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Neues aus dem Arsenal der Fahnderszene

Die "OwiSch-Datei" startet im September 2012 auch in Sachsen-Anhalt

Vor einigen Jahren wurde in Niedersachen eine "Datenbank für Erfassung von Ordnungswidrigkeiten im Bereich der Schwarzarbeitsbekämpfung der niedersächsischen Kommunen", kurz "OwiSch" eingeführt. Die OWiSch-Datei speichert niedersachsenweit Daten von Handwerkern, denen handwerks- und gewerberechtliche Ordnungswidrigkeiten nach dem Schwarzarbeitsbekämpfungsgesetz und der Handwerksordnung vorgeworfen werden.

Eine Clique aus Fahndern, Landräten und Landespolitikern in Niedersachsen wird nicht müde und entwickelt, weitgehend unbeobachtet von der Öffentlichkeit, immer neue Instrumente zur "Intensivierung der Bekämpfung von Schwarzarbeit". Tatsächlich geht es ihnen darum, freie Handwerker zu kriminalisieren und sie, so die Befürchtung eines Datenschützers, möglicherweise bei öffentlichen Ausschreibungen zu benachteiligen.

Bei der Konstruktion der Datenbank haben die Schwarzarbeitsbekämpfer ganze Arbeit geleistet und den gesetzlichen Rahmen sehr weit ausgeschöpft. Möglicherweise ist er sogar überschritten worden; bedenklich ist zum Beispiel die Tatsache, dass die Unschuldsvermutung bei OWiSch konsquent ausgeschaltet ist. Oh, Oh, Owisch... Wie aus einem Schreiben des Niedersächsischen Wirtschaftsministeriums hervorgeht, soll bereits bei Beginn von Ermittlungen im Rahmen eines Ordnungswidrigkeitsverfahren durch die kommunalen Verfolgungsbehörden, also schon in völlig unbewiesenen Verdachtsfällen, eine Speicherung erfolgen. Allein diese generelle Vorverurteilung von (meist anonym bezichtigten) Gewerbetreibenden ist skandalös. Doch es kommt noch besser: Werden Gewerbetreibende in einem späteren Verfahren rechtskräftig freigesprochen, bleiben ihre Daten trotzdem für zwei weitere Jahre gespeichert. Noch länger sind die Speicherfristen, wenn ein Bußgeld von mehr als 250 Euro verhängt wird: Daten bleiben dann sogar fünf Jahre lang gespeichert. Jede erneute Ermittlung gegen den Gewerbetreibenden stellt dann die Frist wieder her und es muss wiederum fünf Jahre auf die Löschung gewartet werden.

Die ungefähre Zahl der Betroffen liegt nach "Berechnungen" des niedersächsischen Wirtschaftsministeriums bei rund 3.000 im Jahr. Woher diese Zahlen stammen, ist völlig unklar. In Sachsen-Anhalt werden pro Jahr etwa 600 Bußgeldbescheide in Sachen Schwarzarbeit versandt; wie viele davon handwerks- und gewerberechtliche Verstöße betreffen, konnten die zuständigen Behörden nicht mitteilen.

Die Entstehung der OWiSch-Datei geht bis auf das Jahr 2000 zurück, erklärte Dieter Finke-Groene, damals Mittelstandsexperte im Wirtschaftsministerium, 2008 gegenüber der Braunschweiger Zeitung. Eingeführt wurde sie zuerst in Niedersachsen im Januar 2009, teilte das Wirtschaftsministerium in einer Pressemitteilung Ende Januar 2009 mit.

Marsch auf Magdeburg

Als OWiSch in Niedersachsen online ging, war das nächste Etappenziel schon angepeilt: Sachsen-Anhalt. Knapp drei Jahre später, kurz vor Weihnachten 2011, stimmte die dortige Landesregierung den Plänen zu, eine engere Zusammenarbeit mit den Verfolgungsbehörden in Niedersachsen aufzunehmen und die Datei künftig gemeinsam zu nutzen. Laut einer Pressemitteilung der Staatskanzlei Sachsen-Anhalt vom Dezember 2011 bereiten die Verwaltungsjuristen beider Länder derzeit den Abschluss einer "entsprechenden Verwaltungsvereinbarung vor, um den Informationsaustausch zwischen den Behörden weiter zu intensivieren".

Der Staat übernimmt diese Rolle im Rahmen des Zolls mit der "Finanzkontrolle Schwarzarbeit", insofern es um die Straftatbestände "Steuerhinterziehung" und den falschen Umgang mit "Sozialabgaben oder -ausgaben" geht. Im Bereich von bloßen VERDACHTSFÄLLEN auf ORDNUNGSWIDRIGKEITEN, wie etwa der unerlaubten Handwerksausübung, sind die Bundesländer zuständig. Dazu empfehlen wir einen Blick auf unsere Übersicht zum Aufgabenbereich des Schwarzarbeitsbekämpfungsgesetzes.

Wird sie beschlossen, dann erhalten, wie bereits heute in Niedersachsen, Tausende von Beamten und Verwaltungsmitarbeitern in den Ordnungs- und Gewerbeämtern eine umfangreiche Zugriffs- und Schreibberechtigung für die OWiSch-Datei. Natürlich, wie heute üblich, ganz bequem per Webanwendung vom behördlichen PC aus und in Zukunft, vermutlich auch mit entsprechenden Anwendungen, von mobilen Endgeräten aus. Das neu geschaffene "Instrument zur Schwarzarbeitsbekämpfung" kostet den Steuerzahler in Niedersachsen seit 2009 jährlich rund 50.000 Euro pro Jahr, die das Wirtschaftsministerium bereitgestellt hat. Sachsen-Anhalt hat 2011 45.000 Euro und in den Folgejahren jeweils 25.000 Euro für die Einführung und den Betrieb der Datenbank veranschlagt. Die Mittel stammen also aus den jeweiligen Landessäckeln, wohl damit es bei den finanziell klammen Kommunen gar nicht erst zu Widerstand kommt.

Kein Fall für den Datenschützer?

Widerstand gegen OWiSch kam leider auch nicht vom niedersächsischen Datenschutzbeauftragen, der während der Einführung gehört wurde, aber offenbar keinerlei Einwände dagegen hatte. Dafür spricht, dass OWiSch in seinen jährlichen Datenschutzberichten mit keiner Zeile erwähnt wird. Weder die Speicherung von unbewiesenen Verdachtsfällen noch die Speicherung von Daten rechtskräftig Freigesprochener gaben für ihn einen Anlass für Bedenken. Das Projekt konnte in Niedersachsen dementsprechend zügig und lautlos durchgezogen werden, denn "die Diskussion (mit dem Datenschutzbeauftragten) ging relativ schnell"

Doch ein Fall für den Datenschützer!

Kritischer beurteilt Dr. Harald von Bose, oberster Datenschützer in Sachsen- Anhalt, OWiSch und die geplante Übernahme in seinem Bundesland. von Bose lehnt die Datenbankanbindung zwar nicht grundsätzlich ab, monierte aber schon früh, dass geplant sei, bisher unbewiesene Verdachtsfälle zu speichern.

"Darin liegt eine mögliche Benachteiligung der Betroffenen bei der Vergabe öffentlicher Aufträge", gab er zu bedenken. Das gelte auch "für die zwei Jahre fortwährende Speicherung von rechtskräftig Freigesprochenen", notierte er zusätzlich in seinem Tätigkeitsbericht. In einer späteren Stellungnahme wird von Bose deutlicher, wohl um sich gegenüber dem Ministerium Gehör zu verschaffen, und stellte "erhebliche datenschutzrechtliche Unzulänglichkeiten" fest. Grund: Zwischenzeitlich hatte von Bose aus Niedersachsen den Entwurf der länderübergreifenden "Verwaltungsvereinbarung" zu OWiSch erhalten, und dieser Entwurf hatte es offenbar in sich, waren doch seine Hinweise "in keiner Weise beachtet worden" und sogar noch weitere "datenschutzrechtliche Unzulänglichkeiten" hinzugekommen. Weiter heißt es deshalb im Tätigkeitsbericht: "So versuchte man, den Datenschutz nach den unzutreffenden Bestimmungen des Bundesdatenschutzgesetzes statt nach Landesrecht zu regeln. Zugriff auf die OWiSch-Datenbank sollten auch das Landesverwaltungsamt und das Ministerium für Wirtschaft und Arbeit erhalten, die, zumindest nach dem SchwarzArbG und der HWO, keine Verfolgungsbehörden für Ordnungswidrigkeiten sind."

Schon das allein ist reichlich harter Tobak.

Am besten ohne Datenschützer!

Was der oberste Datenschützer von Bose dann weiter in seinem Tätigkeitsbericht vermerkt, dokumentiert einen politischen Skandal. Ganz offenbar hatte nämlich das Wirtschaftsministerium versucht, OWiSch rechtswidrig, unter Vorspiegelung falscher Tatsachen und hinter dem Rücken des Datenschutzbeauftragten zu installieren, indem es den Entwurf für eine Kabinettsvorlage auf den Weg brachte. Darin musste von Bose nicht nur lesen, dass das Vorhaben mit dem auch für Datenschutz zuständigen Ministerium des Innern abgestimmt sei, sondern auch, dass "der Landesbeauftragte für den Datenschutz [...] gegen eine gemeinsame Nutzung der Datenbank keine Bedenken" habe. Das war, so von Bose weiter, " unvollständig", verschweige es doch, dass er gegen verschiedene Verfahrenseinzelheiten "erhebliche datenschutzrechtliche Bedenken erhoben hatte und das Gesamtverfahren wegen bisher unterbliebener Vorlage aussagekräftiger Unterlagen überhaupt nicht umfassend prüfbar gewesen war".

Das Ministerium des Innern reagierte im Mitzeichnungsverfahren für die Kabinettsvorlage prompt und konsequent: Es erklärte das Vorhaben, auch wegen bestehender erheblicher datenschutzrechtlicher Bedenken, schlichtweg für "noch nicht kabinettsreif" und verweigerte die Mitzeichnung.

Gestoppt wurde das Verfahren durch die zahlreichen kritischen Passagen im Datenschutzbericht allerdings nicht, im Gegenteil: Nach neuesten Informationen soll die OWiSch-Datei in Sachsen- Anhalt voraussichtlich im September 2012 an den Start gehen, teilte das federführende Wirtschaftsministerium dem BUH mit.

Außerdem gibt es Hinweise darauf, dass OWiSch auch in Nordrhein-Westfalen eingeführt werden soll. Entsprechend äußerte sich jedenfalls der "Schwarzarbeitsfahnder" Heinrich Kahle am Rande der diesjährigen Bundesfahndertreffens, Ende Juni in Münster gegenüber der Deutschen Presseagentur dpa:

"Die Tagungsorganisatoren warben für eine in Niedersachsen entwickelte, bereits bestehende Datenbank der Kommunen, die Schwarzarbeit-Vergehen erfasst. Sie könne problemlos auf NRW erweitert werden. Eine solche Maßnahme würde insgesamt 10 000 Euro kosten, den NRW-Kommunen aber erstmals ermöglichen, überregional agierenden Schwarzarbeitern auch anderenorts Taten nachzuweisen." (lw)

Sachsen-Anhalt

Mit Fragen zur Schwarzarbeit und der OWiSch-Datei wandten wir uns kürzlich an das Wirtschaftsministerium von Sachsen-Anhalt.

Magdeburg (jk)-Auf die Frage, welcher Trend bei der Schwarzarbeit erkennbar ist, antwortete man uns, die Schwerpunkte lägen im Handwerksrecht, "insbesondere im Bereich Baugewerbe, Dachdeckerhandwerk, Straßenbau (Pflasterarbeiten) und im Schornsteinfegerwesen. [...] Schwerpunkte bilden weiterhin handwerkliche Betriebe im Reisegewerbe (Friseure etc.) und sogenannte 'Hausmeisterdienste', die regelmäßig nicht in die Handwerksrolle eingetragen sind, jedoch handwerkliche Arbeiten erbringen. Hauptsächlich in den ländlichen Gebieten werden Reisegewerbe mit den Gewerken Friseur, Maurer und Betonbauer, Dachdecker und Zimmerer angemeldet." In Sachsen-Anhalt ermittelt man wohl auch sogenannte "gewerbliche Schwarzarbeit" über "einschlägige Werbeanzeigen". Auf unsere Nachfrage, was darunter zu verstehen sei, antwortete das Wirtschaftsministerium:

"Der Begriff der Werbung ist gesetzlich nicht ausdrücklich definiert. Der allgemeine Sprachgebrauch verbindet mit dem Begriff der Werbung in erster Linie Maßnahmen eines Unternehmens, die auf Förderung des Absatzes seiner Produkte oder Dienstleitungen gerichtet sind. 'Einschlägige Werbeanzeigen' sind beispielsweise solche, bei denen ein Unternehmen eine breite Palette von Dienst- und Werkleistungen u.a. aus den unterschiedlichsten Handwerksbereichen an- bietet oder bei denen keine Firmierung erkennbar ist. (nicht abschließend)" Weiter befragt, wie und von wem die Daten ausgewertet werden sollen und wann ein "konkreter Verdacht" vorläge, der eine Kontrolle rechtfertige, bekamen wir folgende Auskunft: "Wie Sie schon richtig erkannten, werden stichprobenartig Anzeigen von den mit der Schwarzarbeit betrauten Mitarbeitern ausgewertet. Um diese auswerten zu können, müssen die Mitarbeiter natürlich einschlägige Anzeigen während der Arbeitszeit lesen. Auch dies gehört zur Beschaffung von Erkenntnissen und Daten. [...] Wie oben bereits dargestellt, besteht ein konkreter Verdacht bei umfangreichem handwerklichen Dienstleistungsangebot."

Wer sich also mit einem "umfangreichen" handwerklichen Dienstleistungsangebot bewirbt, macht sich der Schwarzarbeit verdächtig und auch reisegewerbetreibende Handwerker geraten schon allein wegen ihrer besonderen Gewerbeform ins Visier der Fahnder.

Eine Rechtsgrundlage zur Verfolgung von Werbung für ein zu "umfangreiches handwerkliches Angebot" oder das "Reisegewerbe" gibt es nicht. Aber natürlich werden Vertreter mancher Ämter weiterhin versuchen, so eine Rechtsgrundlage vor den Gerichten hinzubasteln.


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