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Urteile zu: Meisterzwang, Betriebsuntersagungen (§ 16 HwO), Hausdurchsuchungen, Betretungsrecht der HwK nach § 17 HwO, Rechtsmittelverzicht

Landgericht Lüneburg 2013 - Durchsuchung der Wohn- und Geschäftsräume war rechtswidrig

- Ausfertigung - Landgericht Lüneburg

Beschluss

26 Qs 174/13 AG Celle

26 Qs 174/13 Landgericht Lüneburg

in der Strafsache gegen

Verteidigerin: Rechtsanwalt XXX XXX

hat die 6. große Strafkammer des Landgerichts Lüneburg - Kammer für Bußgeldsachen - auf die Beschwerde des Betroffenen gegen den Beschluss des Amtsgerichts Celle vom 13. Mai 2013 durch die Vorsitzende Richterin am Landgericht Schunder sowie die Richter am Landgericht Luedtke und Subatzus am 22.August 2013 beschlossen:

Auf die Beschwerde des Betroffenen wird festgestellt, dass die Durchsuchung der Wohnung und der Geschäftsräume des Betroffenen in XXX am 18. Juli 2013 rechtswidrig war.

Die Landeskasse trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens und die dem Betroffenen im Beschwerdeverfahren entstandenen notwendigen Auslagen.

Gründe:

I.

Der Betroffene wendet sich gegen einen Durchsuchungs- und Beschlagnahmebeschluss des Amtsgerichts Celle vom 13. Mai 2013.

Bei einer am 23. April 2013 durchgeführten Baustellenkontrolle in XXX stellten die Ermittlungsbehörden fest, dass der Betroffene - gelernter Malergeselle - Dachdeckerarbeiten, die gemäß Anlage 1 der Handwerksordnung zulassungspflichtig sind, durchführte. Auf den Lichtbildern, welche den Bautenstand dokumentieren, und auf die wegen der näheren Einzelheiten Bezug genommen wird (Bl. 5 und 6 d.A.), ist zu erkennen, dass alte Dachziegel entfernt worden sind, die Schalung und Lattung erneuert worden ist und ein Teil der neuen Dachziegel aufgebracht worden ist.

Der Betroffene hatte zum Zeitpunkt der Durchführung der Dachdeckerarbeiten lediglich das zulassungsfreie Gewerbe "Raumausstatter- und Parkettlegehandwerk" angemeldet. Des Weiteren war er mit dem "Bautentrocknungs- und Bodenlegegewerbe" sowie mit dem "Holz- und Bautenschutzgewerbe" im Verzeichnis für handwerksähniiche Gewerbe eingetragen.

Gegen den Betroffenen wurde ein Bußgeldverfahren wegen Verstoßes gegen die Gewerbeordnung u.a. eingeleitet.

Mit dem angefochtenen Beschluss vom 13. Mai 2013 ordnete das Amtsgericht die Durchsuchung der Wohnung mit allen Nebenräumen, eventuell vorhandener Geschäftsräume und des sonstigen umfriedeten Besitztums des Betroffen an. Die Durchsuchung diente der Auffindung von Beweismitteln, nämlich "Rechnungen, Quittungen oder ähnliche Belege - auch soweit diese auf elektronischen Datenträgern gespeichert sind". Zum Tatvorwurf heißt es in dem Beschluss:

"Der Betroffene ist der illegalen Gewerbeausübung, der unerlaubten selbständigen Handwerksausübung und der Schwarzarbeit (§§ 14 Abs. 1 S. 1, 146 Abs. 2 Nr. 2 Gewerbeordnung, §§ 1 Abs. 1 S. 1, 117 Abs. 1 Nr. 1 Handwerksordnung und § 8 Abs. 1 Nr. 1 d und e des Gesetzes zur Bekämpfung der Schwarzarbeit und illegalen Beschäftigung) verdächtig.

(...)

(Die) Ermittlungen haben ergeben, dass XXX XXX auch Arbeiten des zulassungsprlichtigen D Dachdeckerhandwerks bei einem Bauvorhaben (...) ausgeführt hat (. . .)

Dieses Handwerk hat XXX XXX nicht gem. 5 14 Gewerbeordnung gewerblich angezeigt.

Der Betrieb eines zulassungspfichtigen Handwerks ist darüber hinaus gem. g 1 der Handwerksordnung nur den in der Handwerksrolle eingetragenen natürlichen und juristischen Personen oder Personengesellschaften gestattet. XXX XXX ist bei der Handwerkskammer Braunschweig-Lüneburg-Stade mit dem Gewerbe "Raumausstatterhandwerk, Parkettlegerhandwerk, Bautenschutzgewerbe (handwerksähnlich) in der Handwerksrolle eingetragen, jedoch nicht mit dem zulassungspflichtigen Dachdeckerhandwerk.

Es besteht der Verdacht, dass von XXX XXX im Sinne des § 8 Schwarzarbeitsbekämpfungsgesetzes in erheblichem Umfang Handwerksarbeiten ohne Handwerksrolleneintrargung und ohne eine den Tatsachen entsprechende Gewerbeanmeldung erbracht wurden bzw. werden.

Dieser Sachverhalt stellt Ordnungswidrigkeiten gem. § 146 Abs. 2 Nr. 2a Gewerbeordnung, ä 117 Abs. 1 Nr. 1 Handwerksordnung und § 8 Abs. 1 Nr. 1 d und e des Gesetzes zur Bekämpfung der Schwaizarbeit und illegalen Beschäftigung dar, die im Einzelnen mit Geldbußen von 1.000 ¤, 5. 000 ¤ und 50.000,- geahndet werden können.

Um den vollen Umfang des ordnungswidrigen Verhaltens und den dadurch erlangten wirtschaftlichen Vorteil feststellen zu können, ist die Durchsuchung (...) erforderlich (...). "

Wegen der Einzelheiten wird auf den Beschluss Bl. 15 und 16 d. A. Bezug genommen.

Am 12. Juli 2013 wurde der Bauherr vernommen, der den Betroffenen mit den Dachdeckerarbeiten beauftragt hatte. Dieser sagt aus, das Auftragsvolumen habe sich auf 8.000 ¤ belaufen. Es sei lediglich ein mündlicher Auftrag geschlossen worden.

Zu Beginn der Durchsuchung am 18. Juli 2013 übergab der Betroffene zur Abwendung der Durchsuchung einen USB-Stick, der beschlagnahmt wurde. Die Auswertung der auf dem USB-Stick gespeicherten Daten ergab keine Anhaltspunkte für weitere nicht angemeldete Handwerkstätigkeiten durch den Betroffenen.

Mit anwaltlichem Schreiben vom 30. Juli 2013 hat der Betroffene gegen den Durchsuchungs- und Beschlagnahmebeschluss des Amtsgerichts Celle vom 13. Mai 2013 Beschwerde eingelegt. Mit der Beschwerde macht der Betroffene insbesondere geltend, der Durchsuchungsbeschluss sei nicht bestimmt genug und auch unverhältnismäßig. Wegen der Einzelheiten wird auf das Beschwerdevorbringen Bezug genommen.

II.

Die Beschwerde ist zulässig und hat auch in der Sache Erfolg. Die angefochtene Durchsuchung war nicht rechtmäßig.

Bei der Durchsuchung der Wohn- und Geschäftsräume des Betroffenen handelte es sich um eine Durchsuchung gemäß § 102 StPO in Verbindung mit § 46 Abs. 1 OWIG.

Die Rechtmäßigkeit einer solchen Durchsuchung setzt voraus, dass zumindest ein Anfangsverdacht für die Begehung einer Ordnungswidrigkeit besteht und die Durchsuchung der Ergreifung der Person des Betroffenen oder dem Auffinden von Beweismaterial dient. Darüber hinaus muss die Anordnung verhältnismäßig sein, wobei die Verhältnismäßigkeitsprüfung bei der Begehung einer Ordnungswidrigkeit besonders sorgfältig zu prüfen ist.

Nach dem Ergebnis der Ermittlungen und den Ausführungen in dem angefochtenen Beschluss besteht lediglich der Anfangsverdacht, dass der Betroffene Arbeiten des zulassungspflichtigen Dachdeckerhandwerks bei einem Bauvorhanden in Wietze ausgeführt hat, obwohl er dieses Handwerk nicht gemäß § 14 Abs. 1 GewO angezeigt hat und mit diesem Gewerbe ("Dachdeckerarbeiten") auch nicht in die Gewerberolle eingetragen ist (§ 1 Abs. 1 HwO). Die Ordnungswidrigkeiten können mit Bußgeldern bis zu 10.000 ¤ (§ 117 Abs. 1 HwO) bzw. bis zu 5.000 ¤ (§ 146 Abs. 2 Nr. 2 GewO) geahndet werden. Der Betroffene ist der Tat verdächtig, weil er selbst auf der Baustelle angetroffen worden ist und auf Befragen entsprechende Angaben gemacht hat. Die durchgeführten Dachdeckerarbeiten sind zudem fotographisch gesichert worden.

Soweit es in dem Beschluss -- und dem zugrunde liegenden Antrag - weiter heißt, dass der Verdacht bestünde, der Betroffene habe im Sinne des § 8 Abs. 1 Nr. 1 d) und e) des Gesetzes zur Bekämpfung der Schwarzarbeit und illegalen Beschäftigung in erheblichem Umfang Handwerksarbeiten ohne Handwerksrolleneintragung und ohne eine den Tatsachen entsprechende Gewerbeanmeldung erbracht, ist festzustellen, dass Grundlage für die Durchsuchungsanordnung lediglich eine Baustellenüberprüfung gewesen ist. Anhaltspunkte dafür, dass der Betroffene in erheblichem Umfang Handwerksarbeiten ohne Handwerksrolleneintragung und ohne eine den Tatsachen entsprechende Gewerbeanmeldung erbracht hat, ergeben sich weder aus dem angefochtenen Beschluss noch aus den Ermittlungsakten.

Um einen entsprechenden Anfangsverdacht verfassungsgemäß begründen zu können, ist erforderlich, dass Feststellungen getroffen werden, die nach einfachem Recht die Anwendung des Qualifikationstatbestandes nachvollziehbar machen. Zur Begründung des Tatverdachts gehört die Darlegung der Ausführung von Dienst- oder Werkleistungen in erheblichem Umfang. Kann ein Anfangsverdacht auch nicht im Ansatz im Hinblick auf § 8 Abs. 1 Nr. 1 d) und e) des Gesetztes zur Bekämpfung der Schwarzarbeit und illegalen Beschäftigung begründet werden, so kommt eine Durchsuchung allein wegen Verstoßes nach § 1 Abs. 1 HwO und § 14 Abs. 1 GewO in Betracht (vgl. BVerfG, Stattgebender Kammerbeschluss vom 25. Juli 2007 - 2 BvR 2088/02).

lm vorliegenden Fall war das Auffinden von Beweismitteln Ziel der mit der Beschwerde angegriffenen Durchsuchungsanordnung, um "den vollen Umfang des ordnungswidrigen Verhaltens und den dadurch erlangten wirtschaftlichen Vorteil" durch Auffinden feststellen zu können". Damit diente die Durchsuchung in erster Linie der Ausforschung, nämlich der Erforschung, ob weitere Arbeiten im erheblichen Umfang ausgeführt worden sind. Eine solche Durchsuchung zur Ausforschung, ob überhaupt ein Anfangsverdacht für Arbeiten in erheblichem Umfang im Sinne des § 8 Abs. 1 des Gesetztes zur Bekämpfung der Schwarzarbeit und illegalen Beschäftigung vorliegen, ist jedoch unzulässig

.

Damit verbleibt vorliegend lediglich eine Durchsuchung wegen Verstoßes nach § 1 Abs. 1 HwO und § 14 Abs. 1 GewO, die sich jedenfalls im vorliegenden Fall als unverhältnismäßig darstellte.

Im Einzelnen:

Zu berücksichtigen ist, dass der Betroffene bereits konkrete Angaben zu den von ihm bzw. seiner Firma durchgeführten Dachdeckerarbeiten bei dem Bauvorhaben in Wietze gemacht hat. Der Betroffene hat die von ihm durchgeführten Arbeiten konkret erläutert, mithin bei der Aufklärung des Sachverhaltes mitgewirkt.

Als weitere und damit mildere Ermittlungsmaßnahme kam zudem die Vernehmung des Bauherrn, des Zeugen XXX XXX, in Betracht, die auch noch vor der Durchsuchung, nämlich am 12. Juli 2013, erfolgt ist. Der Zeuge XXX XXX hat ebenfalls dargelegt, mit welchen Arbeiten und zu welchem Preis er den Betroffenen beauftragt hat, er hat die Angaben des Betroffenen insoweit bestätigt.

Damit konnte die Ordnungswidrigkeit, derer der Betroffene verdächtig ist, auch ohne eine Durchsuchung seiner Wohn- und Geschäftsräume aufgeklärt werden.

Hinzu kommt, dass das den Betroffenen betreffende Gewerberegister keine Eintragung enthielt. Der Eintrag ins Gewerbezentralregister hat vor allem den Zweck, Behörden für die Verfolgung gewerberechtlicher Ordnungswidrigkeiten und für sonstige gewerberechtliche Entscheidungen das erforderliche Material zur Beurteilung der Zuverlässigkeit des Gewerbetreibenden zur Verfügung zu stellen. Eingetragen (§ 149 GewO) werden z. B. Verwaltungsentscheidungen der Gewerbebehörden wegen Unzuverlässigkeit oder sonstige Bußgeldentscheidungen gegen Gewerbetreibende. Der heute 52-jährige Betroffene war somit auch nicht als unzuverlässig bekannt.

Schließlich scheint die Durchsuchung selbst von den Ermittlungsbeamten nicht als vordringlich angesehen worden zu sein: Die Durchsuchung der Wohnung und der Geschäftsräume sollte ausweislich der Ermittlungsakten bereits am 19. Juni 2013 stattfinden. Die Durchsuchung wurde trotz Vorliegens des Beschlusses nicht durchgeführt, sondern erfolgte erst vier Wochen später, weil der Betroffene die Durchsuchungsbeamten nicht in sein Haus lassen wollte. Später gaben sich die Ermittlungsbehörden mit der Übergabe eines USB-Sticks zufrieden und sahen von der weiteren Durchsuchung der Räumlichkeiten ab. Wäre eine Durchsuchung zum Auffinden von Beweismitteln tatsächlich erforderlich gewesen, hätte es nahe gelegen, die Durchsuchung fortzuführen, um sicherzustellen, dass auf dem übergebenen USB-Stick nicht nur ausgewählte Rechnungen, die keinen weiteren Tatverdacht begründen, gespeichert worden sind.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 467 Abs. 1 StPO.

Schunder Subatzus Luedtke

Ausgefertigt Landgericht Lüneburg, 30.08.2013

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