anrufe von verschreckten Reisewerbetreibenden im BUH-Büro, die im Nachgang ihrer Gewerbeanzeige allesamt mit maßregelnden Anschreiben der Handwerkskammer bedacht wurden.

Reisegewerbetreibender versenkt merkwürdiges HWK-Merkblatt

Max Baade

Trotz mehrfachen Tadels des Datenschutzbeauftragten wurden und werden in Schleswig-Holstein chronisch Daten von „verdächtigen“ Handwerkern im Reisegewerbe an die Handwerkskammer weitergeben. Zimmermannsgeselle Max Baade, ein weiteres Opfer, plante seine Selbstständigkeit im Reisegewerbe im Raum Flensburg schon seit Längerem. Er besuchte das Existenzgründerseminar des BUH und nahm von dort etliche Anregungen für sein Betriebskonzept mit. Dieses sah sowohl gelegentliche Arbeiten als Subunternehmer, wie auch den Aufbau eines ausreichend großen Kundenkreises an Endverbrauchern vor. Das Reisegewerbe war für den Zimmermann die einzige Möglichkeit, ordnungsgemäß selbstständig zu arbeiten. Beim BUH erhielt er viele nützliche Tipps für seine bevorstehende Gewerbeanmeldung. Er folgte auch unserem Rat, das Formular mit einem Hinweis auf die fehlende Rechtsgrundlage für die Datenweitergabe an die Kammer zu ergänzen. Mit der sachlichen Freundlichkeit im Ordnungsamt war es aber schon bei der Erwähnung von Handwerk im Reisegewerbe vorbei. Eine Welle aus Skepsis und Misstrauen schwappte ihm sogleich entgegen. Seine zusätzlich mündlich vorgebrachte Aufforderung, eine Datenweitergabe an die Kammern zu unterlassen, wurde belächelt. Drei Tage später trudelte ein Merkblatt der Handwerkskammer ein. Das Merkblatt erklärt dem abgeneigten Leser die Rechtslage und erklärte einen Großteil möglicher, gewerblicher Initiativen pauschal als illegal bzw. handwerksrollenpflichtig. Eingeschränkt seien: Subunternehmertum; Werbung in jeglicher Form; Art, Umfang und Ort der Ausübung u. v. m. Eine Reduktion des Handwerks auf kleine Handreichungen und Reparaturen! Das Merkblatt mit seinen angeblichen Geboten und Verboten zerschoss Max das gesamte Betriebskonzept. Auffallend oft wollte man ihn in die Handwerksrolle eintragen und der Meisterpflicht unterwerfen, obwohl auch meisterpflichtige Tätigkeiten im Reisegewerbe erlaubt sind.

Das unlautere Merkblatt der HWK machte es der Anwältin leicht, eine ausführlich begründete Unterlassungsklage aufzusetzen. Die Handwerkskammer gab klein bei und unterschrieb, übernahm alle anfallenden Kosten und wird das Merkblatt (vermutlich in verschlimbesserter Form) neu auflegen müssen. Wir sind gespannt. Besonders ärgert sich Max Baade, dass er das einschüchternde, unhaltbare Merkblatt aufgrund einer unzulässigen Datenweitergabe erhalten hat, obwohl er dies der Behörde schriftlich als auch mündlich untersagt hatte. Die ersten Reaktionen auf seine Eingabe beim Datenschutzbeauftragten waren jedoch eher enttäuschend. Das Ordnungsamt bestritt eine regelmäßige Datenübermittlung und berief sich in seiner Antwort auf „bestimmte Ausnahmefälle“: „Lediglich bei ungenauen Bezeichnungen der Tätigkeiten würden die Daten über das Reisegewerbe (Name, Geburtsdatum, Anschrift und Tätigkeit) zur Prüfung an die Handwerkskammer übermittelt.“ Dies traf für Max’ Antrag aber eben nicht zu. Obwohl das Landeszentrum für Datenschutz in Schleswig-Holstein bisher einen sehr guten Ruf genoss und die Datenweitergabe in den Tätigkeitsberichten eindeutig und wiederholt anprangerte, war es diesmal auffallend und angestrengt bemüht, eine Rechtsgrundlage für „Ausnahmefälle“ zu konstruieren:

„Nach unserer Rechtsauffassung dürfen Reisegewerbedaten in diesen o.g. Ausnahmefällen jedoch auch nur dann übermittelt werden, wenn dies für einen bestimmten Zweck im Einzelfall auch erforderlich ist.“ „Wir vertreten derzeit die Ansicht, dass in jedem konkreten Ausnahmefall geprüft werden sollte, ob eine Datenübermittlung auch wirklich für einen bestimmten Zweck bzw. für die Aufgabenerfüllung der Handwerkskammer erforderlich ist.“Selbst wenn die vom Datenschutzbeauftragten vorgetragene Auffassung rechtlich tragfähig sein sollte, dann wäre sie auf den Fall von Max trotzdem nicht anwendbar. In den Augen von Max hat sich der Datenschutzbeauftragte wie die Behörden auf eine nichtexistierende Rechtsgrundlage gestellt und orientierungslos nach „Ausnahmen“ gesucht. Reisegewerbetreibende in Niedersachsen hatten ähnliche Erfahrungen gemacht, die nach einem jahrelangen Schriftwechsel zwischen dem Wirtschaftsministerium und dem Datenschutzbeauftragten zu gleichklingenden Ausreden bezüglich angeblicher Ausnahmen führten. Immerhin endeten die beharrlichen Eingaben der Reisegewerbetreibenden aus Niedersachsen mit einem Eintrag ins Klassenbuch in Form einer seichten Schelte im Tätigkeitsbericht der jetzigen Datenschutzbeauftragten. (jk)

IHK kritisert Verfolgungmodell in SH

Die IHK Schleswig-Holstein kommentierte das Treiben der Ermittlungsgruppen sehr treffend: „Die sehr handwerklich geprägten Ermittlungsgruppen zur Schwarzarbeitsbekämpfung (meist in Zusammenarbeit mit den Kreishandwerkerschaften) haben diese Vorschriften auch gegenüber etablierten Unternehmen mit erheblichem Druck exekutiert. Das führte regelmäßig zu einer Aufblähung der Statistik und zu erheblichen Kosten auf Seiten der Verwaltung und der Unternehmen, ohne dass damit allerdings irgendein volkswirtschaftlich sinnvoller Effekt erzielt wurde. Dennoch ist darauf hinzuweisen, dass es solchen Aktionen gelegentlich an Maßstäblichkeit fehlt. Betroffene Unternehmen werden dadurch gelegentlich – nicht zuletzt aufgrund der manchmal undifferenzierten Berichterstattung einer erstaunlich gut vorab informierten Presse – diskreditiert und bleiben, auch wenn sie selbst gar nicht betroffen sind, quasi in Sippenhaft zurück. Das gilt besonders für Baustellen, auf denen zeitgleich mehrere Gewerke tätig sind. Solche Art Öffentlichkeitsarbeit schießt dann über das Ziel hinaus. Sie steht gelegentlich in keinem Verhältnis zu den tatsächlichen Ergebnissen der Ermittlungen. Sie ist kontraproduktiv, weil sich die Ermittlungsbehörden damit selbst unter einen Erfolgsdruck setzen, der mit einer neutralen Ermittlung der Sachverhalte nicht vereinbar ist. Dass in vergaberechtlichen Verfahren solchermaßen ‚bekannt gemachte‘ Ermittlungen und Verdachte nicht ohne Wirkung bleiben, bedarf keiner Betonung.“

BUH-Tipps für Antragsteller einer Reisegewerbekarte:

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06.12.2017


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