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Urteile zu: Meisterzwang, Betriebsuntersagungen (§ 16 HwO), Hausdurchsuchungen, Betretungsrecht der HwK nach § 17 HwO, Rechtsmittelverzicht

Verwaltungsgericht Arnsberg 1 L 214/02 vom 20.03.2002

Abschrift

Verwaltungsgericht Arnsberg

BESCHLUSS

In dem verwaltungsgerichtlichen Verfahren

des Herrn XXX, 58135 Hagen,

Antragstellers,

Verfahrensbevollmächtigte: Rechtsanwälte Geister und andere, Hindenburgstraße 20, 58095 Hagen, Gz.: XXX vs. Stadt Hagen 02,

gegen

den Oberbürgermeister der Stadt Hagen, Friedrich-Ebert-Platz, 58095 Hagen, Gz.: 32/027,

Antragsgegner,

wegen

Handwerksuntersagung; hier:
Regelung der Vollziehung

hat die 1. Kammer des Verwaltungsgerichts Arnsberg am 20. März 2002
durch
Präsident des Verwaltungsgerichts Dr. Morgenstern,
Richter am Verwaltungsgericht Buter,
Richter am Verwaltungsgericht Neumann

beschlossen:

Gründe:

Der Antrag des Antragstellers,

ist als Antrag gemäß § 80 Abs. 5 der Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO) zulässig und begründet. Die im Rahmen der Prüfung gemäß § 80 Abs. 5 VwGO gebotene Abwägung der widerstreitenden Vollzugsinteressen fällt zum hier maßgeblichen Zeitpunkt der Entscheidung der Kammer zu Gunsten des Antragstellers aus. Maßgeblich hierfür ist, dass sich die Regelungen in dem angefochtenen Bescheid bei der im vorliegenden Eilverfahren allein möglichen summarischen Prüfung als offensichtlich rechtswidrig erweisen und auch die Interessenabwägung hinsichtlich der Vollziehung dieses Bescheides zu Lasten des Antragsgegners ausfällt.

Als Rechtsgrundlage für die mit dem angefochtenen Bescheid ausgesprochene "Untersagung handwerklicher Tätigkeiten im Maurer-, Maler- und Lackiererhandwerk, Tischlerhandwerk, Parkettlegerhandwerk, Gas- und Wasserinstallation" kommt nur § 16 Abs. 3 Satz 1 des Gesetzes zur Ordnung des Handwerks (Handwerksordnung - HandwO -) in der Fassung der Bekanntmachung vom 24. September 1998 (BGBI. 1 S. 3074) in der hier maßgeblichen Fassung der Änderung vom 19. Juni 2001 (BGBI. 1 S. 1046) in Betracht. Danach kann die zuständige Behörde von Amts wegen oder auf Antrag der Handwerkskammer die Fortsetzung des Betriebes untersagen, wenn der selbständige Betrieb eines Handwerks als stehendes Gewerbe entgegen den Vorschriften der Handwerksordnung ausgeübt wird. Gemäß § 1 Abs. 1 Satz 1 HandwO ist der selbständige Betrieb eines Handwerks als stehendes Gewerbe nur den in der Handwerksrolle eingetragenen natürlichen und juristischen Personen und Personengesellschaften (selbständige Handwerker) gestattet. Demnach wird ein Handwerk immer dann entgegen den Vorschriften der Handwerksordnung betrieben, wenn der ein Handwerk Betreibende nicht in der Handwerksrolle eingetragen ist.

Ein Gewerbebetrieb ist gemäß § 1 Abs. 2 HandwO Handwerksbetrieb im Sinne des Gesetzes, wenn er handwerksmäßig betrieben wird und ein Gewerbe vollständig umfasst, das in der Anlage A zur Handwerksordnung aufgeführt ist, oder Tätigkeiten ausgeübt werden, die für dieses Gewerbe wesentlich sind (wesentliche Tätigkeiten). Dies ist der Fall bei Tätigkeiten, die den Kernbereich gerade des betroffenen Handwerks ausmachen und ihm sein essentielles Gepräge verleihen. Arbeitsvorgänge, die aus der Sicht des vollhandwerklich arbeitenden Betriebes als untergeordnet erscheinen, reichen insoweit nicht aus. Dies gilt nicht nur für Arbeitsvorgänge, die wegen ihres geringen Schwierigkeitsgrades keine qualifizierten Kenntnisse und Fertigkeiten voraussetzen. Hierzu gehören vielmehr auch solche Tätigkeiten, die zwar anspruchsvoll, im Rahmen des Gesamtbildes des betreffenden Handwerkes jedoch nebensächlich sind und deswegen nicht die Kenntnisse und Fertigkeiten verlangen, auf welche die jeweils maßgebliche handwerkliche Ausbildung hauptsächlich ausgerichtet ist.

Welche Tätigkeiten und Fertigkeiten insoweit dem Kernbereich eines Handwerks zuzuordnen sind, ergibt sich unter anderem aus den einschlägigen Verordnungen über das jeweilige Berufsbild und über die Anforderungen in der Meisterprüfung. Der Kammer ist aber bereits nicht ersichtlich, dass im vorliegenden Falle vom Betrieb des Antragstellers, der persönlich nicht in die Handwerksrolle eingetragen ist, überhaupt Tätigkeiten ausgeübt worden sind, die dem Kernbereich eines Handwerks zugerechnet werden können und dem Antragsteller hätten untersagt werden können. Denn die Begründung des angefochtenen Bescheides trifft nur die apodiktische Feststellung, dass die Mitarbeiter des Antragstellers bei einer Baustellenkontrolle auf der Baustelle XXX in Hagen "bei Maurer-, Maler-, Tischler-, Parkettlegerarbeiten sowie Gas- und Wasserinstallation angetroffen" worden seien. Gemäß § 39 Abs. 1 Satz 2 des Verwaltungsverfahrensgesetzes für das Land Nordrhein-Westfalen (VwVfG NRW) sind in der Begründung eines Verwaltungsaktes die wesentlichen tatsächlichen und rechtlichen Gründe mitzuteilen, die die Behörde zu ihrer Entscheidung bewogen haben. Zu den wesentlichen tatsächlichen Gründen hätte hier die Feststellung gehört, welche dem Kernbereich eines Handwerks zuzurechnenden konkreten Tätigkeiten die Angestellten des Antragstellers im Einzelnen ausgeübt haben. Weder der Bescheid selbst noch die Verwaltungsvorgänge des Antragsgegners enthalten jedoch hierüber nachvollziehbare Erkenntnisse. Infolgedessen ist der Ordnungsverfügung auch nicht entnehmbar, welche konkreten Tätigkeiten aus dem Kernbereich eines Handwerks dem Antragsteller untersagt werden sollen. Sie verstößt daher gegen das Bestimmtheitsgebot des § 37 Abs. 1 VwVfG NRW.

Aus dem Vermerk des Antragsgegners vom 15. Januar 2002 geht zwar hervor, dass die "Betroffenen" '(sc. die Angestellten des Antragstellers) bei der informatorischen Befragung auf der Baustelle angegeben hätten, mit Maler- und Lackierer-, Gas- und Wasserinstallateur-, Tischler-, Fliesen-, Putz- und Maurerarbeiten tätig gewesen zu sein. Dieser pauschale Vermerk lässt eine zweifelsfreie Zuordnung der im Einzelnen konkret ausgeführten Tätigkeiten zu einem Vollhandwerk nicht zu, weil sie genauso einem Minderhandwerk oder einer Hilfstätigkeit zugeordnet werden könnten. Die vom Antragsgegner bei der Baustellenkontrolle erstellten formularmäßigen Personenerfassungsbögen sind ebenso wenig aussagekräftig. So erklärten sich die auf der Baustelle angetroffenen Personen zu ihren dortigen Tätigkeiten in der Rubrik "Angetroffen bei (Arbeit):" wie folgt: Herr XXX""Maurert."; Herr XXX: "Maurerarbeiten"; Herr XXX" "Gas- und Wasserinstallateur" und Herr XXX Maler und Lackierer", - wobei jeweils schon aus der Formulierung unklar bleibt, ob damit der erlernte Beruf oder eine auf der Baustelle konkret ausgeübte Tätigkeit gemeint sein soll -; Herr XXX "Tischlerarbeiten"; Herr Ges: "Maurer-Tätigkeiten"; Herr XXX "Bauhelfer"; Herr "Aushilfe"; Herr XXX, Herr XXX und Herr XXX: gar nicht. Dabei bestehen im Falle des Herrn XXX schon Zweifel, ob er überhaupt ein Betriebszugehöriger des Antragstellers ist. Dem Verwaltungsvorgang lässt sich nicht entnehmen, dass der Antragsgegner im Zuge weiterer Ermittlungen einem der Angetroffenen ein konkret ausgeführtes Gewerk auf der Baustelle zugeordnet hat, geschweige denn, dass dieses Gewerk wiederum einem Vollhandwerk hätte zugerechnet werden können. Dies wäre jedoch eine unabdingbare Voraussetzung der ausgesprochenen Handwerksuntersagung. Auf die Beantwortung der Frage, ob durch die angefochtene Verfügung pauschal auch "sonstiges Handwerk" untersagt werden konnte - wogegen weitere erhebliche Bedenken bestehen, weil auf Grund des § 16 Abs. 3 Satz 1 HandwO lediglich die Fortsetzung eines konkreten Handwerksbetriebes, nicht aber die Ausführung eines Handwerks schlechthin untersagt werden kann,

kommt es in diesem Eilverfahren mithin bereits nicht mehr an.

Die Interessenabwägung zwischen dem öffentlichen Vollzugsinteresse einerseits und dem Aussetzungsinteresse des Antragstellers andererseits geht wegen der offensichtlichen Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides zu Gunsten des Letzteren aus. Im Übrigen ist der Antragsteller inzwischen Geschäftsführer der XXX GmbH, die mit dem Maler- und Lackierermeister XXX und dem Maurermeister XXX Betriebsleitern in die Handwerksrolle bei der Handwerkskammer Dortmund eingetragen ist. Hiernach kann er als Geschäftsführer der XXX GmbH handwerkliche Tätigkeiten ausführen lassen, wie sie im Rahmen der Sanierung seines Gebäudes XXX in Hagen anfallen können. Es ist nicht erkennbar, dass der Antragsteller weitere Baustellen, auf denen er selbst oder seine Mitarbeiter handwerkliche Tätigkeiten ausführen könnten, betreut oder anderweitig Tätigkeiten ausübt, die über diejenigen hinausgehen, mit denen er im Verzeichnis der handwerksähnlichen Gewerbe bei der Handwerkskammer Dortmund eingetragen ist.

Wegen der dargelegten rechtlichen Bedenken gegen die verfügte Handwerksuntersagung war auch die aufschiebende Wirkung des Widerspruches des Antragstellers gegen die an die Handwerksuntersagung anknüpfende Zwangsgeldandrohung - die im Übrigen wegen der Androhung einer Zwangsgeldsumme in Deutsche Mark statt in Euro fehlerhaft ist - anzuordnen.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO; die Streitwertfestsetzung ergibt sich aus §§ 13 Abs. 1, 20 Abs. 3 des Gerichtskostengesetzes (GKG) und erscheint auch in der Höhe in Anbetracht einer fünffachen Handwerksuntersagung angemessen.

Rechtsmittelbelehrung:

Gegen die Entscheidung mit Ausnahme der Streitwertfestsetzung kann innerhalb von zwei Wochen nach Bekanntgabe bei dem Verwaltungsgericht Arnsberg (Jägerstraße 1, 59821 Arnsberg, Postanschrift: Verwaltungsgericht Arnsberg, 59818 Arnsberg) Beschwerde zum Oberverwaltungsgericht eingelegt werden. Die Beschwerde ist innerhalb eines Monats nach Bekanntgabe der Entscheidung zu begründen. Sofern die Begründung nicht mit der Beschwerde vorgelegt worden ist, ist sie bei dem Oberverwaltungsgericht für das Land Nordrhein-Westfalen (Aegidiikirchplatz 5, 48143 Münster; Postanschrift: Postfach 6309, 48033 Münster) einzureichen. Die Begründung muss einen bestimmten Antrag enthalten und die Gründe darlegen, aus denen die Entscheidung abzuändern oder aufzuheben ist und sich mit der angefochtenen Entscheidung auseinander setzen.

Bei der Einlegung der Beschwerde und vor dem Oberverwaltungsgericht muss sich jeder Beteiligte, soweit er einen Antrag stellt, durch einen Rechtsanwalt oder Rechtslehrer an einer deutschen Hochschule im Sinne des Hochschulrahmengesetzes mit Befähigung zum Richteramt vertreten lassen. Juristische Personen des öffentlichen Rechts können sich auch durch Beamte oder Angestellte mit Befähigung zum Richteramt sowie Diplomjuristen im höheren Dienst, Gebietskörperschaften auch durch Beamte oder Angestellte mit Befähigung zum Richteramt der zuständigen Aufsichtsbehörde oder des jeweiligen kommunalen Spitzenverbandes des Landes, dem sie als Mitglied zugehören, vertreten lassen.

Gegen die Streitwertfestsetzung können die Beteiligten schriftlich oder zur Niederschrift des Urkundsbeamten des Geschäftsstelle beim Verwaltungsgericht Arnsberg (Jägerstraße 1, 59821 Arnsberg, Postanschrift: Verwaltungsgericht Arnsberg, 59818 Arnsberg) Beschwerde einlegen, über die das Oberverwaltungsgericht entscheidet, falls das beschließende Gericht ihr nicht abhilft. Die Beschwerde gegen die Streitwertfestsetzung ist nur zulässig, wenn sie innerhalb von sechs Monaten eingelegt wird, nachdem die Entscheidung in der Hauptsache Rechtskraft erlangt oder das Verfahren sich anderweitig erledigt hat. Die Beschwerde ist nicht gegeben, wenn der Wert des Beschwerdegegenstandes 50 Euro nicht überschreitet.

Der Beschwerdeschrift und der Beschwerdebegründungsschrift sollen möglichst Abschriften für die übrigen Beteiligten beigefügt werden.

XXX XXX XXX

Weitere Informationen


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Bei Anmerkungen und Kritik freut sich der BUH über email, Post oder FAX an die Geschäftsstelle.

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