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Was erwartet mich bei der Ordnungsbehörde, Bußgeld wegen Handwerksausübung, Hausdurchsuchung, Betriebsuntersagung, Betriebsprüfung, Abmahnung, Meisterzwang ist verfassungswidrig

Hausdurchsuchungen wegen angeblich unerlaubter Handwerksausübung

Möglicher Verstoß gegen § 117 Abs. 1 Nr. 1 HwO oder § 2 Abs. 1a Nr. 2 SchwArbG (bis Ende Juli 2004 § 1 Abs. 1 Nr. 3 SchwarArbG)

Ein Brief vom BUH an die Amtsgerichte in Deutschland vom 09.09.2002

Sehr geehrte Damen und Herren,

zur Zeit sind mindestens sieben Verfassungsbeschwerden gegen Durchsuchungsbeschlüsse und Beschlagnahmungen wegen angeblich unerlaubter Handwerksausübung beim Bundesverfassungsgericht anhängig. Berichterstatter ist Herr Mellinghoff, die Verfahren haben folgende Aktenzeichen: 2 BvR 1006/01, 2 BvR 1332/01, 2 BvR 361/02, 2 BvR 427/02, 2 BvR 449/02, 2 BvR 532/02, 2 BvR 620/02)

Das Verfassungsgericht hat die zuständigen Bundesländer, den Zentralverband des deutschen Handwerks und den BUH um Stellungnahmen zu den Verfassungsbeschwerden gebeten. Im Anschreiben des Verfassungsgerichts heißt es:

"Es wird gebeten insbesondere zu der Frage Stellung zu nehme, ob die Durchsuchungs- und Beschlagnahmebeschlüsse im Hinblick auf eine richterliche Verhältnismäßigkeitsprüfung erkennen lassen müssen, ob und inwieweit der Anfangsverdacht sich auf eine Ordnungswidrigkeit nach § 117 Abs. 1 HandwO oder auf eine nach § 1 Abs. 1 SchwazArbG stützt."

Es kann damit gerechnet werden, daß die anhängigen Verfassungsbeschwerden zumindest in wesentlichen Teilen Erfolg haben werden.

Der Zentralverbandes des deutschen Handwerks hat in seiner Stellungnahme vom 20.06.2002 zu den Verfassungsbeschwerden die Auffassung vertreten:

"Allerdings läßt sich vor Durchführung von Durchsuchungs- und Beschlagnahmemaßnahmen in vielen Fällen der tatsächliche Umfang handwerklicher Leistungen unter Verstoß gegen die Eintragungspflicht in die Handwerksrolle nicht abschließend abschätzen"

Diese Aussage entspricht auch unseren Beobachtungen: Vor der Durchsuchung liegen in der Regel noch nicht genügend Informationen für die Bejahung eines starken Tatverdachts vor, die meisten Erst-Informationen können auch auf Fälle legaler Gewerbeausübung zutreffen.

Ob sich dann nach der Hausdurchsuchung überhaupt ein realer Tatverdacht bestätigt, ist höchst fraglich!

Das heißt : die Durchsuchung dient in der Regel der Ausforschung, was unzulässig ist !

Nach der "Unschuldsvermutung" hingegen muss in solchen Fällen eine Durchsuchung abgelehnt werden, d.h. in der Regel bereits wegen nicht ausreichenden Tatverdachts hinsichtlich des objektiven Tatbestands.

Der Grundsatz ist die Berufsfreiheit des Art. 12 Abs.1 GG, nicht der Meisterzwang ! Informationen, die sowohl auf Fälle legaler Gewerbeausübung als auch auf Fälle von Handwerksausübung i.S.d. § 1 HwO hindeuten können, dürfen daher keinesfalls als Indiz für Handwerksausübung i.S.d. § 1 HwO gewertet werden, im Gegenteil. Aus der Tatsache, dass eine Tätigkeit einem Ausbildungsberufsbild eines Handwerks nach Anlage A zur HwO angehört, ergibt sich nur eine bloße Möglichkeit der Handwerklichkeit, keine Wahrscheinlichkeit. Erst wenn die üblichen Möglichkeiten legaler Gewerbeausübung

mit erheblicher Wahrscheinlichkeit ausgeschlossen werden können, kann man von einem Indiz für einen Verstoß gegen § 1 HwO ausgehen.

Ordnungsbehörden unterlassen es regelmäßig diese entlastenden Tatbestandsvarianten zu prüfen und den die Durchsuchungen anordnenden Gerichten mitzuteilen. Diese entlastenden Tatbestände kann nicht nur ein Beschuldigter vorbringen, sondern die Ermittlungsbehörde wäre verpflichtet, diese von sich aus zu ermitteln (siehe § 160 Abs. 2 StPO).

In den Verfassungsbeschwerden wird weiter gerügt, daß die Durchsuchungsbeschlüsse schon deswegen Verfassungswidrig sind, weil der dahinter stehende Meisterzwang verfassungswidrig ist. Er verstößt gegen Artikel 12 GG (freie Berufsausübung). Weiterhin sind die gesetzlichen Regelungen zur HwO und deren Abgrenzungsbestimmungen zu unbestimmt. Sie verstoßen daher gegen Artikel 20 in Verbindung mit 103 Abs. 2 GG. Darüber hinaus erzeugt der Meisterzwang durch § 9 HwO eine Inländerdiskriminierung und verstößt deswegen gegen Artikel 3 GG (Gleichbehandlungsgebot).

Die Durchsuchungsbeschlüsse selber verletzen die Unverletzlichkeit der Wohnung (Artikel 13 GG). Angesichts der Geringfügigkeit der persönlichen Schuld von Handwerkern ohne Meisterbrief, die von öffentlicher Seite keine verbindlichen verfassungskonformen Auskünfte bekommen, welche Tätigkeiten sie ausüben dürfen und welche nicht, sind die Durchsuchungen unverhältnismäßig.

Im Sommer 2000 hat der BUH die Wirtschaftsministerien von Bund und Länder angeschrieben mit der Bitte um praxistaugliche handwerksrechtliche Abgrenzungskriterien. Aus diesem Briefwechsel geht eindeutig hervor, daß die Wirtschaftsministerien keine praxistauglichen Hinweise geben können oder wollen, welche Tätigkeiten als unerlaubte Handwerksausübung gelten.

Berlin, Senatsverwaltung für Wirtschaft und Technologie vom 04.09.00:

"Allerdings ist die Problematik [der handwerksrechtlichen Abgrenzungsfragen] zu komplex, um Ihnen vorweg genau mitteilen zu können, was noch tolerierbar ist und was die Grenzen des Erlaubten übersteigt. Es kommt hier in der Regel auf viele Nuancen des Einzelfalles an, die in einem Schreiben gedanklich nicht vorwegnehmbar sind."

Nordrhein-Westfalen vom 24.08.00:

"Die Frage, ob eine wesentliche Tätigkeit eines Handwerks ausgeübt wird oder nicht, kann vielmehr nur unter Berücksichtigung aller Gesamtumstände beantwortet werden."

Wir bitten Sie - schon wegen der Prozeßökonomie - bis zu einer im Bälde zu erwartenden Entscheidung des Verfassungsgerichts keine Durchsuchungsbeschlüsse wegen angeblichen Verstößen gegen § 117 Abs. 1 Nr. 1 HwO oder § 1 Abs. 1 Nr. 3 SchwarArbG zu erlassen.

Mit freundlichen Grüßen

Anlage: Check-Liste aus 3/1.8 in Horst Mirbach, Die neue Handwerksordnung, Loseblattsammlung, Forum-Verlag; Merching, 2002

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