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Urteile zu: Meisterzwang, Betriebsuntersagungen (§ 16 HwO), Hausdurchsuchungen, Betretungsrecht der HwK nach § 17 HwO, Rechtsmittelverzicht

Verwaltungsgericht Stuttgart zur Frage ob Reisegewerbetreibende ohne Reisegewerbekarte für gewerbliche Auftraggeber tätig sein dürfen

Aktenzeichen: 4 K 1423/08 vom 11.09.2008

Im Namen des Volkes

Urteil

In der Verwaltungsrechtssache

gegen

wegen Anfechtung einer Handwerksuntersagung

hat das Verwaltungsgericht Stuttgart - 4. Kammer - durch den Richter am Verwaltungsgericht XXX als Einzelrichter aufgrund der mündlichen Verhandlung

vom 11. September 2008 am 11. September 2008

für Recht erkannt:

Tatbestand:

Der Kläger wendet sich gegen eine Handwerksuntersagung.

Am 14.07.2005 meldete der Kläger bei der Beklagten das Gewerbe "Tapezierarbeiten, Bodenbelagsarbeiten und Dienstleistungen in und ums Haus" als Gewerbe an. Der Kläger ist als Bodenleger und Stuckateur in die Handwerksrolle eingetragen. Zwischen dem 10. und 12.06.2006 führte der Kläger Malerarbeiten an der Fassade des Firmengebäudes der Firma H. GmbH aus, was der Handwerkskammer Stuttgart gemeldet wurde. Diese regte daraufhin die Untersagung dieser Tätigkeit bei der Beklagten an. Der Kläger wurde hierzu angehört. Mit Schreiben vom 24.07.2006 stimmte die Industrie- und Handelskammer der Untersagung zu. Am 09.01.2007 erhielt der Kläger von der Beklagten eine Reisegewerbekarte, nach der er zum Anbieten von Maler- und Renovierungsarbeiten sowie zum Aufsuchen von Bestellungen auf Leistungen von Maler- und Renovierungsarbeiten berechtigt ist.

Mit Verfügung vom 09.02.2007 untersagte die Beklagte dem Kläger die weitere Ausübung des unerlaubten selbstständigen Betriebs des Maler- und Stuckateurhandwerks als stehendes Gewerbe (Ziffer 1) und drohte dem Kläger für den Fall der Nichtbeachtung der Verfügung ein Zwangsgeld in Höhe von 2.000,- € an (Ziffer 2). Zur Begründung hieß es, der Kläger habe am 10. und 12.06.2006 zulassungspflichtige Arbeiten des Maler- und/oder Stuckateurhandwerks ausgeführt. Der selbstständige Betrieb eines zulassungspflichtigen Handwerks als stehendes Gewerbe sei nur den in der Handwerksrolle eingetragenen natürlichen und juristischen Personen und Personengesellschaften gestattet. Dies sei beim Kläger nicht der Fall, so dass er das Handwerk unerlaubt betreibe. Rechtsgrundlage sei § 16 Abs. 3 Handwerksordnung (HwO). Die Erklärungen der Handwerkskammer und der Industrie- und Handelskammer lägen vor. Die Untersagung sei notwendig, um Dritte vor unter Umständen nicht sachgerecht ausgeführten Arbeiten und davon ausgehenden Gefahren zu schützen.

Hiergegen legte der Kläger am 08.03.2007 Widerspruch ein. Zur Begründung trägt er vor, der Bescheid sei nicht hinreichend bestimmt. Er habe auch keine zulassungspflichtigen Arbeiten ausgeführt, denn Arbeiten seien in dieser Form gemäß § 55b GewO ohne Reisegewerbekarte zulässig.

Mit Widerspruchsbescheid vom 07.03.2008 wies das Regierungspräsidium Stuttgart den Widerspruch mit der Begründung zurück, ein zulassungspflichtiges Handwerk als stehendes Gewerbe sei gemäß § 1 Abs. 1 HwO nur den in der Handwerksrolle eingetragenen natürlichen und juristischen Personen und Personengesellschaften gestattet. Werde der selbstständige Betrieb eines solchen Handwerks als stehendes Gewerbe entgegen dieser Vorschrift betrieben, könne die Behörde den Betrieb untersagen. Diese Voraussetzungen seien gegeben, weil der Kläger Hausfassadenarbeiten durchgeführt habe, die eindeutig dem zulassungspflichtigen Maler- und Stuckateurhandwerk gemäß Anlage A zur Handwerksordnung unterlägen. Die gemeinsame Erklärung liege vor. Das öffentliche Interesse an der Untersagung der Fortsetzung des Betriebes überwiege das private Interesse des Klägers, denn es sei zum Schutz der Öffentlichkeit vor fachlich Unqualifizierten geboten, die Fortsetzung des Handwerksbetriebes zu untersagen. Ein Zustellungsnachweis findet sich in den Akten des Regierungspräsidiums Stuttgart nicht.

Am 10.04.2008 hat der Kläger Klage erhoben. Er trägt vor, nach dem Bescheid sei unklar, welche Handwerksleistungen dem Kläger weiterhin gestattet seien. Die Arbeiten bei der Firma H. GmbH seien zulassungsfrei, denn sie seien gemäß § 55 b Abs. 1 GewO im Rahmen des Geschäftsbetriebs dieser Firma ausgeführt worden. Bei einem Geschäftsbetrieb handle es sich nicht um Letztverbraucher. Der Kläger habe im stehenden Gewerbe keinen Betrieb des Maler- und Stuckateurhandwerks geführt. Durch die angefochtene Entscheidungen habe der Kläger an anderen Geschäftsbetrieben Außenarbeiten unterlassen, so dass ihm finanzielle Einbußen entstanden seien.

Der Kläger beantragt,

Die Beklagte beantragt,

Zur Begründung führt sie aus, Maler- und Lackiererarbeiten oder Stuckateurarbeiten seien unabhängig davon zulassungspflichtig, ob sie im stehenden oder im Reisegewerbe ausgeführt würden. Es komme daher auf die Frage, ob der Kläger einer Reisegewerbekarte zur Aufsuchung der Firma H. GmbH bedurfte oder ob diese aufgrund der Vorschrift des § 55 b GewO entbehrlich sei, nicht an. Dem Kläger seien nur Hausfassadenarbeiten untersagt worden; die zulässigen Innenraumarbeiten seien auch durch einen Hinweis zur Reisegewerbekarte genügend ausgrenzt. Auch bei Geschäftsbetrieben dürfe er aber nur zulassungsfreie Arbeiten im Inneren des Hauses, aber keine zulassungspflichtigen Außenarbeiten ausführen.

Dem Gericht liegen die Akten der Beklagten und die Widerspruchsakten des Regierungspräsidiums Stuttgart vor. Darauf wird wegen der weiteren Einzelheiten Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die Klage ist zulässig. Zwar lässt sich aus den Akten die Einhaltung der Klagefrist des § 74 Abs. 1 VwGO nicht erkennen. Dies liegt aber daran, dass sich in den Akten kein Zustellungsnachweis für den Widerspruchsbescheid des Regierungspräsidiums Stuttgart vom 07.03.2008 findet. Der Kläger hat am 10.04.2008 Klage erhoben. Da der 07.03.2008 ein Freitag war, ist es wahrscheinlich, dass der Widerspruchsbescheid erst am 10.03.2008 zugegangen ist. Die ordnungsgemäße Zustellung und deren Zeitpunkt hat aber die Beklagtenseite nachzuweisen.

II.

Die Klage ist begründet, denn die Handwerksuntersagung nach § 16 Abs. 3 HwO ist rechtswidrig und verletzt den Kläger in seinen Rechten (§ 113 Abs. 1 VwGO).

1. Gemäß § 16 Abs. 3 Satz 1 HwO kann die nach Landesrecht zuständige Behörde die Fortsetzung des Betriebs untersagen, wenn der selbstständige Betrieb eines zulassungspflichtigen Handwerks als stehendes Gewerbe entgegen den Vorschriften des Gesetzes ausgeübt wird. Diese Voraussetzungen liegen nicht vor, weil der Kläger das Malerhandwerk nicht als stehendes Gewerbe ausgeübt hat. Zwar hat der Kläger mit den Malerarbeiten ein zulassungspflichtiges Handwerk gemäß § 1 Abs. 1 HwO i. V. m. Anlage A zu § 1 Abs. 2 HwO ausgeübt. Er übte dies jedoch nicht als stehendes Gewerbe, sondern im Reisegewerbe aus. Daher ist die Vorschrift des § 16 Abs. 3 Satz 1 HwO schon nach ihrem Wortlaut nicht anwendbar. Das Reisegewerbe ist dadurch gekennzeichnet, dass der Unternehmer von sich aus unangemeldet zum möglichen Kunden kommt. Der Kläger ist am 10. und am 12. Juni 2006 bei der Ausführung der Fassadenarbeiten bei der Firma H. GmbH gesehen worden. Deshalb hörte die Beklagte den Vertreter dieser Firma, Herrn W., am 17.10.2007 zum Sachverhalt an. Herr W. gab an, dass der Kläger vor dem Beginn der Arbeiten von sich aus auf dem Firmengelände vorbeikam und anfragte, ob die Fassade gerichtet werden könne. Ein Kundenwunsch habe nicht vorgelegen, der Auftrag sei mündlich erteilt worden (vgl. /41 der Akten der Beklagten). Damit ist klar, dass der Kläger den Ort seiner Arbeit zum Aufsuchen einer Bestellung aus eigener Initiative aufgesucht hat. Zwar soll Herr W. gegenüber der Handwerkskammer zuvor etwas anderes gesagt haben (vgl. /38 der Akten); es ist aber davon auszugehen, dass Herr W. bei seiner offiziellen Anhörung in der Behörde letztendlich wahrheitsgemäße Angaben gemacht hat. Die Tätigkeit im Reisegewerbe setzt auch nicht voraus, dass die fraglichen gewerblichen Leistungen sofort ausgeführt werden können (vgl. BVerfG, Beschl. v. 27.09.2000 - 1 BvR 2176/98 -‚ GewA 2000, 480). Das Bundesverfassungsgericht führt zur Bestimmung des § 55 GewO ausdrücklich aus, dass eine Irreführung der Kundschaft nicht zu befürchten ist, denn eine Reisegewerbekarte hat nur derjenige beim Aufsuchen der Bestellung vorzuweisen, der kein stehendes Gewerbe angemeldet hat. Geht es also um handwerkliche Leistungen, ist dem Besteller hernach ohne weiteres bewusst, dass der Handwerker keinen Meisterbetrieb führt. Dies bedeutet, wie auch schon der Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg (Beschl. v. 20.11.1972 - VI 168/72 -‚ GewA 1973, 159) entschieden hat, dass die speziellen Anforderungen der Handwerksordnung an die Zulassung im Reisegewerbe nicht gelten und daher der Gesichtspunkt des Publikumsschutzes zurückzutreten hat. Der Gesetzgeber geht davon aus, dass die Kontrollmöglichkeiten der Gewerbeordnung für das Reisegewerbe ausreichend sind. Im vorliegenden Fall hätte die Gewerbeausübung des Klägers als Reisegewerbe gemäß § 60 d 1. V. m. § 55 Abs. 2 GewO verhindert werden können, weil der Kläger zum damaligen Zeitpunkt keine Reisegewerbekarte besaß. Dies ist allerdings mittlerweile anders.

Auf die Frage, ob die Tätigkeit des Klägers gemäß § 55b Abs. 1 Satz 1 GewO reisegewerbekartenfrei ist, kommt es danach nicht mehr an.

2. Die Handwerksuntersagung des Maler- und Stuckateurhandwerk als stehendes Gewerbe gegenüber dem Kläger verletzt diesen auch in seinen Rechten. Zwar wird ihm nichts untersagt, was ihm ansonsten erlaubt wäre, da diese Tätigkeit nur derjenige ausüben darf, der in die Handwerksrolle eingetragen ist. Der Bescheid hat aber zugleich auch eine feststellende Wirkung, indem er von weiterer Ausübung spricht und sich auf die Arbeiten des Klägers vom 10. und 12. Juni 2006 bezieht. Damit stellt die Behörde zu Unrecht einen Verstoß als Anlass für die ergangene Untersagung fest. Diese rechtswidrige Feststellung braucht der Kläger nicht zu dulden.

3. Auch die Zwangsmittelandrohung der Beklagten ist rechtswidrig. Dies ergibt sich daraus, dass die Vollstreckungsvoraussetzungen des § 2 LVwVG nicht vorliegen, weil die Verfügung vom 09.02.2007 nicht mit Sofortvollzug versehen wurde. Damit konnte auch keine Zwangsgeldandrohung nach § 18, 19, 23 LVwVG erfolgen.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO. Die Zuziehung eines Bevollmächtigten im Vorverfahren durch den Kläger war gemäß § 162 Abs. 2 Satz 2 VwGO notwendig, denn der Bürger ist in aller Regel nicht in der Lage, seine Rechte gegenüber der Behörde ohne fachkundigen Beistand ausreichend zu wahren.

Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 167 Abs. 2 VwGO i. V. m. § 709 ZPO.

Beschluss vom 11. September 2008

Der Streitwert wird gemäß § 52 Abs. 1 GKG auf

15.000,- €

festgesetzt.

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