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Was erwartet mich bei der Ordnungsbehörde, Bußgeld wegen Handwerksausübung, Hausdurchsuchung, Betriebsuntersagung, Betriebsprüfung, Abmahnung, Meisterzwang ist verfassungswidrig

Bundesverfassungsgericht verweist Handwerkskammern in Schranken

03.04.2007

Ein Prüf- und Betretungsrecht der Handwerkskammern bei Gewerbetreibenden besteht nur, wenn der Betriebsleiter in die Handwerksrolle eingetragen werden kann, d.h. wenn er einen Meisterbrief (oder eine Ausnahmebewilligung) besitzt. Dies hat das Bundesverfassungsgericht in seiner heute veröffentlichten Entscheidung (Az: 1 BvR 2138/05 vom 15.03.2007) festgestellt.

Walter Ratzke (Nabburg), der Rechtsanwalt des Beschwerdeführers stellt fest: „Es ist eine Blamage für das Verwaltungsgericht und den bayrischen Verwaltungsgerichtshof, dass die Richter dort den Fall nicht schon im Sinne meines Mandanten entschieden haben. Mein Vortrag vor Gericht - in diesem und auch in anderen Fällen - hat sich ausschließlich an der bisherigen Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts orientiert. Es ist erschreckend, wie wenig die Gerichte auf solche Argumentation von Betroffenen eingehen, sobald die Handwerkskammern in Prozessen beteiligt sind. Auch zu der Frage des Meisterzwangs sollte das Bundesverfassungsgericht nun eine Entscheidung treffen, nachdem es ja bereits im Dezember 2005 erhebliche verfassungsrechtliche Zweifel an dieser Einschränkung der Berufsfreiheit geäußert hat. Nun ist es an der Zeit über diese Zweifel auch zu entscheiden. Diese Rechtssicherheit brauchen Handwerker ohne Meisterbrief, denn die Handwerkskammern werden mit Sicherheit nicht ruhen der unzünftigen Konkurrenz das Leben schwer zu machen.“

BUH-Vorstandsmitglied Jonas Kuckuk: „Wir gratulieren dem Betroffenen und auch Herrn Ratzke, der viele Mitglieder des BUH in Streitigkeiten mit den Handwerkskammern vertritt, zu diesem Erfolg.“ Kuckuk rät Betroffenen, in Zukunft auf Anfragen der Handwerkskammern nur noch mitzuteilen, dass sie die Voraussetzungen für die Eintragung in die Handwerkrolle nicht erfüllten. „Auch nach dieser Entscheidung wird es nötig sein, sich gegen rechtswidrige Übergriffe der Handwerkskammern zur Wehr zu setzen“, meint Kuckuk.

Zu der Stellungnahme des ZDH zu der Verfassungsbeschwerde

Es ist müßig darüber zu spekulieren, ob nicht gerade die überzogenen Vorstellungen des ZDH die klaren Aussagen des Bundesverfassungsgerichts verursacht haben: Vorstellen kann man sich dies jedenfalls:

Aus der Stellungnahme des ZDH

Der Zentralverband des Deutschen Handwerks vertritt die Auffassung, dass sich das Nachschaurecht gemäß § 17 Abs. 2 HwO auch auf die Räumlichkeiten erstreckt, die sowohl geschäftlich als auch privat genutzt werden. Eine solche gemischte Nutzung" ist aus unserer Sicht bereits dann gegeben, wenn ein Gewerbetreibender seine geschäftliche Korrespondenz von seiner Privatwohnung aus tätigt und Geschäftsunterlagen in elektronischer oder anderer Form zu Hause aufbewahrt.
Das Grundrecht aus Art. 13 Abs. 1 GG schützt die Unverletzlichkeit der Wohnung, wozu nach ständiger Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts auch gewerblich genutzte Räumlichkeiten zählen. Es wird daher auch von unserem Haus nicht bestritten, dass bei einer Betriebsbesichtigung im Rahmen des § 17 Abs. 2 HwO ein Eingriff in den Schutzbereich des Art. 13 Abs. 1 GG gegeben sein könnte.
Bei der Entscheidung über die vorliegende Verfassungsbeschwerde kommt es dann nach unserer Auffassung auf die Frage an, ob der mit der Betriebsbesichtigung nach § 17 Abs. 2 HwO verbundene Grundrechtseingriff verfassungsrechtlich gerechtfertigt ist. Hier wäre letztendlich eine Abwägung zwischen dem Grundrechtsschutz des Art. 13 Abs. 1 GG und dem Anspruch des Staates - und damit der Gemeinschaft aller Bürger - auf die Einhaltung bzw. Durchsetzung der objektiven Rechtsordnung vorzunehmen.
Der Beschwerdeführer trägt im wesentlichen vor - ob dies den Anforderungen an einen substantiierten Vortrag genügt, ist von uns nicht zu bewerten -‚ dass eine Betriebsbesichtigung gemäß § 17 Abs. 2 HwO auch einen erheblichen Eingriff in seine Privatsphäre darstelle, denn er unterhalte lediglich ein kleines Lager für die von ihm verwendeten Materialien und bewahre im Übrigen Geschäftsunterlagen etc. in seiner Privatwohnung auf.
Nach der von unserem Haus vertretenen Auffassung darf allerdings ein behördliches Betretungs- und Besichtigungsrecht nicht auf ausschließlich gewerblich genutzte Räumlichkeiten und Grundstücke beschränkt sein, sondern muss sich auf alle Einrichtungen erstrecken, die der Gewerbetreibende im Zusammenhang mit der Führung seines Unternehmens nutzt, auch wenn dies im Einzelfall mit einer teilweisen privaten Nutzung zusammenfällt. Diese Meinung hatte auch schon die Bundesregierung in ihrer Stellungnahme zum Verfahren 1 BvR 280/66 vertreten. Denn Betretungs- und Besichtigungsrechte sind für die jeweils zuständigen Behörden in vielfacher Weise gesetzlich geregelt. Als Beispiele seien angeführt: § 22 Gaststättengesetz, § 9, 15 Heimgesetz, § 200 Abs. 2 Abgabenordnung, § 3, 4 Schwarzarbeitsbekämpfungsgesetz, § 11 Abs. 2 Absatzfondsgesetz und § 288a Abs. 2, 319 Abs. 1 SGB III.
Vor dem Hintergrund der Tatsache, dass es aufgrund der technologischen Entwicklung problemlos möglich ist, die Verwaltung eines Gewerbebetriebs im Wesentlichen mittels eines Notebooks und eines Telefons tätigen zu können, ist es fraglich, ob Räumlichkeiten, die zugleich teils gewerblich, teils privat genutzt werden, unter einen gesteigerten verfassungsrechtlichen Schutz gestellt werden dürfen. Es wird damit nämlich dem einzelnen Bürger ermöglicht, sich bewusst gesetzlich festgelegten Auskunfts- und Offenlegungspflichten zu entziehen, indem der komprimierte Bestand an Geschäftsunterlagen einfach in die Privatwohnung verbracht wird. Damit würde die Verfassung in einer Weise ausgelegt, die letztendlich "rechtsfreie" Räume für diejenigen schafft, die sich bewusst gegen die Rechtsordnung stellen.
Auch ist hier zu beachten, dass eine behördliche Kontrolle - wie hier die Nachschau gemäß § 17 Abs. 2 HwO gegenüber einem primär auf Bestrafung ausgerichteten Verfahren, einschließlich einer möglichen Durchsuchung und Beweissicherung, ohne Zweifel das weitaus mildere Mittel ist und alleine wegen der bestehenden Möglichkeit einer Kontrolle, mit der jeder dem jeweils betroffenen Personenkreis Angehörende rechnen muss, jenseits von Strafvorschriften eine präventive und keine repressive Wirkung entfaltet. Diese Wirkung würde jedoch nachhaltig beschränkt, wenn Kontrollmöglichkeiten über Gebühr beschnitten werden. Dies wäre geradezu eine Einladung an diejenigen, die sich gegen die Rechtsordnung stellen wollen, weil eine solche Auslegung der Grundrechte gleichzeitig eine Anleitung für "schwarze Schafe" darstellt, sich wirksam behördlichen Kontrollen zu entziehen.
Dieser Personenkreis ist bei den hier im Mittelpunkt stehenden Betriebsbesichtigungen durch die Beauftragten der Handwerkskammern aber schon durch § 17 Abs. 3 HwO hinrechend geschützt. Danach kann der Auskunftspflichtige die Auskunft auf solche Fragen verweigern, deren Beantwortung ihn selbst oder einen der in § 383 Abs. 1 Nr. 1 bis 3 Zivilprozessordnung bezeichneten Angehörigen der Gefahr strafrechtlicher Verfolgung oder eines Verfahrens nach dem Gesetz über Ordnungswidrigkeiten aussetzen würde.
Ohne dem Beschwerdeführer im vorliegenden Verfahren rechtsuntreues Verhalten unterstellen zu wollen, ist hier grundsätzlich die Frage zu klären, ob der Staat wegen des hohen Schutzgutes der Grundrechte zumindest partiell Bereiche akzeptieren will und muss, in denen sich Bürger gesetzlich angeordneten Kontrollen durch die zuständigen Behörden entziehen können, oder die Einhaltung der Rechtsordnung unter bestimmten Voraussetzungen auch im gemischt genutzten Bereich kontrollieren und damit mittelbar durchsetzen kann.

Weitere Informationen

Presseberichte zu der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts


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