http://www.buhev.de/ Berufsverband unabhängiger Handwerkerinnen und Handwerker
für Gewerbefreiheit auch im Handwerk - weg mit dem Meisterzwang
Start | Selbstständig ohne Meisterbrief | Probleme wegen Meisterzwang | Handwerkspolitik | Über den BUH

Was erwartet mich bei der Ordnungsbehörde, Bußgeld wegen Handwerksausübung, Hausdurchsuchung, Betriebsuntersagung, Betriebsprüfung, Abmahnung, Meisterzwang ist verfassungswidrig

Was tun, wenn die SOKA-Bau kommt?

Immer wieder wenden sich Mitglieder und Interessenten an uns, die mit hohen - Existenz vernichtenden Forderungen der Soka-Bau konfrontiert werden.

Der BUH hat vor dem Hintergrund dieser Anfragen die Rechtsanwältinnen Hilke Böttcher (aus Hamburg) um ihre Einschätzung der Forderungen der Soka - Bau gebeten.

In der Regel wird der Betrieb von der SOKA-Bau angeschrieben, falls diese glaubt, dass eine Beitragspflicht besteht. Die SOKA-Bau bittet zunächst um Mitteilung, wie sich die betriebliche Gesamtarbeitszeit aufgliedert, denn entscheidend für die Beitragspflicht ist, inwieweit bauliche Tätigkeiten ausgeübt werden. Es ist anzuraten, sich bereits zu diesem Zeitpunkt anwaltlich beraten zu lassen, damit nicht eine falsche Meldung der betrieblichen Gesamtarbeitszeit zu einer Beitragspflicht bei der SOKA-Bau führt.

Wen betrifft es?

Betroffen sind alle Betriebe des Baugewerbes, wobei bauliche Tätigkeiten sehr weit gefasst werden. Entscheidend für die Beitragspflicht ist, ob zu mehr als 50% der betrieblichen Gesamtarbeitszeit bauliche Tätigkeiten ausgeübt werden.

Dem Tarifvertrag über das Sozialkassenverfahren im Baugewerbe (VTV) unterfallen demnach unter anderem Betriebe, die überwiegend bauliche Tätigkeiten ausüben. Hier ein Auszug aus der ausführlichen Liste: Aufstellen von Gerüsten und Bauaufzügen, Instandsetzung, Instandhaltung oder Änderung von Bauwerken; Feuerungs- und Ofenarbeiten, Fliesen-, Platten- und Mosaik-Ansetz- und Verlegearbeiten, Maurerarbeiten, Trocken- und Montagebauarbeiten, Verlegen von Bodenbelegen in Verbindung mit anderen baulichen Leistungen, Zimmerarbeiten und Holzbauarbeiten, die im Rahmen des Zimmerergewerbes ausgeführt werden.

Nicht erfasst werden z.B. Betriebe des Dachdeckerhandwerks, Gerüstbaugewerbe, der Glaser, Herd- und Ofensetzer, Maler- und Lackierer, Parkettleger, Schreiner sowie die Holz be- und verarbeitende Industrie, soweit nicht Fertigbau-, Dämm-(Isolier-), Trockenbau- und Montagearbeiten oder Zimmerarbeiten ausgeführt werden, Klempner, Gas- und Wasserinstallateure, Elektroinstallateure, Steinmetze wenn die vorgenannten Tätigkeiten mehr als 50% der betrieblichen Arbeitszeit ausmachen.

Achtung Ausnahmen: Allerdings ist eine Addition der auf die einzelnen Arbeiten entfallenden Arbeitszeiten nicht möglich. Der Betrieb ist nur dann nicht beitragspflichtig, wenn z.B. zu mehr als 50% der betrieblichen Gesamtarbeitszeit Parkettlegerarbeiten ausgeführt werden. Entfallen jedoch 30% der Arbeitszeit auf Malerarbeiten und 30% auf Parkettlegerarbeiten besteht für den Betrieb Beitragspflicht.

Weitere Ausnahmen sind hier nur schwierig darzustellen, das erfordert eine genaue Prüfung des einzelnen Betriebes.

Bestehen Erstattungsansprüche gegenüber der SOKA-Bau?

Bitte Bedenken Sie, dass Sie möglicherweise Erstattungsansprüche gegenüber der SOKA-Bau haben. Diese könnten sich etwa auf die Zahlung von Urlaubs- oder Lohnausgleichszahlungen beziehen.

Wie kann man Forderungen durch die SOKA-Bau vorbeugen?

Vorbeugung ist kaum möglich. Wenn vom Betrieb zu mehr als 50% der betrieblichen Gesamtarbeitszeit bauliche Tätigkeiten erbracht werden, besteht Beitragspflicht. Der kann man nur dann entkommen, wenn man seinen Betrieb hinsichtlich der erbrachten Tätigkeiten völlig umstellen kann, was kaum realisierbar ist. Ein Zimmerer oder Maurer erbringt nun einmal hauptsächlich Zimmerer- und Maurerarbeiten.

Ist der Tarifvertrag über das Sozialkassenverfahren im Baugewerbe verfassungswidrig?

Die Beitragspflicht zur SOKA-Bau ergibt sich allein aus dem Tarifvertrag VTV, der für allgemeinverbindlich erklärt wurde. Ein Gesetz, welches die Beitragspflicht regelt, liegt nicht vor. Indem die Allgemeinverbindlicherklärung des VTV als Rechtssetzungsakt eigener Art zwischen autonomer Regelung und staatlicher Rechtssetzung deklariert wird, umgeht sie das durch das Grundgesetz vorgeschriebene Gesetzgebungsverfahren. Hiergegen habe ich erhebliche verfassungsrechtliche Bedenken. Zwar hat das Bundesverfassungsgericht 1980 in der Allgemeinverbindlichkeitserklärung keinen Verfassungsverstoß gesehen, aber veränderte wirtschaftliche Bedingungen geben allen Anlass die Frage zu stellen, ob diese Praxis heute noch verfassungsgemäß ist.

Die Allgemeinverbindlicherklärung des VTV verstößt nach unserer Auffassung auch gegen die negative Koalitionsfreiheit. Diese schützt das Recht des Einzelnen, einer Koalition fernzubleiben. Die Nichtmitglieder werden zwar durch die Allgemeinverbindlicherklärung formal nicht Mitglied der Tarifvertragspartei. Mit der Übertragung der Beitragspflicht wird jedoch ein besonders schwerwiegender Ausschnitt aus dem Pflichtenkreis eines Mitglieds übertragen, so dass die Nichtmitglieder von der Sache her wie Mitglieder der Tarifvertragsparteien behandelt werden. Die Nichtmitglieder haben allerdings nicht die Möglichkeit, die ordnungsgemäße Wahrnehmung ihrer Interessen durch die gemeinsamen Einrichtungen zu kontrollieren.

Ebenso liegt auch ein ungerechtfertigter Eingriff in die positive Koalitionsfreiheit vor. Wenn die Nichtmitglieder verpflichtet sind, durch ihre Zahlungen die bereits bestehenden Koalitionen zu unterstützen, können sie diese Mittel nicht für die Gründung einer selbst gewählten Koalition verwenden. Darüber hinaus sehe ich in der - durch die Allgemeinverbindlicherklärung begründeten - Beitragspflicht zur Zusatzversorgungskasse einen unzulässigen Eingriff in das Recht der freien Berufsausübung. Das aufgrund der Tarifnormen hergestellte Verhältnis zwischen den Nichtmitgliedern und der SOKA-Bau ist Bestandteil der Berufsausübung der Nichtmitglieder. Die Lohnkosten eines SOKA-pflichtigen Arbeitgebers sind höher als die Lohnkosten eines nicht beitragspflichtigen Arbeitgebers, auch wenn eine teilweise Erstattung der Beiträge bei Urlaub erfolgt. Diese erhöhten Lohnkosten haben natürlich Auswirkungen auf die Berufsausübung, da die beitragspflichtigen Arbeitgeber ihre Preise entsprechend kalkulieren müssen. Die Berufsausübung kann jedoch gem. Art. 12 Abs. 1 S. 2 GG nur durch Gesetz oder aufgrund eines Gesetzes geregelt werden. Die Tarifvertragsnormen sind unbeschadet ihrer Qualifikation als Rechtsregeln jedenfalls kein Gesetz im förmlichen Sinn und auch keine Regelung aufgrund eines Gesetzes und deshalb nicht geeignet, das Grundrecht auf freie Berufsausübung einzuschränken.

Eine Allgemeinverbindlicherklärung soll nur dann erfolgen, wenn diese im öffentlichen Interesse geboten erscheint. Es ist kein Grund ersichtlich, weshalb gerade im Baugewerbe eine gemeinsame Einrichtung wie die SOKA-Bau im öffentlichen Interesse geboten sein soll, in anderen Wirtschaftszweigen jedoch nicht. Diese Ungleichbehandlung verschiedener Wirtschaftsbereiche verstößt nach unserer Auffassung gegen den Grundsatz der Gleichbehandlung.

Die Fragen beantworteten Hilke Böttcher, Rechtsanwältinnen in Hamburg.

Weitere Informationen


http://www.buhev.de/

Bei Anmerkungen und Kritik freut sich der BUH über email, Post oder FAX an die Geschäftsstelle.

BUH e.V.: Artilleriestr. 6, 27283 Verden,
Tel: 04231-9566679, Fax: 04231-9566681, mail: BUHev-Buro


Startseite | Nachrichten | Handwerkspolitik | Presse | Handwerksrecht | Archiv/Suche | Links | Kontakt/Impressum