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für Gewerbefreiheit auch im Handwerk - weg mit dem Meisterzwang
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Meisterzwang ist verfassungswidrig, Regelungszweck des Meisterzwang, Meisterzwang verlangt ein Übermaß, Meisterzwang ist unbestimmt, Meisterzwang diskriminiert im Inland erworbene Erfahrungen, Meisterzwang Verstößt gegen den Gleichheitsgrundsatz

Die Verfassungsgerichtsentscheidung von 1961 zur Handwerksordnung (BVerfGE 13, 97)

Das Bundesverfassungsgericht hat am 17. Juli 1961 mit der Entscheidung BVerfGE 13, 97 (auch zitiert als 1 BvR 44/55) eine Entscheidung zu dem Meisterzwang getroffen.

Nach dem Krieg wurde der Meisterzwang 1953 wieder eingeführt. Vorher bestand zumindest in der Amerikanisch besetzten Zone auch im Handwerk Gewerbefreiheit.

Der Meisterzwang stellt eine empfindliche Einschränkung des Grundrechts auf freie Berufsausübung dar.

Seit der Wiedereinführung des Meisterzwangs wurde dieser immer wieder kritisiert. Das Bundesverfassungsgericht hatte 1961 das erste Mal über diese Einschränkung der Berufsfreiheit zu entscheiden. Damals stand das Gericht unter erheblichem Druck der Politik den Meisterzwang nicht für verfassungswidrig zu erklären. So hatte etwa der Unions-Politiker Richard Stücklen mehrfach gedroht, dass die Verfassung - das Grundrecht auf freie Berufsausübung - geändert würde, wenn das Verfassungsgericht den Meisterzwang kippen würde. Das Bundesverfassungsgericht konnte damals also, um die Verfassung selber zu schützen, den Meisterzwang nicht für verfassungswidrig erklären. (mehr zur Geschichte des Meisterzwangs in Deutschland)

Bei der Verfassungsbeschwerde 1961 hatte ein Verwaltungsgericht dem Verfassungsgericht die Frage vorgelegt, ob der Meisterzwang mit dem Grundgesetz vereinbar ist. In dem Ausgangsverfahren ging es um eine Uhrmachergesellen, dem eine Ausnahmebewilligung versagt worden war.

Auch wenn damals das Verfassungsgericht den Meisterzwang für mit dem Grundgesetz vereinbar hielt, hat es eine nicht engherzige Erteilung von Ausnahmebewilligungen angemahnt. Der damals 27 jährige Uhrmachergeselle hat daraufhin seine Ausnahmebewilligung erhalten.

In der Entscheidungsbegründung hat das Verfassungsgericht dem Gesetzgeber einen großen Beurteilungsspielraum beim Festlegen von Begründungen für die Einschränkung der Berufsfreiheit eingeräumt.

"Der Gesetzgeber kann auch Gemeinschaftsinteressen zum Anlaß von Berufsregelungen nehmen, … die sich vielmehr erst aus seinen besonderen wirtschafts-, sozial- und gesellschaftspolitischen Vorstellungen und Zielen ergeben, die er also erst selbst in den Rang wichtiger Gemeinschaftsinteressen erhebt."

Bundestag und Bundesregierung hatten in ihren Stellungnahmen zur Verfassungsbeschwerde als Begründungen für den Meisterzwang angeführt: den Leistungsstand, die Ausbildungsleistung und die Bedeutung des Handwerks für die gesamte Volkswirtschaft. Außerdem hat die Bundesregierung den Meisterzwang auch Standespolitischen zielen begründet.

Das Bundesverfassungsgericht ging in seiner Entscheidung auch davon aus, dass der Meisterzwang dem "Schutz des Mittelstandes durch Erhaltung einer möglichst großen Zahl selbständiger Unternehme" (Absatz 37) diente.

Das Bundesverfassungsgericht hat diese Begründungen zusammengefasst:

"Die hier zu prüfende Regelung der Handwerksordnung beruht auf der Grundanschauung, an der Erhaltung des Leistungsstandes und der Leistungsfähigkeit des Handwerks und an der Sicherung des Nachwuchses für die gesamte gewerbliche Wirtschaft bestünden so wichtige Interessen der Gemeinschaft, daß der Zugang zur selbständigen Ausübung eines handwerklichen Berufs nicht jedem freistehen könne."

Auf Grundlage der damaligen wirtschaftlichen Gegebenheiten wurde geprüft, ob die Argumentation für den Meisterzwang stichhaltig war.

So behauptete das Verfassungsgericht, zum einen, dass der Meisterzwang einem wichtigen Gemeinschaftsziele dienen würde. Dem Gemeinschaftsziel der Förderung des Handwerksstandes als ganzem stellte es die Belastung des Einzelnen entgegen.

Bei der Freiheitsbeschränkung des Einzelnen Berufsbewerbers ging das Bundesverfassungsgericht davon aus, dass durch die Meisterprüfung von den Bewerbern nicht mehr verlangt werden, als dass er "den Besitz eben dieser Fertigkeiten und Kenntnisse nachweist", die zur Berufsausübung notwendig ist. Am Besitz dieser Kenntnisse und Fertigkeiten müsse der Berufsbewerber selber Interesse habe und deswegen würde ihn die Meisterprüfung nicht sonderlich beschwerden.

Hierzu stellte das Gericht fest:

"Der besondere Ausbildungsgang und die Prüfung beschweren die Berufsbewerber im typischen Fall nicht übermäßig. Mit dem grundsätzlichen Erfordernis des Bestehens der Gesellenprüfung nach einer Lehrzeit von drei bis vier Jahren und einer mindestens drei- bis fünfjährigen Gesellenzeit (§§ 30, 32, 44) hat der Gesetzgeber den ohnehin notwendigen Ausbildungsgang lediglich in einer durchschnittlich angemessenen Weise formalisiert. Ausbildungsziel der regelmäßig mit 18 Jahren abgeschlossenen Lehrzeit ist es, daß der Lehrling die in seinem Handwerk gebräuchlichen Handgriffe und Fertigkeiten mit genügender Sicherheit verrichten kann und die notwendigen Fachkenntnisse über den Wert, die Beschaffenheit, die Behandlung und Verwendung der Roh- und Hilfsstoffe besitzt (§ 32 Abs. 2). Von diesem Leistungsstand aus bedarf der Geselle noch einer erheblichen Berufserfahrung, um die in seinem Handwerk anfallenden Arbeiten "meisterhaft" in dem oben dargestellten Sinne verrichten zu können. Eine drei- bis fünfjährige Gesellenzeit, nach der also der gesamte Ausbildungsgang bereits im Alter von 22 bis 23 Jahren abgeschlossen werden kann, ist nicht unangemessen lang. Hinzu kommt, daß die Möglichkeit besteht, den Besuch einer Fachschule auf die Gesellenzeit anzurechnen (§ 44 Abs. 3 Satz 1); auch ist die Tätigkeit als selbständiger Handwerker, als Werkmeister oder in entsprechender Stellung der Gesellenzeit gleichgestellt (§ 44 Abs. 3 Satz 2). Schließlich kann in Ausnahmefällen jemand zur Meisterprüfung zugelassen werden, der den gesetzlich formalisierten Ausbildungsgang überhaupt nicht durchlaufen hat (§ 44 Abs. 4)."

Die Freiheitsbeschränkung durch den Meisterzwang sah das Gericht auch deswegen als nicht so gravierend an, weil die Möglichkeit der Ausnahmebewilligungen besteht, von dem nach Auffassung des Gerichts nicht engherzig gebrauch zu machen sei. Dies hat das Bundesverfassungsgericht auch in der Entscheidung 1 BvR 1730/02 vom 05.12.2005 wiederholt und darüber hinaus festgestellt, dass die Verwaltungsgerichte dies in den letzten Jahren nicht berücksichtigt hatten.

Das Verfassungsgericht ging gerade wegen der Möglichkeit des Ausnahmebewilligung davon aus, der Meisterzwang stelle nicht "einen Selbstzweck oder ein Mittel zum Schutz vor unerwünschter Konkurrenz, sondern den Weg dar, auf dem die qualitative Auslese der Handwerker im Regelfalle vorgenommen werden soll." (Absatz 58)

In dem Urteil aus 1961 wird kritisch angesprochen, dass durch den Meisterzwang nicht gewährleistet wird, dass die Meister sich regelmäßig weiterbilden und so ihren Leistungsstand halten und fortentwickeln (Absatz 46).

Bedeutung des Urteils von 1961 für heute

Mit der Handwerksnovelle von 2004 wurde ein entscheidender Wechsel bei der Begründung des Meisterzwangs vollzogen.

Wegen der geänderten wirtschaftlichen Verhältnisse sah der Gesetzgeber die "Erhaltung des Leistungsstandes und der Leistungsfähigkeit des Handwerks und an der Sicherung des Nachwuchses für die gesamte gewerbliche Wirtschaft" nicht mehr als stichhaltige Begründung für die Einschränkung der Berufsfreiheit an.

An diese Verhältnismäßigkeitsrhetorik glaubte wohl der Gesetzgeber selber nicht mehr. In der Gesetzesbegründung zur Handwerksnovelle 2004 wird dies detailliert dargelegt. Offensichtlich wurde dies z.B. beim Gerüstbau. Auch ohne Meisterzwang wurde im Gerüstbau - vor der Einführung des Meisterzwangs für den Gerüstbau 1998 - in erheblichem Umfang ausgebildet. Der Gerüstbau konnte sich in den Jahren bevor der Meisterzwang eingeführt wurde sprunghaft entwickeln. Danach nahmen die Betriebszahlen wieder deutlich ab.

Deswegen wurde ein neuer Regelungszweck für den Meisterzwang gesucht. Ihn der Gesetzesbegründung ist der Schutz von Gefahren für Gesundheit oder das Leben von Dritten als Begründung für den Meisterzwang angegeben. In verschienen Bundestags- und Bundesratsprotokollen wurde von der CDU/CSU gefordert den Meisterzwang für Berufe beizubehalten, die deutlich über den eigenen Bedarf ausbilden. Mit dieser Forderung konnten sich die Unionsgeführten Bundesländer wohl im Vermittlungsausschuss durchsetzen.

So muss man heute davon ausgehen, dass die Gefahrenabwehr und die Ausbildung als Begründung für den Meisterzwang untersucht werden müssen, wenn geprüft wird, ob diese empfindliche Einschränkung des Grundrechts auf freie Berufsausübung noch mit der Verfassung vereinbar ist oder eben eine verfassungswidrig Einschränkung darstellt.

An der Ausbildungsleistung als Begründung für den Meisterzwang hat das Bundesverfassungsgericht in seiner Entscheidung 1 BvR 1730/02 deutlichen Zweifel geäußert.

Ob die Abwehr von angeblichen Gefahren als verfassungsfest Begründung für die Einschränkung der Berufsfreiheit dienen kann, haben selbst Handwerksverbände bei den Anhörungen im Bundestag zur Handwerksnovelle 2004 bezweifelt.

Jedenfalls hat sich die Gesetzesbegründung für den Meisterzwang grundlegend geändert, so dass die Begründung von 1961 nicht mehr als Argumentationshilfe tragen kann. Außerdem wurde der Meisterzwang seit 1961 mehrfach verschärft

Mit einer gewissen Berechtigung kritisieren verschieden Autoren aus der Bayrischen Landesregierung - wenn diese für das Handwerk Gutachten schreiben oder wissenschaftlich publizieren, dass es systemwidrig sei, wenn gefährliche Tätigkeiten im unerheblichen handwerklichen Nebenbetrieb, im Minderhandwerk oder im Reisegewerbe ohne Meisterbrief ausgeübt werden dürfen. Diese Autoren fordern deswegen diese Regelungen, die die Einschränkung des Meisterzwangs abmildern sollen, abzuschaffen. Was diese Autoren übersehen, ist, dass es an tatsächlichen Gefahren fehlt, vor denen Dritte durch den Meisterzwang geschützt werden.

Gefahren - sofern sie überhaupt als Begründung für eine Einschränkung der Berufsfreiheit dienen können (siehe BVerfGE 1 BvR 254/99 vom 7.8.2000) - können in der Regeln von den Gesellen und in aller Regel auch von Angelernte beherrscht werden. Wo nicht, müsste ein Befähigungsnachweis des Betriebsleiters, der ja die Tätigkeiten nicht selber ausführen muss, ja nicht einmal bei Ausführen der Tätigkeiten anwesend sein muss diese Gefahren abwehren können, wenn wegen dieser Gefahr die Berufsfreiheit eingeschränkt wird.

Zumindest ist der Meisterzwang viel zu weit gefasst. Es ist nicht ersichtlich, warum gerade betriebswirtschaftliche Kenntnisse zur Abwehr von Gefahren tauglich sein sollen. Da dies nicht der Fall ist darf das Fehlen von betriebswirtschaftlichen Kenntnissen nicht dazu führen, dass ein Betroffener seinen Beruf ausüben darf. Dasselbe gilt auch für alle einzelnen Tätigkeiten, von denen keine unmittelbare Gefahr ausgeht. Einen verpflichtenden Sachkundenachweis im Einzelhandel hatte das Bundesverfassungsgericht 1965 als Verfassungswidrig abgelehnt (BverfGE 19/330 vom 14. Dezember 1965).

Eine weitere Analyse solcher Gefahren ist abstrakt nicht möglich. Es fehlt eine Benennung von angeblich tatsächlich gefährlichen Tätigkeiten durch die Gegner der Gewerbefreiheit im Handwerk. Erst bei konkreten Tätigkeiten könnte hier detailliert argumentiert werden.

Den Gegner der Gewerbefreiheit aus der Bayrischen Landesregierung ist Recht zu geben, dass die derzeitige Regelung in sich widersprüchlich ist. Für eine Ausweitung des Meisterzwangs auf den unerheblichen handwerklichen Nebenbetrieb, das Minderhandwerk oder das Reisegewerbe gibt es aber keinen Anlass, der verfassungsrechtlich bestand haben könnte. Umgekehrt zeigt diese Widersprüchlichkeit die Verfassungswidrigkeit des Meisterzwangs.

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