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Niedersächsisches Wirtschaftsministerium zur Handwerksausübung im Reisegewerbe

Mit einer Petition hatte sich eine Zimmerin dagegen gewehrt, dass der Landkreis Osnabrück ihr eine Reisegewerbekarte nicht in der gewünschten Form ausstellen wollte. Der Petitionsausschuss hatte das Niedersächsische Wirtschaftsministerium zu einer Stellungnahme aufgefordert. Daraufhin hatte das Wirtschaftsministerium den Landkreis gebeten die Beschwerde der Zimmerin zu berücksichtigen und ihr die Reisegewerbekarte im Wesentlichen so auszustellen, wie sie sie beantragt hatte.

Die Stellungnahme des Wirtschaftsministeriums an den Landtag zu der Petition hatte folgenden Inhalt:

Stellungnahme des Niedersächsischen Ministeriums für Wirtschaft, Arbeit und Verkehr zur Eingabe 03064/06/15 von Frau xxx

betr.: Reisegewerbekarte

I.

Die Petentin bittet die Ablehnung das Landkreises Osnabrück zu prüfen und ihr eine Reisegewerbekarte, wie beantragt, auszustellen.

Der Eingabe liegt folgender Sachverhalt zugrunde:

Die Petentin hat sich nach dem Ende der traditionellen Wanderschaft von September 2001 bis November 2005 als Zimmerergesellin entschlossen, aufgrund der während der Wanderschaft erworbenen Berufserfahrungen, den Schritt in die Selbständigkeit in Form des Reisegewerbes zu machen. Sie hat daher mit Datum vom 14.02.2006 beim Landkreis Osnabrück eine entsprechende Reisegewerbekarte beantragt und um Eintragung der von ihr geplanten Tätigkeiten gebeten. Insbesondere war der Petentin dabei daran gelegen, dass die folgende Eintragung nicht nur in Ziffer 3 der Reisegewerbekarte, sondern zugleich auch in Ziffer 2 erfolgt: "Zimmerer-, Tischler-, Dach-, Maurer-, Steinmetz-, Malerarbeiten, Baudienstleistungen aller Art, Lehmbau, Innenausbau, sowie Planung und Beratung".

Mit dem Hinweis darauf, dass in Ziffer 2 der Reisegewerbekarte nur Eintragungen im Zusammenhang mit Bestellungen von Waren zulässig sind, es sich bei den beantragten. Eintragungen aber nicht um Waren, sondern um handwerkliche Dienstleistungen handelt, war der Antrag auf Erteilung einer Reisegewerbekarte vom Landkreis Osnabrück mit Datum vom 04.04.2006 abgelehnt worden.

Zuvor war die Petentin mit Datum vom 28.03.2006 über die Rechtsauffassung des Landkreises Osnabrück nochmals schriftlich unterrichtet worden. Zugleich war der Petentin eine vorbereitete Reisegewerbekarte zur Abholung angeboten worden, damit sie ihre Berufstätigkeit umgehend aufnehmen kann. Diese Reisegewerbekarte beinhaltet folgende Eintragungen:

Zudem hat der Landkreis Osnabrück auf die Möglichkeit hingewiesen, parallel die Erweiterung der Reisegewerbekarte im Hinblick auf die nicht vorgenommenen Eintragungen in Ziffer 2 zu beantragen und die ablehnende Entscheidung des Landkreises Osnabrück ggf. vor dem Verwaltungsgericht überprüfen zu lassen.

Die Petentin hat auf einer Eintragung in Ziffer 2 bestanden und hinsichtlich der Ablehnung dieser (zusätzlichen) Eintragung den Landkreis Osnabrück um einen rechtsmittelfähigen Bescheid gebeten. Diesen hat sie mit Schreiben vom 04.04.2006 auch erhalten und bestandskräftig werden lassen, ohne den Rechtsweg zu beschreiten.

Darüber hinaus trägt die Petentin bezüglich der Ablehnung der verwehrten Eintragungen unter Hinweis auf eine Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG) vom 27.09.2000 vor, dass nach ihrer Auffassung im Reisegewerbe mehr als nur kleinere Handreichungen an Ort und Stelle beim Kunden erbracht werden dürfen und zudem auch keine sofortige Leistungsbereitschaft erforderlich ist.

II.

Gern. § 55 Abs. 1 Nr. 1 Gewerbeordnung (GewO) betreibt ein Reisegewerbe, wer gewerbsmäßig ohne vorhergehende Bestellung außerhalb seiner gewerblichen Niederlassung oder ohne eine solche zu haben, selbstständig oder unselbstständig in eigener Person Waren feilbietet oder Bestellungen aufsucht (vertreibt) oder ankauft, Leistungen anbietet oder Bestellungen auf Leistungen aufsucht. Wer ein Reisegewerbe betreiben will, bedarf gern. § 55 Abs. 2 GewO der Erlaubnis, der sog. Reisegewerbekarte.

Entsprechend dem Wortlaut des § 55 Abs. 1 Nr. 1 GewO sind die bundeseinheitlichen Vordrucke der Reisegewerbekarte in vier Rubriken unterteilt:

Die Ziffer 1 stellt auf den Vertrieb von Waren sowie deren Ankauf ab. In Ziffer 2 wird ausschließlich das Aufsuchen von Bestellungen von Waren erfasst, d. h. das Bemühen, Verträge über die Lieferung von Waren abzuschließen (vgl. Tettinger, Rd. 26+30 zu § 55 GewO). Im Gegensatz dazu stellt Ziffer 3 der Reisegewerbekarte nicht auf Waren, sondern auf das Anbieten von Leistungen sowie das Aufsuchen von Bestellungen auf Leistungen ab.

Gemäß diesen Vorgaben hat der Landkreis Osnabrück der Petentin eine Reisegewerbekarte zur Abholung angeboten.

Im Kern geht es der Petentin darum, dass die Eintragungen in Ziffer 3 zusätzlich auch in Ziffer 2 der Reisegewerbekarte aufgenommen werden. Nur insoweit besteht letztlich Uneinigkeit zwischen der Petentin und dem Landkreis Osnabrück.

Da es sich bei den für die Eintragung in Ziffer 3 benannten Tätigkeiten jedoch um handwerkliche Dienstleistungen handelt, und in Ziffer 2 nur Eintragungen im Zusammenhang mit Waren vorgenommen werden können, ist eine gleichlautende Eintragung in Ziffer 2 nicht zulässig. Denn ein Zimmerer vertreibt beispielsweise nicht die von ihm angefertigte Ware Dachstuhl, sondern bietet vielmehr eine Leistung an, deren Endprodukt der fertige Dachstuhl ist. Insoweit liegt hierin eine Abgrenzung zwischen dem Vertrieb von Waren und dem Dienstleitungsgewerbe (vgl. Tettinger, Rd. 27 zu § 55 GewO).

Anzumerken ist jedoch, dass die Formulierung "Baudienstleistungen aller Art" einen Sammelbegriff darstellt. Demgegenüber ist in Anlehnung an die allgemeine Verwaltungsvorschrift für den Vollzug des Titels III der GewO (Reisegewerbeverwaltungsvorschrift) vielmehr die Art der Leistungen einzutragen bzw. der Gegenstand der Tätigkeit genau zu bezeichnen. Daher wird der Landkreis Osnabrück im Rahmen der fachaufsichtlichen Aufgabenwahrnehmung durch MW gebeten werden, den Sammelbegriff "Baudienstleistungen aller Art" aus der Reisegewerbekarte zu streichen. Stattdessen sind dort nur konkret benannte handwerkliche Dienstleistungen einzutragen wie: "Zimmerer-, Tischler-, Dach-, Maurer-, Steinmetz-, und Malerarbeiten, Lehmbau, Innenausbau, Planung und Beratung. Sofern darüber hinaus die Eintragung weiterer bislang nicht benannter handwerklicher Dienstleistungen von der Petentin nachträglich beantragt werden sollte, ist eine Erweiterung der Ziffer 3 nicht ausgeschlossen.

Sofern der Landkreis Osnabrück in seinem Schreiben vom 04.04.2006 auf eine sofortige Leistungsbereitschaft im Reisegewerbe abgestellt und im Weiteren angeführt hat, dass es sich bei handwerklichen Tätigkeiten im Reisegewerbe überwiegend um "Reparaturen und kleinere Handreichungen an Ort und Stelle beim Kunden handelt", ist folgendes anzumerken:

Nach dem Beschluss des BVerfG vom 27.09.2000 wird dem Schutzzweck des § 55 GewO, die Verbraucher vor unlauteren Geschäftsmethoden zu schützen, nicht nur genügt, wenn der Reisegewerbetreibende in der Lage ist, die gewerblichen Leistungen sofort auszuführen, sondern auch dann, wenn er sie erst mit einer gewissen zeitlichen Verzögerung erbringt. Danach ist es gerade nicht (mehr) erforderlich, dass der Gewerbetreibende bereit und in der Lage ist, die Leistung sofort zu erbringen. Im Übrigen ist es danach letztlich auch nicht ausgeschlossen, dass im Reisegewerbe auch einmal die volle Kunstfertigkeit eingesetzt wird, also nicht nur im Rahmen von Reparaturen und kleineren Handreichungen. Insofern stellt der Zusatz "Reparaturen und kleinere Handreichungen an Ort und Stelle" in der vorbereiteten Reisegewerbekarte rechtlich keine inhaltliche Beschränkung dar. Er könnte jedoch in der Praxis missverständlich interpretiert werden. Daher wird der Landkreis Osnabrück durch MW gebeten werden, den entbehrlichen Zusatz in der Reisegewerbekarte zu streichen.

III.

Im Ergebnis ist festzuhalten, dass die Eintragung der von der Petentin beantragten handwerklichen Dienstleistungen zusätzlich in Ziffer 2 der Reisegewerbekarte nicht in Betracht kommt. Allerdings wird die Petentin durch die Eintragung der handwerklichen Dienstleistungen in Ziffer 3 nicht in ihrer Berufsausübung beschränkt.

Bezüglich der beiden anderen von der Petentin angesprochenen Punkte ist das Wirtschaftsministerium zwischenzeitlich an den Landkreis Osnabrück herangetreten und hat diesen gebeten den Sammelbegriff "Baudienstleistungen aller Art" aus der Reisegewerbekarte zu streichen und stattdessen nur konkret benannte handwerkliche Dienstleistungen einzutragen sowie den Zusatz "Reparaturen und kleinere Handreichungen an Ort und Stelle beim Kunden" zu streichen und der Petentin eine neu gefasste Reisegewerbekarte zur Verfügung zu stellen.

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