Was erwartet mich bei der Ordnungsbehörde, Bußgeld wegen Handwerksausübung, Hausdurchsuchung, Betriebsuntersagung, Betriebsprüfung, Abmahnung, Meisterzwang ist verfassungswidrig
In letzter Zeit gehen Handwerkskammern (oder auch Innungen oder Kreishandwerkerschaften und andere Verbände wie die Zentrale zur Bekämpfung unlauteren Wettbewerbs) vermehrt mit Abmahnungen gegen Konkurrenz ohne Meisterbrief vor. Ziel dieser Abmahnungen ist, daß Unternehmer ohne Meisterbrief ihren Geschäftsbetrieb stark einschränken oder ganz einstellen.
In den Abmahnungen wird der Vorwurf erhoben, der Betroffen würde Schwarzarbeit betreiben oder für Schwarzarbeit werben. Dies sei unlautere Werbung oder unlauterer Wettbewerb.
Bei solch einer Abmahnungen wird in der Regel einen strafbewehrte Unterlassungserklärung verlangt, die an den Abmahner zurück geschickt werden sollen.
Wir gehen davon aus, dass solche Abmahnungen der Handwerkskammern oder anderer nicht zulässig sind:
Die Werbung für Tätigkeiten die man selber nicht ausführen darf kann kein Verstoß gegen die Regeln des Wettbewerbs sein, denn man darf ja für Tätigkeiten werben, die man nicht selber ausführt, sondern von anderen ausführen läßt.
Solche Abmahnungen - insbesondere, wenn sie sich gegen die Tätigkeit und nicht "nur" gegen die Werbung richten - sind eine sehr ernste Bedrohung für ein Unternehmen. Es empfiehlt sich hierbei ein auf Handwerksrecht spezialisierten Anwalt zu konsultieren.
Auch bei Abmahnungen und Unterlassungserklärungen müssen die Grundrechte beachtet werden. Die Ausstrahlungswikung von Grundrechten muß auch in zivilrechtliche Verträgen - wie solchen Unterlassungserklärungen beachtet werden. Dies hat das Bundesverfassungsgericht im sogenannten Lüth-Urteil (siehe BVerfGE 7, 198 vom 15. Januar 1958 entschieden. Dort heißt es:
Ohne Zweifel sind die Grundrechte in erster Linie dazu bestimmt, die Freiheitssphäre des einzelnen vor Eingriffen der öffentlichen Gewalt zu sichern; sie sind Abwehrrechte des Bürgers gegen den Staat. Das ergibt sich aus der geistesgeschichtlichen Entwicklung der Grundrechtsidee wie aus den geschichtlichen Vorgängen, die zur Aufnahme von Grundrechten in die Verfassungen der einzelnen Staaten geführt haben. Diesen Sinn haben auch die Grundrechte des Grundgesetzes, das mit der Voranstellung des Grundrechtsabschnitts den Vorrang des Menschen und seiner Würde gegenüber der Macht des Staates betonen wollte. Dem entspricht es, daß der Gesetzgeber den besonderen Rechtsbehelf zur Wahrung dieser Rechte, die Verfassungsbeschwerde, nur gegen Akte der öffentlichen Gewalt gewährt hat.
Der Rechtsgehalt der Grundrechte als objektiver Normen entfaltet sich im Privatrecht durch das Medium der dieses Rechtsgebiet unmittelbar beherrschenden Vorschriften. Wie neues Recht im Einklang mit dem grundrechtlichen Wertsystem stehen muß, so wird bestehendes älteres Recht inhaltlich auf dieses Wertsystem ausgerichtet; von ihm her fließt ihm ein spezifisch verfassungsrechtlicher Gehalt zu, der fortan seine Auslegung bestimmt. Ein Streit zwischen Privaten über Rechte und Pflichten aus solchen grundrechtlich beeinflußten Verhaltensnormen des bürgerlichen Rechts bleibt materiell und prozessual ein bürgerlicher Rechtsstreit. Ausgelegt und angewendet wird bürgerliches Recht, wenn auch seine Auslegung dem öffentlichen Recht, der Verfassung, zu folgen hat.
Der Einfluß grundrechtlicher Wertmaßstäbe wird sich vor allem bei denjenigen Vorschriften des Privatrechts geltend machen, die zwingendes Recht enthalten und so einen Teil des ordre public - im weiten Sinne - bilden, d. h. der Prinzipien, die aus Gründen des gemeinen Wohls auch für die Gestaltung der Rechtsbeziehungen zwischen den einzelnen verbindlich sein sollen und deshalb der Herrschaft des Privatwillens entzogen sind. Diese Bestimmungen haben nach ihrem Zweck eine nahe Verwandtschaft mit dem öffentlichen Recht, dem sie sich ergänzend anfügen. Das muß sie in besonderem Maße dem Einfluß des Verfassungsrechts aussetzen. Der Rechtsprechung bieten sich zur Realisierung dieses Einflusses vor allem die "Generalklauseln", die, wie § 826 BGB, zur Beurteilung menschlichen Verhaltens auf außer-zivilrechtliche, ja zunächst überhaupt außerrechtliche Maßstäbe, wie die "guten Sitten", verweisen. Denn bei der Entscheidung darüber, was diese sozialen Gebote jeweils im Einzelfall fordern, muß in erster Linie von der Gesamtheit der Wertvorstellungen ausgegangen werden, die das Volk in einem bestimmten Zeitpunkt seiner geistig-kulturellen Entwicklung erreicht und in seiner Verfassung fixiert hat. Deshalb sind mit Recht die Generalklauseln als die "Einbruchstellen" der Grundrechte in das bürgerliche Recht bezeichnet worden (Dürig in Neumann-Nipperdey- Scheuner, Die Grundrechte, Band II S. 525).
Der Richter hat kraft Verfassungsgebots zu prüfen, ob die von ihm anzuwendenden materiellen zivilrechtlichen Vorschriften in der beschriebenen Weise grundrechtlich beeinflußt sind; trifft das zu, dann hat er bei Auslegung und Anwendung dieser Vorschriften die sich hieraus ergebende Modifikation des Privatrechts zu beachten. Dies ist der Sinn der Bindung auch des Zivilrichters an die Grundrechte (Art. 1 Abs. 3 GG). Verfehlt er diese Maßstäbe und beruht sein Urteil auf der Außerachtlassung dieses verfassungsrechtlichen Einflusses auf die zivilrechtlichen Normen, so verstößt er nicht nur gegen objektives Verfassungsrecht, in dem er den Gehalt der Grundrechtsnorm (als objektiver Norm) verkennt, er verletzt vielmehr als Träger öffentlicher Gewalt durch sein Urteil das Grundrecht, auf dessen Beachtung auch durch die rechtsprechende Gewalt der Bürger einen verfassungsrechtlichen Anspruch hat. Gegen ein solches Urteil kann - unbeschadet der Bekämpfung des Rechtsfehlers im bürgerlich-rechtlichen Instanzenzug - das Bundesverfassungsgericht im Wege der Verfassungsbeschwerde angerufen werden.
Insbesondere muß das Grundrecht auf Berufsfreiheit gewahrt bleiben. Deswegen dürfen keine Tätigkeiten mit untersagt werden, die man ausüben darf. Und zweitens muß eine Unterlassungsverpflichtung so genau gefaßt sein, daß man daraus ablesen kann, welche Tätigkeiten man ausüben darf. Hierbei kann die Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts zu Gewerbeuntersagungen wegen Verstößen gegen das Handwerksrecht als Richtschnur dienen.
Gesetzliche Grundlage für solche Abmahnungen ist das Gesetz gegen den unlauteren Wettbewerb (pdf)
Das Gesetz zur Bekämpfung der Schwarzarbeit (SchwArbG) bietet keine Rechtsgrundlage für Unterlassungserklärungen. Eine Gewerbeuntersagung müßte von den Ordnungsbehörden über Verwaltungsgerichte durchgesetzt werden.
Unterlassungsverpflichtungserklärungen werden häufig abgegeben, weil den Betroffenen der Eindruck vermittelt wird, sie dürften alle Tätigkeiten eines Handwerks nicht ausüben. Dies ist jedoch falsch. Die Abmahner stellen hier regelmäßig die Rechtslage zumindest fahrlässig falsch dar. Deswegen dürften aus solchen Unterlassungserklärungen kein Anspruch zu begründen sein, die Vertragsstrafe zahlen zu müssen. Im Urteil Az: 6 U 141/97 vom 11. März 1998 vom OLG Karlsruhe heißt es:
"Die zulässige Berufung der Klägerin bleibt erfolglos, die ebenfalls zulässige Berufung der Beklagten hat Erfolg. Der Klägerin steht gegen die Beklagte aus der Unterlassungsverpflichtungserklärung vom 11. Juli 1996 ein Anspruch auf Zahlung einer Vertragsstrafe nicht zu, da die Beklagte von der Klägerin durch eine zumindest fahrlässig begangene falsche Darstellung der Rechtslage zur Abgabe dieser Erklärung veranlaßt worden ist und deshalb nach den Grundsätzen über die culpa in contrahendo deren Aufhebung verlangen kann."
Bei Anmerkungen und Kritik freut sich der BUH über email, Post oder FAX an die Geschäftsstelle.
BUH e.V.: Artilleriestr. 6, 27283 Verden,
Tel: 04231-9566679, Fax: 04231-9566681,
mail: BUHev-Buro
Startseite | Nachrichten | Handwerkspolitik | Presse | Handwerksrecht | Archiv/Suche | Links | Kontakt/Impressum