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Prozessbericht über die Erteilung einer Ausnahmebewilligung nach § 8 HwO

Kein Piepser von der Handwerkskammer

Rechtsanwalt Walter Ratzke (Nabburg) beschreibt eine Gerichtsverhandlung, die er als typisch für Handwerksverfahren bezeichnen würde. Vorhang auf!

Vorspiel

Zwei Brüder, jeder hat eine eigene Firma und arbeitet bei Bedarf mit Hilfskräften in der "Altbausanierung" mit allen anfallenden Tätigkeiten. Deswegen gab es zwei Hausdurchsuchungen und für jeden einen Bußgeldbescheid.

Daraufhin habe ich beim Verwaltungsgericht Augsburg Klage erhoben und zum einen die Ausnahmegenehmigung nach § 8 HwO eingeklagt, aber auch die Feststellungsklage mit erhoben, wonach jeder der Beiden die von ihm ausgeübten Tätigkeiten, da Minderhandwerk, auch ohne Eintragung in die Handwerksrolle usw. ausüben kann.

Im Verlauf des Verfahrens nach § 8 HwO bei der Genehmigungsbehörde (Regierung, Handwerkskammer) legte jeder der Brüder zum Nachweis der "notwendigen Kenntnisse und Fertigkeiten" im Sinne des § 8 HwO von zwei Architekturbüros, die Luxusvillen am Starnberger See betreuen, Bescheinigungen vor, eine lautete:

"Er arbeitete selbständig... und führte hier... Abbrucharbeiten (Fenster im Bestand, Mauerwerk und Beton), Montage neuer industriell gefertigte Fenster, Lieferung und Montage bzw. Austausch von inneren und äußeren Fensterbänken bzw. Blechen..." und weitere 17 Angaben, die er "bei überwiegend anspruchsvollen Baumaßnahmen mit hohen Detailanforderungen - bautechnisch und hinsichtlich des Erscheinungsbilds einwandfrei, bei größter Zuverlässigkeit und Termintreue und zu praktisch reklamationsfreier Zufriedenheit der Auftraggeber" ausführte.

1. Akt

Dann die Verhandlung beim Verwaltungsgericht Augsburg. Die vorsitzende Richterin eröffnet die Verhandlung damit, dass die Verfahren praktisch keine Aussicht auf Erfolg hätten. Ich widerspreche.

Die vorsitzende Richterin: Sie haben mit den Belegen ja nicht einmal nachgewiesen, wann Sie diese Arbeiten ausgeführt haben wollen.

Ratzke: Wenn wir gewusst hätten, dass das Erbringen einer Leistung im Jahr 2002 nicht reicht, wohl aber eine solche, die im Jahre 2001 erbracht wurde, um den Nachweis nach § 8 HwO zu erbringen, dann hätten wir natürlich die Daten dazu geschrieben; der richterliche Hinweis dazu fehlte. Wie ist das denn mit der Meisterprüfung, eine die im Jahr 2001 gemacht wurde, ist gültig, eine aus dem Jahre 2002 nicht?

Andere Richterin: Wenn Sie legal arbeiten würden, gäbe es nicht so viel Schwarzarbeit.

Vorsitzende Richterin und Handwerkskammer: Die Bescheinigungen der beiden Architektenbüros sind zu unbestimmt, da weiß man ja gar nicht, was die ... gemacht haben.

Ratzke: Dann sagen Sie uns bitte, welche Konkretisierung Sie wünschen, dann lassen wir die Bestätigung mit dieser Konkretisierung ergänzen, aber welche Detailierung wollen Sie haben?

Vorsitzende Richterin und Handwerkskammer: Schweigen.

Vorsitzende Richterin: Und übrigens wissen wir gar nicht, ob die Kläger die Arbeiten selbst ausgeführt haben.

Ratzke: Das steht doch drauf auf den Bescheinigungen, im Übrigen könnten, falls das Gericht hier Zweifel hat, ja die Architekten als Zeugen gehört werden.

Vorsitzende Richterin unmittelbar an die Kläger gewandt: Die Rechtslage ist völlig klar, alle Obergerichte haben einheitlich bestätigt, dass derjenige, der ein Handwerk ausübt, den Meisterbrief haben muss, zumindest aber in die Handwerksrolle eingetragen sein muss.

2. Akt

Ratzke: Das stimmt nicht, für das Minderhandwerk ergibt sich das Gegenteil bereits aus dem Gesetz und im übrigen hat das Bundesverfassungsgericht mit Urteil vom 5.12.2005 die bisherige obergerichtliche Rechtsprechung aufgehoben.

Richterbank: Lange Gesichter. Als die vorsitzende Richterin merkt, dass jeder Versuch, eine Klagerücknahme anzuregen, bei mir scheitert, sagt sie: Ihr Mandant Nr. 1 bekommt die Ausnahmebewilligung.

Ratzke: Ich bin Hellseher, ich habe diesen Fall mit dem Mandanten besprochen, er stimmt zu.

Vorsitzende Richterin: Roter Kopf und diktiert in das Protokoll, dass Mandant Nr. 1 die Ausnahmebewilligung erhält, noch bevor die Handwerkskammer auch nur einen Piepser dazu getan hat.

Die Sache schien abgesprochen zu sein, Plan A Klagerücknahme, funktioniert das nicht Plan B, Bewilligung. Nachdem es im Protokoll steht, Frage an den Vertreter der Handwerkskammer: Wann kann die Ausnahmegenehmigung erteilt werden?

Handwerkskammer: Sofort.

Nun zum Mandant Nr. 2:

Vorsitzende Richterin: Bei dem sieht ja alles viel schlimmer aus, da haben wir überhaupt keine Chance, hier geht es nur noch über eine Fertigkeitsprüfung.

Mandant Nr. 2: Kommt nicht in Frage.

Vorsitzende Richterin: Warum?

Mandant Nr. 2: Ich habe keine Zeit, ich muss arbeiten, außerdem will ich nicht.

Die vorsitzende Richterin erklärt, dass das so nicht ginge, alles müsse rechtens sein.

Das gleiche Spiel, die vorsitzende Richterin merkt, dass sie weder Klagerücknahme noch eine Fertigkeitsprüfung durch bringt, also erklärt sie, auch er bekomme die Ausnahmebewilligung.

Ratzke antwortet: Wie vor, wir stimmen zu.

Wiederum kein Piepser von der Handwerkskammer, und schon steht es im Protokoll.

3. Akt

Um die Sache zu vereinfachen, schlägt die vorsitzende Richterin vor, dass die Mandanten auch gleich in die Handwerksrolle eingetragen werden sollten. Beide nicken, und schon stehts im Protokoll, beide brauchen nicht einmal mehr einen Antrag stellen, nichts vorlegen.

Nachspiel

Im Protokoll liest sich dies dann so: "Nach seinem Eindruck in der heutigen mündlichen Verhandlung auf Grund der Erklärungen und des Vorbringens der beiden Kläger über ihren beruflichen Werdegang und ihre seit 20 Jahren erbrachten Leistungen sei er (s.c.: Der Vertreter der Handwerkskammer) nun zu der Auffassung gekommen, dass auch bei dem Kläger (Nr. 2) eine Ausnahmebewilligung für das beantragte Handwerk erteilt werden könne"

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