BUH-Stellungnahmen, Argumente gegen den Meisterzwang, Studien zum Meisterzwang, Qualität, Ausbildungsleistung, Inländerdiskriminierung, Meisterzwang ist verfassungswidrig
In Zeiten hoher Arbeitslosigkeit werden Existenzgründungen und damit mögliche Arbeits- und Ausbildungsplätze durch die Handwerksordnung erheblich behindert.
Vielen unserer Mitglieder ist es verboten, ihren Lebensunterhalt selbständig mit ihrer Hände Arbeit im erlernten Beruf zu verdienen. Deswegen ist die Verwirklichung der Gewerbefreiheit im Handwerk das wichtigste Ziel des Berufsverbands unabhängiger Handwerkerinnen und Handwerker. Dabei soll der Meisterbrief durchaus erhalten bleiben und durch eine Verbesserung der Meisterausbildung attraktiver werden.
Aber auch ohne Meisterbrief muß die Selbständigkeit im gesamten Handwerk möglich sein!
Die Handwerksordnung reguliert die Berufszulassung und -ausübung. Für die in Anlage A der Handwerksordnung aufgeführten Berufe, ist der selbständige Betrieb eines Handwerks im stehenden Gewerbe nur einer natürlichen oder juristischen Person gestattet, die in der Handwerksrolle eingetragen ist (§ 1 Abs. 1 Satz 1 HwO). Voraussetzung zur Eintragung in die Handwerksrolle ist eine bestandene Meisterprüfung (§ 7 Abs. 1 Satz 1 HwO). Zulassungsvoraussetzung für diese Prüfung sind in der Regel eine Gesellenprüfung und die mehrjährige Tätigkeit als Geselle (§ 49 HwO). Juristische Personen können sich in die Handwerksrolle eintragen lassen, sofern sie einen Betriebsleiter einstellen, der die Voraussetzungen für die Eintragung in die Handwerksrolle erfüllt; gleiches gilt für eine Personengesellschaft (nur mit einem persönlich haftenden Gesellschafter) (§ 7 Abs. 4 Satz 1 HwO).
In Ausnahmefällen kann eine Eintragung in die Handwerksrolle auch ohne abgelegte Meisterprüfung erfolgen. Dies ist möglich durch:
Keine Eintragung in die Handwerksrolle benötigen
Michael Wörle schreibt hierzu in seinem Buch
Selbständig ohne Meisterbrief:
Diese vielen Möglichkeiten erleichtern einen - an sich
unhaltbaren - Zustand, sie können ihn jedoch m. E. nicht
rechtfertigen. Sie sind zudem permanent gefährdet, durch eine
erhebliche Rechtsun sicherheit und durch einen von den
Handwerksorganisationen gesteuerten Informationsmangel der Betrof
fenen. Denn eine unparteiische Hilfestellung ist von diesen
Organisationen nicht zu erwarten.
Ein Problem für Gewerbetreibende im handwerklichen Bereich ist, daß – wie der Jurist Professor Strober es ausdrückt – im Handwerk so gut wie alles umstritten ist. Hierbei handelt es sich um folgende Fragen:
Den Einschätzungen von Wörle und Strober können wir uns nur anschließen. Aus eigener Erfahrung und unserer Beratungspraxis wissen wir, daß zahlreiche Existenzgründungen und Betriebsübernahmen wegen der Handwerksordnung unterbleiben. Diejenigen, die eine Möglichkeit, ohne Eintragung in die Handwerksrolle tätig zu sein nutzen, sind in ihrer wirtschaftlichen Betätigung wegen der bestehenden Rechtsunsicherheit erheblich einge schränkt. Dies führt dazu, daß trotz ausreichender Auftragslage auf Einstellungen verzichtet wird.
Existenzgründungswillige haben den Eindruck, daß sie vor der Selbständigkeit ein Jurastudium absolvieren müßten. Auch das Rechtssystem könnte entlastet werden, wenn diese unsinnigen Marktzugangshürden abgebaut würden.
Betroffen von der Handwerksordnung sind alle, die handwerkliche Tätigkeiten gewerbemäßig ausführen wollen. Besonders hart trifft es all jene, die eine mehrjährige Berufsausbildung absolviert und langjährige Berufserfahrung vorzuweisen haben, und trotzdem ihren erlernten Beruf nicht selbständig ausüben dürfen. Dies sind nicht nur die Handwerksgesellen, sondern auch Absolventen zahlreicher Industrielehren und Menschen, die auf andere Weise profunde handwerkliche Kenntnisse erlangt haben.
Der Handwerksjurist Horst Mirbach schätzt, daß ca. 80% der rund 350 Berufe des dualen Ausbildungssystems bezüglich der Selbständigkeit in diesen Berufen durch die Handwerksordnung reglementiert werden. Beispielsweise unterliegt ein Beton- und Stahlbetonbauer (Industrie) wegen der Ähnlichkeit der Tätigkeit zum Betonstein- und Terrazzohersteller (Handwerk) der Handwerksordnung. Wegen der Schwierigkeiten, die Berufe klar voneinander abzugrenzen, wird bei Streitigkeiten nur geprüft, ob z.B. der Beton- und Stahlbetonbauer auch Tätigkeiten des Betonstein- und Terrazzo-her steller-handwerks ausübt und der Betrieb die typische Größe eines Handwerksbetriebs hat. Da Existenz gründer mit wenigen Mitarbeitern anfangen, werden solche Betriebe dem Handwerk zugeordnet. Eine Existenzgründung ist nicht nur den erfahrenen Handwerksgesellen sondern auch den Industriefacharbeitern verboten.
Vielen Fachhochschul- und Hochschulabsolventen wird die Eintragung in die Handwerksrolle verweigert (z.B. Restauratoren).
Auch für Menschen ohne formalen Ausbildungsabschluß ist es
schlichtweg unverständlich, daß bestimmte Tätigkeiten,
die im privaten Bereich jedermann erlaubt sind und von fast jedem
geschickten Heimwerker bewerkstelligt werden können, dann
rechtswidrig werden, wenn damit ein selbständiges Gewerbe
ausgeübt wird. Zehntausende von Mark investieren und 5-7 Jahre
angestellt sein, nur um ein Zimmer zu streichen, Fahrräder, die ich
schon als Jugendlicher in- und auswendig kannte, zu reparieren, um ein
Waschbecken herum zu fliesen, ...?
so fragen Betroffene.
Wir beobachten immer wieder, daß Arbeitgeber (Meister) verhindern, daß die angestellten Gesellen die Meisterausbildung absolvieren. Die Arbeitgeber setzen die Mitarbeiter unter Druck, die Ausbildung nicht zu machen und drohen auch offen, ihre Beziehungen zu den Meisterprüfungskommissionen Spielen zu lassen, um zu erreichen, daß ihre Angestellten die Meisterprüfung nicht bestehen werden. So sichern die Arbeitgeber sich nicht nur Arbeitnehmer, die ohne die zeitliche Einschränkung der Meisterausbildung Überstunden leisten können, sondern sie verhindern auch, daß diese mit dem Argument eines weiteren Qualifikationsnachweises höherer Gehälter fordern können und insbesondere brauchen die Arbeitgeber so nicht zu befürchten, daß ihre Mitarbeiter z.B. bei ungenügender Bezahlung oder schlechtem Betriebsklima sich selbständig machen. Schon allein die Möglichkeit sich selbständig zu machen, würde für alle im Handwerk Tätigen die Verhandlungsposition verbessern.
Für Gesellen mit langjähriger Berufserfahrung, die im Minderhandwerk, im handwerksähnlichen Gewerbe oder Reisegewerbe ausbildungsnah tätig sind, ist es erniedrigend, daß sie trotz steuerlicher Offenlegung, trotz Mitgliedschaft bei der Berufsgenossenschaft, trotz Betriebshaftpflicht-, Kranken- und Rentenversicherung, ständig in Sorge vor einer Verfolgung, wegen angebliche unerlaubter Handwerksausübung sein müssen.
Die Rechtsunsicherheit, bezüglich der verschiedenen Abgrenzungsfragen hat für diese Menschen dramatischen Folgen. Immer wieder werden sie von den Ordnungsämtern überprüft, ob sie die unklaren Grenzen der Vorbehaltsbereiche des Vollhandwerks verletzt haben. In der Praxis bedeutet dies, daß die Kunden des Gewerbetreibenden angeschrieben werden und erfragt wird, welche Arbeiten sie ausgeführt haben. Dem Betroffenen, der davon lebt, daß ihm sein guter Ruf vorauseilt, wird durch diese Überprüfung der Ruf geschädigt, die Kundschaft verschreckt und damit die Existenz zerstört - unabhängig davon, ob er sich einen Fehler hat zu Schulden kommen lassen oder nicht. Diese Überprüfungspraxis ist existenzzerstörend und unverhältnismäßig.
Die Gründe, den Meisterbrief nicht erwerben zu können oder es nicht zu wollen, sind individuell sehr unterschiedlich.
Während der Nutzen des Großen Befähigungsnachweises
[Meisterzwang] zweifelhaft erscheint, sind die Kosten erheblich. An
erster Stelle zu nennen sind dabei jene gesellschaftlichen Kosten, die
sich aus der Beschränkung der Freiheitsrechte einer Vielzahl von
Bürgern durch den Großen Befähigungs-nach-weis ergeben,
weil er ihnen ein breites Spektrum selbständiger wirtschaftlicher
Betätigung versperrt oder sie in die Illegalität der
Schwarzarbeit drängt. Kosten fallen weiterhin durch hohe Preise oder
geminderten Service infolge der Beschränkung des Wettbewerbs an.
Kosten entstehen auch durch den Mangel an Flexibilität, der sich aus
der viel zu langsamen Anpassung der berufsrechtlichen
Hand-werks-abgrenzungen an den technischen Fortschritt und an die
Veränderung von Verbraucher-bedürfnissen ergibt.
Kostenträchtig sind schließlich die Umgehungspraktiken sowie
die vielen Prozesse, in denen darum gestritten wird, ob ein Handwerker
die oft wenig klaren Grenzen seines Gewerbes überschritten hat.
(Deregulierungskommission 1991)
Was in der Wissenschaft seit Jahren als Zauberwort der Innovation gehandelt wird - die Interdisziplinarität - wird durch die engen Marktzugangsregeln im Handwerk verhindert. Wer Tätigkeiten aus mehreren Handwerken ausüben will, muß langwierige Anerkennungen über sich ergehen lassen. Leidtragende hiervon sind erstens die Kunden, die Leistungen aus einer Hand bevorzugen würden, und zweitens die Wirtschaft insgesamt, der die Innovation fehlt, die gerade von Handwerkern initiiert werden könnte, die profunde Kenntnisse in mehreren Handwerken haben und diese ausführen dürften. Möglichkeiten gewerk-über-greifend zu arbeiten, sind trotz der Novellierungen der Handwerksordnung von 1994 und 1998 zu eng.
Verschiedene wirtschaftswissenschaftliche Gutachter erwarten übereinstimmend positive Auswirkungen auf das Arbeitsplatzangebot und einen Rückgang der Schwarzarbeit und Schattenwirtschaft.
Die OECD beklagt seit Jahren, daß in Deutschland die Selbständigenquote zu gering sei. Sie sagt, mit entsprechenden Rahmen-bedingungen, könne man in Deutschland 500.000 neue Selbständige bekommen. Nach verschiedenen Schätzungen könnten zwischen 200.000 und 500.000 Arbeitsplätze im Handwerk entstehen, wenn in diesem Wirtschaftsbereich die Gewerbefreiheit eingeführt würde.
Die Bundestagsdrucksache 13/10495 bestätigt, daß die Handwerksordnung die Gründungsdynamik wesentlich dämpft. Dort ist von einer Gründungsquote von 5% im Handwerk im Gegensatz zu 11% in der Gesamtwirtschaft die Rede.
Der ZDH hat den Umfang der Schwarzarbeit im Handwerksbereich auf ein Volumen von 100 Milliarden DM für 1999 geschätzt. Das entspricht über 700.000 Vollzeitarbeitsplätzen im Handwerk. Als Schwarzarbeiter im Handwerk gilt, "wer ein Handwerk als stehendes Gewerbe selbständig betreibt, ohne in der Handwerksrolle eingetragen zu sein." (Gesetz zur Bekämpfung der Schwarzarbeit §1)
Wer wegen fehlendem Meisterbrief keine Eintragung in die Handwerksrolle erhält, hinterzieht auch häufig Steuern, um nicht anhand der steuerlichen Offenlegung der unerlaubten Gewerbeausübung überführt zu werden.
Diejenigen, die heute im Handwerk schwarz arbeiten, haben häufig großes Interesse daran, legal arbeiten zu dürfen. Wenn sie legal arbeiten dürften, hätte das viele Vorteile für sie:
Der hier angesprochene Zusammenhang, zwischen Meisterzwang und Schwarzarbeit im Handwerk, wird auch in dem Buch "Schattenwirtschaft und Schwarzarbeit" von Prof. Dr. Friedrich Schneider und Dominik Enste vom Dez. 1999 bestätigt. In der Studie heißt es, daß der Meisterzwang einen Starken Einfluß auf die Zunahme der Schwarzarbeit hat. Weiter: "Höhere Strafen und intensivere Strafverfolgung würden auf beiden Seiten mehr Kosten verursachen - einerseits höhere Verwaltungskosten für den Staat und andererseits mehr Aufwand für die Verheimlichung bei den Schwarzarbeitern." Mit Strafandrohungen ist der Schwarzarbeit also nicht beizukommen, zumal die Möglichkeit besteht, den Tatbestand der Schwarzarbeit durch eine Gewerbeanmeldung in einem anderen europäischen Land aufzuheben.
Gerade, wenn man die Pressemitteilungen der Handwerksorganisationen zur Schwarzarbeit verfolgt, wird deutlich, daß diese Organisationen unter "Schwarzarbeit im Handwerk" das Arbeiten ohne Meisterbrief sehen. Hier werden Menschen kriminalisiert, die ihre Arbeit gerne offiziell anmelden würden. Von der Kriminalisierung sind aufgrund der bestehenden Rechtsunsicherheit alle betroffen, die im handwerklichen Umfeld ihre Leistungen anbieten.
Die wirtschaftliche Entwicklung dieser Betriebe wird dadurch gehemmt, daß ihre Betätigungsmöglichkeiten durch die undurchsichtigen Verwaltungspraxis und Rechtsprechung zur HwO eingeengt ist. Das Arbeitsplatzpotential dieser Betriebe wird aufgrund der Rechtsunsicherheit nicht genutzt; Einstellungen unterbleiben.
Abgesehen von dem volkswirtschaftlichen Schaden durch mangelnde Nutzung des Arbeitsplatzpotentials und entgangenen Steuern und Sozialabgaben, wird hier auch die Beschränkung der Freiheitsrechte offensichtlich. Menschen, die jahrzehntelang abhängig beschäftigt waren, diverse Weiterbildungen absolviert haben, denen aber das Geld zur Meisterprüfung oder ein Platz an einer Meisterschule fehlt, oder die Zulassung zur Meisterprüfung versagt wird, diese Menschen werden in die Schwarz-arbeit oder die Sozialhilfe getrieben.
Man muß fragen, was höher steht: Das Recht, sich den täglichen Lebensunterhalt mit seiner Hände Arbeit zu verdienen, oder das Privileg der Meisterbetriebe, sich vor Konkurrenz zu schützen.
Es sollte ein Bestreben der Politik sein, möglichst viel dieser Arbeit in reguläre Arbeitsplätze zu überführen. Hierfür muß der Marktzugang erleichtert werden.
Die Situation spitzt sich aufgrund der 200.000 anstehenden Betriebsübernahmen in den nächsten fünf Jahren im Handwerk noch zu. Schon heute ist abzusehen, daß für viele Betriebe keine Nachfolger gefunden werden wird. 500.000 Arbeitnehmern der betroffenen Betriebe droht die Arbeitslosigkeit. Die Versorgung mit Handwerksleistungen wird sich verschlechtern, die Schwarzarbeit wird zunehmen.
Für die Betriebsinhaber, die aufgrund der Marktzugangsbeschränkungen keinen Nachfolger finden, bedeutet dies, daß ihnen ein erheblicher Teil ihrer Altersvorsorge in Form ihres nicht realisierbaren Verkaufserlöses verloren geht.
Die Behauptung, daß der Meisterzwang für die höhere Unternehmenskontinuität im Handwerk verantwortlich ist, ist in zweifacher Hinsicht falsch. Bei der gegenwärtigen Rechtslage ist die Wettbewerbsintensität wegen der Markt-zugangs-beschränkungen geringer als sonst in der Wirtschaft. Außerdem werden Äpfel mit Birnen verglichen. Besonders hohe Insolvenzquoten gibt es z.B. bei Solarstudio-betreibern, Kioskbetreibern oder Videotheken, also in Bereichen, die ohne jegliche Vorbildung betrieben werden. Diese Bereiche treiben die Insolvenzstatistiken in die Höhe. Daß es in diesen Bereichen hohe Insolvenzquote gibt, kann nicht als Begründung dafür heran-gezogen werden, Gesellen mit jahrzehntelanger Berufserfahrung von der Selbständigkeit auszuschließen.
Bei einer Literaturanalyse des Institutes für Mittelstandsökonomie an der Universität Trier e.V. war das Hauptergebnis, daß eine kausaler Zusammenhang zwischen den Kenntnissen und Fähigkeiten, die bei der Meisterausbildung vermittelt bzw. erworben werden, und der im Vergleich zu anderen Wirtschaftsbereichen niedrigeren Insolvenzquote im Handwerk nicht belegt ist.
Ein weiteres Ergebnis der Studie ist, daß sich die Insolvenzquote von jungen Handwerksunternehmen nicht von der der Gesamtwirtschaft abhebt.
Somit führt der Meisterbrief zu keiner niedrigeren Insolvenzquote bei Betrieben in der kritischen Aufbauphase. Eine niedrigere Insolvenzquote von Altbetrieben kann schwerlich auf eine angeblich bessere Ausbildung zurückgeführt werden. Dies hängt vielmehr mit der geringeren Wettbewerbsintensität zusammen.
Von vielen Mitgliedern wissen wir, daß deren Betriebe durch behördliche Betriebsschließungen oder durch gezielte Rufschädigung durch Ordnungsbehörden, aber nicht durch Insolvenzen wegen Mißwirtschaft gefährdet sind. Wir werden bei solchen Fällen von Rufschädigung durch Ordnungsbehörden Schadensersatzklagen unterstützen.
Diese Gesetzesänderungen haben lediglich eine gewisse "Insider-Liberalisierung" für Meisterbriefinhaber hervorgebracht. So darf der Fliesenleger jetzt auch Wände mauern und Estriche verlegen, der Maler gipsen und verputzen und Fahrzeuge lackieren, der Dachdecker Dachstühle aufschlagen und der Zimmerer Dächer decken, alles Arbeiten, die er genausowenig oder -viel erlernt hat, wie ein Heimwerker, Autodidakt oder jeglicher anderer "Nicht-Meister". "Hauptsache Meistertitel", um den Vollmitgliedern der Handwerksorganisationen weiteste Betätigungsfelder zu ermöglichen, den hochqualifizierten Gesellen, den Self-made-Unternehmern, den FH-Abgängern oder Industriemeistern, aber das "Wildern in handwerklichen Vorbehaltsbereichen" (O-Ton ZDH) zu untersagen.
Außer den noch detailliert zu behandelnden Diskriminierungen der HwO mit Europabezug, stellt die Erweiterung der EU die Handwerkspolitik vor besondere Aufgaben.
Insbesondere nach einer Osterweiterung der EU - und auch heute schon - kann die Politik einheimischen, arbeitslosen Handwerks-gesellen und versierten Autodidakten nicht erklären, warum schlechter qualifizierte Bürger anderer EU-Staaten Arbeiten anbieten dürfen, für deren Ausführung, Einheimische bestraft werden.
Gerade um den Anpassungsschock für das Handwerk nach einer Ost-Erweiterung abzumildern, muß schon heute der Wettbewerb im Handwerk gefördert werden. Die Überlegungen, die Dienstleistungs-- und Niederlassungsfreiheit bei der Ost-Erweiterung einzuschränken, schadet der europäischen Idee.
In den Kleinanzeigen der Tageszeitungen finden sich immer wieder Angebote, wie die Handwerksordnung durch eine Unternehmensgründung im europäischen Ausland umgangen werden kann. Ohne eine wohlstandsfördernde Leistung werden für diese Unternehmenskonzepte bis zu 2.000 DM pro Monat verlangt.
Ganz unabhängig von der rechtlichen Beurteilung dieser Konzepte, offenbaren die Angebote - für die es einen Markt gibt - daß sich die deutschen Marktzugangsbeschränkungen im europäischen Umfeld nicht länger durchsetzen lassen. Wenn die Marktzugangsbeschränkungen nicht aufgehoben werden, wird es in Zukunft immer mehr Handwerksunternehmen geben, die ihren Firmensitz in anderen EU-Staaten haben. Nach spätestens sechs Jahren dürfen die Betriebsleiter dieser Firmen dann auch in Deutschland ein Handwerk anmelden.
Durch verschieden Regelungen der Handwerksordnung bzw. der EWG/ERW-Handwerk-Verordnung werden Menschen diskriminiert.
In der entsprechenden Umsetzung europäischen Rechts in Österreich, hat der Verfassungsgerichtshof in Wien mit dem Beschluß G 42/99 V 18/99 - 11 vom 9.12.1999 das Wort "andere" mit sofortiger Wirkung, wegen Inländerdiskriminierung gestrichen.
Der Verfassungsgerichtshof argumentiert im Urteil, daß eine Tätigkeit in Österreich besser auf eine Selbständigkeit in Österreich verbreitet, als eine Tätigkeit in einem "anderen" EU-Staat. Es gibt keinen vernünftigen Grund, warum dies in Deutschland anders sein sollte. Eine Diskriminierung der in Deutschland erworbenen Erfahrungen besteht und muß beseitigt werden.
Jedes Vollhandwerk läßt sich als unerheblicher Nebenbetrieb zu einem entsprechenden Handelsbetrieb betreiben.
Dadurch, daß diese Tätigkeit in anderen europäischen Staaten zum Betreiben des Vollhandwerks in Deutschland berechtigt und dieselbe Tätigkeit in Deutschland nicht, werden Menschen (insbesondere Inländer) diskriminiert.
Nach dem Urteil C-193/97 des EuGH dürfen alle Vollhandwerke
in Deutschland selbständig ausgeübt werden, deren
Ausübung dem Antragsteller von einem anderen EU-Staat
bestätigt wird. In dem Urteil heißt es: Unter diesen
Umständen ist auf die Vorlagefragen zu antworten, daß
Artikel 3 der Richtlinie dahin auszulegen ist, daß, wenn in
einem Mitgliedstaat die Aufnahme von selbständigen
Tätigkeiten der be- und verarbeitenden Gewerbe in Industrie und
Handwerk sowie ihre Ausübung vom Besitz bestimmter Kenntnisse
und Fertigkeiten abhängig gemacht werden, dieser Mitgliedstaat
von einem Gemeinschaftsangehörigen, der mehrere Erlaubnisse
beantragt, um in seinem Hoheitsgebiet die Berufstätigkeiten
auszuüben, deren Ausübung von den zuständigen Stellen
des Herkunftsmitgliedstaats bescheinigt worden ist, nicht verlangen
kann, daß er die in diesem Artikel genannten Zeiten der
tatsächlichen Ausübung für jeden der Berufe, deren
Tätigkeitsbereich durch die Rechtsvorschriften des
Aufnahmemitgliedstaats definiert worden ist, gesondert
zurückgelegt hat.
Dies bedeutet, daß jemand, der z.B. in Portugal (dorther kam der Kläger für das Urteil) sechs Jahre Häuser gebaut hat, und die Ausübung aller zum Hausbau gehörenden Handwerke bescheinigt bekommen hat, er all diese Handwerke in Deutschland gleichzeitig ausüben darf. Hierbei handelt es sich um 19 Handwerke. Es ist offensichtlich, wie viel schwerer es ist, in Deutschland die Erlaubnis zum Betreiben von 19 verschiedenen Handwerken zu erlangen!
Ausnahmebewilligungen nach § 8 HwO werden (wenn man von einer
kurzen Zeitspanne nach der Wende in den Neuen Bundesländern
absieht), sehr restriktiv erteilt. Leider wird bei den Statistiken zu den
Ausnahmegenehmigungen nicht unterschieden, zwischen jenen, die zeitlich
oder auf Tätigkeitsbereiche beschränkt erteilt werden und
solchen, die unbegrenzt erteilt werden. Auch wird nicht zwischen
Ausnahmebewilligungen für Neugründungen und für das
Fortführen bestehender Betrieb unterschieden. Nach unserer
Beobachtung werden unbegrenzte Ausnahmebewilligungen für
Neugründungen sehr selten erteilt. Entgegen der Rechtsprechung des
Verfassungsgerichts (BVerfGE 1 BvL 44/55 vom 17.7.1961) werden
Ausnahmebewilligungen sehr engherzig erteilt. Auch
Bundeswirtschaftsminister W. Müller hat dies in einem Interview am
22.4.1999 in der Deutschen Handwerkszeitung bestätigt: Nur unter
sehr engen Voraussetzungen und in sehr geringem Umfang werden die
Möglichkeiten [mit einer Ausnahmebewilligung zu arbeiten] von den
zuständigen Verwaltungen ermöglicht.
Daß Ausnahmebewilligungen nach der Wende in den neuen Bundesländer großzügiger erteilt wurden, beweist, daß für die Erteilung einer Ausnahmebewilligung nicht die Lebenssituation des Antragstellers, sondern die Konkurrenzsituation des Handwerksmarktes ausschlaggebend ist. Hierdurch wird - leider in einer Weise, die es dem einzelnen Betroffenen kaum ermöglicht, den Rechtsweg zu beschreiten - das Grundrecht auf freie Berufswahl (Artikel 12 GG) beschnitten.
Die Praxis, daß die Empfehlung der Handwerkskammer den Ausschlag für die Erteilung der Ausnahmebewilligung gibt, hat dazu geführt, daß Ausnahmebewilligungen sehr restriktiv erteilt werden.
Dies alles macht deutlich, daß ein klarer, einklagbarer Kriterienkatalog unerläßlich ist, wann Ausnahme-bewilligungen zu erteilen sind. So würde mehr Rechtssicherheit geschaffen.
Der Beschluß des Bund-Länder-Ausschusses Handwerksrecht vom 21.11.00 schafft diese Rechtssicherheit nicht. Er enthält nur eine Absichtserklärung; es wurde dadurch kein einklagbares Recht geschaffen. Die Absichten sind sehr unverbindlich formuliert und bleiben teilweise außerdem hinter einer "liberaleren" Praxis (z.B. bei der Anerkennung eines Ausnahmegrundes auf Grund des Alters) in machen Bundesländer zurück.
Schon die Erfahrungen mit dem Trockenbau haben gezeigt, daß die Handwerkskammern nicht Willens sind, ohne klare gesetzliche Regeln, anderen einen Marktzugang zu ermöglichen. So werden sie weiterhin bei ihren Stellungnahmen und insbesondere bei den Fachkundeprüfungen allen Einfluß nutzen, daß Ausnahmebewilligungen sehr engherzig vergeben werden.
Bei einer minimalen Marktöffnung müßte mindestens die Inländerdiskriminierung durch die europäische Dienst- und Niederlassungsfreiheit aufgehoben werden. Dazu müßten folgend Gruppen ohne weitere Fachkundeprüfung eine Rechtsanspruch auf eine Ausnahmebewilligung erhalten:
Mit der Entscheidung 1 BvR 2176/98 vom 27.9.00 des Bundesverfassungsgerichts wurde eine jahrelang bestehende Rechtsunsicherheit für Handwerkstätigkeiten im Reisegewerbe beseitigt. Nun ist klargestellt, daß im Reisegewerbe Handwerk auch das Zimmerhandwerk und das Malerhandwerk betrieben werden dürfen. Eine sofortige Leistungsbereitschaft besteht nicht. Diese war verfassungswidriger weise über Jahre von reisegewerbetreibenden Handwerkern von den Ordnungsämtern gefordert worden.
Es bleibt zu hoffen, daß sich die Ordnungsämter wenigstens jetzt an die Verfassung halten, den Antragstellern Reisegewerbekarten ausstellen und nicht weiter versuchen, handwerkliche Tätigkeiten im Reisegewerbe zu unterbinden.
In der BVerfG-Entscheidung 1 BvR 608/99 wurde geklärt, daß die Möglichkeiten in handwerksähnlichen Gewerben und im unerheblichem handwerklichen Nebenbetrieb zu arbeiten, weit ausgelegt werden müssen. In der Praxis der Rechtsprechung (auch nach der Entscheidung) zeigt sich jedoch, daß dies nicht gemacht wird.
Deswegen muß gesetzlich klar geregelt werden, wie sich die Kernbereiche des Vollhandwerks gegen die Nicht-Kernbereiche und die einfachen Tätigkeiten und die Bereiche der handwerksähnlichen Gewerbe abgrenzen.
Weiter muß geregelt werden, wann die Unerheblichkeitsgrenze eines handwerklichen Nebenbetriebs überschritten wird, und wann davon ausgegangen werden kann, daß ein Nebenbetrieb mit einem Hauptbetrieb wirtschaftlich verbunden ist.
Entweder werden die Möglichkeiten ohne Meisterbrief zu arbeiten, verfassungswidrig eng ausgelegt, oder für den Betroffenen, ist nicht erkennbar, was er darf und welche Tätigkeiten ihm verboten sind. Die Rechtspraxis verstößt also gegen die Berufsfreiheit oder das Bestimmtheitsgebot. Jedenfalls ist es unverhältnismäßig von Handwerkern zu fordern - wie es Landesregierungen machen, daß sie die gesamte Rechtsprechung und Kommentarliteratur zur HwO kennen, um beurteilen zu können, wie weit ihr Grundrecht auf freie Berufsfreiheit eingeschränkt ist.
Die Handwerksordnung verhindert in besonderer Weise die handwerkliche Selbständigkeit von Frauen. In männerdominierten Berufen bekommen Frauen immer wieder nach abgeschlossener Lehre keinen Arbeitsplatz. Da sie deswegen die erforderlichen Gesellenjahre nicht nachweisen können, werden sie nicht zur Meisterprüfung zugelassen. Nach Lehre und vorgeschriebener Gesellenzeit, sind Frauen in einem Alter, in dem aufgrund der individuellen Lebensplanung und der Biologie, eine Entscheidung für oder gegen Kinder ansteht.
Frauen sind zu der Entscheidung gezwungen, ob sie bis DM 120.000,- für die Meisterausbildung investieren, bevor für sie entschieden ist, ob sie nicht einen größeren Lebensabschnitt der Kindererziehung widmen.
Dies verhindert häufig, daß Frauen sich vor der Kinderphase für die Meisterausbildung entscheiden. Nach der Kinderphase ist eine Dreifachbelastung: Beruf, Familie und Meisterschule eine Überforderung. Die selbständige Berufstätigkeit bleibt diesen Frauen vielfach verschlossen.
In vielen Gewerken wäre eine Verbindung von Beruf und Familie in der Selbständigkeit möglich, wenn sie ohne Meisterbrief erlaubt wäre. Die selbständige Existenz könnte in Abhängigkeit vom Betreuungsbedarf für die Kinder und der familiären Arbeitsteilung schrittweise aufgebaut werden.
Die Praxis der Anerkennung einer künstlerischen Tätigkeit gestaltet sich häufig als sehr schwierig. (Siehe Wolfgang Maaßen: Kunst oder Gewerbe?, C.F. Müller Juristischer Verlag GmbH, 1996). Es ist ein hoher, bürokratischer Aufwand, daß diese Überprüfung vom Finanzamt, der Handwerkskammer und der Künstlersozialkasse dreimal nach unterschiedlichen Kriterien vorgenommen wird.
Dadurch, daß auch die Handwerkskammern prüfen, was als Kunst anerkannt wird, wurde der Bock zum Gärtner gemacht. Immer wieder erleben wir, daß die Handwerkskammern Kunstausübung unterbinden.
Schon zur Verwaltungsvereinfachung, sollte die Feststellung einer künstlerischen Tätigkeit nur einmal erfolgen. Ein positiver Bescheid durch eine Behörde sollte für die Anderen bindend sein.
In Sinne der Gleichbehandlung ist es untragbar, daß auch die erworbene Berufsausbildung zur Abgrenz-ung herangezogen wird, ob eine künstlerische Tätigkeit vorliegt. Derzeit haben es Menschen, mit einer handwerklichen Ausbildung systematisch schwieriger als Nichthandwerker, eine Anerkennung als Künstler zu erhalten. Allein das künstlerische Werk und die künstlerischen Gestaltungsfreiheit bei Auftragsarbeiten, sollten als Kriterien herangezogen werden.
1998 hat der Deutsche Bundestag eine Änderung des IHK-Gesetzes verabschiedet. Der Kernpunkt der Änderung war eine Beitragsbefreiung für Kleingewerbetreibende mit besonders niedrigen Erträgen von in der Regel nicht mehr als 10.000,- DM pro Jahr.
Auch bei den HwK'n gibt es Kleingewerbetreibende mit Erträgen unter 10.000,- DM pro Jahr. Der Bundestag hatte gute Gründe, für Kleingewerbetreibende Mitglieder der IHK, eine Beitragsbefreiung zu beschließen. Aus denselben guten Gründen sollte auch für Kleingewerbetreibende Handwerker eine Befreiung von den HwK Beiträgen erlassen werden.
Zwischen 1991 und 1996 gab es 11000 Verurteilungen von Betreibern handwerksähnlicher Gewerbe, wegen angeblicher Verletzung von handwerklichen Vorbehaltsbereichen, d.h. weil Tätigkeiten ausgeübt wurden, die angeblich nur Meisterbetriebe ausführen dürfen. Heute liegt diese Zahl weit höher.
Betreiber dieser Prozesse sind meist die Handwerkskammern. Sie stellen auch die Gutachter vor Gericht, die beurteilen, was als einfache Tätigkeit ohne Meisterbrief und was nur mit Meisterbrief gemacht werden dürfe. Die Handwerkskammern bemühen sich dabei, die handwerklichen Vorbehaltsbereiche immer weiter auszudehnen. (So darf z.B. nicht einmal eine Telefonzelle ohne Meisterbrief selbständig gereinigt werden).
Die Handwerkskammern vertreten bei diesen Streitigkeiten einseitig die Interessen der Meisterbetriebe.
Betreiber handwerksähnlicher Gewerbe sind Zwangsmitglieder bei den Handwerkskammern. Sie müssen mit ihren Beiträgen eine Organisation unterstützen, die nur bemüht ist, ihr wirtschaftliches Betätigungsfeld weiter einzuschränken.
Handwerksähnliche Betriebe sind in den Handwerkskammern falsch zugeordnet. Die Zwangsmitgliedschaft handwerksähnlicher Gewerbe bei den Handwerkskammern muß aufgehoben werden.
Auch bei Vollhandwerkern halten wir die Zwangsmitgliedschaft für eine Einschränkung ihrer Koalitionsfreiheit.
Die Ausführungsqualität handwerklicher Arbeiten werden bemessen an der DIN, der VOB und dem Haftungsrecht. An Vorschriften und Normen also, die in keinem Zusammenhang mit dem Nachweis des Meistertitels in einem Handwerksbetrieb stehen. Sie und nicht der Meisterzwang bilden die Grundlage für die Erhaltung des hohen Leistungsstandes des Handwerks.
Die geltenden Marktzugangsregelungen schützen schlechte Handwerker vor Konkurrenz - mehr Wettbewerb würde die Qualität von handwerklicher Arbeit insgesamt verbessern. Der Glaube, daß sich durch Beschränkungen des Wettbewerbs Qualität und Preis für den Verbraucher positiv entwickeln, stellt alle Vorstellungen von Marktwirtschaft auf den Kopf.
Als Verbraucherschutz ist der Meisterzwang offensichtlich nicht notwendig, wenn die Arbeitsgemeinschaft der Verbraucherverbände (AgV) fordert, daß er nicht mehr zur Selbständigkeit notwendig sein soll.
Auch nach Auffassung der Monopolkommission sind die Argumente, der Meisterzwang sichere die Qualität und schütze vor ruinöser Konkurrenz, nicht aufrecht zu erhalten. Diese Argumente sei weder theoretisch stichhaltig, noch empirisch belegt - so die Monopolkommission. Gerade das letztere Argument zeigt die Angst des etablierten Handwerks, daß der Meisterbrief als Qualitätsschulung und Insolvenzvorbeugung einer normalen, freien Wettbewerbssituation nicht gewachsen ist. Das etablierte Handwerk zieht den Schutz vor Wettbewerb einer Bewährung im Wettbewerb vor.
Bei allen Vorteilen des deutschen Systems der Dualen Ausbildung, gibt es auch einige Schwächen, die überwunden werden müssen, um die Wettbewerbsfähigkeit der deutschen Wirtschaft zu stärken. Die Ausbildungsordnungen, wie auch die Meisterausbildungslehrgänge und Prüfungsordnungen sind zu starr und unflexibel für eine sich schnell wandelnde Dienstleistungsgesellschaft.
Wir fordern eine handwerkliche Weiterbildung, die mit dem, in der Bildungspolitik allgemein befürworteten Prinzip, des "lebenslangen Lernens" in Einklang steht. Eine Reform des Meisterprüfungswesens gehört dazu.
Entsprechend der Geschäftsidee sollen Unternehmer für sich und ihre Mitarbeiter die Fortbildungen aussuchen, die optimale Wettbewerbsvorteile für die aktuelle Marktlage sichern.
Wer mit der Meisterausbildung und den darin enthaltenen Unzulänglichkeiten, die beste Startchance zu haben meint, soll auch diese Ausbildung absolvieren dürfen.
Ohne Rücksicht auf Vorbehaltsbereiche müssen sich neue Berufsbilder entwickeln können.
Beim derzeitigen Mangel an Ausbildungsplätzen und Fachkräften sollte jede Möglichkeit genutzt werden, weitere Ausbildungsplätze zur Verfügung zu stellen. Gerade das Argument für den Meisterzwang, daß durch ihn die Ausbildungsleistung gesichert wird, ist widersinnig. Warum sollen mehr Ausbildungsplätze dadurch entstehen, daß die Zahl der Ausbildungsbetriebe (im Sinne des kleinen oder großen Befähigungsnachweises) beschränkt wird?
Eine plausible Erklärung, wie der Meisterzwang zu mehr Ausbildungsplätzen führt, wurde noch nie gegeben.
Im Trockenbau, im Garten- und Landschaftsbau und vielen anderen Gewerbebereichen zeigt sich, daß Handwerksbetriebe und nicht handwerkliche Betriebe in vergleichbarem Umfang und gleicher Qualität ausbilden. Wie insgesamt in der Industrie und im Handel soll die Ausbildereignungsprüfung, in Verbindung mit der Berufsausbildung und einer mehrjährigen Berufs-praxis, ausreichende Voraussetzung für die Berechtigung zum Ausbilden sein. 50 bis 60 Prozent aller Auszubildenden werden nach diesen allgemeinen Regeln des Berufsbildungsgesetzes ausgebildet.
Für rund 30 bis 40 Prozent der Auszubildenden, die in Berufen der Anlage A der Handwerksordnung ausgebildet werden, wird jedoch Meisterniveau als fachliche Voraussetzung für die Berechtigung zur Ausbildung von Facharbeitern gefordert. Diese historisch gewachsenen, unterschiedlichen fachlichen Voraussetzungen für Ausbildereignung und Selbständigkeit halten wir weder für zeitgemäß, noch sind sie sachlich zu rechtfertigen.
Wenn es noch eines Nachweises bedurft hätte, so belegt der Erfolg des Berufsbildungsgesetzes seit über 30 Jahren, daß es völlig ausreicht, wenn der Ausbilder eines Facharbeiters über Facharbeiterniveau verfügt. In der Industrie hat es sich bewährt, daß derjenige, der die Ausbildereignungsprüfung abgelegt hat, fachlich qualifiziert ist, diesen Beruf selbständig auszuüben.
Die Breite und Qualität der Lehrlingsausbildung bleibt durch die überbetriebliche Ausbildung und das Duale Ausbildungssystem erhalten. Schon jetzt gewährleisten allein diese beiden Komponenten Qualität und Breite der Lehrlingsausbildung. Die eigentliche Ausbildung wird heute schon von Gesellen und seltenst von Meistern geleistet.
Die Handwerkskammern argumentieren, daß sich ohne Meisterzwang wohl kaum ein Handwerker die Mühe machen werde, den Meisterbrief zu erwerben. Dies offenbart, daß auch die Handwerkskammern den Meisterbrief heute nur noch als Lizenz zur Gewerbeausübung sehen.
Damit wird deutlich, wie wichtig es ist, daß das MEGA-Thema Ausbildung, wie es der frühere Bundespräsident Roman Herzog nannte, auch und gerade in Bezug auf das Handwerk diskutiert werden muß.
Die durch Verordnungen geregelten Prüfungsanforderungen, sind in den sich schnell verändernden Handwerks-bereichen schon bei ihrem Inkrafttreten veraltet. Gerade, die sich verändernden Arbeitstechniken, die von den offiziellen Handwerksverbänden ja immer wieder als Begründung für Vorbehaltsausweitungen angeführt werden, erfordern ein lebenslanges Lernen. Dazu paßt nicht das Erfordernis einer einmaligen Meisterprüfung, in welcher veraltete Techniken geprüft werden.
Der Vorschlag der Monopolkommission, den Meistertitel als Ergebnis abgestufter Qualifikationsschritte zu vergeben, paßt auch zu den Vorstellungen vom Direktor für Berufsbildungspolitik in der EU, Klaus Draxler. Er favorisiert eine kurze (Grund-) Ausbildungszeit mit sich daran anschließenden „Modulen" der Weiterbildung und Spezialisierung.
Auch der BUH befürwortet ein Weiterbildungssystem, bei dem ein Handwerker entsprechend seiner wirtschaftlichen Betätigung, Ausbildungsgänge absolviert, von denen er sich einen Wettbewerbsvorteil verspricht. Wer eine Reihe solcher Ausbildungsgänge absolviert hat, sollte berechtigt sein, den Meistertitel zu führen. Der Meisterbrief würde dann als Qualitätssiegel dienen, welches ein hohes Leistungsniveau verspräche.
Zu einer echten Verbesserung der Meisterausbildung wird es erst kommen, wenn die Meisterausbildungs-anbieter um Meisterschüler konkurrieren müssen. Solange der Meisterbrief als Lizenz zur selbständigen Berufsausübung vorgeschrieben bleibt, findet ein solcher Wettbewerb zu Lasten der Qualität der Ausbildung und zum Schaden der Meisterschüler nicht statt.
Unhaltbar jedenfalls ist, daß die Meisterprüfung von selbständigen Handwerksmeistern abgenommen wird, die dort über die zukünftigen Konkurrenten urteilen. Sie sind als Prüfer befangen, und immer wird der Verdacht bleiben, daß sie unliebsame Konkurrenz mit ihrer Macht als Prüfer vom Handwerksmarkt ausschließen. Hinter vorgehaltener Hand geben Insider der Handwerkskammern zu, daß die Meisterprüfung zur Steuerung des handwerklichen Angebots benutzt wird.
Wir kennen Fälle, in denen den Prüflingen vor der Prüfung mit dem Hinweis auf einen angeblich gesättigten Markt angekündigt wurde, daß viele die Prüfung nicht bestehen werden. In einem solchen Fall haben von 25 Prüflingen zwei bestanden. Diese beiden waren Söhne von Innungsmeistern, welche erwartungsgemäß keine neuen Betriebe, und damit keine neue Konkurrenz aufbauen werden.
Das Meister-BAföG, mit seiner heutigen Ausstattung, ist ungenügend. Ein Meisterschüler kann vom Meister-BAföG ca. DM 30.000,- erhalten, wovon DM 20.000,- zurückgezahlt werden müssen. Das Darlehn muß verzinst werden. Den Förderbetrag von derzeit ca. DM 10.000,- auf ca. 15.000,- zu erhöhen, reicht in Anbetracht der Kosten von DM 50.000,- bis 120.000,- nicht aus.
Die hohen Kosten resultieren zu einem wesentlichen Teil, aus dem Verdienstausfall. Dieser muß den Kosten zugerechnet werden, weil ein Meisterschüler seine Kinder während der Ausbildungszeit nicht in die Kühltruhe stecken kann. Der Betroffene ist, aufgrund seiner Lebenslage, finanzielle Verpflichtungen eingegangen, die häufig nicht gestoppt werden können (z.B. die Familie). Die Lebenssituation eines Menschen, der Mitte vierzig die Meisterausbildung absolvieren muß, um weiter arbeiten zu dürfen, ist eine andere, als die eines Studenten, der auch in einem 12qm Zimmer im Studentenwohnheim leben kann.
Gerade bei der Meisterausbildung macht sich ein großes soziales Ungleichgewicht bemerkbar. Die Kinder von Handwerksmeistern bekommen die Ausbildung vom elterlichen Betrieb voll steuerabzugsfähig finanziert und werden, wie wir immer wieder beobachten, bei den Meisterprüfungen bevorzugt. Diejenigen, die Ihre Existenz aus eigener Kraft aufbauen wollen, werden gezwungen, für die Lizenz zur Gewerbeausübung (Meisterbrief), ihre Ersparnisse aufzuzehren. Dadurch wird ihre Existenzgründung mit einer erhebliche Hypothek belastet.
Solange der Meisterbrief zur selbständigen Berufsausübung vorgeschrieben bleibt, muß diese erzwungenen Ausbildung so gefördert werden, daß nicht die finanziellen Rücklagen darüber entscheiden, ob überhaupt die Voraussetzungen zur Berufsausübung - der "Erwerb" des Meisterbriefs - erfüllt werden kann.
Solange der Meisterzwang besteht fordern wir deswegen, die monatliche Leistung des Meister-BAföG auf die Höhe der letzten Nettoeinkünfte anzuheben. Die Materialkosten, Prüfungsgebühren und Ausbildungsgebühren müssen vollständig vom Staat getragen werden. (Wenn die Gleichstellung von akademischen und beruflicher Bildung ernst gemeint ist, ist dies nur folgerichtig - die Universitätsausbildung ist im wesentlichen auch kostenfrei.)
Der Darlehnsanteil muß erlassen werden, wenn die Meisterausbildung zur Existenzgründung genutzt wird. Die jetzigen Fristen reichen nicht aus.
SPD und Bündnis 90/Die GRÜNEN haben im Koalitionsvertrag vereinbart:
"Wir werden den Zugang zur selbständigen Tätigkeit im Handwerk erleichtern. Es muß künftig möglich sein, den Meisterbrief nach der Existenzgründung berufsbegleitend zu erwerben. Der große Befähigungsnachweis bleibt Voraussetzung für die Selbständigkeit im Handwerk."
Eine Regelung, der zufolge der Meisterbrief erst nach der Existenzgründung berufsbegleitend zu erwerben ist, stellt immerhin eine kleine Erleichterung für diejenigen dar, die bisher vom Handwerksmarkt ausgeschlossen sind. Die Regelung wird aber den Erfordernissen, der europäischen Einigung, der Absicht, den Zugang zur selbständigen Tätigkeit im Handwerk zu erleichtern und der Absicht, neue Arbeitsplätze im Dienstleistungssektor Handwerk zu schaffen, kaum gerecht.
Die Auflage, den Meisterbrief nachzumachen, stellt den Jungunternehmer aber vor erhebliche Probleme.
Nach zwei Jahren haben neugegründete Unternehmen in der Regel gerade erst die Anfangsschwierigkeiten überwunden. Insolvenzstatistiken zeigen, daß sich ein Unternehmen erst nach zehn Jahren stabilisiert. Deswegen sollte bei der Umsetzung des Koalitionsvertrags eine Frist von mindestens zehn Jahren eingeräumt werden, innerhalb der der Meisterbrief erworben werden kann.
Was passiert, wenn der Jungunternehmer die Meisterprüfung nicht besteht? (Immer wieder fallen mehr als die Hälfte der Prüflinge bei der Meisterprüfung durch, im Durchschnitt über alle Gewerke, beträgt die Durchfallquoten 25%.) Muß der Betrieb dann geschlossen werden? Sollen Arbeitsplätze in gut laufenden Betrieben vernichtet werden? Häufig würden Jungunternehmer vor der Entscheidung stehen, entweder den Betrieb am Laufen zu halten, oder die Meisterprüfung zu bestehen.
Welche Bank gewährt einem Existenzgründer einen Kredit, für Meisterschule und -prüfung, sowie für seine Investitionen zur Existenzgründung, wenn nicht sicher ist, daß er den Betrieb weiterführen darf.
Trotz unserer Kritik an der Abmachung des Koalitionsvertrags wäre diese Änderung ein Schritt in die richtige Richtung, wenn die Frist zum Ablegen des Meisterbriefs mindestens zehn Jahre beträgt. Immerhin würde es sich dabei nicht um eine reine Insider-Liberalisierung handeln.
Wir fordern, insbesondere nach dem Beschluß des Bund-Länder-Ausschuß Handwerksrecht vom 21.11.00, die Koalitionsfraktionen auf, diese Vereinbarung als ersten Schritt zur Gewerbefreiheit im Handwerk rasch umzusetzen. Immerhin wird so zum Rechtsanspruch, was viele Betroffene sich bisher als "Gnadenerweis" auf Grundlage des §8 HwO vergeblich erhofft haben.
Die Möglichkeit, daß der Pflichtbeitrag zur gesetzlichen Altersversicherung auch einkommensabhängig berechnet wird, und sich nicht aus dem Durchschnittseinkommen von etablierten Betrieben berechnet, wird Existenz-gründern häufig erst nach mehrmaligem Nachfragen mitgeteilt. Hier sollte den Versicherungsträgern eine Informationspflicht auferlegt werden.
Als Schutz für den Selbständigen und aus Gründen des Verbraucherschutzes, halten wir es für gerecht-fertigt, daß der Gesetzgeber, Selbständigen den Nachweis einer Berufshaftpflichtversicherung auferlegt.
Subventionen nehmen wir alle gerne an. Sie verzerren jedoch den Wettbewerb und sind deswegen als Instrument der Wirtschaftspolitik abzulehnen. Nach unserer Erfahrung sind Subventionsempfänger überwiegend Großunternehmen. Der Aufwand, Subventionen zu erhalten, rechnet sich gerade für Kleinunternehmen nicht. Sie erleiden durch die an größere Unternehmen ausgezahlten Subventionen nur Wettbewerbsnachteile.
Die einzige Erleichterung, die wir für Kleinunternehmen für sinnvoll erachten, ist die schon bestehende Möglichkeit auf Befreiung von der Umsatzsteuerpflicht (§ 19 Abs. 1 UStG) durch Anhebung der Umsatzgrenzen und Flexibilisierung der Festlegungszeiten auszudehnen.
Ein häufiges Problem von Existenzgründern ist, daß sobald sich ein wirtschaftlicher Erfolg eingestellt hat, das Finanzamt die Steuerforderungen drastisch erhöht und außerdem noch Nachzahlungen anstehten. Die daraus resultierenden finanziellen Engpässe, sollten durch erleichterte Steuerstundungen entschärft werden.
Für Unternehmer, die zunächst alleine anfangen, ist die erste Einstellung immer ein großer Einschnitt. Häufig besteht der Wunsch, zunächst einen Mitarbeiter nur halbtags einzustellen. Wenn der neue Mitarbeiter bisher arbeitslos gemeldet ist, ist dies ein schwieriges Unterfangen. Der Arbeitslose stellt sich schlechter, wenn er eine Halbtagsstelle annimmt, anstatt weiterhin Arbeitslosenhilfe zu kassieren. Im Falle einer Entlassung hätte er nur noch Anspruch auf 70 % des Halbtagsverdienstes.
Wir halten es für wünschenswert, die Möglichkeit, Arbeitslose halbtags einzustellen, in der Weise zu verbessern, daß diese ihre Ansprüche auf Arbeitslosengeld nicht verlieren. Außerdem sollte der Verdienst aus der Halbtagsstelle nur zu einem geringen Teil auf das Arbeitslosengeld angerechnet werden.
Anlage A der HwO | Verzeichnis der Vollhandwerke, für die zur Zeit der Meisterzwang besteht |
Anlage B der HwO | Verzeichnis der handwerksähnlichen Gewerbe, die ohne Meisterbrief betrieben werden dürfen. |
EWR | Europäischer Wirtschaftsraum |
Großer Befähigungsnachweis | Erfordernis des Meisterbriefs für die Selbständigkeit im Handwerk |
HwO | Handwerksordnung |
Kleiner Befähigungsnachweis | Erfordernis des Meisterbriefs zur Berechtigung Lehrlingen auszubilden |
Bei Anmerkungen und Kritik freut sich der BUH über email, Post oder FAX an die Geschäftsstelle.
BUH e.V.: Artilleriestr. 6, 27283 Verden,
Tel: 04231-9566679, Fax: 04231-9566681,
mail: BUHev-Buro
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