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Meisterzwang ist verfassungswidrig, Regelungszweck des Meisterzwang, Meisterzwang verlangt ein Übermaß, Meisterzwang ist unbestimmt, Meisterzwang diskriminiert im Inland erworbene Erfahrungen, Meisterzwang Verstößt gegen den Gleichheitsgrundsatz

Inländerdiskriminierung durch den Meisterzwang

Das Bundesverfassungsgericht hat Verbände (unter anderen auch den BUH) um eine Stellungnahme zu der Verfassungsbeschwerde 1 BvR 1730/02 gebeten. Dazu hat es folgende Frage gestellt:

"Es wäre für das Bundesverfassungsgericht insbesondere von Interesse, wenn sie sich zu Umfang und Auswirkungen handwerklicher Konkurrenz aus dem EU-Ausland äußern würden".

Der BUH hat auf diese Frage im wesentlichen wie folgt geantwortet:

Auswirkungen von Konkurrenz aus dem EU-Ausland

Sie hatten gebeten, sich zu Umfang und Auswirkungen handwerklicher Konkurrenz aus dem EU-Ausland zu äußern :

Hier ist zunächst von Bedeutung, dass es keinerlei gesicherte Statistik über das Ausmaß der Anwesenheit handwerklicher Konkurrenz aus dem EU-Ausland in Deutschland gibt.

Es gibt zwar die Möglichkeit einer Eintragung gemäß § 9 HwO in die Handwerksrolle und hierzu bestehen auch Statistiken, die zeigen, dass von dieser Möglichkeit nur in geringem Umfang Gebrauch gemacht wird.

Spätestens seit dem Urteil des EUGH im Falle Corsten vom 03.10.2000 - Rechtssache C 58 / 98 - ist aber klar, dass für grenzüberschreitende Handwerkstätigkeit keine Handwerksrolleneintragung nötig ist und damit auch der Ansatz zur Erhebung einer Statistik entfällt. Unser subjektiver Eindruck ist, dass seit diesem Urteil der grenzüberschreitende Handwerksverkehr zugenommen hat. Verwertbare Beweise hierfür können aber nicht vorgelegt werden.

Zudem ist noch Folgendes zu berücksichtigen, das in der Vergangenheit bereits die tatsächliche Konkurrenz verschleiert hat : In unseren EU-Nachbarländern in der Regel und nach EU-Statistik gibt es die Unternehmenskategorie "Handwerk" nicht, nur "Kleine und mittlere Unternehmen" - KMU. Größere Handwerksunternehmen nach deutschem Verständnis sowie ihre Entsprechungen in den EU-Staaten zählen nicht mehr zu den KMU. Gerade diese größeren Handwerksunternehmen aus den EU-Nachbarstaaten aber sind aber in der Lage grenzüberschreitend zu arbeiten und tun dies auch. Im Berichtswesen treten sie jedoch als Industrie / IHK-Bereich auf.

Gerade aus den Niederlanden z. B. wird so seit langem in erheblichem Umfang nach Deutschland hinein gearbeitet, nicht zuletzt im Bauhaupt- und Baunebengewerbe, auch über große Entfernungen , über Hunderte von Kilometern in Norddeutschland und im Rheinland, bei Großprojekten flächendeckend in ganz Deutschland. Entsprechend ist schon im Vorfeld des polnischen Beitritts die Präsenz polnischer Unternehmen in Berlin und im grenznahen Bereich Ostdeutschlands deutlich zu spüren.

Aus den süddeutschen Ländern, vor allem Bayern gilt entsprechendes für die Präsenz österreichischer Unternehmen.

Wir können festhalten : Die Auswirkungen der Möglichkeiten für Konkurrenten aus anderen EU-Staaten zu einheimischen Handwerksbetrieben in Konkurrenz zu treten, sollten unter verschiedenen Gesichtspunkten betrachtet werden:

Tatsächliche Konkurrenz aus dem Ausland

Zu der tatsächliche Konkurrenz aus dem Ausland zunächst einige Zitate aus der Studie:

Zukunftsperspektiven der deutschen Bauwirtschaft / [von Stefan Kofner erstellt]. - [Electronic ed.]. - Bonn, 1998. - VII, 123 S. : - ISBN 3-86077-734-3 Electronic ed.: Bonn: FES Library, 2000 der Friedrich Ebert Stiftung:

"Die IGBau geht davon aus, daß derzeit etwa 200.000 ausländische Bauarbeiter illegal auf deutschen Baustellen beschäftigt sind."
...
"In Westdeutschland erreichte der Kostenanteil für Subunternehmerleistungen 1995 im Durchschnitt 27 vH. Bei den Unternehmen mit 20 bis unter 50 Beschäftigten entfielen jedoch nur 13 vH der Gesamtkosten auf diesen Kostenblock (gegenüber 8 vH im Jahr 1979). Bei Betrieben mit mehr als 500 Beschäftigten lag der Anteil dagegen mit 40 vH mehr als dreimal so hoch (gegenüber 25 vH im Jahr 1979). Hier fiel in der betrachteten Zeitspanne also auch die in Prozentpunkten gemessene Zunahme wesentlich größer aus. "
...
" Der Hauptverband der Deutschen Bauindustrie gibt an, daß im Jahresdurchschnitt 1997 etwa 181.000 ausländische Arbeitnehmer auf deutschen Baustellen legal beschäftigt waren (davon 16.000 oder 9 vH aus Werkvertragskontingenten und 165.000 oder 91 vH EU-Ausländer)."

Die hier zitierten Zahlen beziehen sich allein auf den Baubereich. Andere Handwerksbereiche sind durch diese Zahlen nicht erfaßt.

Die ausländischen Arbeitnehmer sind zu einem sehr großen Anteil für Unternehmen mit Sitz in anderen EU-Staaten tätig.

Bei der Beurteilung der Konkurrenzsituation für einheimische handwerkliche Betriebe durch Betriebe aus anderen EU-Staaten, kann nicht allein auf die Betriebe abgestellt werden, die in Deutschland in die Handwerksrolle eingetragen sind. Die in Deutschland tätigen Subunternehmer der Bauindustrie würden, wenn sie von einheimischen Handwerksgesellen geführt würden, als Handwerksbetrieb gewertet und die Eintragung in die Handwerksrolle würde dann verlangt. Die Abgrenzungen zwischen Industrie und Handwerk ist diffus. Sie wird auch an der Ausbildung des Betriebsleiters festgemacht. Für einheimische Handwerksgesellen bedeutet dies, daß bei Ihnen eine Eintragung in die Handwerksrolle verlangt wird; dagegen wird dies häufig bei ausländischen Betrieben nicht verlangt.

Für die Konkurrenzsituation ist weiter relevant, daß aufgrund des Wettbewerbs durch die Bauindustrie aus anderen EU-Staaten ein Verdrängungswettbewerb von den größeren Betrieben (häufig Industrie) hin zu den kleineren Betrieben (eher Handwerk) statt findet. Die Unternehmen (inklusive der Subunternehmen) aus anderen EU-Staaten werden häufig der Bauindustrie zugerechnet; sie konkurrieren jedoch auch mit den heimischen Handwerksunternehmen. Diese Handwerksunternehmen drängen verstärkt auch in den Markt der kleineren Aufträge und betätigen sich so auf dem Markt der typischerweise stark von kleinen Handwerksunternehmen, handwerklichen Existenzgründern und Unternehmen im Umfeld des Handwerks (Minderhandwerk, handwerksähnliche Betriebe, ...) bedient wird.

Für die betroffenen Handwerksgesellen bedeutet diese Konkurrenzsituation, daß sie faktisch wegen der Konkurrenz von Betrieben aus anderen EU-Staaten ihren Arbeitsplatz verlieren, aber nicht einmal Angebote für die Aufträge abgeben dürfen, die von schlechter ausgebildeten Subunternehmern aus anderen EU-Staaten ausgeführt werden.

In dieser Situation fühlen sie sich vom Heimatstaat verraten und verkauft!

Die Handwerksverbände argumentieren, um das Argument zu entkräften, daß sie mit dem Meisterzwang und ihren Einfluß auf den Ausgang der Meisterprüfung den Markt regulieren und im Handwerk ein verminderter Wettbewerbsdruck herrscht regelmäßig damit, daß der Konkurrenzdruck aus anderen EU-Staaten eine Marktabschottung unmöglich macht und gerade durch die Konkurrenz aus dem Ausland der Konkurrenzdruck immer schärfer wird. Auch dies ist ein Beleg für die erhebliche Konkurrenz aus dem EU-Ausland.

Gefühlte Benachteiligung der Betroffenen

Ganz gleich wie groß die Konkurrenz durch Anbieter aus anderen EU-Staaten nun tatsächlich sein mag, so ist die gefühlte Benachteiligung erheblich. Insbesondere die Ehepartner von den Betroffenen melden sich immer wieder mit großem Zorn wegen dieser Ungleichbehandlung bei uns. Hierbei spielt es für die Akzeptanz dieser Regelung kaum eine Rolle, wieviel Anbieter aus anderen EU-Staaten tatsächlich auf dem Markt tätig sind. Diejenigen die am verärgersten über diese Diskriminierung sind, haben zur Zeit sowieso noch keine Möglichkeit legal Arbeiten auszuführen.

Die Ungleichbehandlung von Erfahrungen, die in Deutschland erworben wurden, im Gegensatz zu Erfahrungen, die im EU-Ausland erworben wurden, wird auch von dem Bundespräsidenten kritisiert.

Bundespräsident Johannes Rau hat mehrmals, u.a. bei der Eröffnungsveranstaltung des Fachkongresses des Bundesinstituts für Berufsbildung am Mittwoch den 23.10.2002 in Berlin festgestellt:

"Meine Damen und Herren, wer Reformbedarf im Ausbildungssystem sieht, der muss ihn konkret definieren und konsensorientiert an einer gemeinsamen Lösung mitzuwirken versuchen. Allgemein gehaltene Kritik reicht nicht aus, und sie führt auch nicht wirklich weiter.
Ein ganz konkretes Problem, das in den nächsten Jahren gelöst werden muss, auch das haben wir schon gehört, sehe ich zum Beispiel darin, dass sich Handwerker aus einigen EU-Staaten mit den in ihren Heimatländern geltenden Qualifikationsanforderungen in Deutschland selbständig machen und niederlassen können - und das auch ohne Meisterbrief. Ein gut ausgebildeter deutscher Handwerker dagegen braucht den Meisterbrief, um einen eigenen Betrieb gründen zu können. Dass das vernünftig sein soll, das ist nicht nur den Betroffenen schwer zu erklären. Ich will mich jetzt nicht beteiligen an der Diskussion um den Meisterbrief, um den großen Befähigungsnachweis als eine notwendige Grundlage für eine selbständige Existenz. Nur so viel: In dieser Frage, die auch mit der Attraktivität einer Handwerkslehre zu tun hat, erwarte ich von den Unternehmen und ihren Verbänden mehr Flexibilität und die Bereitschaft, ausgetretene Pfade zu verlassen."
(Hervorhebung durch Unterzeichner)

Nicht nur der amtierende Bundespräsident, sondern auch ein ehemaliger Bundespräsident hat sich kritisch zum Meisterzwang geäußert. Am 27.5.02 im Karlsruher Verfassungsgespräche auf Phoenix äußerte sich Prof. Dr. Roman Herzog zur Meisterzwang wie folgt:

"Problematisch ist immer noch der Große Befähigungsnachweis in seinem Verhältnis zu den europäischen Gesetzgebungsorganen bzw. umgekehrt sage ich den Repräsentanten des Deutschen Handwerks seit etwa 20 Jahren, sie müßten eigentlich zweierlei tun, ähnlich wie bei der als ähnlich schrecklich empfundenen Rechtsprechung zum Reinheitsgebot bei der Bierproduktion, die gelaufen ist. Man müßte nur die Rechtsbestimmungen, die Ausschlußformeln sausen lassen, und das ganze, den Großen Befähigungsnachweis, wie das Reinheitsgebot bei unserem deutschen Bier, als Reklamegesichtspunkt ins Feld führen. Man käme sehr viel weiter, was beim Deutschen Befähigungsnachweis den weiteren Vorteil hätte, daß die Handwerksorganisationen endlich gezwungen wären, die schwarzen Schafe im deutschen Handwerk beim Namen zu nennen, anzuprangern und rauszuschmeißen."

Tatsächliche Ungleichbehandlung

Die EU/EWRHandwerk-Verordnung - (EU/EWR HwV) bestimmt (in § 7), dass handwerkliche Dienstleistungen in Deutschland erbracht werden dürfen wenn der Betriebe zwei Jahre in einem anderen EU-Staat niedergelassen war.

Damit sind die Anforderungen an Dienstleistungserbringer aus anderen EU-Staaten deutlich geringer als für einheimische Bewerber, von denen der Meisterbrief als
Regelvoraussetzung verlangt wird.

Das BVerfG begründet die Verletzung des allgemeinen Gleichheitssatzes zum Beispiel wie folgt:

"Art. 3 Abs.1 GG gebietet, alle Menschen vor dem Gesetz gleich zu behandeln. Das Grundrecht ist vor allem dann verletzt, wenn eine Gruppe von Normadressaten im Vergleich zu anderen Normadressaten anders behandelt wird, obwohl zwischen beiden Gruppen keine Unterschiede von solcher Art und solchem Gewicht bestehen, dass sie die ungleiche Behandlung rechtfertigen können. Im Rahmen seines Gestaltungsauftrags ist der Gesetzgeber grundsätzlich frei in seiner Entscheidung, an welche tatsächlichen Verhältnisse er Rechtsfolgen knüpft und wie er von Rechts wegen zu begünstigende Personengruppen definiert. Eine Grenze ist jedoch dann erreicht, wenn durch die Bildung einer zu begünstigenden Gruppe andere Personen von der Begünstigung ausgeschlossen werden und sich für diese Ungleichbehandlung kein in angemessenem Verhältnis zu dem Grad der Ungleichbehandlung stehender Rechtfertigungsgrund finden läßt" (BVerfGE 99, 165, 177)."

Für die Frage, ob die Beschränkung auf Erfahrungen aus anderen EU-Staaten in der EWG/EWR - Handwerkerverordnung, ein Verstoß gegen das Gleichbehandlungsgebot darstellt, ist es - dem folgend - unerheblich in welchem Umfang Unternehmen aufgrund § 9 HwO auf dem deutschen Markt aktiv sind. Allein dass die Regelung besteht und ein nicht Begünstigter die Begünstigung wünscht, reicht für einen Verstoß gegen den Gleichheitsgrundsatz, wenn keine sachlicher Rechtfertigungsgrund dafür gegeben ist, daß der nicht Begünstigte eben nicht begünstigt wurde.

Auch in der BVerfGE 99, 165, 177 wurde nicht geprüft, wie viele Eltern den Unterhaltsbetrag nicht leisten.

Es kommt allein auf den Sachverhalt an und in der Folge auf die Frage, ob sachlich nicht wesentlich unterschiedliches von unterschiedlichen Normen unterschiedlich geregelt wird und nicht darauf durch welche Normen an sich gleiche oder wesentlich gleiche Sachverhalte geregelt werden und auch nicht darauf, auf welchen Rechtsgeber die Norm zurückzuführen ist.

Hinzu kommt, daß § 9 HwO und die EWG/EWR - Handwerkerverordnung beide vom Bundestag verabschiedet wurden und auch an der, durch diese Normen umgesetzt EU-Richtlinie, war der deutsche Gesetzgeber über die Ratifizierung der EU-Verträge und die Wahl der Bundesregierung beteiligt.

Die Ungleichbehandlung von Erfahrungen die entweder in Deutschland oder aber in anderen EU-Staaten erworben wurden, ist sachlich in Keiner Weise begründet.

Der einen Gruppe von Personen mit Erfahrungen aus anderen EU-Staaten wird die Möglichkeit einer Existenzgründung zugestanden. Den anderen bleibt die Möglichkeit eine wirtschaftliche selbständige Existenz aufzubauen verwehrt und damit die Inanspruchnahme des Grundrechts auf freie Berufsausübung (Artikel 12 GG). Und dies obwohl diejenigen mit in Deutschland erworbenen Erfahrungen, mindestens genauso gut qualifiziert sind, wie diejenigen mit Erfahrungen aus anderen EU-Staaten - ja eher sogar besser, weil sie schon Erfahrungen mit dem hiesigen Rechtssystem und den hiesigen Marktverhältnissen erworben haben. Sie kenne die am deutschen Markt üblichen Marktgepflogenheiten, die hier gültigen Normen und die Verwaltung. Diese unterscheiden sich wesentlich von z. B. Frankreich, wo Bauanträge für Wohnhäuser erst ab mehr als 169 qm gestellt werden müssen.

Der Österreichische Verfassungsgerichtshof (G 42/99) führt hierzu aus:

"Der Verfassungsgerichtshof ist der Auffassung, daß eine entsprechende Ausbildung und eine entsprechende Tätigkeit im jeweiligen Gewerbe im Inland im Hinblick auf die für die Erbringung eines Befähigungsnachweises erforderlichen Elemente der kaufmännisch-rechtlichen Anforderungen eher besser als schlechter geeignet ist, das angestrebte Niveau und die erforderliche Qualifikation zu erreichen, ermöglicht sie doch leichter den Erwerb der spezifischen Kenntnisse der österreichischen Rechtslage und der spezifischen österreichischen Marktgegebenheiten."

Zu der Frage ob der Gleichheitsgrundsatz durchbrochen werden darf, wenn sachlich gleiche oder wesentlich gleiche Sachverhalte von unterschiedlichen Rechtskreisen geregelt werden führt der ÖstVerfGH aus:

"... bei diesen Überlegungen beachtet die Bundesregierung aber nicht ausreichend, dass ein österreichisches Gesetz, mit dem eine gemeinschaftsrechtliche Vorschrift ausgeführt und in österreichisches Recht umgesetzt wird, rechtlich doppelt bedingt ist".

Rechtsanwalt Claus Martin Huber-Wilhelm aus Freising kommentiert diese Entscheidung folgendermaßen:

Es ist, wie der ÖstVerfGH - in VfSlg. 15.106/1998 m. w. Nachw. (vgl. insv. auch Öhlinger/Potax, Gemeinschaftsrecht und staatliches Recht, 1998, S. 93, 107, 117) - zusammenfassend ausgeführt hat, "in Lehre und Rechtsprechung unbestritten, dass der Gesetzgeber bei der Ausführung von Gemeinschaftsrecht jedenfalls insoweit an bundesverfassungsgesetzliche Vorgaben gebunden bleibt, als eine Umsetzung gemeinschaftsrechtlicher Vorgaben durch diese nicht inhibiert wird. Der Gesetzgeber unterliegt in diesen Fällen also einer doppelten Bindung, nämlich einer Bindung an das Gemeinschaftsrecht und einer Bindung an den verfassungsgesetzlichen gezogenen Rahmen. Der Umstand, dass mit einer gesetzlichen Regelung gemeinschaftsrechtliches Richtlinienrecht umgesetzt werden soll, bildet für sich allein - lässt man den hier nicht vorliegenden (und in den Konsequenzen umstrittenen) Fall, dass die Umsetzung einer gemeinschaftsrechtlichen Vorschrift zwingend eine Änderung österreichischen Verfassungsrechts erfordert, außer Betracht - keinesfalls einen ausreichenden Rechtfertigungsgrund für eine durch die Art der Umsetzung bewirkte Differenzierung
....
Aus dogmatischer Sicht ist an der Entscheidung des österreichischen Verfassungsgerichtshofs
insbesondere bemerkenswert, dass der ÖstVfGH ausdrücklich festhält, dass Rechtsakte, die EG-Recht umsetzen, "doppelt bedingt" sind (ÖstVfGH, EuZW 2001, 219). Diese doppelte Bedingtheit bringt es folgerichtig auch mit sich, dass der Gesetzgeber in diesen Fällen einer doppelten Bindung unterliegt, nämlich einer "Bindung an das Gemeinschaftsrecht und einer Bindung an den verfassungsgesetzlich gezogenen Rahmen" (ÖstVfGH, EuZW 2001, 219, ÖstVfGH, VfSlg 15.106/1998 zitierend). Der ÖstVfGH weist somit die in Deutschland zum Teil vertretene These der Nichtanwendung des Gleichheitssatzes wegen unterschiedlicher Rechtskreise und Hoheitsträger ausdrücklich zurück und nimmt explizit eine verfassungsrechtliche Interdependenz an (ähnlich wie der ÖstVfGH sieht dies Bleckmann, NJW 1985, 2856, [2860]; ebenfalls ähnlich, wenn auch im Ansatz dogmatisch unterschiedlich: Pietzcker, Der anwaltliche Lokalisationsgrundsatz, 1992, S. 22 ff.).

So wie in Österreich müssen sich auch in Deutschland Regelungen - hier insbesondere auch § 9 HwO bzw. EWG/EWR - Handwerkerverordnung - am europäischen Recht und nationalem Verfassungsrecht messen lassen.

Der Gesetzgeber bzw. die Bundesregierung darf nicht durch seine Zustimmung zu EU-Richtlinien die Grundrechte aus dem Grundgesetz aushebeln.

Als Rechtfertigungsgrund für eine Ungleichbehandlung können nur sachliche Erwägungen herangezogen werden und nicht die Notwendigkeit eine EU-Richtlinie in nationales Recht umzusetzen, wobei die Bundesregierung dieser Umsetzung ja seinerzeit zugestimmt hat.

Die Grundrechte dienen gerade dazu, den Bürger vor der Übermacht des Staates zu schützen. Wenn der Gesetzgeber über die Umsetzungen von EU-Richtlinien Grundrechte außer Kraft setzen dürfte, wären die zugrunde liegenden EU-Verträge verfassungswidrig und müßten gekündigt werden. Zumindest, wenn sie - wie im Falle des § 9 HwO - zu einer faktischen schwerwiegenden Verletzung des Grundrechtes der Gleichbehandlung (Artikel 3 GG) führen.

Die Aufhebung der von den Fraktionen im Bundestag erkannten Inländerdiskriminierung wird auch in folgenden Bundestagsdrucksachen von einem Teil der Abgeordneten gefordert:

CDU/CSU - BT-DrS 15/1107:
"Zudem muss mit Blick auf die EU eine Inländerdiskriminierung grundsätzlich vermieden und Bürokratie so weit wie möglich abgebaut werden."
FDP - BT-DrS 15/1108:
"Wir müssen zum Beispiel alles dafür tun, die Inländerdiskriminierung deutscher Handwerksbetriebe zu beseitigen. Denn durch das Urteil des Europäischen Gerichtshofes aus dem Jahr 2000 ist es Handwerkern aus dem EU-Ausland möglich, ohne strenge Beachtung der deutschen Handwerksordnung tätig zu werden oder sich sogar niederzulassen. Das ist ein klarer Wettbewerbsnachteil für die deutschen Betriebe - gerade in grenznahen Regionen. Hier muss die Politik gegensteuern."
SPD und Bündnis90/Die Grünen - BT-DrS 15/1206:
Durch Einführung eines neuen § 7b in die HwO soll die Inländerdiskriminierung abgeschwächt werden, indem Gesellen mit mindestens zehn Jahren Berufserfahrung, davon mindestens fünf Jahre in leitender herausgehobener Stellung in die Handwerksrolle eingetragen werden sollen.

Bundesverfassungsgericht zur Inländerdiskriminierung

Das Bundesverfassungsgericht hat bisher (im März 2008) noch nicht entschieden, ob der Meisterzwang eine Inländerdiskriminierung darstellt.

In Seiner Entscheidung 1 BvR 1730/02 vom 05.12.2005 hat das Gericht lediglich ausgeführt:

"Der mit der Verfassungsbeschwerde angegriffene Bußgeldbescheid sowie die diesen bestätigenden gerichtlichen Entscheidungen verletzen den Beschwerdeführer in seinem Grundrecht aus Art. 12 Abs. 1 GG. Einer zusätzlichen Prüfung am Maßstab des Art. 3 Abs. 1 GG bedarf es daher nicht."

Eine Entscheidung darüber ob der Meisterzwang eine Inländerdiskriminierung darstellt steht als noch aus.

Gründe eine Verfassungsbeschwerde gegen diese Inländerdiskriminierung beim Meisterzwang abzulegen, wie in dem Verfahren 1 BVR 2075/03 bestehen hier nicht.

Weitere Informationen


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