http://www.buhev.de/ Berufsverband unabhängiger Handwerkerinnen und Handwerker
für Gewerbefreiheit auch im Handwerk - weg mit dem Meisterzwang
Start | Selbstständig ohne Meisterbrief | Probleme wegen Meisterzwang | Handwerkspolitik | Über den BUH

Was erwartet mich bei der Ordnungsbehörde, Bußgeld wegen Handwerksausübung, Hausdurchsuchung, Betriebsuntersagung, Betriebsprüfung, Abmahnung, Meisterzwang ist verfassungswidrig

Richterfortbildungen durch Handwerksorganisationen

Die Einflußnahme von Handwerksverbänden auf die Justiz hatte der BUH im Juni 2002 aufgrund einer geplanten Richterfortbildung zum Anlaß genommen. Gerichte und Justizministerien in dieser Sache anzuschreiben.

Nach unseren Informationen wurde wohl aufgrund unseres Schreibens diese Fortbildung abgesagt. Veranstaltung auf Lokaler Ebene haben nach unseren Informationen jedoch stattgefunden.

Zu anderen Zeit und anderem Ort haben wiederholt solche Veranstaltungen stattgefunden.

Dies soll als Dokumentation dienen, daß einflußreiche Interessenverbände nicht davor zurückschrecken die Unabhängigkeit der Justiz - ein Grundpfeiler eines Rechtsstaats - nachhaltig zu stören.

Brief an Gerichte und Jusitzministerien

Sehr geehrte Damen und Herren,

der westdeutsche Handwerkskammertag (WHKT) bietet am 26.06.02 in Schloß Raesfeld eine "Richter-Fortbildung" zum Thema "Handwerksrecht" an. Die Einladung der Richter wurde nach unseren Informationen in Zusammenarbeit mit dem Oberverwaltungsgericht Münster organisiert. Die Teilnahe von drei Handwerksrechtsexperten , die dem BUH nahestehen, wurde unter dem Vorwand mangelnden Platzes abgelehnt. Eine ausgewogene kontroverse Diskussion kann daher nicht stattfinden.

Handwerkskammern und ihre Vereinigungen - wie Handwerkskammertage - sind einseitige Interessenvertreter der handwerklichen Meisterbetriebe (vgl. z . B. §§ 90, 91 HwO) und bekämpfen seit Jahrzehnten mit massivem Einsatz - auch der Gerichte - handwerkliche Konkurrenten, die nicht in die Handwerksrolle eingetragen werden müssen (z. B. handwerksähnliche Betriebe, Minderhandwerker, unerhebliche handwerkliche Nebenbetriebe, Reisegewerbetreibende). Bei der geplanten Veranstaltung des WHKT zur "Richter-Fortbildung" in Raesfeld handelt es sich um eine Veranstaltung eines einseitigen Interessenvertreters, die geeignet ist die Neutralität der Rechtsprechung nachhaltig zu gefährden.

Den Handwerksorganisationen geht es bei ihrer einseitigen Interessenvertretung um die Wahrung hoher wirtschaftlicher Vorteile ihrer begünstigten Mitglieder. (Nach einer Studie des Ifo Instituts im Auftrag des Bundesministerium für Verkehr, Bau- und Wohnungswesen vom März 2002, sind die Baukosten wegen der Marktzugangs-beschränkungen durch die Handwerksordnung in Deutschland bis zu 30% höher als in vergleichbaren Nachbarländern). Handwerksorganisationen wenden erhebliche Mittel zur Beeinflussung der öffentlichen und juristischen Meinung im Sinnen eines Konkurrenzschutzes für Meisterbetriebe auf.

Fast alle juristischen Kommentatoren sind oder waren persönlich oder wirtschaftlich mit Handwerksorganisationen verbunden oder streben eine solche Verbindung an. Dies schlägt sich z. B. auch in der Auswahl der Urteile in dem "Taschenlexikon handwerksrechtlicher Entscheidungen" nieder. Der Herausgeber, der Rechtsanwalt Hans-Jürgen Aberle, war leitender Hauptgeschäftsführer des ZDH. Drei wichtige, den Handwerksorganisationen nicht genehme, höchstrichterliche Entscheidungen (1 BvR 608/99 vom 30.03.2000 (unerheblicher Nebenbetrieb), 1 BvR 2176/98 vom 27.09.2000 (Handwerksausübung im Reisegewerbe) - beide BVerfG und C-58/98 vom 03.10.2000 (Eintragungsnotwendigkeit in die Handwerksrolle von europäischen Betrieben in der Dienstleistungsfreiheit) EuGH) wurden in dieser Urteilssammlung nicht abgedruckt, obwohl die Möglichkeit und die sachliche Notwendigkeit hierfür bestand. Eine objektive Urteilsauswahl findet nicht statt. Entsprechendes gilt in vielfältiger Weise für die entsprechenden Handwerksrechtskommentare.

So wie die einseitige Urteilssammlung und Kommentar mit "Schlagseite", dient auch die vom WHKT für den 26.06.02 geplante "Richter-Fortbildung", der einseitigen Einflußnahme auf die Richterschaft, die man sich durch außenstehende nicht stören lassen will.

Die Richterschaft hat dieser Indoktrination in der Regel nicht genügend entgegen zu setzen, da sie

· wegen Gutgläubigkeit gegenüber Organisationen, die in öffentlich-rechtlicher Rechtsform auftreten und · mangels ausreichender Sachkenntnis

die Falschinformationen und Einseitigkeiten nicht ausreichend erkennt.

So wurde im Frühjahr 1998 auf eine Bitte an die Nordrhein-Westfälische Verwaltungsgerichtsbarkeit einen Experten des Handwerksrechts aus der Richterschaft für eine Anhörung im Deutschen Bundestag zu benennen mitgeteilt, man habe zwar viele Experten des Asylrechts, einen ausgewiesen Experten des Handwerksrechts aber gebe es in der gesamten Verwaltungsrichterschaft des mit Abstand größten Bundeslandes nicht.

Die seit Jahrzehnten andauernde umfängliche Einflußnahme auf die Richterschaft zeigt nach unserer Beobachtung auch deutliche Wirkung, zunächst in einem allgemeinen "Ausblenden" der Bedeutung des Grundrechts der Berufsfreiheit und der Einzelheiten der Begründung des Handwerksurteil vom 17.07 1961 (BVerfGE 1 BvL 44/55), aber auch in der konkreten Behandlung von Fällen: Z. B. bei einem Handwerksverfahren vor dem Verwaltungsgericht Regensburg wurde vom Fachrichter zu der BVerfGE 1 BvR 608/99 aus der Pressemitteilung der Handwerkskammer Niederbayern/Oberpfalz zitiert, das BVerfG habe mit dieser Entscheidung den Meisterbrief bestätigt. Davon steht in dem Urteil nichts; die Pressemitteilung der Handwerkskammer ist (wohl vorsätzlich) unrichtig. Das BVerfG hat in dem Urteil vielmehr festgestellt:

"Die Frage, ob die Anforderungen der Meisterprüfung angesichts geringerer Anforderungen an EU-Handwerker noch gerechtfertigt sind, kann hier dahingestellt bleiben. Denn der Beschwerdeführer macht in erster Linie geltend, dass die von ihm ausgeübten Tätigkeiten nicht den "Kern" eines bestimmten handwerklichen Berufs beträfen und damit als Minderhandwerk oder als Hilfsbetrieb ohne Eintragung in die Handwerksrolle ausgeübt werden dürften. Er behauptet hingegen nicht, die in der Verordnung über die für Staatsangehörige der Mitgliedstaaten der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft oder eines anderen Vertragsstaates des Abkommens über den Europäischen Wirtschaftsraum geltenden Voraussetzungen der Eintragung in die Handwerksrolle (EWG/EWR-Handwerk-Verordnung - EWG/EWR HwV) vom 4. August 1966 (BGBl I S. 469, zuletzt geändert durch Art. 4 des Zweiten Gesetzes zur Änderung der Handwerksordnung und anderer handwerksrechtlicher Vorschriften vom 25. März 1998 ) zu erfüllen und damit ebenso wie ein EU-Handwerker qualifiziert zu sein."

Nachdem die durch den Meisterzwang erzeugte Inländerdiskriminierung immer häufiger öffentlich diskutiert wird, haben die Handwerkskammern und ihre Organisationen nach unseren Informationen eine Argumentationshilfe dergestalt ausgearbeitet, daß eine Verletzung des Artikels 3 GG durch die bestehende (und in Österreich mittlerweile durch den Verfassungsgerichtshof abgeschaffte) Inländerdiskriminierung im Handwerksrecht allenfalls dann zu diskutieren wäre, wenn durch eine "Überschwemmung" des inländischen Handwerksmarktes durch begünstigte Bürger anderer EU-Staaten das Handwerk ernsthaft in wirtschaftliche Gefahr käme. Diese Argumentation ist im Hinblick auf Artikel 3, 12 GG und die einschlägige Rechtsprechung des Bundesverfassungsgericht und des EuGH geradezu absurd. Der Wettbewerbsschutz als Ziel des Meisterzwangs ist demnach ausdrücklich unzulässig, insbesondere Zulasten anderer EG-Bürger!

Im Urteil des Verwaltungsgerichts Karlsruhe ohne Datum, ergangen auf die mündliche Verhandlung vom 12.04.2002 Aktenzeichen 1 K 2703/01 findet sich auf Seite 10 dennoch die folgende Ausführung:

"Die Inländerdiskriminierung wäre erst dann verfassungsrechtlich bedenklich, wenn die Zahl der verfahrensmäßig privilegierten dienstleistenden EG-Handwerker so dramatisch zunehme, dass gerade wegen der Privilegierung ernste Wettbewerbsprobleme für inländische Handwerker enstünden".

Der Indoktrinierungsversuch des Handwerks wird also blind nachvollzogen.

Das Bundesverfassungsgericht hat seit dem Jahr 2000 in zahlreichen Entscheidungen den besonderen Stellenwert des Artikels 12 GG als Individualanspruch herausgehoben. Trotz dieser massiven und deutlichen verfassungsrechtlichen Rechtsprechung haben die Argumente des Bundesverfassungsgerichtes soweit ersichtlich so gut wie noch nirgends (Ausnahme eine Entscheidung des OVG Münster vom 02.01.2002) Eingang in die Handwerksrechtsprechung gefunden. Gleichzeitig stellen wir fest, daß seit der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts vom 30.03.2000 die Handwerkskammern und ihre Organisationen deutlich verstärkt nach außen hin ihre eigenen interessengeleiteten "Interpretationen" und Falschinformationen vortragen, in Presseerklärungen, Veranstaltungen und "Richter-Fortbildungen".

Wir sehen daher wieder einmal die Neutralität der Rechtsprechung in Gefahr und bitten Sie dringlich darauf hinzuwirken, daß Richter nicht mehr an Fortbildungsveranstaltungen der Handwerkskammern und ihrer Organisationen teilnehmen, wenn nicht durch die Ausrichtung der Veranstaltung gewährleistet ist, daß dort objektive Information erfolgt. Dies könnte beispielsweise dadurch geschehen, daß Vertreter anderer Interessengruppen an solchen Veranstaltungen beteiligt werden. Rechtsexperten, die Mitglieder des BUH vertreten (die Rechtsanwältin Hilke Böttcher und der Rechtsanwalt Walter Ratzke oder auch der Handwerksrechtskommentator Horst Mirbach), bieten sich hierfür an. Diese sind mit ihrer Argumentation in den letzten Jahren mehrfach beim Bundesverfassungsgericht durchgedrungen. Es dürfte bei objektivem Informationsbedürfnis für die Richterschaft mit Sicherheit von hohem Interesse sein, diejenigen Argumente kennen zu lernen, mit denen solche Verfahren beim Bundesverfassungsgericht im Sinne der Berufsfreiheit entschieden wurden.

In der Hoffnung auf eine positive Antwort verbleibe ich

mit freundlichen Grüßen

Weitere Informationen


http://www.buhev.de/

Bei Anmerkungen und Kritik freut sich der BUH über email, Post oder FAX an die Geschäftsstelle.

BUH e.V.: Artilleriestr. 6, 27283 Verden,
Tel: 04231-9566679, Fax: 04231-9566681, mail: BUHev-Buro


Startseite | Nachrichten | Handwerkspolitik | Presse | Handwerksrecht | Archiv/Suche | Links | Kontakt/Impressum