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Urteile zu: Meisterzwang, Betriebsuntersagungen (§ 16 HwO), Hausdurchsuchungen, Betretungsrecht der HwK nach § 17 HwO, Rechtsmittelverzicht

VG Koblenz 5 K 614/20.KO xxxxxxxxxxxxxxxxxxxxx


Verwaltungsgericht Koblenz

5 K 614/20.KO VERWALTUNGSGERICHT KOBLENZ

Die Entscheidung ist rechtskräftig!

URTEIL IM NAMEN DES VOLKES

In dem Verwaltungsrechtsstreit

*** ***** ****** ******, ************** *, ***** ***************, - Kläger -

Prozessbevollmächtigte: Rechtsanwälte Baiker & Richter, Kaiserswerther Straße 263, 40474 Düsseldorf,

gegen

die Verbandsgemeinde ***, vertreten durch den Bürgermeister, ***,

  - Beklagte -

wegen Gewerberechts hier: Erteilung einer Reisegewerbekarte


hat die 5. Kammer des Verwaltungsgerichts Koblenz aufgrund der Beratung vom 26. Januar 2021, an der teilgenommen haben Präsident des Verwaltungsgerichts

    Dr. Geis Richter am Verwaltungsgericht

Dr. Klein Richter

Dr. Kuhn ehrenamtlicher Richter

Dipl.-Ing. Rollepatz ehrenamtliche Richterin

Büroangestellte Sartor


für Recht erkannt:

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Die Beklagte wird unter Aufhebung des Bescheids vom 12. März 2020 und teilweiser Aufhebung des Widerspruchsbescheids des Kreisrechts-ausschusses des Landkreises Altenkirchen vom 23. Juni 2020 dazu ver-pflichtet, dem Kläger eine Reisegewerbekarte auch für das Anbieten von Leistungen und das Aufsuchen von Bestellungen auf Leistung für Mau-rer-, Klempner-, Trockenbau- und Fassadenarbeiten zu erteilen. Die Kosten des Verfahrens trägt die Beklagte. Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar. Der Beklagten wird nachgelassen, die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hin-terlegung in Höhe von 110 % der festzusetzenden Kosten abzuwenden, wenn nicht der Kläger vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des jeweils beizutreibenden Betrages leistet.

Tatbestand



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Der Kläger, der über einen Gesellenbrief im Dachdeckerhandwerk verfügt, begehrt die Erteilung einer Reisegewerbekarte für verschiedene Handwerksbereiche. Bereits mit – in der Folge nicht beschiedenem – Antrag vom 31. Januar 2019 bean-tragte er gegenüber der beklagten Verbandsgemeinde die Erteilung einer Reisege-werbekarte. Nachdem die Beklagte ihn auf fehlende Unterlagen und Angaben hin-gewiesen hatte, ohne die eine abschließende Bearbeitung des Antrags nicht mög-lich sei, stellte der Kläger am 7. Mai 2019 unter Vorlage weiterer Unterlagen einen neuen Antrag auf Erteilung einer Reisegewerbekarte. Er begehrte insoweit (sinnge-mäß) folgende Eintragungen:

1. Feilbieten/Ankauf folgender Waren und Aufsuchen von Bestellungen für folgende Waren: Bau- und Dämmstoffe natürlicher und künstlicher sowie organischer und anorganischer Art;

2. Anbieten folgender Leistungen und Aufsuchen von Bestellungen für fol-gende Leistungen: Dachdecker- und Zimmererarbeiten, Klempnerarbeiten, Maurerarbei-ten, Fassadenarbeiten, Flachdacharbeiten, Bauwerksabdichtungsarbei-ten, Trockenbauarbeiten, Schornsteinverkleidungen, Dachfensterein-bau.

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Unter dem 11. Juli 2019 erklärte der Kläger ergänzend zu seinem Antrag, es sei beabsichtigt, die Aufträge durch Vorsprechen beim Kunden zu akquirieren. Der Ein-satz von Werbemitteln sei nicht vorgesehen.

Die Beklagte beabsichtigte grundsätzlich, dem Kläger eine Reisegewerbekarte mit den begehrten Eintragungen auszustellen. Da es jedoch im Reisegewerbe lediglich einen schmalen Bereich gebe, in dem ein Handwerk ohne den großen Befähigungs-nachweis im Sinne der Handwerksordnung ausgeführt werden dürfe, seien die oben unter 2. aufgeführten Tätigkeiten jeweils auf „Reparaturen und kleinere Handrei-chungen“ zu beschränken. Der Kläger zeigte sich hiermit nicht einverstanden und verweigerte die Entgegennahme einer Reisegewerbekarte mit den vorstehenden Einschränkungen.

Daraufhin lehnte die Beklagte mit Bescheid vom 12. März 2020 die Erteilung einer Reisegewerbekarte gänzlich ab, da der Kläger unzuverlässig sei. Aufgrund der Viel-zahl der von ihm beantragten handwerklichen Tätigkeiten könne er nicht die Gewähr dafür bieten, dass er sämtliche Tätigkeiten „mit entsprechender Gewährleistung“ ausüben werde.

Auf den Widerspruch des Klägers vom 9. April 2020 verpflichtete der Kreisrechts-ausschuss des Landkreises Altenkirchen die Beklagte unter teilweiser Aufhebung des Bescheids vom 12. März 2020 mit Widerspruchsbescheid vom 23. Juni 2020 dazu, dem Kläger eine Reisegewerbekarte für Dachdecker- und Zimmereiarbeiten, Flachdacharbeiten, Bauwerksabdichtungen, Schornsteinverkleidungen und zum Dachfenstereinbau zu erteilen. Im Übrigen wies er den Widerspruch zurück. Hin-sichtlich der vorgenannten Tätigkeiten sei durch seinen Gesellenbrief im Dachde-ckerhandwerk sichergestellt, dass der Kläger diese handwerklichen Tätigkeiten ord-nungsgemäß ausführen werde. Bei den darüber hinaus beabsichtigten Klempner-, Maurer-, Fassaden- und Trockenbauarbeiten fehle es jedoch an einem Zusammen-hang mit dem vom Kläger eigentlich ausgeübten Dachdeckerhandwerk. Diesbezüg-lich könne der Kläger keine Gewähr dafür bieten, dass er seine Arbeiten ordnungs-gemäß ausüben werde, weshalb die Reisegewerbekarte zum Schutz der Verbrau-cher insoweit nicht zu erteilen sei.

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Mit seiner am 15. Juli 2020 eingegangenen Klage begehrt der Kläger die Erteilung einer Reisegewerbekarte auch hinsichtlich der weiteren von ihm beabsichtigten Ar-beitsleistungen. Der Versagungsgrund der Unzuverlässigkeit liege bei ihm nicht vor. Soweit der Kreisrechtsausschuss das Erfordernis eines Gesellenbriefes im Reise-gewerbe einführe, sei dies nicht mit dem Grundrecht der Berufsfreiheit vereinbar; er lasse insoweit außer Acht, dass Sachkunde und Zuverlässigkeit voneinander unab-hängige Merkmale seien. Eine Prüfung der fachlichen Qualifikation sei für eine handwerkliche Tätigkeit im Reisegewerbe nicht vorgesehen; ein Befähigungsnach-weis müsse nach der Entscheidung des Gesetzgebers gerade nicht erbracht wer-den. Ungeachtet dessen könne von seiner fehlenden Sachkunde für die Ausführung von Klempner-, Maurer-, Fassaden- und Trockenbauarbeiten nicht ausgegangen werden, da er seit nunmehr fast 20 Jahren beruflich im Bauhandwerk tätig sei.

Der Kläger beantragt sachdienlich,

die Beklagte unter Aufhebung des Bescheids der Beklagten vom 12. März 2020 und teilweiser Aufhebung des Widerspruchsbescheids des Kreis-rechtsausschusses des Landkreises Altenkirchen vom 23. Juni 2020 zu verpflichten, ihm eine Reisegewerbekarte auch für das Anbieten von Leis-tungen und das Aufsuchen von Bestellungen auf Leistung für Maurer-, Klempner-, Trockenbau- und Fassadenarbeiten zu erteilen.

Die Beklagte teilt mit, keine weitere Stellungnahme abgeben zu wollen. Sie folge der Entscheidung des Kreisrechtsausschusses. Aufgrund der Vielzahl der beantrag-ten Arbeiten, die im stehenden Gewerbe ein zulassungspflichtiges Handwerk dar-stellten und für die kein Befähigungsnachweis vorgelegt worden sei, könne sie keine positive Zuverlässigkeitsprognose abgeben. Die Beteiligten haben ihr Einverständnis mit einer Entscheidung des Gerichts ohne mündliche Verhandlung erklärt. Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die von den Beteiligten zur Gerichtsakte gereichten Schriftsätze nebst Anlagen sowie den Ver-waltungsvorgang der Beklagten und den Widerspruchsvorgang des Kreisrechtsaus-schusses des Landkreises Altenkirchen (zwei Akten) verwiesen. Sämtliche Unterla-gen sind Gegenstand der Beratung gewesen.

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Entscheidungsgründe Die Klage, über welche die Kammer mit Einverständnis der Beteiligten ohne münd-liche Verhandlung entscheidet (§ 101 Abs. 2 Verwaltungsgerichtsordnung – VwGO –), hat Erfolg. Sie ist zulässig und begründet. Der Kläger hat einen An-spruch auf Erteilung einer Reisegewerbekarte in dem von ihm mit seiner Klage be-antragten Umfang. Soweit der Bescheid der Beklagten vom 12. März 2020 und der Widerspruchsbescheid des Kreisrechtsausschusses der Landkreises Altenkirchen vom 23. Juni 2020 die Erteilung einer Reisegewerbekarte ablehnen, sind sie rechts-widrig und verletzen den Kläger in seinen Rechten (§ 113 Abs. 5 Satz 1 VwGO). Ausgangspunkt der rechtlichen Betrachtung ist § 55 Abs. 1 Nr. 1 Gewerbeordnung – GewO –. Danach betreibt ein Reisegewerbe, wer gewerbsmäßig ohne vorherge-hende Bestellung außerhalb seiner gewerblichen Niederlassung oder ohne eine sol-che zu haben Waren feilbietet oder Bestellungen aufsucht (vertreibt) oder ankauft, Leistungen anbietet oder Bestellungen auf Leistungen aufsucht. Wer ein Reisege-werbe betreiben will, bedarf nach § 55 Abs. 2 GewO der Erlaubnis (Reisegewerbe-karte), soweit es sich nicht um eine reisegewerbekartenfreie Tätigkeit im Sinne von §§ 55a und 55b GewO handelt. Ist Letzteres – wie bei den vom Kläger beabsichtig-ten reisegewerblichen Tätigkeiten – nicht der Fall, regelt § 57 GewO die Vorausset-zungen zur Erteilung einer Reisegewerbekarte. Nach § 57 Abs. 1 GewO ist die Rei-segewerbekarte zu versagen, wenn Tatsachen die Annahme rechtfertigen, dass der Antragsteller die für die beabsichtigte Tätigkeit erforderliche Zuverlässigkeit nicht besitzt. Dies ist hier nicht der Fall. Bei dem Tatbestandsmerkmal der Unzuverlässigkeit im Sinne von § 57 Abs. 1 GewO handelt es sich um einen unbestimmten Rechtsbegriff, der gerichtlich voll überprüfbar ist (vgl. nur Rossi, in: BeckOK GewO, 52. Ed. 1. September 2020, § 57 Rn. 1; Schönleiter, in: Landmann/Rohmer, GewO, 84. EL Februar 2020, § 57 Rn. 7). Als unzuverlässig im gewerberechtlichen Sinne gilt im Allgemeinen, wer nach dem Gesamteindruck seines Verhaltens nicht die Gewähr dafür bietet, dass er sein Gewerbe künftig ordnungsgemäß betreiben wird (stRspr, vgl. nur BVerwG, Urteil vom 2. Februar 1982 – 1 C 146.80 –, BVerwGE 65, 1 [1 f.]). Zu beachten ist jedoch, dass im Reisegewerbe lediglich die persönliche Zuverlässigkeit überwacht - 6 - - 7 - wird (BVerfG, Kammerbeschluss vom 27. September 2000 – 1 BvR 2176/98 –, ju-ris, Rn. 30; vgl. auch BVerwG, Beschluss vom 1. April 2004 – 6 B 5.04 –, juris, Rn. 8; VGH BW, Urteil vom 29. April 1997 – 14 S 1280/96 –, juris, Rn. 35; Korte, in: Friauf, GewO, 237. EL Oktober 2009, Vorbem. vor Titel III Rn. 117; Ambs, in: Friauf, GewO, 288. EL November 2015, § 145 Rn. 11; Rossi, in: BeckOK GewO, 52. Ed. 1. September 2020, § 55 Rn. 27; Burgi, GewArch Beilage WiVerw 2018, 181 [228]; Bulla, GewArch Beilage WiVerw 2019, 182 [190]). Insofern unterscheidet sich das Reisegewerbe maßgeblich von dem Betrieb eines zulassungspflichtigen Hand-werks als stehendes Gewerbe (§ 1 Abs. 1 Satz 1 Handwerksordnung – HwO –). Während bei Letzterem durch das grundsätzliche Erfordernis einer bestandenen Meisterprüfung (§ 7 Abs. 1a HwO) neben der persönlichen auch die fachliche Zu-verlässigkeit des Betriebsinhabers garantiert wird, fehlt es im Reisegewerberecht, auf das die Vorschriften über das stehende Gewerbe keine Anwendung finden, nach der Konzeption des Gesetzgebers an einer solchen Garantie. Soweit die Beklagte im Anschluss an den Kreisrechtsausschuss des Landkreises Altenkirchen den Standpunkt vertritt, der Kläger müsse für das auszuübende Rei-segewerbe (mindestens) über einen Gesellenbrief verfügen, da er anderenfalls nicht die Gewähr für das ordnungsgemäße Ausüben der beabsichtigten Arbeiten biete, nimmt sie der Sache nach über das Kriterium der Zuverlässigkeit eine Vorab-Bewertung der fachlichen Zuverlässigkeit vor. Dies findet jedoch – wie ausgeführt – im Gesetz keine Stütze. Auch das Argument, der Verbraucherschutz gebiete eine solche Betrachtung, verfängt nicht. Der Gesetzgeber hat dem Schutz der Verbrau-cher grundsätzlich schon insoweit Rechnung getragen, als er einzelne besonders gefahrgeneigte Tätigkeiten im Reisegewerbe verboten hat (vgl. § 56 Abs. 1 GewO, aber etwa auch § 2 Abs. 1 Satz 2 Schornsteinfeger-Handwerksgesetz); ferner kann die Reisegewerbekarte zum Schutze der Allgemeinheit oder der Verbraucher inhalt-lich beschränkt, mit einer Befristung erteilt und mit Auflagen verbunden werden (§ 55 Abs. 3 Halbs. 1 GewO). Für eine weitergehende Prüfung der fachlichen Qua-lifikation eines Antragstellers bleibt danach grundsätzlich kein Raum. Auch wenn die damit einhergehende rechtliche Privilegierung des Reisegewerbes rechtspoli-tisch nicht ohne Weiteres nachvollziehbar sein mag (kritisch etwa Hüpers, GewArch 2004, 230 [233]; Bulla, GewArch Beilage WiVerw 2019, 182 [193 ff.] m.w.N.), steht einer einschränkenden Auslegung der §§ 55 ff. GewO, wie sie sowohl von der Be--

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klagten als auch vom Kreisrechtsausschuss vorgenommen worden ist, der Grund-satz des Vorbehalts des Gesetzes entgegen. Die vom Gesetzgeber getroffene Ein-schätzung kann von den Gerichten mangels gesetzlicher Grundlage nicht korrigiert werden (vgl. BVerfG, Kammerbeschluss vom 27. September 2000 – 1 BvR 2176/98 –, juris, Rn. 30 a.E.). Unter Zugrundelegung dieser Maßstäbe kann von einer (persönlichen) Unzuverläs-sigkeit des Klägers nicht ausgegangen werden. Dies gilt selbst dann, wenn man insoweit wegen der besonderen Gefahren des Reisegewerbes für die Allgemeinheit einen (noch) strengeren Maßstab als bei § 35 Abs. 1 Satz 1 GewO anlegt (in diesem Sinne VG Neustadt an der Weinstraße, Beschluss vom 18. April 2012 – 4 L 282/12.NW –, juris, Rn. 13; VG Gelsenkirchen, Urteil vom 20. November 2013 – 7 K 4435/12 –, juris, Rn. 34; tendenziell noch anders BVerwG, Beschluss vom 27. November 1992 – 1 B 204.92 –, juris, Rn. 3). Denn die von dem Kläger im Ver-waltungsverfahren vorgelegten Unterlagen lassen keine Zweifel an dessen persön-licher Zuverlässigkeit zu. Namentlich wird dem Kläger bescheinigt, seinen steuerli-chen Erklärungspflichten in den letzten 24 Monaten immer pünktlich nachgekom-men zu sein, die festgesetzten und fälligen Steuern innerhalb der letzten 12 Monate immer pünktlich entrichtet zu haben (Bescheinigung des Finanzamts A*** vom 21. Januar 2019 und Unbedenklichkeitsbescheinigung der Verbandsgemeinde-kasse der Beklagten), sich nicht in einem Insolvenzverfahren zu befinden oder be-funden zu haben (Bescheinigung des Amtsgerichts B*** vom 17. Januar 2019) so-wie über keine Eintragungen im Schuldnerverzeichnis der Länder (Abfrage vom 30. Januar 2019), im Führungszeugnis (Mitteilungen des Bundesamtes für Justiz vom 9. Januar 2019 und 12. April 2019) und im Gewerbezentralregister (Auskunft des Bundesamtes für Justiz vom 1. April 2019) zu verfügen. Damit korrespondie-rend werden auch von der Beklagten Zweifel an der persönlichen Zuverlässigkeit des Klägers nicht geltend gemacht. Soweit die Beklagte allein auf die fehlende Sachkunde des Klägers verweist und daraus eine Unzuverlässigkeit des Klägers im Sinne von § 57 Abs. 1 GewO herzu-leiten versucht, verfängt dies nicht. In diesem Zusammenhang kann offenbleiben, ob in Fällen, in denen die fehlende fachliche Qualifikation eines Antragstellers of-fenkundig und für jedermann ersichtlich ist, ausnahmsweise – trotz in der Vergangenheit nicht vorliegender Verfehlungen – Rückschlüsse dahingehend zulässig

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sind, dass ein ordnungsgemäßes Verhalten in Zukunft ausgeschlossen ist (vgl. aus-führlich und m.w.N. Marcks, in: Landmann/Rohmer, GewO, 84. EL Februar 2020, § 35 Rn. 60; vgl. ferner für das vielfach bemühte Beispiel eines Schwimmlehrers, der nicht schwimmen kann: Eifert, JuS 2004, 565 [569] m.w.N.). Ein solcher Fall liegt hier erkennbar nicht vor. Der Kläger ist nach seinem unbestritten gebliebenen Vortrag seit nunmehr fast 20 Jahren beruflich im Bauhandwerk tätig und er verfügt über einen Gesellenbrief im Dachdeckerhandwerk. Die von ihm im Wege des Rei-segewerbes beabsichtigten Maurer-, Klempner-, Trockenbau- und Fassadenarbei-ten stehen aber zumindest – wie der Kläger in seiner Klagebegründung nachvoll-ziehbar dargelegt hat – in einem erweiterten Zusammenhang mit den im Dachde-ckerhandwerk anfallenden Tätigkeiten, sodass von einer gänzlichen Ungeeignetheit des Klägers zur Ausübung der von ihm beabsichtigten Tätigkeiten ersichtlich nicht ausgegangen werden kann. Ebenso wenig kann sich die Beklagte auf eine inhaltliche Beschränkung der Reise-gewerbekarte nach § 55 Abs. 3 GewO berufen. Nach dieser Vorschrift kann die Rei-segewerbekarte inhaltlich beschränkt werden, soweit dies zum Schutze der Allge-meinheit oder der Verbraucher erforderlich ist. Ungeachtet dessen, dass sich die Beklagte hier nicht auf eine inhaltliche Beschränkung, sondern ausdrücklich auf den Unzuverlässigkeitstatbestand des § 57 Abs. 1 GewO beruft, liegen die Voraussetzungen für eine inhaltliche Beschränkung schon wegen des bestehenden erweiter-ten Zusammenhangs der begehrten mit den im Dachdeckerhandwerk anfallenden Tätigkeiten nicht vor. Im Übrigen soll mit einer Beschränkung sichergestellt werden, dass die Voraussetzungen der Reisegewerbeerlaubnis erfüllt werden (vgl. Schön-leiter, in: Landmann/Rohmer, GewO, 84. EL Februar 2020, § 55 Rn. 112). Alleinige Voraussetzung der Reisegewerbeerlaubnis ist indes – wie dargelegt – die persönli-che Zuverlässigkeit des Antragstellers, an der hier keine Zweifel bestehen. Liegt nach alledem ein Versagungsgrund im Sinne von § 57 Abs. 1 GewO nicht vor, ist dem Kläger die Reisegewerbekarte in dem von ihm beantragten Umfang zu er-teilen. Ein Ermessen der Behörde besteht insoweit nicht (vgl. nur Rossi, in: BeckOK GewO, 52. Ed. 1. September 2020, § 55 Rn. 1). Zur Vermeidung weiterer Rechtsstreitigkeiten weist die Kammer abschließend da-rauf hin, dass sich die mit dem vorliegenden Urteil ausgesprochene Verpflichtung - 9 - - 10 - der Beklagten, dem Kläger eine Reisegewerbekarte zu erteilen, eingedenk des ge-stellten Klageantrags auf die mit Ziffer 2. des Antrags auf Erteilung einer Reisege-werbekarte vom 7. Mai 2019 beabsichtigten Leistungen beschränkt (§ 88 VwGO). Die durch die Beklagte zu erteilende Reisegewerbekarte wird indes auch die unter Ziffer 1. des Antrags vom 7. Mai 2019 bezeichneten Eintragungen zu berücksichti-gen haben, soweit der Kläger diese weiterhin begehrt. Insoweit vermag die Kammer keine Anhaltspunkte zu erkennen, welche diesen Eintragungen entgegenstehen könnten. Dies dürfte im Übrigen auch der Sichtweise der Beklagten entsprechen, da sie ursprünglich beabsichtigt hatte, bezüglich Ziffer 1. eine uneingeschränkte Reisegewerbekarte zu erteilen. Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO. Der Ausspruch zur vorläufigen Vollstreckbarkeit des Urteils wegen der Kosten be-ruht auf § 167 VwGO i.V.m. § 708 Nr. 11, § 711 Zivilprozessordnung. Gründe, die Berufung zuzulassen (§§ 124, 124a VwGO), liegen nicht vor.

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Rechtsmittelbelehrung Die Beteiligten können innerhalb eines Monats nach Zustellung des Urteils die Zulassung der Berufung durch das Oberverwaltungsgericht Rheinland-Pfalz be-antragen. Dabei müssen sie sich durch einen Rechtsanwalt oder eine sonstige nach Maßgabe des § 67 VwGO vertretungsbefugte Person oder Organisation ver-treten lassen. Der Antrag ist bei dem Verwaltungsgericht Koblenz, Deinhardpassage 1, 56068 Koblenz, schriftlich oder nach Maßgabe des § 55a VwGO als elektronisches Doku-ment zu stellen. Er muss das angefochtene Urteil bezeichnen. Innerhalb von zwei Monaten nach Zustellung des Urteils sind die Gründe darzule-gen, aus denen die Berufung zuzulassen ist. Die Begründung ist, soweit sie nicht bereits mit dem Antrag vorgelegt worden ist, bei dem Oberverwaltungsgericht Rheinland-Pfalz, Deinhardpassage 1, 56068 Koblenz, schriftlich oder nach Maß-gabe des § 55a VwGO als elektronisches Dokument einzureichen. Die Berufung kann nur zugelassen werden, wenn 1. ernstliche Zweifel an der Richtigkeit des Urteils bestehen, 2. die Rechtssache besondere tatsächliche oder rechtliche Schwierigkeiten auf-weist, 3. die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat, 4. das Urteil von einer Entscheidung des Oberverwaltungsgerichts, des Bun-desverwaltungsgerichts, des gemeinsamen Senats der obersten Gerichts-höfe des Bundes oder des Bundesverfassungsgerichts abweicht und auf die-ser Abweichung beruht oder 5. ein der Beurteilung des Berufungsgerichts unterliegender Verfahrensmangel geltend gemacht wird und vorliegt, auf dem die Entscheidung beruhen kann. gez. Dr. Geis gez. Dr. Klein gez. Dr. Kuhn 5 K 614/20.KO VERWALTUNGSGERICHT KOBLENZ URTEIL IM NAMEN DES VOLKES In dem Verwaltungsrechtsstreit *** ***** ****** ******, ************** *, ***** ***************, - Kläger - Prozessbevollmächtigte: Rechtsanwälte Baiker & Richter, Kaiserswerther Straße 263, 40474 Düsseldorf, gegen die Verbandsgemeinde ***, vertreten durch den Bürgermeister, ***, - Beklagte - wegen Gewerberechts hier: Erteilung einer Reisegewerbekarte hat die 5. Kammer des Verwaltungsgerichts Koblenz aufgrund der Beratung vom 26. Januar 2021, an der teilgenommen haben Präsident des Verwaltungsgerichts Dr. Geis Richter am Verwaltungsgericht Dr. Klein Richter Dr. Kuhn ehrenamtlicher Richter Dipl.-Ing. Rollepatz ehrenamtliche Richterin Büroangestellte Sartor für Recht erkannt: Die Entscheidung ist rechtskräftig! - 2 - - 3 - Die Beklagte wird unter Aufhebung des Bescheids vom 12. März 2020 und teilweiser Aufhebung des Widerspruchsbescheids des Kreisrechts-ausschusses des Landkreises Altenkirchen vom 23. Juni 2020 dazu ver-pflichtet, dem Kläger eine Reisegewerbekarte auch für das Anbieten von Leistungen und das Aufsuchen von Bestellungen auf Leistung für Mau-rer-, Klempner-, Trockenbau- und Fassadenarbeiten zu erteilen. Die Kosten des Verfahrens trägt die Beklagte. Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar. Der Beklagten wird nachgelassen, die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hin-terlegung in Höhe von 110 % der festzusetzenden Kosten abzuwenden, wenn nicht der Kläger vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des jeweils beizutreibenden Betrages leistet. Tatbestand Der Kläger, der über einen Gesellenbrief im Dachdeckerhandwerk verfügt, begehrt die Erteilung einer Reisegewerbekarte für verschiedene Handwerksbereiche. Bereits mit – in der Folge nicht beschiedenem – Antrag vom 31. Januar 2019 bean-tragte er gegenüber der beklagten Verbandsgemeinde die Erteilung einer Reisege-werbekarte. Nachdem die Beklagte ihn auf fehlende Unterlagen und Angaben hin-gewiesen hatte, ohne die eine abschließende Bearbeitung des Antrags nicht mög-lich sei, stellte der Kläger am 7. Mai 2019 unter Vorlage weiterer Unterlagen einen neuen Antrag auf Erteilung einer Reisegewerbekarte. Er begehrte insoweit (sinnge-mäß) folgende Eintragungen: 1. Feilbieten/Ankauf folgender Waren und Aufsuchen von Bestellungen für folgende Waren: Bau- und Dämmstoffe natürlicher und künstlicher sowie organischer und anorganischer Art; 2. Anbieten folgender Leistungen und Aufsuchen von Bestellungen für fol-gende Leistungen: Dachdecker- und Zimmererarbeiten, Klempnerarbeiten, Maurerarbei-ten, Fassadenarbeiten, Flachdacharbeiten, Bauwerksabdichtungsarbei-ten, Trockenbauarbeiten, Schornsteinverkleidungen, Dachfensterein-bau. - 3 - - 4 - Unter dem 11. Juli 2019 erklärte der Kläger ergänzend zu seinem Antrag, es sei beabsichtigt, die Aufträge durch Vorsprechen beim Kunden zu akquirieren. Der Ein-satz von Werbemitteln sei nicht vorgesehen. Die Beklagte beabsichtigte grundsätzlich, dem Kläger eine Reisegewerbekarte mit den begehrten Eintragungen auszustellen. Da es jedoch im Reisegewerbe lediglich einen schmalen Bereich gebe, in dem ein Handwerk ohne den großen Befähigungs-nachweis im Sinne der Handwerksordnung ausgeführt werden dürfe, seien die oben unter 2. aufgeführten Tätigkeiten jeweils auf „Reparaturen und kleinere Handrei-chungen“ zu beschränken. Der Kläger zeigte sich hiermit nicht einverstanden und verweigerte die Entgegennahme einer Reisegewerbekarte mit den vorstehenden Einschränkungen. Daraufhin lehnte die Beklagte mit Bescheid vom 12. März 2020 die Erteilung einer Reisegewerbekarte gänzlich ab, da der Kläger unzuverlässig sei. Aufgrund der Viel-zahl der von ihm beantragten handwerklichen Tätigkeiten könne er nicht die Gewähr dafür bieten, dass er sämtliche Tätigkeiten „mit entsprechender Gewährleistung“ ausüben werde. Auf den Widerspruch des Klägers vom 9. April 2020 verpflichtete der Kreisrechts-ausschuss des Landkreises Altenkirchen die Beklagte unter teilweiser Aufhebung des Bescheids vom 12. März 2020 mit Widerspruchsbescheid vom 23. Juni 2020 dazu, dem Kläger eine Reisegewerbekarte für Dachdecker- und Zimmereiarbeiten, Flachdacharbeiten, Bauwerksabdichtungen, Schornsteinverkleidungen und zum Dachfenstereinbau zu erteilen. Im Übrigen wies er den Widerspruch zurück. Hin-sichtlich der vorgenannten Tätigkeiten sei durch seinen Gesellenbrief im Dachde-ckerhandwerk sichergestellt, dass der Kläger diese handwerklichen Tätigkeiten ord-nungsgemäß ausführen werde. Bei den darüber hinaus beabsichtigten Klempner-, Maurer-, Fassaden- und Trockenbauarbeiten fehle es jedoch an einem Zusammen-hang mit dem vom Kläger eigentlich ausgeübten Dachdeckerhandwerk. Diesbezüg-lich könne der Kläger keine Gewähr dafür bieten, dass er seine Arbeiten ordnungs-gemäß ausüben werde, weshalb die Reisegewerbekarte zum Schutz der Verbrau-cher insoweit nicht zu erteilen sei.

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Mit seiner am 15. Juli 2020 eingegangenen Klage begehrt der Kläger die Erteilung einer Reisegewerbekarte auch hinsichtlich der weiteren von ihm beabsichtigten Ar-beitsleistungen. Der Versagungsgrund der Unzuverlässigkeit liege bei ihm nicht vor. Soweit der Kreisrechtsausschuss das Erfordernis eines Gesellenbriefes im Reise-gewerbe einführe, sei dies nicht mit dem Grundrecht der Berufsfreiheit vereinbar; er lasse insoweit außer Acht, dass Sachkunde und Zuverlässigkeit voneinander unab-hängige Merkmale seien. Eine Prüfung der fachlichen Qualifikation sei für eine handwerkliche Tätigkeit im Reisegewerbe nicht vorgesehen; ein Befähigungsnach-weis müsse nach der Entscheidung des Gesetzgebers gerade nicht erbracht wer-den. Ungeachtet dessen könne von seiner fehlenden Sachkunde für die Ausführung von Klempner-, Maurer-, Fassaden- und Trockenbauarbeiten nicht ausgegangen werden, da er seit nunmehr fast 20 Jahren beruflich im Bauhandwerk tätig sei. Der Kläger beantragt sachdienlich, die Beklagte unter Aufhebung des Bescheids der Beklagten vom 12. März 2020 und teilweiser Aufhebung des Widerspruchsbescheids des Kreis-rechtsausschusses des Landkreises Altenkirchen vom 23. Juni 2020 zu verpflichten, ihm eine Reisegewerbekarte auch für das Anbieten von Leis-tungen und das Aufsuchen von Bestellungen auf Leistung für Maurer-, Klempner-, Trockenbau- und Fassadenarbeiten zu erteilen. Die Beklagte teilt mit, keine weitere Stellungnahme abgeben zu wollen. Sie folge der Entscheidung des Kreisrechtsausschusses. Aufgrund der Vielzahl der beantrag-ten Arbeiten, die im stehenden Gewerbe ein zulassungspflichtiges Handwerk dar-stellten und für die kein Befähigungsnachweis vorgelegt worden sei, könne sie keine positive Zuverlässigkeitsprognose abgeben. Die Beteiligten haben ihr Einverständnis mit einer Entscheidung des Gerichts ohne mündliche Verhandlung erklärt. Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die von den Beteiligten zur Gerichtsakte gereichten Schriftsätze nebst Anlagen sowie den Ver-waltungsvorgang der Beklagten und den Widerspruchsvorgang des Kreisrechtsaus-schusses des Landkreises Altenkirchen (zwei Akten) verwiesen. Sämtliche Unterla-gen sind Gegenstand der Beratung gewesen. - 5 - - 6 - Entscheidungsgründe Die Klage, über welche die Kammer mit Einverständnis der Beteiligten ohne münd-liche Verhandlung entscheidet (§ 101 Abs. 2 Verwaltungsgerichtsordnung – VwGO –), hat Erfolg. Sie ist zulässig und begründet. Der Kläger hat einen An-spruch auf Erteilung einer Reisegewerbekarte in dem von ihm mit seiner Klage be-antragten Umfang. Soweit der Bescheid der Beklagten vom 12. März 2020 und der Widerspruchsbescheid des Kreisrechtsausschusses der Landkreises Altenkirchen vom 23. Juni 2020 die Erteilung einer Reisegewerbekarte ablehnen, sind sie rechts-widrig und verletzen den Kläger in seinen Rechten (§ 113 Abs. 5 Satz 1 VwGO). Ausgangspunkt der rechtlichen Betrachtung ist § 55 Abs. 1 Nr. 1 Gewerbeordnung – GewO –. Danach betreibt ein Reisegewerbe, wer gewerbsmäßig ohne vorherge-hende Bestellung außerhalb seiner gewerblichen Niederlassung oder ohne eine sol-che zu haben Waren feilbietet oder Bestellungen aufsucht (vertreibt) oder ankauft, Leistungen anbietet oder Bestellungen auf Leistungen aufsucht. Wer ein Reisege-werbe betreiben will, bedarf nach § 55 Abs. 2 GewO der Erlaubnis (Reisegewerbe-karte), soweit es sich nicht um eine reisegewerbekartenfreie Tätigkeit im Sinne von §§ 55a und 55b GewO handelt. Ist Letzteres – wie bei den vom Kläger beabsichtig-ten reisegewerblichen Tätigkeiten – nicht der Fall, regelt § 57 GewO die Vorausset-zungen zur Erteilung einer Reisegewerbekarte. Nach § 57 Abs. 1 GewO ist die Rei-segewerbekarte zu versagen, wenn Tatsachen die Annahme rechtfertigen, dass der Antragsteller die für die beabsichtigte Tätigkeit erforderliche Zuverlässigkeit nicht besitzt. Dies ist hier nicht der Fall. Bei dem Tatbestandsmerkmal der Unzuverlässigkeit im Sinne von § 57 Abs. 1 GewO handelt es sich um einen unbestimmten Rechtsbegriff, der gerichtlich voll überprüfbar ist (vgl. nur Rossi, in: BeckOK GewO, 52. Ed. 1. September 2020, § 57 Rn. 1; Schönleiter, in: Landmann/Rohmer, GewO, 84. EL Februar 2020, § 57 Rn. 7). Als unzuverlässig im gewerberechtlichen Sinne gilt im Allgemeinen, wer nach dem Gesamteindruck seines Verhaltens nicht die Gewähr dafür bietet, dass er sein Gewerbe künftig ordnungsgemäß betreiben wird (stRspr, vgl. nur BVerwG, Urteil vom 2. Februar 1982 – 1 C 146.80 –, BVerwGE 65, 1 [1 f.]). Zu beachten ist jedoch, dass im Reisegewerbe lediglich die persönliche Zuverlässigkeit überwacht - 6 - - 7 - wird (BVerfG, Kammerbeschluss vom 27. September 2000 – 1 BvR 2176/98 –, ju-ris, Rn. 30; vgl. auch BVerwG, Beschluss vom 1. April 2004 – 6 B 5.04 –, juris, Rn. 8; VGH BW, Urteil vom 29. April 1997 – 14 S 1280/96 –, juris, Rn. 35; Korte, in: Friauf, GewO, 237. EL Oktober 2009, Vorbem. vor Titel III Rn. 117; Ambs, in: Friauf, GewO, 288. EL November 2015, § 145 Rn. 11; Rossi, in: BeckOK GewO, 52. Ed. 1. September 2020, § 55 Rn. 27; Burgi, GewArch Beilage WiVerw 2018, 181 [228]; Bulla, GewArch Beilage WiVerw 2019, 182 [190]). Insofern unterscheidet sich das Reisegewerbe maßgeblich von dem Betrieb eines zulassungspflichtigen Hand-werks als stehendes Gewerbe (§ 1 Abs. 1 Satz 1 Handwerksordnung – HwO –). Während bei Letzterem durch das grundsätzliche Erfordernis einer bestandenen Meisterprüfung (§ 7 Abs. 1a HwO) neben der persönlichen auch die fachliche Zu-verlässigkeit des Betriebsinhabers garantiert wird, fehlt es im Reisegewerberecht, auf das die Vorschriften über das stehende Gewerbe keine Anwendung finden, nach der Konzeption des Gesetzgebers an einer solchen Garantie. Soweit die Beklagte im Anschluss an den Kreisrechtsausschuss des Landkreises Altenkirchen den Standpunkt vertritt, der Kläger müsse für das auszuübende Rei-segewerbe (mindestens) über einen Gesellenbrief verfügen, da er anderenfalls nicht die Gewähr für das ordnungsgemäße Ausüben der beabsichtigten Arbeiten biete, nimmt sie der Sache nach über das Kriterium der Zuverlässigkeit eine Vorab-Bewertung der fachlichen Zuverlässigkeit vor. Dies findet jedoch – wie ausgeführt – im Gesetz keine Stütze. Auch das Argument, der Verbraucherschutz gebiete eine solche Betrachtung, verfängt nicht. Der Gesetzgeber hat dem Schutz der Verbrau-cher grundsätzlich schon insoweit Rechnung getragen, als er einzelne besonders gefahrgeneigte Tätigkeiten im Reisegewerbe verboten hat (vgl. § 56 Abs. 1 GewO, aber etwa auch § 2 Abs. 1 Satz 2 Schornsteinfeger-Handwerksgesetz); ferner kann die Reisegewerbekarte zum Schutze der Allgemeinheit oder der Verbraucher inhalt-lich beschränkt, mit einer Befristung erteilt und mit Auflagen verbunden werden (§ 55 Abs. 3 Halbs. 1 GewO). Für eine weitergehende Prüfung der fachlichen Qua-lifikation eines Antragstellers bleibt danach grundsätzlich kein Raum. Auch wenn die damit einhergehende rechtliche Privilegierung des Reisegewerbes rechtspoli-tisch nicht ohne Weiteres nachvollziehbar sein mag (kritisch etwa Hüpers, GewArch 2004, 230 [233]; Bulla, GewArch Beilage WiVerw 2019, 182 [193 ff.] m.w.N.), steht einer einschränkenden Auslegung der §§ 55 ff. GewO, wie sie sowohl von der Be- - 7 - - 8 - klagten als auch vom Kreisrechtsausschuss vorgenommen worden ist, der Grund-satz des Vorbehalts des Gesetzes entgegen. Die vom Gesetzgeber getroffene Ein-schätzung kann von den Gerichten mangels gesetzlicher Grundlage nicht korrigiert werden (vgl. BVerfG, Kammerbeschluss vom 27. September 2000 – 1 BvR 2176/98 –, juris, Rn. 30 a.E.). Unter Zugrundelegung dieser Maßstäbe kann von einer (persönlichen) Unzuverläs-sigkeit des Klägers nicht ausgegangen werden. Dies gilt selbst dann, wenn man insoweit wegen der besonderen Gefahren des Reisegewerbes für die Allgemeinheit einen (noch) strengeren Maßstab als bei § 35 Abs. 1 Satz 1 GewO anlegt (in diesem Sinne VG Neustadt an der Weinstraße, Beschluss vom 18. April 2012 – 4 L 282/12.NW –, juris, Rn. 13; VG Gelsenkirchen, Urteil vom 20. November 2013 – 7 K 4435/12 –, juris, Rn. 34; tendenziell noch anders BVerwG, Beschluss vom 27. November 1992 – 1 B 204.92 –, juris, Rn. 3). Denn die von dem Kläger im Ver-waltungsverfahren vorgelegten Unterlagen lassen keine Zweifel an dessen persön-licher Zuverlässigkeit zu. Namentlich wird dem Kläger bescheinigt, seinen steuerli-chen Erklärungspflichten in den letzten 24 Monaten immer pünktlich nachgekom-men zu sein, die festgesetzten und fälligen Steuern innerhalb der letzten 12 Monate immer pünktlich entrichtet zu haben (Bescheinigung des Finanzamts A*** vom 21. Januar 2019 und Unbedenklichkeitsbescheinigung der Verbandsgemeinde-kasse der Beklagten), sich nicht in einem Insolvenzverfahren zu befinden oder be-funden zu haben (Bescheinigung des Amtsgerichts B*** vom 17. Januar 2019) so-wie über keine Eintragungen im Schuldnerverzeichnis der Länder (Abfrage vom 30. Januar 2019), im Führungszeugnis (Mitteilungen des Bundesamtes für Justiz vom 9. Januar 2019 und 12. April 2019) und im Gewerbezentralregister (Auskunft des Bundesamtes für Justiz vom 1. April 2019) zu verfügen. Damit korrespondie-rend werden auch von der Beklagten Zweifel an der persönlichen Zuverlässigkeit des Klägers nicht geltend gemacht. Soweit die Beklagte allein auf die fehlende Sachkunde des Klägers verweist und daraus eine Unzuverlässigkeit des Klägers im Sinne von § 57 Abs. 1 GewO herzu-leiten versucht, verfängt dies nicht. In diesem Zusammenhang kann offenbleiben, ob in Fällen, in denen die fehlende fachliche Qualifikation eines Antragstellers of-fenkundig und für jedermann ersichtlich ist, ausnahmsweise – trotz in der Vergan-genheit nicht vorliegender Verfehlungen – Rückschlüsse dahingehend zulässig

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sind, dass ein ordnungsgemäßes Verhalten in Zukunft ausgeschlossen ist (vgl. aus-führlich und m.w.N. Marcks, in: Landmann/Rohmer, GewO, 84. EL Februar 2020, § 35 Rn. 60; vgl. ferner für das vielfach bemühte Beispiel eines Schwimmlehrers, der nicht schwimmen kann: Eifert, JuS 2004, 565 [569] m.w.N.). Ein solcher Fall liegt hier erkennbar nicht vor. Der Kläger ist nach seinem unbestritten gebliebenen Vortrag seit nunmehr fast 20 Jahren beruflich im Bauhandwerk tätig und er verfügt über einen Gesellenbrief im Dachdeckerhandwerk. Die von ihm im Wege des Rei-segewerbes beabsichtigten Maurer-, Klempner-, Trockenbau- und Fassadenarbei-ten stehen aber zumindest – wie der Kläger in seiner Klagebegründung nachvoll-ziehbar dargelegt hat – in einem erweiterten Zusammenhang mit den im Dachde-ckerhandwerk anfallenden Tätigkeiten, sodass von einer gänzlichen Ungeeignetheit des Klägers zur Ausübung der von ihm beabsichtigten Tätigkeiten ersichtlich nicht ausgegangen werden kann. Ebenso wenig kann sich die Beklagte auf eine inhaltliche Beschränkung der Reise-gewerbekarte nach § 55 Abs. 3 GewO berufen. Nach dieser Vorschrift kann die Rei-segewerbekarte inhaltlich beschränkt werden, soweit dies zum Schutze der Allge-meinheit oder der Verbraucher erforderlich ist. Ungeachtet dessen, dass sich die Beklagte hier nicht auf eine inhaltliche Beschränkung, sondern ausdrücklich auf den Unzuverlässigkeitstatbestand des § 57 Abs. 1 GewO beruft, liegen die Vorausset-zungen für eine inhaltliche Beschränkung schon wegen des bestehenden erweiter-ten Zusammenhangs der begehrten mit den im Dachdeckerhandwerk anfallenden Tätigkeiten nicht vor. Im Übrigen soll mit einer Beschränkung sichergestellt werden, dass die Voraussetzungen der Reisegewerbeerlaubnis erfüllt werden (vgl. Schön-leiter, in: Landmann/Rohmer, GewO, 84. EL Februar 2020, § 55 Rn. 112). Alleinige Voraussetzung der Reisegewerbeerlaubnis ist indes – wie dargelegt – die persönli-che Zuverlässigkeit des Antragstellers, an der hier keine Zweifel bestehen. Liegt nach alledem ein Versagungsgrund im Sinne von § 57 Abs. 1 GewO nicht vor, ist dem Kläger die Reisegewerbekarte in dem von ihm beantragten Umfang zu er-teilen. Ein Ermessen der Behörde besteht insoweit nicht (vgl. nur Rossi, in: BeckOK GewO, 52. Ed. 1. September 2020, § 55 Rn. 1). Zur Vermeidung weiterer Rechtsstreitigkeiten weist die Kammer abschließend da-rauf hin, dass sich die mit dem vorliegenden Urteil ausgesprochene Verpflichtung

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der Beklagten, dem Kläger eine Reisegewerbekarte zu erteilen, eingedenk des ge-stellten Klageantrags auf die mit Ziffer 2. des Antrags auf Erteilung einer Reisege-werbekarte vom 7. Mai 2019 beabsichtigten Leistungen beschränkt (§ 88 VwGO). Die durch die Beklagte zu erteilende Reisegewerbekarte wird indes auch die unter Ziffer 1. des Antrags vom 7. Mai 2019 bezeichneten Eintragungen zu berücksichti-gen haben, soweit der Kläger diese weiterhin begehrt. Insoweit vermag die Kammer keine Anhaltspunkte zu erkennen, welche diesen Eintragungen entgegenstehen könnten. Dies dürfte im Übrigen auch der Sichtweise der Beklagten entsprechen, da sie ursprünglich beabsichtigt hatte, bezüglich Ziffer 1. eine uneingeschränkte Reisegewerbekarte zu erteilen. Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO. Der Ausspruch zur vorläufigen Vollstreckbarkeit des Urteils wegen der Kosten be-ruht auf § 167 VwGO i.V.m. § 708 Nr. 11, § 711 Zivilprozessordnung. Gründe, die Berufung zuzulassen (§§ 124, 124a VwGO), liegen nicht vor.

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Rechtsmittelbelehrung Die Beteiligten können innerhalb eines Monats nach Zustellung des Urteils die Zulassung der Berufung durch das Oberverwaltungsgericht Rheinland-Pfalz be-antragen. Dabei müssen sie sich durch einen Rechtsanwalt oder eine sonstige nach Maßgabe des § 67 VwGO vertretungsbefugte Person oder Organisation ver-treten lassen. Der Antrag ist bei dem Verwaltungsgericht Koblenz, Deinhardpassage 1, 56068 Koblenz, schriftlich oder nach Maßgabe des § 55a VwGO als elektronisches Doku-ment zu stellen. Er muss das angefochtene Urteil bezeichnen. Innerhalb von zwei Monaten nach Zustellung des Urteils sind die Gründe darzule-gen, aus denen die Berufung zuzulassen ist. Die Begründung ist, soweit sie nicht bereits mit dem Antrag vorgelegt worden ist, bei dem Oberverwaltungsgericht Rheinland-Pfalz, Deinhardpassage 1, 56068 Koblenz, schriftlich oder nach Maß-gabe des § 55a VwGO als elektronisches Dokument einzureichen. Die Berufung kann nur zugelassen werden, wenn 1. ernstliche Zweifel an der Richtigkeit des Urteils bestehen, 2. die Rechtssache besondere tatsächliche oder rechtliche Schwierigkeiten auf-weist, 3. die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat, 4. das Urteil von einer Entscheidung des Oberverwaltungsgerichts, des Bun-desverwaltungsgerichts, des gemeinsamen Senats der obersten Gerichts-höfe des Bundes oder des Bundesverfassungsgerichts abweicht und auf die-ser Abweichung beruht oder 5. ein der Beurteilung des Berufungsgerichts unterliegender Verfahrensmangel geltend gemacht wird und vorliegt, auf dem die Entscheidung beruhen kann. gez. Dr. Geis gez. Dr. Klein gez. Dr. Kuhn - 11 - Beschluss Der Wert des Streitgegenstandes wird in Anlehnung an Ziff. 54.2.1 des Streitwert-katalogs für die Verwaltungsgerichtsbarkeit 2013 (LKRZ 2014, 169) auf 15.000,00 € festgesetzt (§§ 52, 63 Abs. 2 Gerichtskostengesetz). Rechtsmittelbelehrung Gegen diese Entscheidung steht den Beteiligten und den sonst von der Entschei-dung Betroffenen die Beschwerde an das Oberverwaltungsgericht Rheinland-Pfalz zu, wenn der Wert des Beschwerdegegenstands 200,00 € übersteigt. Die Beschwerde ist nur zulässig, wenn sie innerhalb von sechs Monaten, nach-dem die Entscheidung zur Hauptsache Rechtskraft erlangt oder das Verfahren sich anderweitig erledigt hat, eingelegt wird. Die Beschwerde ist bei dem Verwaltungsgericht Koblenz, Deinhardpassage 1, 56068 Koblenz, schriftlich, nach Maßgabe des § 55a VwGO als elektronisches Do-kument oder zu Protokoll der Geschäftsstelle einzulegen. gez. Dr. Geis gez. Dr. Klein gez. Dr. Kuhn

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