http://www.buhev.de/ Berufsverband unabhängiger Handwerkerinnen und Handwerker
für Gewerbefreiheit auch im Handwerk - weg mit dem Meisterzwang
Start | Selbstständig ohne Meisterbrief | Probleme wegen Meisterzwang | Handwerkspolitik | Über den BUH

Urteile zu: Meisterzwang, Betriebsuntersagungen (§ 16 HwO), Hausdurchsuchungen, Betretungsrecht der HwK nach § 17 HwO, Rechtsmittelverzicht

Bayerisches Oberstes Landesgericht 3 ObOWi 112/2002

Beschluss

Der 3. Senat für Bußgeldsachen des Bayerischen Obersten Landesgerichts hat durch den Richter am Bayerischen Obersten Landesgericht xxx

am 11.Dezember 2002
in dem Bußgeldverfahren
gegen
xxx
wegen unerlaubter Handwerksausübung
beschlossen:

  1. Die Rechtsbeschwerde der Staatsanwaltschaft gegen das Urteil des Amtsgerichts Weiden i. d. Opf., vom 28. August 2002 wird als unbegründet verworfen.
  2. Die Kosten des Rechtsmittels wowei die dem Betroffenen dadurch erwachsenden notwendigen Auslagen fallen der Staatskasse zur Last.

Gründe:

I.

Mit dem Bußgeldbescheid vom 17.06.2002 setzt das Landratsamt Neustadt a. d. Waldnaab gegen den Betroffene wegen selbständigen Betriebs des Spenglerhandwerks als stehendes Gewerbe, ohne in der Handwerksrolle eingetragen zu sein, eine Geldbuße von 4.000 Euro fest.

Nach form- und fristgerecht eingelegtem Einspruch sprach das Amtsgericht Weiden i. d. OPf., Zweigstelle Vohenstrauß, den Betroffenen am 28.08.2002 aus tatsächlichen Gründen frei.

Mit der Rechtsbeschwerde rügt die Staatsanwaltschaft die Verletzung sachlichen Rechts.

II.

Das zulässige Rechtsmittel (§§ 341, 344, 345 StPO, § 79 Abs. 3 Satz 1 OWiG) hat in der Sache keinen Erfolg.

Das Tatgericht ist ohne Rechtsfehler davon ausgegangen, daß die getroffenen Tatfeststellungen die verfassungsrechtlich gebotene Abgrenzung zu eintragungsfrei auszuübenden Tätigkeitsalternativen, insbesondere zum unerheblichen Nebenbetrieb gemäß § 3 Absätze 1 und 2 HwO, nicht zulassen und der Betroffene deshalb nach dem Zweifelssatz freizusprechen ist.

  1. Das Erfordernis des großen Befähigungsnachweises gemäß § 1 HwO ist mit dem Grundgesetz vereinbar (vgl. BVerfGE 13, 97; BVerwGE 115, 70). Die vom Betroffenen insoweit vorgebrachten verfassungsrechtlichen und europarechtlichen Bedenken teilt der Senat nicht.
    Allerdings stellen sich die §§ 1 ff. HwO als einschränkende Berufsausübungsregelungen dar und sind als solche eng auszulegen. Sie genügen den Anforderungen des Art. 12 Abs. 1 GG nur dann, wenn ihr Anwendungsbereich auf jene Fälle beschränkt wird, in denen der qualitative und quantitative Umfang der durchgeführten Arbeiten den Erwerb eines Meisterbriefs erforderlichen macht. Dies bedingt, den - eintragungspflichtigen - Kernbereich der handwerklichen Tätigkeiten von dem eintragungsfreien - Minderhandwerk sowie den Hilfs- und Nebenbetrieb gemäß § 3 HwO abzugrenzen (BVerfGE GewA 2000, 240/242).
    (siehe auch BVerfGE 1 BvR 608/99 und hier)
  2. Diesen Kriterien hat das Amtsgericht im Ergebnis zutreffend Rechnung getragen.
    Zwar hat es die ausgeführten Spenglerarbeiten nicht im einzelnen dargelegt und geprüft, ob diese dem Kernbereich des Handwerks zuzurechnen oder als Minderhandwerk zu bewerten sind (vgl. BayObLG GewA 1989, 167/168 m.w.N.). Hierdurch wird der Bestand des Urteils jedoch - ausnahmsweise - nicht gefährdet, da der Tatrichter ohne Rechtsfehler jedenfalls das Vorliegen eines unerheblichen und damit eintragungsfreien Nebenbetriebs gemäß § 2 Nr. 3, § 3 Absätze 1 und 2 HwO nicht ausgeschlossen hat.
    Der Nebenbetrieb erfordert eine einheitliche Ausrichtung der Arbeitsvorgänge des Haupt- und Nebenbetriebs. Der Nebenbetrieb muß dem Hauptbetrieb dienen. Zwischen Waren und Leistungen des Haupt- und Nebenbetriebs muß eine sortimentsmäßige Beziehung bestehen. Beide müssen der Befriedigung des selben Lebensbedürfnisses dienen und so wirtschaftliche betrachtet, zusammengehören. Das ist insbesondere dann der Fall, wenn das Betriebsprogramm des Nebenbetriebs bei Berücksichtigung der Verbraucherinteressen eine vom fachlichen Standpunkt aus sinnvolle Ergänzung und Erweiterung des Betriebsprogramms des Hauptunternehmens darstellt (ständige Rechtsprechung des Senats, vgl. GewA 1989, 333/334 m.w.N.).
    Nach dieser Maßgabe ist zumindest nicht auszuschließen, daß die Spenglerarbeiten im Hinblick auf den vom Betroffenen betriebenen "Allgemeinservice" aller Art für Haushaltungen Nebenbetriebcharakter haben. Der "Allgemeinservice" umfaßt das Reinigen von verstopften Abflüssen sowie von Dachrinnen, das Anschließen von Waschmaschinen o.ä. (vgl. UA S. 3), so daß in dem oben genannten Sinn eine wirtschaftlich-fachliche Verbundenheit mit der Durchführung einzelner Spenglerarbeiten zumindest denkbar erscheint. Ob sie tatsächlich vorliegt, kann anhand der bisher getroffenen Feststellungen nicht abschließend beurteilt werden. Insbesondere fehlt, da die sichergestellten Geschäftsunterlagen aufgrund der Beschwerdeentscheidung des Landgerichts Weiden unausgewertet an den Betroffenen zurückzugeben waren (UA S. 3), jegliche Grundlage für eine qualitative, quantitative und organisatorische Abgrenzung der einzelnen Tätigkeitsfelder. Diese Unklarheiten müssen nach dem Zweifelsgrundsatz zugunsten des Betroffenen gehen.
    Ob eine weitere Sachaufklärung möglich und geboten gewesen wäre, weil beispielsweise aufgrund einer konkreten Verdachtslage nunmehr die Voraussetzung einer Durchsuchung und Beschlagnahme vorgelegen hätten, hat der Senat im Rahmen der allgemeinen Sachrüge nicht zu prüfen. Eine entsprechende Verfahrensrüge ( §§ 244 Abs. 2, 344 Abs. 2 StPO, § 79 Abs. 3 Satz 1 OWiG wurde nicht erhoben.

III.

Die Rechtsbeschwerde der Staatsanwaltschaft wird deshalb als unbegründet verworfen.

Der Senat entscheidet Gemäß § 80 A Abs. 2 Satz 1 Nr. 1, § 79 Abs. 5 OWiG in der Besetzung mit einem Richter durch Beschluß.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 473 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 Satz 1 StPO, § 71 Abs. 1 OWiG.

Richter xxx

Weitere Informationen


http://www.buhev.de/

Bei Anmerkungen und Kritik freut sich der BUH über email, Post oder FAX an die Geschäftsstelle.

BUH e.V.: Artilleriestr. 6, 27283 Verden,
Tel: 04231-9566679, Fax: 04231-9566681, mail: BUHev-Buro


Startseite | Nachrichten | Handwerkspolitik | Presse | Handwerksrecht | Archiv/Suche | Links | Kontakt/Impressum