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Parteien und der Meisterzwang, BUH-Stellungnahmen, Argumente gegen den Meisterzwang, Studien zum Meisterzwang

Offene Antwort auf Schreiben von NRW-Ministerpräsident Rüttgers an den BUH zum Meisterzwang

Zum ersten Schreiben mit Zusammenfassung der Antwort aus dem Büro des Ministerpräsidenten

Sehr geehrter Herr Ministerpräsident Rüttgers,

ich danke für den Brief, den Sie von Karsten Beneke haben schreiben lassen.

Es ist bedauerlich, dass Sie auf die Probleme von Handwerkern ohne Meisterbrief in keiner Weise eingehen, sondern lediglich behaupten, dass eine Inländerdiskriminierung durch die Dienst- und Niederlassungsfreiheit nicht bestehen würde.

Zunächst bestehen zweifellos unterschiedliche Voraussetzungen beim Marktzugang in handwerklichen Berufen je nachdem, ob der Bewerber seine Berufserfahrungen in Deutschland oder anderen Staaten des EU/EWR-Staaten erworben hat.

Mir geht es hier im Wesentlichen um die gefühlte Inländerdiskriminierung. Ihre Forderung nach Abschottung des Arbeitsmarktes bleibt ein wohlfeiles und irreführendes Lippenbekenntnis, wenn schlechtere Behandlung hier erworbener Berufserfahrungen von Ihnen weiter verteidigt werden - selbst wenn das Verfassungsgericht dies nicht als verfassungsrechtlich unzulässige Inländerdiskriminierung ansehen würde, wie Sie behaupten. Ich bedauere, dass Sie für diese Behauptung keine Fundstelle angegeben haben und bitte Sie dies nachzuholen.

Zumindest in der Entscheidung 1 BvR 1730/02 vom 5.12.2005 hat das Verfassungsgericht zwar die Frage der Inländerdiskriminierung problematisiert und in Absatz 21 f. Zweifel an der Zumutbarkeit des Meisterzwangs wegen der Konkurrenz aus anderen EU-Staaten geäußert.

Die Stattgabe der Verfassungsbeschwerde hat das Verfassungsgericht mit der restriktiven Anwendung der Ausnahmeregelungen begründet und festgestellt ( Abs. 13):

"Dem Beschwerdeführer war es jedoch nicht zuzumuten, die von ihm beantragte Ausnahmebewilligung nach § 8 HwO a.F. durch gerichtliche Anfechtung der ablehnenden Entscheidung weiterzuverfolgen. Dies wäre angesichts auch der aktuellen Rechtsprechung der Verwaltungsgerichte (vgl. BVerwG, NVwZ-RR 1997, S. 350; GewArch 1998, S. 470; NVwZ-RR 1999, S. 498 f.) nicht Erfolg versprechend gewesen."

Wie Ihr Chef der Staatskanzlei stolz ausführt, hat sich an der Praxis der Erteilung von Ausnahmebewilligungen und Ausübungsberechtigungen nichts geändert!

Dies deckt sich mit den Berichten von Betroffenen, die weiterhin von übermäßigen Anforderungen und entwürdigender Behandlung bei der Erteilung von Ausnahmebewilligungen und Ausübungsberechtigungen durch die zuständigen Behörden berichten.

Ihre Antwort nach dem Motte: "Wir machen nichts falsch" führt genau dazu, dass Probleme nicht untersucht werden, statt sie zu lösen. Die Folge davon ist ein tausendfacher Grundrechtsraub.

Ich bedauere sehr, dass Sie in Ihrem Schreiben sich nicht zur Problematik geäußert haben, dass trotz Fachkräftemangel und einer alternden Bevölkerung junge und tatkräftige engagierte Menschen rechtswidrig kriminalisiert und so aus dem Land gedrängt werden.

Dreizehn stattgegebene Verfassungsbeschwerden (davon drei aus NRW) gegen Durchsuchungen bei Handwerkern ohne Meisterbrief, deuten auf eine erhebliche Grundrechtsmissachtung hin. Nur wenige der Verfolgten haben die finanzielle Möglichkeit und die Nerven sich gegen derartige Verfolgungen zu wehren. Tausende von Durchsuchungen wurden nach dem Maßstab des Verfassungsgerichts rechtswidrig durchgeführt. Und weiter werden Grundrechte von Ordnungsbehörden mit Füßen getreten.

Angeblich sollen mit dem Meisterzwang Gefahren von Gesundheit und Leben Dritter abgewehrt werden. Bei Regelungen zur Gefahrenabwehr sollte erwartet werden können, dass Behörden Auskünfte zu Abgrenzungen geben können - hier zu handwerksrechtlichen Abgrenzungsfragen.

Die Erfahrung zeigt, dass derartige Auskünfte nicht erteilt werden. Selbst wenn Ordnungsbehörden von Verwaltungsgerichten zu Stellungnahmen aufgefordert werden, sehen sich die Ordnungsbehörden nicht in der Lage Auskünfte zu erteilen.

Gerade aus NRW sind mir Fälle bekannt, bei denen von den Verfolgten Bußgelder erpresst wurden und ihnen im Rahmen der Verhandlung gesagt wurde, sie sollen alle Tätigkeiten weiter ausführen, wenn nur das Bußgeld abgestottert werde.

Worum geht es den Behörden? Doch nicht um Gefahrenabwehr, sondern um staatliche Wegelagerei.

Herr Rüttgers, Sie mögen glauben, so etwas kann nicht sein und deswegen diesen Vorwürfen nicht nachgehen. Aber weil diesen Hinweisen nicht nachgegangen wird, haben sich Praktiken bei den Behörden entwickelt, die jeder Rechtsstaatlichkeit spotten. Auch in der Entscheidung 87/02 vom 25.10.2002 des Verfassungsgerichts von Brandenburg werden solche Praktiken dokumentiert. Wie so häufig wird diese Rechtsprechung von Behörden ignoriert.

Behörden verweigern Auskünfte zu handwerksrechtlichen Abgrenzungsfragen und verpassen es dadurch, Gesundheit und Leben von Dritten zu schützen. Trotzdem werden von solchen Behörden Hausdurchsuchungen wegen angeblicher Verstöße gegen den Meisterzwang beantragt und durchgeführt.

Herr Rüttgers, sorgen Sie dafür, dass die Handwerksordnung im Sinne eines Gefahrenabwehrgesetzes umgesetzt wird. Ein Staat, der solche Regelungen zur Gefahrenabwehr erlässt, sie aber nicht entsprechend umsetzt, macht sich doch selber lächerlich - und die politischen Akteure in erster Reihe.

Oder geht es beim Meisterzwang - wie sich er Eindruck aufdrängt - gar nicht um Gefahrenabwehr, sondern um die Marktabschottung von Meistern die trotz so hoch gelobter betriebswirtschaftlicher Ausbildung die Konkurrenz mit anderen scheuen und lieber die Meisterprüfungen zur Regulierung des Handwerksmarktes nutzen?

Herr Rüttgers, ich bitte Sie:

Entschuldigen Sie den scharfen Ton. Ich beobachte die Praktiken der Behörden seit vielen Jahren und musste erleben wie viele Familien zugrunde gerichtet wurden. Da muss man Dinge auch mal beim Namen benennen.

Mit freundlichen Grüßen


Zwischenmitteilung der Staatskanzlei

Nach erneuter Nachfrage und der Bitte doch wenigsten kurzfristig die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts zu benennen, in dem dieses entschieden haben soll, dass der Meisterzwang keine Inländerdiskriminierung darstellt, hat ein Mitarbeiter aus der Staatskanzlei - dem Büro des Ministerpräsidenten Rüttgers - geantwortet. Zu seinem großen Bedauern müsse er mitteilen, dass sich in das Schreiben des Chefs der Staatskanzlei Herrn Beneke ein Fehler eingeschlichen habe. Nicht das Bundesverfassungsgericht sondern das Bundesverwaltungsgericht habe entschieden, dass die unterschiedlichen Regelungen für deutsche Berufsbewerber im Handwerk und für Angehörige aus anderen EU-Mitgliedstaaten nicht gegen das Gleichheitsgebot des Art. 3 GG verstoßen würden. Als Urteile gibt der Mitarbeiter der Staatskanzlei an: BVerwG - 1 B 51.98 vom 27.05.1998 - und BVerwG - 6 B 5.04 vom 01.04.2004.

Weitere Informationen


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