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für Gewerbefreiheit auch im Handwerk - weg mit dem Meisterzwang
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Stellungnahme zur Umsetztung der europäischen Dienstleistungsfreiheit

Stellungnahme zur öffentlichen Anhörung "Transparenz schafft Vertrauen - Umsetzung der Dienstleistungsrichtlinie erfordert konsequente Vorbereitung und Folgekostenabschätzung"

Zusammenfassung

Die Dienstleistungsrichtlinie verpflichtet Deutschland handwerksrechtliche Abgrenzungsfragen für Anbieter aus anderen EU-Staaten verlässlich und vor Beginn der Gewerbetätigkeit durch einen "einheitlichen Ansprechpartner" zu klären und bei diesem die notwendigen Formalitäten abwickeln zu können.

Damit wird Anbietern aus anderen EU-Staaten eine Klärung zugesichert, die heimischen Existenzgründern und Selbständigen bisher verweigert wurde.

Die Schwierigkeiten bei handwerksrechtlichen Abgrenzungsfragen bestehen unter anderem in drei Bereichen:

Im Rahmen des Normenscreenings müssen deswegen die entsprechenden Regeln angepasst werden, so dass vor Beginn der Gewerbetätigkeit - auch bei einer gewissen Unsicherheit über die tatsächlichen Details des Tätigkeitsspektrums und der Gewerbetätigkeit - verlässliche Auskünfte erteilt werden können und die entsprechenden Formalien abgewickelt werden können.

Die bestehende Inländerdiskriminierung durch den Meisterzwang - bestehend im dem leichteren Marktzugang für Anbieter aus anderen EU-Staaten - wird durch die Dienstleistungsrichtlinie verschärft. Zum einen durch die zu erwartende Zunahme der Konkurrenz aus anderen EU-Staaten und zum anderen dadurch, dass Anbietern aus anderen EU-Staaten Rechtssicherheit bei der Ausübung handwerklicher Tätigkeiten geboten werden muss, die einheimischen Unternehmen in der Praxis verweigert wird.

Dienstleistungsrichtlinie und handwerksrechtliche Abgrenzungsfragen

Die Dienstleistungsrichtlinie verpflichtet Deutschland handwerksrechtliche Abgrenzungsfragen für Anbieter aus anderen EU-Staaten verlässlich und vor Beginn der Tätigkeiten durch einen "einheitlichen Ansprechpartner" zu klären und bei diesem die notwendigen Formalitäten abwickeln zu können.

Dieser einheitliche Ansprechpartner muss insbesondere auch klären, ob eine Eintragung in die Handwerksrolle notwendig ist oder bei welcher Tätigkeitsgestaltung diese Eintragung nicht verlangt werden darf. Diese Klärung muss vor Aufnahme der Gewerbetätigkeit erfolgen - also zu einem Zeitpunkt, zu dem die Anbieter aus einem anderen EU-Staat in der Regel noch nicht über alle Details seiner Gewerbetätigkeit Auskunft geben kann.

Die Klärung der Frage ist besonders wichtig, weil die Eintragung in die Handwerksrolle nur erfolgen kann, wenn der Anbieter die Eintragungsvoraussetzungen (in der Regel der Nachweis eines Meisterbriefes) erfüllt.

Bei diesen Abgrenzungsfragen können nicht einfach Tätigkeiten dem Meisterzwang unterworfen werden, denn so wie das Bundesverfassungsgericht die Beschränkung der Berufsfreiheit durch den Meisterzwang als grundsätzliche Eintragungsvoraussetzung immer wieder kritisiert und begrenzt hat1, so verlangt auch die europäische Dienstleistungsfreiheit, dass der Marktzugang für Anbieter aus anderen EU-Staaten nicht unverhältnismäßig eingeschränkt wird.

Für Anbieter aus anderen EU-Staaten muss bei der Umsetzung der Dienstleistungsrichtlinie eine Klärung herbeigeführt werden, welche Tätigkeiten und Tätigkeitskombinationen ohne Eintragung in die Handwerksrolle ausgeübt werden dürfen. Dadurch werden Anbieter aus anderen EU Staaten gegenüber einheimischen Existenzgründern und Selbständigen deutlich besser gestellt - sie erhalten über die Inländerdiskriminierung durch die erleichterten Eintragungsvoraussetzungen in die Handwerksrolle hinaus einen weiteren Wettbewerbsvorteil gegenüber Anbietern ohne Meisterbrief aus Deutschland.

Schwierigkeiten bei handwerksrechtlichen Abgrenzungsfragen

Zur Feststellung, ob ein Unternehmen aus anderen EU-Staaten einer Eintragung in die Handwerksrolle bedarf, muss unter anderem festgestellt werden, ob er wesentliche Tätigkeiten im Sinne von § 1 Abs. 2 Handwerksordnung ausführt, ob eine Gesamtbetrachtung seiner Tätigkeiten ergibt, dass eine Eintragung in die Handwerksrolle verlangt werden muss und ob er sein Gewerbe im stehenden Gewerbe ausübt.

Prinzipen die bei der Einschränkung der Berufsfreiheit (Artikel 12 GG) beachtet werden müssen sind unter anderen:

Anhand dieser verfassungsrechtlichen Vorgaben muss eine Abgrenzung erfolgen. Der Lösung dieses Problems haben sich bisher auch die Kommentatoren der Handwerksordnung und des Schwarzarbeitsgesetzes nicht gestellt. Weder aus juristischer Fachliteratur noch aus Gerichtsentscheidungen zu handwerksrechtlichen Abgrenzungsfragen finden Betroffene Anhaltspunkte oder Präzisierungen dieser Grundsätze dafür, welche Tätigkeiten erlaubt sind, und wann Sie die Grenzen des Erlaubten überschreiten.

Wesentliche Tätigkeiten im Sinne von § 1 HwO

Die Schwierigkeit bei handwerksrechtlichen Abgrenzungsfragen besteht darin, dass zwar eindeutig definiert ist, welche Handwerke zulassungspflichtige Handwerke sind (in Anlage A Handwerksordnung), aber unklar ist, welche einzelnen Tätigkeiten den einzelnen zulassungspflichtigen Handwerken als Vorbehaltsbereich zugeordnet sind. Viele einzelne Tätigkeiten werden von vielen Handwerken ausgeführt - nicht nur von zulassungspflichtigen Handwerken, sondern auch von zulassungsfreien Handwerken, von handwerksähnlichen Gewerben und auch von Industrie und Handel. Solche Tätigkeiten fallen nicht unter den Meisterzwang.

Der Gesetzgeber selber hat den Begriff der "wesentlichen Tätigkeiten" in § 1 Abs. 2 Handwerksordnung eingeführt. Dies geschah in Umsetzung der Rechtsprechung vom Bundesverwaltungsgericht nach der es unter anderem unverhältnismäßig wäre, einen Meisterbrief für Tätigkeiten zu verlangen, die in wenigen Monaten erlernt werden können.

Nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts dürfen auch die Meisterprüfungsverordnungen allenfalls dafür mit herangezogen werden, welche Tätigkeiten unter den Meisterzwang fallen. Keinesfalls kann ein Meisterprüfungsberufsbild unbesehen zur Abgrenzung zwischen freien und zulassungspflichtigen Tätigkeiten verwendet werden. Deswegen wurde 1998 in der Handwerksordnung § 45 klar gestellt, dass die Meisterprüfungsverordnungen nicht Berufsbilder sondern Meisterprüfungsberufsbilder definieren. In der Gesetzesbegründunge (Bundestagsdrucksache 13/9388) heißt es dazu:

Zu Nummer 14 (§ 45)
a) Das derzeitige "Berufsbild" der Meisterprüfungsverordnung beschreibt durch Aufzählung von Tätigkeiten, Kenntnissen und Fertigkeiten die Qualifikation, über die ein Handwerker verfügen muß, damit er sein Gewerbe "meisterhaft" ausüben kann. Dieses prüfungsbezogene Berufsbild ist deshalb ausführlich und detailliert abgefaßt.
Die Berufsbilder enthalten "wesentliche" Tätigkeiten des betreffenden Handwerks, aber auch anderer Handwerke, einfache Tätigkeiten, anspruchsvolle Tätigkeiten, die nicht zum Kernbereich dieses Handwerks gehören, und Tätigkeiten von "handwerksähnlichen" Gewerben. Berufsbilder im Sinne der Vorschrift können alle diese Elemente und damit Überschneidungen mit anderen Handwerken und mit nichthandwerklichen Gewerben enthalten.
Zur Klarstellung des maßgeblichen Bezugs des in § 45 Nr. 1 HwO verwendeten Begriffs "Berufsbild" auf die Meisterprüfung und zur Abgrenzung gegenüber dem tatsächlichen und wirtschaftlichen Berufsbild wird der Begriff in Anlehnung an die Bezeichnung "Ausbildungsberufsbild" in den Ausbildungsordnungen nach § 25 geändert in "Meisterprüfungsberufsbild".
b) Weiter kommen hinzu erhebliche Mißverständnisse, die durch die derzeitige sprachliche Fassung der Ermächtigungsnorm verursacht werden. In der täglichen Praxis der Behörden, unteren Gerichte und Handwerksorganisationen werden die für die einzelnen Handwerke erlassenen Meisterprüfungsverordnungen vielfach wie folgt mißverstanden: Mit den in den Berufsbildern genannten Tätigkeiten sei zugleich festgelegt oder es könne aus ihnen unmittelbar abgeleitet werden, daß diese Tätigkeiten dem jeweiligen Handwerk "vorbehalten" sind. Damit wird die Bedeutung der "Berufsbilder" überbewertet; dies entspricht auch nicht den von der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts aufgestellten Grundsätzen, wonach § 45 HwO keine Ermächtigung zur Festlegung von Vorbehaltsbereichen ist, aber "ergänzend" zur Auslegung mit herangezogen werden kann.
c) Bei der Beantwortung der Frage, ob die Ausübung einer in der Meisterprüfungsverordnung eines Handwerks genannte Tätigkeit die Ablegung der Meisterprüfung erfordert, ist insbesondere zu berücksichtigen, daß solche Tätigkeiten nicht dem Erfordernis der Meisterprüfung unterliegen können, die sich nicht aus einer wesentlichen Tätigkeit eines Gewerbes der Anlage A entwickelt haben. Daraus folgt, daß z. B. die Durchführung von Trockenbauarbeiten keine Meisterprüfung erfordert, da der Trockenbau aufgrund seiner Entwicklung nicht dem Handwerk zugerechnet werden kann. Die Schließung von Trockenbaubetrieben nach § 16 HwO und die Verhängung von Bußgeldern gegen Trockenbaubetriebe nach § 117 HwO ist damit nicht zulässig.
d) Werden bei der Reform der Anlage A neue Gewerbebegriffe geschaffen, so wird zugleich durch die Änderung des § 45 rechtlich klargestellt, daß mit Inhalten einer Meisterprüfungsordnung nicht gleichzeitig auch Festlegungen von Vorbehaltsbereichen getroffen werden und getroffen werden können.
Unbeschadet der Frage, welchen Inhalt eine Meisterprüfungsverordnung für das Handwerk haben wird, wird mit der vorgesehenen Änderung des § 45 Nr. 1 klargestellt, daß Tätigkeiten, Fertigkeiten und Kenntnisse, die in eine Meisterprüfungsverordnung für dieses Handwerk aufgenommen werden, nicht durch diese Rechtsverordnung dem Erfordernis der Meisterprüfung für das Handwerk unter der neuen Gewerbebezeichnung unterstellt werden. Die Änderung des § 45 kann bei der Auslegung der neuen Gewerbebezeichnung allerdings weiterhin "ergänzend" herangezogen werden, aber diese nicht korrigierend einschränken.

Nach dieser Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts und der darauf folgenden gesetzlichen Klarstellung 1998, dass die Meisterprüfungsverordnungen keine Vorbehaltsbereiche definieren, bleibt weiter unklar, anhand welcher Kriterien denn nun eine Abgrenzung erfolgen soll. Die Meisterprüfungsvorordnungen dürfen höchstens "ergänzend" herangezogen werden. Aber welche Kriterien "ergänzen" die Meisterprüfungsverordnungen, und auf welcher gesetzlichen Grundlage werden diese unbekannten Kriterien angewendet? Die letzten zehn Jahre haben hierzu keine Klärung gebracht6.

Zur Umsetzung der Dienstleistungsrichtlinie muss eine Klärung aber erfolgen.

Gesamtbetrachtung im Sinne von § 1 HwO

Zur Unklarheit, welche Tätigkeiten als wesentliche Tätigkeiten im Sinne von § 1 Abs. 2 Handwerksordnung anzusehen sind, wurde 2004 der unbestimmte Rechtsbegriff "Gesamtbetrachtung" hinzugefügt. Nach der nicht abschließenden Liste von Kriterien in § 1 Abs. 2 Satzes 2 Nr. 1 - 3 HwO7, wann einzelnen Tätigkeiten nicht als wesentlich für ein Handwerk gelten, lautet der Gesetzestext weiter:

"Die Ausübung mehrerer Tätigkeiten im Sinne des Satzes 2 Nr. 1 und 2 ist zulässig, es sei denn, die Gesamtbetrachtung ergibt, dass sie für ein bestimmtes zulassungspflichtiges Handwerk wesentlich sind."

Der unbestimmte Rechtsbegriff der Gesamtbetrachtung ist bisher nicht durch die Rechtsprechung oder sonst irgendwie ausgefüllt. Auch Behörden, die selber an die Öffentlichkeit treten mit der Behauptung, dass sie intensiv Handwerksausübung ohne Eintragung in die Handwerksrolle verfolgen, sind nicht in der Lage uns auch nur mitzuteilen, welche Kriterien bei der "Gesamtbetrachtung" eine Rolle spielen. Auf die Kriterien, die bei einer Gesamtbetrachtung eine Rolle spiele kommt es jedoch für die betroffenen inländischen und ausländischen Gewerbetreibenden wesentlich an, um überhaupt bei ihrer Frage alle notwendigen Angaben machen zu können. Nur wenn sie alle Angaben machen, können sie eine verlässliche Antwort zu ihren handwerksrechtlichen Abgrenzungsfragen erhalten.

In der Praxis wird Betroffenen in Bußgeldverfahren, auch wenn sie sich vorher erkundigt haben, vorgehalten, sie hätten Details ihre Gewerbetätigkeit verschwiegen und hätten deswegen schuldhaft gegen die Handwerksordnung verstoßen.

Stehendes Gewerbe - Reisegewerbe

Zweifelsfrei dürfen fast alle zulassungspflichtigen Handwerke ohne Eintragung in die Handwerksrolle - also ohne Meisterbrief als grundsätzliche Eintragungsvoraussetzung - betrieben werden8.

Gerade bei Anbietern aus anderen EU-Staaten, die im Rahmen der Dienstleistungsfreiheit in Deutschland tätig sind, stellt sich die Frage, ob sie nicht in Deutschland nach den Regeln des Reisegewerbes arbeiten.

In der Praxis der Umsetzung des Rechts zum Reisegewerbe müssen wir immer wieder feststellen, dass die Behörden - häufig auf Druck der Handwerkskammern - falsche Angaben zum Reisegewerbe machen. So wird zum Beispiel behauptet, dass Reisegewerbetreibende nicht als Subunternehmer tätig werden dürfen, oder dass sie keine Visitenkarten an Kunden verteilen dürfen.

Ganz unabhängig von der Umsetzung der Dienstleistungsrichtlinie ist die Verwaltung gefordert, sich bei der Beratung und Kontrolle von Reisegewerbetreibenden an die gesetzlichen Regeln zum Reisegewerbe in der Gewerbeordnung zu halten und nicht zusätzliche Beschränkungen, die keine gesetzliche Stütze haben, zu erfinden.

Eine Benachteiligung von einheimischen Reisegewerbetreibenden gegenüber solchen aus anderen EU-Staaten besteht darin, dass Gewerbetreibende aus anderen EU-Staaten in ihren Heimatländern ihr Gewerbe dort als stehende Betriebe betreiben dürfen und dementsprechend auch am Markt agieren können. Dies führt etwa bei der Werbung zu einer erheblichen Benachteiligung für einheimische Reisegewerbetreibende.

Zuständigkeit bei Abgrenzungsfragen

Für einheimische Gewerbetreibende ist es ein erhebliches Problem, dass sie mit den Behörden zunächst über die Zuständigkeit bei Abgrenzungsfragen streiten müssen. Die Ordnungsbehörden, sehen sich zwar zuständig dafür Bußgeldverfahren wegen angeblichen Verstößen gegen die Handwerksordnung durchzuführen. Wenn Gewerbetreibende jedoch im Vorwege versuchen rechtlichen Unklarheiten zur Gewerbetätigkeit zu klären, behaupten die Ordnungsbehörde häufig, dafür nicht zuständig zu sein. Die Behörden argumentieren, dass es die Aufgabe der Handwerkskammern sei, zu beurteilen, ob ein Gewerbebetrieb in die Handwerksrolle eingetragen werden müsse. Die Handwerkskammern sehen zunächst bei fast jeder Tätigkeit im handwerklichen Umfeld die Notwendigkeit zur Eintragung in die Handwerksrolle. Betroffene, die sich informieren und auf Gerichtsentscheidungen hinweisen, die einzelne Tätigkeiten außerhalb der Meisterpflicht sehen, bekommen dann zu hören, dass die Kammer lediglich ihre (interessengeleitete) Auffassung vertritt. Ob eine Ordnungsbehörde sich der Meinung der Kammer anschließe, darauf hätte die Handwerkskammer keinen Einfluss - insofern sei eine Auskunft lediglich unverbindlich. Rechtsverbindliche Auskünfte erhalten einheimische Gewerbetreibende nicht.

Klärung handwerksrechtlicher Abgrenzungsfragen

Betroffene, die versuchen handwerksrechtliche Abgrenzungsfragen mit Behörden im Gespräch zu klären, müssen feststellen, dass auch die Mitarbeiter, die Bußgelder wegen angeblich unerlaubter Handwerksausübung verhängen, weder rechtlich noch fachlich die Kenntnisse haben, handwerksrechtliche Abgrenzungsfragen zu erörtern. Die Behördenmitarbeiter kennen schon die Fachbegriffe der Handwerke nicht, sie haben keine Vorstellung, welche Tätigkeit wie schwer zu erlernen ist und ob von der Ausübung der Tätigkeit eine Gefahr für Dritte - oder auch nur für den Ausführenden - ausgeht9.

Zu der Frage, ob sich Betroffene auf Auskünfte zu Abgrenzungsfragen verlassen dürfen hat uns die Handwerkskammer Südthüringen mitgeteilt:

"Ableitend aus vorstehenden Darlegungen ergibt sich für uns zwingend, dass natürlich kein rechtsmittelfähiger Bescheid zu möglichen Anfragen und Auskunftsersuchen erteilt werden kann und abgegebene schriftliche Erklärungen, eben wegen der Abhängigkeit vom beiderseitigen Ausklärungsstand, nur unverbindlichen Charakter tragen können."

Obwohl das Bundesverfassungsgericht in der Entscheidung 1 BvR 2129/02 vom 07.04.03 festgestellt hat, dass es dem Bürger nicht zugemutet werden kann, die Klärung von handwerksrechtlichen Abgrenzungsfragen auf der Anklagebank erleben zu müssen, verweigern die Behörden und Wirtschaftsministerien regelmäßig Auskünfte zu diesen Rechtsfragen. Statt aber aus ihrer Unfähigkeit Auskünfte zu erteile die Konsequenz zu ziehen und die entsprechende Gewerbetätigkeit zu dulden, gehen die Behörden mit rechtswidrigen Durchsuchungen gegen Betroffene Handwerker vor. Wenn man die Situation von Gewerbetreibenden bei der Klärung handwerksrechtlicher Abgrenzungsfragen etwa auf Bauämter überträgt, ist es so, als würden Behördenmitarbeiter, die keine Ahnung von Baurecht haben, aufgrund der Aussage von Interessenorganisationen Baustellen stilllegen und Bußgelder verhängen.

Wenn Deutschland im Rahmen der Umsetzung der Dienstleistungsrichtlinie diese handwerksrechtlichen Abgrenzungsfragen nun für Unternehmen aus anderen EU-Staaten klärt, werden in den entsprechenden Behörden Fachkräfte aus allen zulassungspflichtigen Handwerken mit tiefen juristischem Kenntnissen arbeiten müssen, die die Abgrenzungsfragen mit den Antragstellern fachlich und juristisch erörtern können und zeitnah verlässliche Auskünfte erteilen können.

Wenn eine entsprechende Beratungskapazität nur für Bewerber aus anderen EU-Staaten zur Verfügung steht - aber nicht für einheimische Unternehmen - sind die einheimischen erheblich benachteiligt.

Notwendigkeit handwerksrechtliche Abgrenzungsfragen zu lösen

Angeblich geht es bei den Einschränkungen der Berufsfreiheit durch den Meisterzwang um die "Abwehr von Gefahren von Gesundheit und Leben von Dritten". Dies ist jedenfalls der im Gesetzgebungsverfahren zur Handwerksnovelle 2004 genannten Gesetzeszweck für den Meisterzwang10.

Wenn es der Gesellschaft tatsächlich um die Abwehr von Gefahren für Gesundheit und Leben von Dritten geht, müssen handwerksrechtliche Abgrenzungsfragen auch für inländische Unternehmen verlässlich geklärt werden. Dies ist nicht nur zur Rechtssicherheit für Anbieter und Kunden11 notwendig.

Eine verlässliche Klärung der handwerksrechtlichen Abgrenzungsfragen ist auch wegen der Haftungsprobleme erforderlich. Da Behörden in Bußgeldentscheidungen wegen angeblich unerlaubter Handwerksausübung unrechtmäßiges Handeln feststellen und implizit verlangen, dass die Arbeiten unverzüglich eingestellt werden, gehen wir davon aus, dass Behörden nach dem Gefahrenabwehrgesetz bei falschen Entscheidungen haften. Gerade weil die Behörden erwarten, dass der Betroffene sich der Behördenentscheidung unverzüglich unterwirft, handelt es sich bei diesen Entscheidungen, wenn sie sich als falsch herausstellen, um enteignungsgleiche Eingriffe, bei denen strengere Haftungsregeln als bei der normalen Amtshaftung gelten.

Sich verschärfende Inländerdiskriminierung durch die Dienstleistungsrichtlinie

Eine verlässliche Klärung handwerksrechtlicher Abgrenzungsfragen muss in Zukunft nicht nur Anbietern aus anderen EU-Staaten ermöglicht werden, sondern auch Anbietern aus Deutschland. Es wäre ein nicht nachvollziehbare Inländerdiskriminierung wenn unterschiedliche Gewerbetreibende unterschiedliche Möglichkeiten erhalten ihre gewerberechtlichen Fragen zu klären.

Insofern droht die Umsetzung der Dienstleistungsrichtlinie die bestehende Inländerdiskriminierung durch den Meisterzwang zu verschärfen.

Situation von Handwerkern ohne Meisterbrief in Nordrhein-Westfalen

Da gerade die Landesregierung von NRW diese Inländerdiskriminierung12 leugnet möchte ich hierauf noch eingehen. In einem Schreiben vom Chef der Staatskanzlei - Herr Beneke vom 16.11.2007 hat dieser uns gegenüber behauptet, dass Bundesverfassungsgericht habe entschieden, dass der Meisterzwang keine Inländerdiskriminierung darstelle. Eine Nachfrage auf welche Entscheidung Herr Beneke sich in seinem Brief beruft, wurde eingestanden, dass es keine derartige Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts gibt. In einer Mail eines Mitarbeiters der Staatkanzlei wurden dann ältere Entscheidungen des Bundesverwaltungsgerichts angeführt, die davon ausgehen, dass die Inländerdiskriminierung durch den Meisterzwang verfassungsrechtlich nicht bedenklich sei. In der neuere Entscheidung 1 BvR 1703/02 vom 05.12.2005 vom Bundesverfassungsgericht äußert das Gericht allerdings erheblichen Zweifel an der Verfassungsmäßigkeit des Meisterzwangs. Diese Begründer das Verfassungsgericht grade auch mit der wachsenden Konkurrenz aus anderen EU-Staaten. In Abs. 22 der Entscheidung heißt es:

"Die spürbare Konkurrenz aus dem EU-Ausland lässt bereits daran zweifeln, ob der große Befähigungsnachweis nach § 1 Abs. 1 Satz 1 in Verbindung mit § 7 HwO a.F., weil er diese Anbieter nicht erreichte, zur Sicherung der Qualität der in Deutschland angebotenen Handwerkerleistungen noch geeignet sein konnte. Vor allem aber erscheint fraglich, ob angesichts des Konkurrenzdrucks durch Handwerker aus dem EU-Ausland deutschen Gesellen noch die Aufrechterhaltung einer gesetzlichen Regelung zuzumuten war, die ihnen für den Marktzugang in zeitlicher, fachlicher und finanzieller Hinsicht deutlich mehr abverlangte als ihren ausländischen Wettbewerbern auf dem deutschen Markt. Daher könnte die Schwere des Eingriffs, den der große Befähigungsnachweis für ihren beruflichen Werdegang bedeutete, zu dem - zunehmend verwischten - Ziel der Qualitätssicherung nicht länger in einem angemessenen Verhältnis gestanden haben (kritisch bereits BVerfG, Beschluss der 2. Kammer des Ersten Senats, NVwZ 2001, S. 187; vgl. auch König, AöR 118 <1993>, S. 591 <611>; Marx, INF 2004, S. 193 <195>)."

Dass trotz dieser Entscheidung die Staatskanzlei eine Inländerdiskriminierung leugnet und erst auf Nachfrage bereit ist die Bundesverfassungsgerichtsentscheidung 1 BvR 1730/02 zur Kenntnis zu nehmen ist ein weiterer Beleg dafür, dass gerade in Nordrhein-Westfalen versucht wird Handwerker ohne Meisterbrief vom Markt zu verdrängen. Dazu passt auch, dass obwohl das Bundesverfassungsgericht in 19 Fällen Durchsuchungen wegen angeblichem Verstoß gegen den Meisterzwang (davon mindestens drei aus NRW) für rechtswidrig erklärt hat, in Nordrhein-Westfalen weiterhin solche Durchsuchungen durchgeführt werden. Auch die uns neuerliche bekannt gewordenen Durchsuchungsbeschlüsse genügen nicht im Mindesten den Anforderungen des Verfassungsgerichts an solche Beschlüsse. So setzt das Land NRW den Grundrechtsbruch gegenüber Handwerkern ohne Meisterbrief immer weiter fort.

Statt eine faire Klärung von handwerksrechtlichen Abgrenzungsfragen auch vor Gerichten zu ermöglichen, wird uns gerade aus NRW immer wieder berichtet, dass die Behörden mit erheblichem Druck Rechtsmittelverzichte zu handwerksrechtlichen Bußgeldern durchsetzen. Gezielt wird die Unkenntnis der Betroffenen über die rechtlichen Gegebenheiten genutzt, iúm diese über den Tisch zu übervorteilen. Als Druckmittel dienen häufig Kenntnisse über die Kunden und die Drohung mit einer Kundenbefragung das Unternehmen zu zerstören. Auch scheint es auch verbreitet zu sein, Hinweise auf andere Gesetzesverstöße dazu zu nutzen, den Druck zu erhöhen, um ein ungerechtfertigtes Bußgeld wegen angeblichem Verstoß gegen die Handwerksordnung mit einem unverzüglich abverlangten Rechtsmittelverzicht durchzusetzen .

Folgekostenabschätzung

Wenn die Folgekosten für die Umsetzung der Dienstleistungsrichtlinie abgeschätzt werden sollen, so muss berücksichtigt werden, dass die Städte und Kreise zwar teilweise Mitarbeiter beschäftigen, die Bußgelder wegen angeblich unerlaubter Handwerksausübung verhängen, aber diese Mitarbeiter weder fachlich noch juristisch ausgebildet sind, handwerksrechtliche Abgrenzungsfragen verlässlich zu klären. In der Regel kennen diese Personen nicht einmal die Fachbegriffe der Handwerke.

Zumindest für Bewerber aus anderen EU-Staaten müssen in Zukunft Mitarbeiter eingestellt werden die hier Auskünfte erteilen können.

Um eine Inländerdiskriminierung zu vermeiden muss jeder Kreis und jede Stadt Spezialisten mindestens zehn Spezialisten beschäftigen, um Fragen zu den 41 zulassungspflichtigen Handwerken für einheimische Gewerbetreibende klären zu können. Um den Vergleich wieder zu bemühen: Auch die Bauämter beschäftigen Fachkräfte, die baurechtliche Fragen fachlich und juristisch kompetent klären können13.

Empfehlung

Im Rahmen des Normenscreenings müsste geprüft werden, ob die handwerksrechtlichen Abgrenzungsfragen eine gesetzliche Präzisierung erhalten können, bei der der einheitliche Ansprechpartner für Unternehmen aus anderen EU-Staaten und insbesondere auch einheimische Existenzgründer und Unternehmen ablesen können, welche Tätigkeiten in welchen Kombinationen und welcher Gewerbeform ohne Eintragung in die Handwerksrolle ausgeübt werden dürfen. Nach den Aussagen, die wir in den vergangenen Jahren von Behörden und Wirtschaftsministerien erhalten haben, ist es nicht möglich die Abgrenzungsfragen durch gesetzliche Regelungen zu präzisieren, weil die Vielgestaltigkeit der Lebenssachverhalte sich nicht in gesetzliche Regeln fassen lässt.

In Anbetracht dieser Tatsache empfehlen wir die Marktzugangsbeschränkungen der Handwerksordnung zu streichen. Damit würden die handwerksrechtlichen Abgrenzungsprobleme aus der Welt geschaffen. Dem Meisterzwang begegnen nicht nur erhebliche verfassungsrechtliche Bedenken, die das Bundesverfassungsgericht in seiner Entscheidung 1 BvR 1730/02 vom 05.12.2005 bezogen auf die Rechtslage vor 2004 formuliert hat. Diese verfassungsrechtlichen Bedenke bestehen für die gegenwärtige Rechtslage nicht nur fort, sondern sie werden mit weiteren verfassungsrechtlichen und volkswirtschaftlichen Argumenten ergänzt.

Weitere verfassungsrechtliche Aspekte zum Meisterzwang

Der Regelungszweck - die Abwehr von Gefahren für Gesundheit und Leben von Dritten - reicht nicht als Begründung für die empfindliche Einschränkung der Berufsfreiheit durch den Meisterzwang (siehe 1 BvR 254/99 vom 07.08.2000). Unmittelbare Gefahren die durch den Meisterzwang wirksam abgewehrt werden, konnte uns bisher noch niemand benennen.

Durch das grundsätzliche Erfordernis einen Meisterbrief für die Aufnahme von handwerklichen Tätigkeiten vorweisen zu müssen wird auch ein Übermaß verlangt. Der Nachweise von betriebswirtschaftlichen und berufspädagogischen Kenntnissen zur Erlangung des Meisterbriefes trägt nicht zur Abwehr von Gefahren für Gesundheit und Leben von Dritten bei. Diese Prüfungsinhalte - so sinnvoll diese Kenntnisse auch sein mögen - dürfen nicht zur Einschränkung der Berufsfreiheit führen.

Volkswirtschaftliche Bedenken gegen den Meisterzwang

Unabhängig von verfassungsrechtlichen Erfordernissen würde eine Abschaffung des Meisterzwangs wesentliche Anstöße für die Wirtschaft bedeuten. Dies stellen verschiedene Wirtschaftsforschungsinstitute seit Jahren regelmäßig fest (z.B. die Monopolkommission oder die OECD).

Nach Einschätzung des Forschers zu Schwarzarbeit Prof. Schneider (Linz) hat die Streichung des Meisterzwangs für deutlich unter 10 % des Handwerksmarktes durch die Überführung einiger Handwerke in die zulassungsfreien Handwerke wesentlich zu der Abnahme von Schwarzarbeit in 2004 beigetragen. Mit der Abschaffung des Meisterzwangs könnte so zahlreichen Anbieter, die heute keine Möglichkeit haben, ihre Leistungen legal am Markt anzubieten, ein Weg in die Legalität eröffnet werden. Diese Möglichkeit wurde bei den jetzt zulassungsfreien Handwerken von den Betroffenen auch angenommen.

Nach dem Ende der Übergangsfrist für die EU-Beitrittsländer, muss damit gerechnet werden, dass zahlreiche Anbieter aus diesen Ländern aufgrund der leichteren Marktzugangsbeschränkungen (entsprechend der Berufsanerkennungsrichtlinie) auf dem deutschen Markt aktiv werden. Vor diesem Hintergrund wird sich die die bestehende Inländerdiskriminierung verschärfen.

Den Betroffenen Existenzgründungswilligen muss vor dem Ablauf der Übergangsfrist die Möglichkeit der Geschäftseröffnung geboten werden, damit sie vor dem sich verschärfenden Wettbewerb die Chance haben sich am Markt zu etablieren.

Fußnoten

1) In BVerfGE 13, 97 vom 17. Juli 1961 hat das Bundesverfassungsgericht festgestellt, dass der Meisterzwang höchstens dann verfassungsgemäß ist, wenn Ausnahmebewilligungen großzügig erteilt werden.
In BVerfGE 1 BvR 608/99 vom 31.03.2000 hat das Verfassungsgericht festgestellt, dass bei handwerksrechtlichen Bußgeldverfahren der unerhebliche handwerkliche Nebenbetrieb (§ 3 Abs. 2 HwO) ohne Eintragung in die Handwerksrolle möglich ist und großzügig zu berücksichtigen ist.
In BVerfGE 1 BvR 2176/98 vom 27.09.2000 hat das Verfassungsgericht festgestellt, dass handwerkliche Tätigkeiten im Reisegewerbe nicht dem Meisterzwang unterliegen.
In BVerfGE 1730/02 vom 5.12.2005 hat das Gericht erneut hervorgehoben, dass der Meisterzwang höchstens dann verfassungsgemäß ist, wenn Ausnahmebewilligungen und Ausübungsberechtigungen großzügig erteilet werden; für die Vergangenheit stellte das Verfassungsgericht Ende 2005 fest, dass von den Regelungen nicht großzügig Gebrauch gemacht wurde. Es war dem Bürger in Anbetracht der Rechtsprechung der Verwaltungsgerichte bis hin zum Bundesverwaltungsgericht zumindest bis dahin nicht zuzumuten, sein Recht auf eine Ausnahmebewilligung nach § 8 HwO vor Verwaltungsgerichten durchzusetzen.

2) Bundesverwaltugnsgericht - Urteil vom 25.02.1992 - BVerwG 1 C 27.89

3) Letztes Jahr das das Bundesverfassungsgericht in der Entscheidung zum Hufbeschlagsgesetz (1 BvR 2186/06 vom 03.07.2007) ausgeführt: "Es verstößt gegen den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit, wenn von einem Berufsbewerber Kenntnisse und Fähigkeiten verlangt werden, die in keinem Verhältnis zu der geplanten Tätigkeit stehen (vgl. BVerfGE 54, 301 <330 f.> m.w.N.)." Vor dem Hintergrund dieser Entscheidung dürfte der in der Meisterprüfung verlangte Nachweis über betriebswirtschaftliche und berufspädagogische Kenntnisse ein Übermaß verlangen, dass diese Kenntnisse keinen Bezug zu dem Regelungsziel der Abwehr von Gefahren für Gesundheit und Leben von Dritten haben.

4) Die Gesetzesbegründung für den Meisterzwang ist genau diese Abwehr von Gefahren für Gesundheit und Leben von Dritten (Bundestags-Drucksache 15/1206). Außerdem wird immer wieder die Ausbildungsleistung des Handwerks als Begründung für den Meisterzwang angeführt. Zu dieser Begründung für den Meisterzwang führt das Bundesverfassungsgericht in der Entscheidung 1 BvR 1730/02 vom 05.12.2005 aus: "Für das daneben vom Gesetzgeber verfolgte Ziel der Ausbildungssicherung steht die Erforderlichkeit des Meisterzwangs nicht außerhalb jeden Zweifels." Im Weiteren führt das Gericht aus, dass es davon ausgeht, dass die Ausbildungsleistung durch mildere Mittel gefördert werden kann. Auch vor dem Hintergrund, dass den Handwerksbetrieben die Auszubildenden fehlen und über einen Fachkräftemangel geklagt wird erscheint dieses Argument für eine Einschränkung der Berufsfreiheit mehr als fraglich.

5) In der Entscheidung 1 BvR 254/99 vom 07.08.2000 zur Frage ob Augenoptiker berührungslosen Augeninnendruckmessung und Gesichtsfeldprüfung mittels Computermessung anbieten dürfen heißt es in Abs. 19: "Wird der Eingriff in die Berufsausübungsfreiheit in Gestalt eines Tätigkeitsverbots nur mit mittelbaren Gefahren für die Volksgesundheit begründet, entfernen sich Verbot und Schutzgut so weit voneinander (vgl. hierzu BVerfGE 85, 248 <261>), dass bei der Abwägung besondere Sorgfalt geboten ist. Die Gefahren müssen hinlänglich wahrscheinlich und die gewählten Mittel eindeutig erfolgversprechend sein."

6) Auch die Bundesregierung formulierte dieses handwerksrechtliche Abgrenzungsproblem in der Bundestagsdrucksache 15/1206 deutlich:

So bestehen seit Jahren Abgrenzungsprobleme, die bisher nicht abschließend gelöst werden konnten. Das betrifft zum Beispiel die Montage industriell vorgefertigter Blockhäuser, Gips-, Spritz- und Putzarbeiten, selbständige Wartungsarbeiten an medizinischen Dialysegeräten, Küchenmontagen sowie den Fassadenbau/Wärmedämm-Verbundsysteme.
In Bundestagsdrucksache 15/1481 heißt es:

"Eine präzisere Definition der nicht von der Handwerksordnung erfassten („nicht wesentlichen“) Tätigkeiten ist nicht möglich.
Es ist bereits nicht möglich, die zum Vorbehalt der Handwerke gehörenden Tätigkeiten, also die im Sinne des § 1 Abs. 2 „wesentlichen Tätigkeiten“ konkret, verbindlich und umfassend zu benennen. Das Bundesverwaltungsgericht hat hierfür eine Definition erarbeitet, im konkreten Einzelfall entscheiden hierüber jedoch die Gerichte. Dass es sich hierbei um Einzelfallentscheidungen handelt, hat bereits der Bund-Länder-Ausschuss „Handwerksrecht“ in Nummer 1 seiner Beschlüsse vom 17. Dezember 1987 festgestellt (Bundesanzeiger Nr. 241 vom 24. Dezember 1987, S. 16514). Dort ist ausgeführt: „Ob wesentliche Tätigkeiten eines Handwerks vorliegen und ihre Ausübung die Eintragung in die Handwerksrolle erfordert, ist daher im Einzelfall und unter Berücksichtigung der aktuellen Lebenswirklichkeit zu beurteilen; dabei sind auch die Tätigkeitsbereiche der anderen Handwerke oder nichthandwerklicher Gewerbe zu berücksichtigen, zu denen eine Abgrenzung erfolgen soll. Letztlich ist in einer Gesamtbeurteilung unter Berücksichtigung von Artikel 12 GG und des Beschlusses des Bundesverfassungsgerichts vom 17. Juli 1961 (BVerfGE 13, 97) zu entscheiden, ob die Eintragung in die Handwerksrolle erforderlich ist." Auf die seit Jahren von den Ländern ungelösten Abgrenzungsprobleme wird in diesem Zusammenhang hingewiesen."

7) § 1 Abs. 2 Satzes HwO:

Keine wesentlichen Tätigkeiten sind insbesondere solche, die
1 . in einem Zeitraum von bis zu drei Monaten erlernt werden können,
2 . zwar eine längere Anlernzeit verlangen, aber für das Gesamtbild des betreffenden zulassungspflichtigen Handwerks nebensächlich sind und deswegen nicht die Fertigkeiten und Kenntnisse erfordern, auf die die Ausbildung in diesem Handwerk hauptsächlich ausgerichtet ist, oder
3 . nicht aus einem zulassungspflichtigen Handwerk entstanden sind.

8) Siehe: BVerfGE 1 BvR 608/99 vom 31.03.2000 und auch Oberverwaltungsgericht Münster 4 A 511/02 vom 06.11.2003.

9) Wolfram Dürr (im Wirtschaftsministerium von Brandenburg zuständig für Handwerksrecht) nennt diese Situation einen Teufelskreis. In seinem Beitrag "Gedanken zur Schwarzarbeitsbekämpfung, vor allem im Handwerk" (Gewerbearchiv 2007/2, Seite 65) führt er aus: "Berücksichtigt man, dass die Auskunftspflichten Behörden treffen, deren Mitarbeiter nicht aus Bequemlichkeit auf Handwerkskammern verweisen, sondern weil ihnen oft die detaillierte eigene Sachkenntnis fehlt, so drängt sich das Bild eines Teufelskreises auf. Der Gesetzgeber beschränkt sich in Fortführung erprobter Gesetzgebungstechnik bei der Definition der Handwerksbereiche auf allgemeine Maßstäbe, entzieht den zur Auskunft Verpflichteten aber die Meisterprüfungsordnungen als möglichen Maßstab zur Bestimmung konkreter Tätigkeitsbereiche und unterscheidet innerhalb dieser Handwerksbereiche zwischen "wesentlichen" und unwesentlichen Bereichen, ohne praktikable Kriterien dafür zu liefern . Die Rechtsprechung verpflichtet - in einem Rechtsstaatssystem unverzichtbar - die zuständigen Behörden zur Auskunft. Diese sind nicht selten fachlich überfordert. Der Bürger erhält hat in solchen Fällen Probleme, die Zulässigkeit bestimmter Tätigkeiten vorab zu klären."

10) Siehe: Bundestags-Drucksache 15/1206

11) Auch Kunden erhalten zu solchen Fragen regelmäßig keine Auskünfte von Behörden, obwohl sie als Auftraggeber auch von Bußgeldern bedroht sind. Gerade für Kunden, die wegen mangelnder Fachkenntnis nicht selber abschätzen können, ob von einer unsachgemäßen Ausführung von Aufträge eine Gefahr für Leben und Gesundheit für sie selber oder andere Dritte ausgeht brauchen verlässliche Auskünfte, die ihnen die Auswahl unter den Anbietern nicht unverhältnismäßig einschränken.

12) Die bestehende Inländerdiskriminierung besteht in dem erleichterten Marktzugang für Anbieter mit Berufserfahrungen in anderen EU-Staaten. Aufgrund der Berufsanerkennungsrichtlinie (Richtlinie 2005/36/EG des europäischen Parlaments und des Rates vom 7. September 2005) haben Bewerber aus anderen EU-Staaten einen leichteren Zugang zum deutschen Handwerksmarkt erhalten. Ohne ersichtlichen Grund wird in der Umsetzung der Berufsanerkennungsrichtlinie (in der EU/EWR-Handwerk-Verordnung) ausschließlich auf Berufserfahrungen Bezug genommen, die in andere EU-Staaten erworben wurden. Warum hier keine Gleichbehandlung stattfindet ist unergründlich.
Die so genannte Altgesellenregelung (Ausübungsberechtigung nach § 7b HwO), nach der Gesellen nach sechs Jahren Berufserfahrung - davon vier Jahre in leitender Stellung - eine Ausübungsberechtigung für ein zulassungspflichtiges Handwerk erhalten können wurde offensichtlich eingeführt um die Inländerdiskriminierung abzumildern. Trotzdem bleiben die Anforderungen an die einheimischen Gesellen höher als an Anbieter aus anderen EU-Staaten. Schon formal wird von Bewerbern aus anderen EU-Staaten mit einer abgeschlossenen Berufsausbildung nur noch der Nachweis von drei Jahren Selbständigkeit oder Betriebsleiter-Tätigkeit verlangt - im Gegensatz zu sechs Jahren Berufstätigkeit und davon vier in leitender Stellung; für Bewerber ohne abgeschlossene Berufsausbildung besteht für Bewerber aus anderen EU-Staaten die Möglichkeit nach sechs Jahren Selbständigkeit oder Betriebsleitertätigkeit eine Ausnahmebewilligung nach § 9 HwO zu erhalten - eine entsprechende Regelung für Bewerber mit Berufserfahrungen aus Deutschland fehlt in der Handwerksordnung vollständig. Über die formale Bevorzugung von Bewerbern aus anderen EU-Staaten hinaus, müssen wir feststellen, dass die Handwerkskammern bei der Erteilung von Ausübungsberechtigungen überzogenen Anforderungen an den Nachweis der leitenden Tätigkeit stellen. Für Bewerber aus anderen EU-Staaten reicht eine Bestätigung von ihrer Heimatbehörde, bei der keinen Interessenkonflikt wie bei den Handwerkskammern besteht, die ihre Mitgliedsbetriebe vor Konkurrenz von neuen Anbietern schützen wollen.

13) So berichtet der Kreis Soest in einer Pressemitteilung von 23.04.2008 davon, dass er ein Bußgeld bei einem Unternehmen vereinnahmt hat, welches zwei Mitarbeiter nicht bei der Sozialversicherung angemeldet hat. Aus dem Zusammenhang und den Zuständigkeitsregelungen muss man davon ausgehen, dass das Bußgeld wegen fehlender Eintragung in die Handwerksrolle verhängt wurde. Offen bleibt, warum der Kreis den Fall bei Verdacht aus sozialrechtlichen Meldeverstößen nicht an Zoll oder Staatsanwaltschaft weitergegeben hat. Man muss sich fragen, ob die Mitarbeiter des Kreises Soest sich nicht der Strafvereitlung schuldig gemacht haben. Beim Verdacht auf eine Straftat (der sozialrechtlichen Meldeverstöße) muss die Verfolgung einer möglichen Ordnungswidrigkeit zurückstehen; der Fall muss an Staatsanwaltschaft oder Zoll abgegeben werden.
Entsprechende Vorfälle werden dem BUH immer wieder gerade aus NRW - auch viel detaillierter als in der Pressemitteilung des Kreises Soest - berichtet. Eine entsprechende Mitteilung an die Staatskanzlei vom Oktober 2007 blieb bis heute seitens der Landesregierung inhaltlich unbeantwortet.
Wir müssen den Eindruck haben, dass die Landesregierung solche Machenschaften von Ordnungsbehörden decken will.

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Bei Anmerkungen und Kritik freut sich der BUH über email, Post oder FAX an die Geschäftsstelle.

BUH e.V.: Artilleriestr. 6, 27283 Verden,
Tel: 04231-9566679, Fax: 04231-9566681, mail: BUHev-Buro


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