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Dürfen Handwerkskammern die Erteilung von Ausübungsberechtigungen nach § 7b und Ausnahmebewilligungen nach §§ 8 und 9 Handwerksordnung übertragen bekommen ?

In Schleswig-Holstein wie auch in anderen Bundesländern haben die Landesregierungen die Erteilung von Ausübungsberechtigungen nach § 7b Ausnahmebewilligungen nach § 8 HwO an die Handwerkskammern übertragen.

Gesetzliche Grundlage ist § 124b Handwerksordnung:

§ 124b Die Landesregierungen werden ermächtigt, durch Rechtsverordnung die nach diesem Gesetz den höheren Verwaltungsbehörden oder den sonstigen nach Landesrecht zuständigen Behörden übertragenen Zuständigkeiten nach den §§ 7a, 7b, und 9 auf andere Behörden oder auf Handwerkskammern zu übertragen. Die Staatsaufsicht nach § 115 Abs. 1 umfasst im Falle einer Übertragung nach Satz 1 auch die Fachaufsicht.

Wir halten diese Regelung für verfassungswidrig. Ablehnungen von Ausübungsberechtigungen oder Ausnahmebewilligungen durch eine Handwerkskammer sind deswegen nichtig.

Unsere Rechtsauffassung wurde im wesentlichen von der Bundesregierung bestätigt.

Der Bundesrat hatte gefordert dieses rechtswidrige Verhalten durch eine Gesetzesänderung zu legalisieren. Dies hat die Bundesregierung abgeleht.

Dieser Vorgang ist dokumentiert in der Stellungnahme des Bundesrats zu der "Großen Handwerksnovelle" mit der Gegenäußerung der Bundesregierung. (BT-DrS. 15/1481 pdf 241 kb)

In seiner Stellungnahme zum Gesetzentwurf der Bundesregierung zur Handwerksordnung hat der Bundesrats gefordert (Seite 11):

11. Die Bundesregierung wird gebeten, in den Gesetzentwurf eine Ermächtigungsgrundlage aufzunehmen, die den Ländern das Recht einräumt, die Entscheidung über alle Ausnahmebewilligungs- und Ausübungsberechtigungsentscheidungen auf andere Behörden zu übertragen, ohne die Handwerkskammern auszuschließen.

Die Bundesregierung dies ausführlich begründet abgeleht (Seite 23 f):

Zu Nummer 11
Der Vorschlag wird abgelehnt.
Die Entscheidungszuständigkeit über die Ausübungsberechtigung nach § 7a HwO und die Ausnahmebewilligungen nach den §§ 8, 9 HwO obliegt derzeit der höheren staatlichen Verwaltungsbehörde. Nach § 7b Abs. 2 des Gesetzentwurfs ist die höhere Verwaltungsbehörde auch für die Erteilung der Ausübungsberechtigung für langjährige Gesellen nach dieser Vorschrift zuständig (Artikel 1 Nr. 10). Mit § 8 Abs. 3 Satz 4 besteht bereits eine Ermächtigungsgrundlage zur Übertragung der genannten Entscheidungen auf andere Behörden. Die Handwerksordnung ermöglicht nach geltender Rechtslage jedoch nicht die Übertragung der Entscheidung auf die Handwerkskammern. Es ist auch nicht beabsichtigt, solche Übertragungsmöglichkeiten zu eröffnen.
Die Bundesregierung sieht sich in dieser Haltung durch den Beschluss derWirtschaftsministerkonferenzvom14./15. Mai 2003 in Berlin bestätigt. Mit dem Beschluss hat es die Wirtschaftsministerkonferenz mit großer Mehrheit abgelehnt, das Bundesministerium für Wirtschaft und Arbeit aufzufordern, einen Gesetzentwurf vorzulegen, in dem den Handwerkskammern Aufgaben nach den §§ 7a, 8, 9 HwO übertragen werden. Seitdem sind keine Änderungen der Sach- und Rechtslage eingetreten, die eine andere Beurteilung rechtfertigen.
Eine Handwerkskammer ist grundsätzlich keine Behörde nach § 8 HwO, sondern nur dann und nur insoweit, als ihr eine bestimmte staatliche Aufgabe übertragen worden ist und sie in dieser Funktion tätig wird. Dies ist im Rahmen der staatlichen Aufgabe der Entscheidung über Ausnahmebewilligungsanträge nicht der Fall. Die Handwerkskammer hat hierbei die gesetzliche Funktion als "Beteiligte", die im Ausnahmebewilligungsverfahren an der Entscheidung der Behörde dadurch mitwirkt, dass sie von dieser anzuhören ist. Der Gesetzgeber hat mit der Handwerksordnung von 1953 die Zuständigkeit der höheren Verwaltungsbehörde übertragen, "da damit in jedem Falle konkurrenzliche Gesichtspunkte ausgeschaltet sind" (Gesetzesbegründung). Das Ziel eines objektiven und neutralen Gesetzesvollzugs durch staatliche Behörden hat der Gesetzgeber bei allen späteren Änderungen der HwO aufrechterhalten.
Die Erfahrungen des Bundesministeriums für Wirtschaft und Arbeit bestätigen die Richtigkeit der Entscheidung von 1953.
Nach der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts vom 17. Juli 1961 (BVerfGE 13, 97) ist die Möglichkeit der Ausnahmebewilligung die verfassungsrechtliche Voraussetzung für die Zulässigkeit der staatlichen Meisterprüfung. Die Bundesregierung ist der Auffassung, dass deshalb auch die verfassungsgerichtlich geforderte großzügige Handhabung des "Ausnahmefalls" und die gesetzmäßige Handhabung des Befähigungsnachweises und des Verfahrens zur Erteilung der Ausnahmebewilligung gesichert bleiben muss. Dies ist bei staatlichen Behörden eher gewährleistet. Deren Entscheidungspraxis steht unter Fachaufsicht der Länder. Die Handwerkskammern unterstehen nur der Rechtsaufsicht der Länder.
Interessenkonflikte der Handwerkskammern können dazu führen, dass Ausnahmebewilligungen erschwert, verzögert oder verstärkt abgelehnt werden. Dies stünde im Gegensatz zur gebotenen Großzügigkeit mit möglichen verfassungsrechtlichen Risiken für die Berufsfreiheit (Artikel 12 GG). Die mit den "Leipziger Beschlüssen" des Bund-Länder- Ausschusses Handwerksrecht zum Vollzug der genannten Entscheidungen unternommenen Anstrengungen, angesichts vorliegender Erfahrungen einen großzügigen Vollzug zu gewährleisten, würden ins Leere laufen, da die Handwerkskammern, anders als die staatlichen Behörden, durch diese Beschlüsse nicht gebunden sind. Auch ist insbesondere eine großzügige Anwendung des § 7b HwO nur dann zu erwarten, wenn die Entscheidung auch im Fall dieser Vorschrift bei der staatlichen Behörde liegt.
Hinzu kommen verfassungsrechtliche Risiken aus Artikel 20 Abs. 2 Satz 2 GG (demokratische Legitimation der Verwaltung durchWeisungsgebundenheit gegenüber der Regierung für den Vollzug der Gesetze), weil auf Fachaufsicht in Angelegenheiten verzichtet würde, die bisher in landesunmittelbarer Verwaltung wahrgenommen werden. Die Ausnahmebewilligung als verfassungsrechtlicher Alternativweg zur Meisterprüfung würde im Falle der Übertragung auf die Handwerkskammern zur "Selbstverwaltungsangelegenheit" der Handwerkskammern ohne Fachaufsicht. Eine allgemeine Bedingung für die Selbstverwaltungstauglichkeit von Verwaltungsaufgaben ist, dass ein abgrenzbarer Kreis von typischerweise Betroffenen, d. h. von Trägern eines gleichgerichteten Interesses, vorhanden sein muss. Dies ist vorliegend nicht der Fall, da die Handwerkskammer als Organisation ihrer Pflichtmitglieder über die Zulassung Externer zum Wettbewerb mit den Mitgliedern der Organisation entscheiden würde.
Des Weiteren bestünde die Gefahr, dass der Berufszugang zur selbständigen Handwerksausübung von den einzelnen Handwerkskammern unterschiedlich gehandhabt würde, und zwar ohne Möglichkeit einer bundesweit einheitlichen Koordinierung. Auch hieraus können sich im Hinblick auf den Gleichbehandlungsgrundsatz des Artikels 3 GG verfassungsrechtliche Risiken ergeben.

Kommentare in der Literatur

Raimond W. Wagner kommentiert diese Regelung in seinem Buch "Der Zugang zum Handwerksberuf" (Seiten 142) wie folgt:

Die Vorschrift § 124b HwO stellt den absoluten Tiefpunkt der Novelle [2004] dar. Inhaltlich regelt sich den Gehalt des § 8 Abs. 3 Satz 4 HwO zunächst noch einmal. Was darüber hinaus geht ist höchst bedenklich. Die Entscheidung, ob jemand einen Beruf ausüben darf, ist grundrechtssensibel und darf nicht von einer Organisation oder Stellt getroffen werden, die gerade die Interessen der Konkurrenten des Berufseinsteigers zu vertreten hat. Die neu eingefügte Fachaufsicht vermag hier kein Korrelat darzustellen.

Zuständig zur Erteilung von Ausnahmebewilligungen und Ausübungsberechtigungen

Baden-Württemberg: Handwerkskammer seit 01.01.2005
HwK-Freiburg
HwK-Mannheim
Bayern: Handwerkskammer
Bremen: Anscheinend die Handwerkskammer
Hamburg: Handwerkskammer
Anordnung über Zuständigkeiten nach der Handwerksordnung in Hamburg
Hessen
Wiesbaden oder Kassel beim Dezernat Gewerberecht des Regierungspräsidiums
Mecklenburg-Vorpommern: Übertragung an Handwerkskammer in einigen Bezirken - Landesweite Übertragng ist beabsichtigt
Niedersachsen: Handwerkskammern
Nordrhein-Westfalen: Handwerkskammern seit dem 1.07.2006
Rheinland-Pfalz
Aufsichts- und Dienstleistungsdirektion (ADD) (ist eine zentrale Verwaltungsbehörde des Landes Rheinland-Pfalz.)
Ab 01.10.2005 bekommen die Handwerkskammern die Zuständigkeit für Ausnahmebewilligungen, Ausübungsberechtigungen übertragen
Saarland: Handwerkskammer seit 01.01.2006
Handwerksordnung-Zuständigkeitsverordnung Saarland
Sachsen
Regierungsbezirk Leipzig
Regierungsbezirk Chemnitz
Sachsen-Anhalt: Handwerkskammer seit 01.01.2005
Schleswig-Holstein: Handwerkskammer seit 2004
HwK Flensburg
Thüringen
Thüringer Landesverwaltungsamt (ThürLVwA), Referat Handwerks- und Gewerberecht

Im Jahresbericht 2004 des ZDH wird behauptet: Im Laufe des Jahres 2005 werden in elf Ländern die Handwerkskammern etwa für die Erteilung von Ausübungsberechtigungen und Ausnahmebewilligungen zuständig sein.

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