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Urteile zu: Meisterzwang, Betriebsuntersagungen (§ 16 HwO), Hausdurchsuchungen, Betretungsrecht der HwK nach § 17 HwO, Rechtsmittelverzicht

Oberlandesgericht Köln - Beschluss 81 Ss-OWi 68/07 vom 27. Dezember 2007

Abschrift

81 Ss-OWi 68/07
- 226 B -

Oberlandesgericht Köln

Beschluss

In der Bußgeldsache

gegen
xxx
wegen
Verstoßes gegen die Handwerksordnung

hat der 1. Senat für Bußgeldsachen des Oberlandesgerichts Köln

auf die Rechtsbeschwerde des Betroffenen gegen das Urteil des Amtsgerichts Bergheim vom 7. August 2007

nach Anhörung der Generalstaatsanwaltschaft

in der Besetzung gemäß § 80 a Abs. 1 OWIG

durch den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht Schröders

am 27. Dezember 2007
beschlossen:

Das angefochtene Urteil wird mit seinen Feststellungen aufgehoben. Die Sache wird zur erneuten Verhandlung und Entscheidung - auch über die Kosten der Rechtsbeschwerde an das Amtsgericht Bergheim zurückverwiesen.

Gründe:

I.

Das Amtsgericht hat den Betroffenen wegen Betreibens eines zulassungspflichtigen Handwerks als stehendes Gewerbe, ohne in die Handwerksrolle eingetragen zu sein, zu einer Geldbuße von 3.140 Euro und wegen Nichtanzeige des Betriebes eines zulassungsfreien Handwerkes zu einer Geldbuße von 500,00 Euro verurteilt (angewendete Vorschriften: §§ 8 Abs. 1 Nr. 1 e SchwarzArbG, 1 Abs. 1, 118 Abs. 1 Nr. HandwO).

Die Rechtsbeschwerde des Betroffenen rügt die Verletzung formellen und materiellen Rechts.

II.

Das Rechtsmittel hat (vorläufigen) Erfolg. Es führt gemäß §§ 353 StPO, 79 Abs. 3 S. 1 OWiG zur Aufhebung des angefochtenen Urteils und zur Zurückverweisung der Sache an das Amtsgericht (§ 79 Abs. 6 OWJG).

Die den Feststellungen zum Schuldspruch zugrunde liegende Beweiswürdigung hält der Überprüfung aufgrund der Sachrüge nicht stand.

Dazu heißt es im angefochtenen Urteil:

"Dieser Sachverhalt steht zur Überzeugung des Gerichts fest. Der Betroffene ist ihm in der Sache nicht entgegengetreten."

Diese Würdigung ist materiell-rechtlich unvollständig (vgl. SenE v. 20.11.2007 - 83 Ss-OWi 74/07 -).

Auch im Bußgeldverfahren muss das Urteil erkennen lassen, auf welche Tatsachen das Gericht seine Überzeugung gestützt hat, ob und ggf. wie sich der Betroffene eingelassen hat und ob das Gericht dieser Einlassung (und warum) folgt oder ob und inwieweit es seine Einfassung für widerlegt ansieht (ständige Senatsrechtsprechung, vgl. nur SenE v. 18.01.1991 - Ss 630/90 = wistra 1991, 194; SenE v. 24.03.1994 Ss 105/94 = VRS 87, 205; SenE v. 16.10.1998 - Ss 476/98 = DAR 1999, 88; SenE v 06.07.2001 = VRS 101. 218; SenE v. 19.06.2002 - Ss 92/02 B = StraFo 2002, 295 = VRS 103, 207 = NuR 2002, 635; vgl. Göhler, OWiG, 14. Auflage, § 71 Rn. 43 mit zahlreichen weiteren Rechtsprechungsnachweisen).

Zu alledem ist dem Urteil des Amtsgerichts nichts zu entnehmen. Das Tatgericht hat weder mitgeteilt, auf welchen Beweisergebnissen seine Überzeugung beruht, noch wie sich der Angeklagte eingelassen hat. Der "Beweiswürdigung" kann auch nicht etwa entnommen werden, dass die Feststellungen zum Schuldspruch auf einem Geständnis des Betroffenen beruhen. Dem Umstand, dass der Betroffene dem "Sachverhalt" "in der Sache nicht entgegengetreten" ist, lässt sich ein solches nicht entnehmen.

Für die neue Hauptverhandlung weist der Senat auf Folgendes hin:

Der etwaigen Zuwiderhandlung des Betroffenen ist ein deutlich geringeres Gewicht beizumessen, falls nur der Formalakt der Eintragung in die Handwerksrolle fehlte, er die materiellen Anforderungen für die Eintragung aber erfüllte (vgl. Senat GewArch 1994, 247, 248; Göhler a. a. O, § 17 Rn. 16)1 . Bei der Klärung dieser - schon den Schuldumfang und damit den Schuldspruch betreffenden - Fragestellung wird das Tatgericht - auch im Hinblick auf die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts, vgl. BVerfG GewArch 2006, 71; NVwZ 2007, 1048 - die geltenden Ausnahmeregelungen - ggf. sachverständig beraten durch die Verwaltungsbehörde - zu berücksichtigen haben2 (§ 7 Abs. 2 HandwO n.F ; "Verordnung über die Anerkennung von Prüfungen für die Eintragung in die Handwerksrolle" v. 29.06.2005 - BGBl. I S. 1935 [PrüfAnerkVO], durch die die Verordnung über die Anerkennung von Prüfungen bei der Eintragung in die Handwerksrolle und beider Ablegung der Meisterprüfung im Handwerk" v. 02.11.1982 - BGBl. I S. 1935 - abgelöst worden ist [jeweils bei Beck online> Suche> …]).

In den Urteilgründen sind die für die Bemessung der Höhe der Geldbuße bestimmenden Umstände nachvollziehbar anzuführen. Soll durch die Geldbuße entsprechend § 17 Abs. 4 OWiG der wirtschaftliche Vorteil, den der Täter aus der Ordnungswidrigkeit gezogen hat, abgeschöpft werden, so setzt dies zunächst eine möglichst konkrete Gewinnermittlung voraus (SenE v. 25.07.2006 - 82 Ss-OWi 39/06 ; vgl. Göhler a.a.O, § 17 Rn. 45). Soweit eine konkrete Gewinnermittlung nicht oder nur mit unverhältnismäßigen Mitteln möglich wäre, ist auch eine Schätzung des Gewinns erlaubt (vgl. OLG Hamm GewArch 1993, 245; SenE a.a.O.; Göhler a.a.O.).

Schröders


Anmerkungen

1 Das Gericht hält eine Strafe von € 500,- für eine fehlerhafte Gewerbeanmeldung zumindest dann für ungerechtfertigt, wenn einer korrekten Gewerbeanmeldung nichts im Wege gestanden hätte, d.h. wenn es nur um den formalen Akt der Gewerbeanmeldung ging. Wegen einer fehlende Anmeldung von Tätigkeiten die im Minderhandwerk, als zulassungsfreies Handwerk oder als handwerksähnliches Handwerk ausgeführt werden können, müsste das Bußgeld zumindest deutlich niedriger ausfallen. Nach Auffassung des BUH wären die Ordnungsbehörden zunächst dazu verpflichtet, den Betroffenen auf eine solche fehlende Gewerbeanmeldung hinzuweisen. Die Behörde müsste den Betroffenen auch umfassend darüber informieren, welche Tätigkeiten er in welchem Unfang mit welcher Gewerbeanmeldung ausführen darf. - Nur dazu fehlt den Behörden in der Regel das nötig Fachwissen.

2 Hier bestätigt die Ordnungsbehörde oder spätestens das Gericht die Auffassung des BUH, dass vor einem Bußgeldverfahren zunächst geprüft werden muss, ob ein Betroffener eine Ausnahmebewilligung oder eine Ausübungsberechtigung erhalten könnte. Auch müsste vor Verhängung eines Bußgeldes geprüft werden, ob der Betroffene aus anderen Gründen in die Handwerksrolle eingetragen werden könnte. Hierbei kommen nicht nur die Kenntnisse und Fertigkeiten des Unternehmers selber, sondern auch die Voraussetzungen all seiner Mitarbeiter in Frage, aufgrund derer das Unternehmen in die Handwerksrolle eingetragen werden könnte. Damit folgt das OLG Köln den Vorgaben aus der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts 1 BvR 1730/02 vom 50.12.2007 Abs. 30

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