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Urteile zu: Meisterzwang, Betriebsuntersagungen (§ 16 HwO), Hausdurchsuchungen, Betretungsrecht der HwK nach § 17 HwO, Rechtsmittelverzicht

Oberlandesgericht Bamberg Az: 2 5s OWi 109/2005

(Abschrift)

BESCHLUSS

Der 2. Senat für Bußgeldsachen des Oberlandesgerichts Bamberg erlässt durch die Richterin am Oberlandesgericht Dr. Müller-Manger

in dem Bußgeldverfahren
gegen
xxx

- Verteidiger: Rechtsanwalt Walter Ratzke, Bahnhofstraße 7, 92507 Nabburg -.

wegen
Ordnungswidrigkeit nach der Handwerksordnung
am 26. Juli 2005
folgenden
Beschluss

Gründe:

I.

Das Amtsgericht verurteilte den Betroffenen am 08.11.2004 wegen sieben sachlich zusammentreffenden vorsätzlichen Fällen des selbstständigen Ausübens eines Handwerks ohne Eintrag in die Handwerksrolle - begangen im Zeitraum von 30.12. 2001 bis 02.02.2003 - zu sieben Geldbußen von je 200 €. Mit dem Antrag auf Zulassung der Rechtsbeschwerde rügt der Betroffene die Verletzung materiellen Rechts.

II.

Das Rechtsmittel des Betroffenen, das im Hinblick auf die verhängten sieben Einzelgeldbußen von 200 € zunächst als Antrag auf Zulassung der Rechtsbeschwerde bezeichnet wurde, ist gemäß § 79 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 OWiG als Rechtsbeschwerde statthaft und bedarf keiner Zulassung. Der selbstständige Betrieb eines Handwerks als stehendes Gewerbe, ohne in der Handwerksrolle eingetragen zu sein (§ 117 Abs. 1 i.V.m. § 1 HwO), stellt sich als ein Lebenssachverhalt dar und ist daher eine Dauerordnungswidrigkeit (Göhler OWiG 13. Aufl. § 79 Rn. 22, 23; OLG Düsseldorf NVWZ-RR 1999, 740). Es handelt sich um eine Tat im verfahrensrechtlichen Sinne (§ 46 Abs. 1 OWiG i.V.m. § 264 Abs. 1 StPO), was das Rechtsbeschwerdegericht in eigener Zuständigkeit zu prüfen und zu entscheiden hat, ohne an die Beurteilung des Tatrichters gebunden zu sein (BayObLG NStZ-RR 1997, 249; BayObLGSt 1994, 135/137). Bei der Anwendung des § 79 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 OWiG sind die einzelnen Geldbußen daher zusammenzurechnen (Göhler OWiG 13. Aufl. § 79 Rn. 3, 23).

III.

Die zulässige Rechtsbeschwerde ist begründet.

Abgesehen davon, dass das Urteil an einem gravierenden Darstellungsmangel leidet (§ 267 Abs. 1 StPO i.V.m. § 71 Abs. 1 OWiG), wie die Staatsanwaltschaft bei dem Rechtsbeschwerdegericht in ihrer Stellungnahme vom 18.02.2005 zutreffend ausführte, und die getroffenen Feststellungen den Schuldspruch ohnehin nicht tragen, ist das Urteil des Amtsgerichts aufzuheben und der Betroffene freizusprechen, weil sein Verhalten nach derzeitiger Rechtslage nicht mehr geahndet werden kann (§ 4 Abs. 30WiG).

1. Auf Grund des Bußgeldbescheides des Ordnungsamtes der Stadt Nürnberg vom 30.06.2003, der gerade noch den Anforderungen des § 66 Abs. 1 Nr. 3 OWiG entspricht, lag dem Betroffenen zur Last, im Rahmen seines bei der Stadt Nürnberg angemeldeten Gewerbes "System- und Messebau sowie Einbau industriell vorgefertigter Systemteile; Holz- und Bautenschutz, Trockenbau" in der Zeit vom 30.12.2001 bis 11.02.2003 wesentliche Tätigkeiten aus dem Fliesen-, Platten- und Mosaiklegerhandwerk als Werkleistungen im Gesamtumfang von 7.952,25 € (Anlage zum Bußgeldbescheid BI. 52d. A.) erbracht zu haben, ohne als Meister in die Handwerksrolle eingetragen zu sein.

Nach § 117 Abs. 1 Nr. 1 HwO i.d.F. vom 10.11.2001, gültig bis 31.12.2003 handelte ordnungswidrig, wer entgegen § 1 HwO ein Handwerk als stehendes Gewerbe selbständig betrieb. Gemäß § 1 Abs. 1 Satz 1 HwO a.F. war der selbstständige Betrieb eines Handwerks nur den in der Handwerksrolle eingetragenen Handwerkern gestattet. § 1 Abs. 2 HwO a.F. definierte den Handwerksbetrieb im Sinne der Handwerksordnung: Hiernach musste das Gewerbe handwerksmäßig betrieben werden und ein Gewerbe vollständig umfassen, das in der Anlage Azur Handwerksordnung aufgeführt war, oder es mussten Tätigkeiten ausgeübt werden, die für dieses Gewerbe wesentlich sind. Das Fliesen-, Platten- und Mosaiklegerhandwerk war in der Anlage A der damals geltenden Fassung der Handwerksordnung enthalten.

2. Seit 01.01.2004 ist die Neufassung der Handwerksordnung vom 24.12.2003 in Kraft getreten. In § 1 Abs. 1 HwO ist nur noch der selbstständige Betrieb eines zulassungspflichtigen Handwerks als stehendes Gewerbe den in der Handwerksrolle eingetragenen Handwerkern vorbehalten. Welche Gewerbe ein zulassungspflichtiges Handwerk darstellen, wird in § 1 Abs. 2 HwO mit Verweis auf die ebenfalls neu gefasste Anlage Azur HwO umschrieben. Da diese Anlage A nur noch gefahrgeneigte handwerkliche Berufe aufführt, ist das Handwerk des Fliesen-, Platten- und Mosaiklegers seit 01.01.2004 von der Zulassungspflicht ausgenommen. Wer Fliesenlegerarbeiten im Rahmen seines selbstständig ausgeübten Gewerbes erbringt, braucht nicht mehr in die Handwerksrolle eingetragen zu sein. Ordnungswidrig handelt nach § 117 Abs. 1 Nr. 1 HwO n.F. daher nur noch, wer entgegen § 1 Abs. 1 Satz 1 HwO n.F. ein zulassungspflichtiges Handwerk als stehendes Gewerbe selbstständig betreibt, ohne in die Handwerksrolle eingetragen zu sein.

Es kann daher dahinstehen, ob der Betroffene tatsächlich eine Ordnungswidrigkeit im Sinne des § 117 Abs. 1 HwO a.F. begangen hat; jedenfalls hätte er nach der im Zeitpunkt der Verurteilung geltenden Rechtslage nicht mehr schuldig gesprochen werden können.

3. Gemäß § 4 Abs. 1 OWiG bestimmt sich die Geldbuße nach dem Gesetz, das zur Zeit der Tat gilt. Wird das Gesetz, das bei Beendigung der Handlung gilt, vor der Entscheidung geändert, so ist das mildeste Gesetz anzuwenden (§ 4 Abs. 3 OWiG); die äußerste Milderung ist der Wegfall der Ahndbarkeit (BGHSt 20, 116/119 zu § 2 Abs. 3 StGB, dem § 4 Abs. 3 OWiG entspricht).

Die hier eingetretene Änderung betrifft die Bußgeldvorschrift unmittelbar. Die Handwerksordnung fasst am Schluss des Gesetzes in § 117 Abs. 1 HwO die Bußgelddrohung zusammen und verweist auf die vorangegangenen Tatbestände desselben Gesetzes; auch die Anlage A ist Bestandteil dieses Gesetzes. Durch die oben dargestellte Gesetzesänderung wurde das Tatbestandsmerkmal "Gewerbe, das in der Anlage A aufgeführt ist" eingeschränkt und auf "zulassungspflichtiges Handwerk nach der Anlage An beschränkt. Selbst wenn man die Anlage Aals blankettausfüllende Norm betrachten wollte, haben die in ihr aufgeführten einzelnen Gewerbe gleichwohl die Eigenschaft eines Tatbestandsmerkmals (Göhler OWiG 13. Aufl. § 4 Rn. 5 b). Da der Gesetzgeber das Gesetz in seinen Tatbestandsmerkmalen geändert hat, ist hierin eine Änderung" des Gesetzes im Sinne des § 4 Abs. 3 OWiG zu sehen (vgl. auch OLG Düsseldorf NJW 1991, 710 zur Änderung der räumlichen Beschränkung nach dem Asylverfahrensgesetz; OLG Frankfurt NStZ-RR 2001, 276 zur Änderung einer Verordnung bzgl. des Maulkorbzwangs). Der vorliegende Fall ist insbesondere vergleichbar mit den bereits vom Reichsgericht (RGSt 33, 184/186; 33, 187 ff; 34, 37 ff) entschiedenen Fällen zur Frage der Anwendung des § 2 Abs. 3 StGB jetzige Fassung): Mit Einführung des Handelsgesetzbuches zum 01.01.1900 wurde der Begriff des Vollkaufmanns i.S.v. § 4 HGB geändert, der Begriff des Minderkaufmanns erweitert. Die hierdurch erfolgte Einschränkung der Buchführungs- und Bilanzierungspflicht sah das Reichsgericht als Änderung eines Tatbestandsmerkmals des in Frage stehenden Konkursvergehens an, so dass kein Verstoß gegen gesetzliche Buchführungs- und Bilanzierungspflichten mehr gegeben war und der Tatbestand der Konkursstraftat nicht mehr erfüllt war.

Nicht entgegen stehen die Entscheidungen des BGH vom 27.04.2005 (StV 2005, 330) und 11.05.2005 (NStZ 2005, 408), wonach der Beitritt der osteuropäischen Staaten keine relevante Änderung des Einschleusungstatbestandes nach dem Ausländerstrafrecht im Sinne des § 2 Abs. 3 StGB darstellt, da in diesem Fall nicht die strafbewehrte Norm selbst geändert worden ist, sondern die Änderung nur durch eine außerstrafrechtliche Norm - das EU-Beitrittsvertragsgesetz - erfolgte, der ihrerseits nicht die Qualität eines Tatbestandsmerkmals zukommt.

4. Die Handwerksordnung alter Fassung war auch nicht nur ein Zeitgesetz im Sinne des § 4 Abs. 4 OWiG, bei dem ohne Rücksicht auf spätere Änderungen der zur Tatzeit bestehende Rechtszustand für die Entscheidung maßgebend ist. Ein Zeitgesetz im engeren Sinne ist ein Gesetz, dessen Außerkrafttreten kalendermäßig oder durch ein bestimmtes künftiges Ereignis festgelegt ist; im weiteren Sinne auch ein Gesetz, das erkennbar nur als vorübergehende Regelung für sich ändernde wirtschaftliche oder sonstige zeitbedingte Verhältnisse gedacht ist (BGH 20, 177/182; Göhler OWiG 13. Aufl. § 4 Rn. 10). Die hier anzuwendenden Normen der Handwerksordnung in der alten Fassung waren zweifelsohne nicht als vorübergehende Regelung gedacht.

5. Die nach § 4 Abs. 3 OWiG bedeutsame Gesetzesänderung ist in jeder Lage des Verfahrens, durch das Rechtsbeschwerdegericht auf die Sachrüge hin zu berücksichtigen (Göhler OWiG 13. Aufl. § 4 Rn. 9). Der Betroffene ist deshalb unter Aufhebung des angefochtenen Urteils freizusprechen. Auf die weiteren aufgeworfenen Rechtsfragen kommt es daher nicht an.

IV.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 467 Abs. 1 StPO LV.m. § 46 Abs. 1 OWiG.

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