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für Gewerbefreiheit auch im Handwerk - weg mit dem Meisterzwang
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Reisegewerbe, Minderhandwerk, Freie Tätigkeiten, Unerheblicher handwerklicher Nebenbetrieb, Handwerksähnliche Gewerbe, Zulassungsfreie Gewerbe, Ausnahmebewilligungen, Altgesellenregelung, Meisterprüfung, Probleme mit Behörden?

Änderungen durch die Handwerksnovelle 2004

Die Änderungen der Handwerksnovelle 2003 sind am 01.01.2004 in Kraft getreten. Hier eine Auswahl von Änderungen durch die Handwerksnovelle 2003

Kleine Handwerksnovelle - wesentliche Tätigkeiten

Quelle: Bundestagsdrucksache 15/2247 (pdf 72 kb)

Nicht wesentliche Tätigkeiten im Sinne der Handwerksordnung

Handwerkskammerzugehörigkeit von Betrieben mit nicht-wesentlichen (z.B. einfachen) Tätigkeiten.

§ 90 Absatz 3 und 4 HwO werden folgendermaßen gefaßt:

(3) Zur Handwerkskammer gehören auch Personen, die im Kammerbezirk selbständig eine gewerbliche Tätigkeit nach § 1 Abs. 2 Satz 2 Nr. 1 ausüben, wenn
  1. sie die Gesellenprüfung in einem zulassungspflichtigen Handwerk erfolgreich abgelegt haben,
  2. die betreffende Tätigkeit Bestandteil der Erstausbildung in diesem zulassungspflichtigen Handwerk war und
  3. die Tätigkeit den überwiegenden Teil der gewerblichen Tätigkeit ausmacht. Satz 1 gilt entsprechend auch für Personen, die ausbildungsvorbereitende Maßnahmen erfolgreich absolviert haben, wenn diese Maßnahmen überwiegend Ausbildungsinhalte in Ausbildungsordnungen vermitteln, die nach § 25 erlassen worden sind und insgesamt einer abgeschlossenen Gesellenausbildung im Wesentlichen entsprechen.
(4) Absatz 3 findet nur unter der Voraussetzung Anwendung, dass die Tätigkeit in einer dem Handwerk entsprechenden Betriebsform erbracht wird. Satz 1 und Absatz 3 gelten nur für Gewerbetreibende, die erstmalig nach dem [einsetzen: Tag des Inkrafttretens dieses Gesetzes] eine gewerbliche Tätigkeit anmelden.

Große Handwerksnovelle

Quelle: Bundestagsdrucksache 15/2246 (pdf 105 kb)

Umsatzgrenze für einen unerheblichen handwerklichen Nebenbetrieb

Aus § 3 Abs. 2 HwO wurde die Beschränkung für unerhebliche handwerkliche Nebenbetriebe bezüglich des Umsatzes gestrichen.

§ 3 Abs. 2 HwO lautet nun:

Eine Tätigkeit im Sinne des Absatzes 1 ist unerheblich, wenn sie während eines Jahres die durchschnittliche Arbeitszeit eines ohne Hilfskräfte Vollzeit arbeitenden Betriebes des betreffenden Handwerkszweigs nicht übersteigt.

Damit wird ein wichtiger Diskussionspunkt beseitigt.

Mehr zum unerheblichen handwerklichen Nebenbetrieb.

Altgesellenregelung nach § 7b HwO - Ausübungsberechtigung

Geselle mit sechs Jahre Berufspraxis, davon 4 Jahre in leitender Stellung, können sich in Handwerken der Anlage A selbstständig machen.

53 Handwerke wurden vom Meisterzwang befreit - 41 Handwerke unterliegen bis auf weiteres dem Meisterzwang

Die Anlage A der Handwerksordnung wurde neu geordnet. Dabei wurden 53 Handwerk vom Meisterzwang befreit und in die Anlage B Abschnitt 1 überführt. 41 Handwerke unterliegen bis auf weiteres dem Meisterzwang.

Kein Meisterzwang mehr für Friseure im Reisegewerbe

Vor der Handwerksnovelle 2003 durfte das Friseurhandwerk nur von Personen im Reisegewerbe ausgeübt werden, die die Voraussetzung für die Eintragung in die Handwerksrolle erfüllt haben (§ 56 Abs. 1 Nr. 5 Gewerbeordnung). Diese Beschränkung wurde nun aufgehoben. (Siehe: Große Handwerksnovelle - Bundesgesetzesblatt Jahrgang 2003 Teil I Nr. 66. ausgegeben zu Bonn am 29. Dezember 2003, Seite 2934, Artikel 4 auf Seite 2950 - Link siehe unten)

Damit kann nun jeder das Friseurhandwerk im Reisegewerbe ausüben.

Durch diese Gesetzesänderung wurde eine alte Forderung des BUH umgesetzt.

Inhaberprinzip

Bislang musste in der Regel der Betriebsinhaber selbst den Meisterbrief vorweisen können. Wer bislang einen Meister einstellen wollte, musste zunächst eine GmbH gründen. Durch die neue Novelle ist es möglich, dass in jedem Handwerk Betriebe der neuen Anlage A mit eingestellten Betriebsleitern geführt werden dürfen. Der Betriebsleiter muss die Voraussetzung für die Eintragung in die Handwerksrolle erfüllen; insbesondere können nun auch Altgesellen als Betriebsleiter auftreten. Mit einher mit dieser Regelung gehen weitgehendere Befugnisse der Handwerkskammern, um zu kontrollieren, dass eine Person in vielen Handwerksbetrieben als Betriebsleiter fungiert.

Betriebsschließungen - Gewerbeuntersagungen:

Die Ordnungsämter dürfen in Zukunft nicht mehr ohne weiteres Betriebe wegen angeblichen Verstößen gegen die Handwerksordnung schließen, sondern vorher müssen IHK und HwK gleichlautende Stellungnahmen dazu abgeben. Für den Fall, daß IHK und HwK unterschiedliche Erklärungen abgeben wird eine bundesweite Schlichtungskommission eingesetzt.

Offensichtlich traut der Gesetzgeber den Behörden nicht zu, die schwierigen handwerksrechtlichen Abgrenzungsfragen mit ausreichender Sicherheit zu bewerten um diesen Behörden zu gestatten Gewerbeuntersagungen auszusprechen. In der Tat bezeichnen sich die Ordnungsbehörde auch immer wieder als inkompetent bei Fragen zum Handwerksrecht. Konsequenter Weise sollten diese Behörden deswegen auch keine Bußgeldverfahren wegen angeblich unerlaubter Handwerksausübung einleiten. Man muß sich sogar fragen, ob das nach dieser Gesetzesänderung und einer Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts überhaupt noch zulässig ist. Dort führt das Bundesverfassungsgericht zu handwerksrechtlichen Zweifelsfragen aus:

"Dem folgend ist nach ständiger Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts einem Betroffenen nicht zuzumuten, die Klärung verwaltungsrechtlicher Zweifelsfragen auf der Anklagebank erleben zu müssen."

Gesellenjahre

Für die Zulassung zur Meisterprüfung ist der Nachweis von Gesellenjahre nicht mehr notwendig.

Akademiker

In Zukunft ist es für Akademiker möglich auch ohne entsprechende Gesellenprüfung ein Handwerk auszuüben.

Erbenprivileg

Das Erbenprivileg wurde weitgehend abgeschafft.

Kammerbeiträge

Neuen Handwerksunternehmen wird in den ersten vier Jahren nach der Existenzgründung eine abgestufte Befreiung von den Kammerbeiträgen gewährt.

Hilfsbetrieb

Auch Installationsarbeiten können von nun an als Hilfsbetrieb gelten.

Auch hierzu einen Kommentar des Baden-Württembergischen Handwerkstag (Link siehe oben):

Mit großer Sorge ist die mögliche Tragweite der neuen Hilfsbetriebsregelung des § 3 Abs. 3 N. 2 c) zu sehen. Anders als bisher fallen hierunter nunmehr auch komplette handwerkliche Installationsarbeiten durch Werkskundendienste industrieller Hersteller (etwa die Montage von Boilern, Ölbrennern oder Heizkesseln). Durch die Bezugnahme auf den Herstellerbegriff des Produkthaftungsrechts ist ferner fraglich, ob z.B. die Werksniederlassungen der Automobilhersteller mit ihren großen, klassischen Werkstattarealen des Kfz-Technikerhandwerks noch organisationszugehörig sind.

Ausnahmebewilligungen für Handwerker mit Berufserfahrungen aus anderen EU-Staaten

Durch die Novelle wurde der Zugang für europäischen Handwerker weiter erleichtert. Dieses war aufgrund einer EU-Richtlinie vom 2001 und der Rechtsprechung des europäischen Gerichtshofes notwendig.

Die EU plant schon die nächsten Erleichterungen für Handwerker aus anderen EU-Staaten.

Änderung des Regelungszwecks der Handwerksordnung

Bisher war der Regelungszweck des Meisterzwangs (großen Befähigungsnachweises), daß dieser "einen Beitrag zur Sicherung des Leistungsstands und der Leistungsfähigkeit des Handwerks und des Nachwuchses für die gesamte gewerbliche Wirtschaft leisten" soll.

Zukünftig ist der Zweck des Meisterzwangs "Gefahren für die Gesundheit oder das Leben Dritter" abzuwehren.

Diese Änderung des Regelungszwecks hat keinen direkten Einfluss auf den Wortlaut des Gesetzes, aber das Gesetz muss entsprechend dem von Gesetzgeber beabsichtigten Regelungszweck ausgelegt werden. Da vieles in der Handwerksordnung so unklar geregelt ist, spielt die Auslegung eine sehr große Rolle. Insbesondere bei der Frage, was wesentliche Tätigkeiten sind und wie sie kumuliert werden dürfen, oder welche Anforderungen bei der Altgesellenregelung oder den alten Ausnahmebewilligungen gestellt werden dürfen.

Diese Änderung des Regelungszwecks wollen wir nutzen, um bei der Auslegung des Gesetzes für mehr Gewerbefreiheit zu argumentieren und mit entsprechenden Gerichtsverfahren den Meisterzwang ganz zu kippen.

Friseur im Reisegewerbe nun auch ohne Meisterbrief möglich

Fazit

Der Baden-Württembergische Handwerkstag kommentiert (Link siehe oben):

"Damit ist festzustellen, dass die novellierte Handwerksordnung zwar formal an der Meisterpflichtigkeit der Anlage A festhält, in der Praxis aber eine Situation schafft, die der eines zulassungsfreien Bereiches sehr nahe kommt.
In den kommenden Wochen wird vermutlich auch verstärkt zu diskutieren sein, ob denn nun eine Zuordnung zur Anlage A oder zur Anlage B Abschnitt 1 für die Zukunftsfähigkeit einer Handwerksbranche vorteilhafter ist. Dieser Teil der Anlage B sieht zwar die Meisterpflichtigkeit nicht mehr vor, die Meisterprüfung soll aber weiterhin angeboten und als Qualitätsmerkmal im Markt einsetzbar bleiben. Da die Meisterprüfungen dort nicht mehr im Zusammenhang mit einer Zulassungsregelung stehen, dürfte die Chance steigen, Meisterprüfungen dort zur tatsächlichen Qualitätsprüfungen auszugestalten. Im Bereich der Anlage A wird dagegen weiterhin das verfassungsrechtliche Übermaßverbot zu beachten sein.
Hinzu kommt, dass anders als bei der Anlage A die selbstständige Ausübung handwerklicher Teiltätigkeiten nicht dazu führt, dass diese Betriebe nicht mehr zum Handwerk zählen und dem IHK-Bereich zugeordnet werden. Damit ist hier die organisationsrechtliche Einheitlichkeit der Branche wesentlich leichter zu bewahren als bei der Anlage A."

Wir freuen uns, daß auch der Baden-Württembergische Handwerkstag verstanden hat, daß die Vorbehaltsbereiche des Handwerks nicht mehr zu halten sind. Mit der Gesetzesänderung haben wir die Möglichkeit unser Recht aus selbständige Arbeit endlich durchzusetzen. Dies mag zwar noch ein Stück Arbeit - insbesondere für Juristen - sein, aber wir waren diesem Ziel noch nie so nah wie jetzt.

Nun kommt es darauf an, daß jeder, der selbständig handwerkliche Tätigkeiten ausführen will, dies auch offensiv einfordert und so den Meisterzwang endgültig zu Fall bringt.

Auch die Meisterprüfungen von den Handwerken, die jetzt noch in der Anlage A aufgeführt sind, und für die formal noch der Meisterzwang besteht, sollten bald zu einer tatsächlichen Qualitätsprüfung - ohne Meisterzwang - werden können. Daß die Meisterprüfungen dies bisher nicht waren, daß ist ja offensichtlich auch den Handwerksverbänden bewußt. Es ist erfreulich, daß die Handwerksverbände dies nun auch öffentlich zugeben.

Weitere Informationen


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