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Novellierung der Handwerksordnung 1998
Die Anlage A der deutschen Handwerksordnung wurde Anfang 1998
novelliert. Statt den Meisterzwang insgesamt zu hinterfragen,
ging es dabei nur um eine Neueinteilung einiger Meisterberufe.
Bündnis 90/Die Grünen hat einen Entwurf
(Drucksache
13/8846) für diese Gesetzesänderung eingebracht,
durch die der Meisterzwang wesentlich gelockert worden wäre.
Nach diesem Gesetzentwurf sollten sich GesellInnen mit drei Jahren
Berufserfahrung selbständig machen dürfen. Von dieser Regelung wären
einige sogenannte Gefahrenhandwerke ausgenommen worden.
CDU/CSU, SPD und FDP haben einen Gesetzentwurf
(Drucksache
13/9388) eingebracht.
Mit dem Gesetzentwurf wurde unter anderem die Anlagen A und B der
Handwerksordnung neu geordnet.
Durch diese Neuordnung wurde der Gerüstbau meisterpflichtig.
(Vor 1998 war der Gerüstbau
als handwerksähnliches Gewerbe in der Anlage B der Handwerksordnung aufgeführt.)
Weiter wurde der § 45 HwO geändert. Es wurde der Klammerhinweis
"(Berufsbild)" durch den Klammerhinweis "(Meisterprüfungsberufsbild)" ersetzt.
Sowohl die Aufnahme des Gerüstbaus in die meisterpflichtige
Anlage A der HwO, als auch die Änderung des Klammerhinweises
"(Berufsbild)"zu "(Meisterprüfungsberufsbild)" ist für die fortdauernde
juristische Diskussion des Meisterzwangs von Bedeutung:
- Meisterzwang für den Gerüstbau
-
Das Ziel der Gesetzesänderung wurde als sogenannte
Eckwerten festgelegt.
Dort wurde insbesondere unter Punkt (9) auf die
verfassungsrechtlichen Vorgaben hingewiesen. Nach den verfassungsrechtlichen
Vorgaben
muß der für die betreffende Tätigkeit geforderte große
Befähigungsnachweis einen Beitrag zur Sicherung des Leistungsstands
und der Leistungsfähigkeit des Handwerks und des Nachwuchses für
die gesamte gewerbliche Wirtschaft leisten
In der Bundestagsdebatte 13/210
um diesen Gesetzentwurf hat der parlamentarische Staatssekretär
Herr Kolb (FDP) ausgeführt:
Das aus wohlerwogenen Gründen durchgehaltene Konsensprinzip
in der Arbeitsgruppe hat auf Grund der verfassungsrechtlichen
Vorgaben und der wirtschaftspolitischen Erfordernisse keine
weiterreichenden Schritte zugelassen. Es mußten viele
Kompromisse gemacht werden. Unter dem Strich kann man
sagen, daß die Gruppe eine recht hohe Hürde angelegt
hat, die nur der Gerüstbauer überspringen konnte, und
das nicht zuletzt wegen seiner beispielhaften
Ausbildungsleistung.
Dies zeigt, daß schon ohne den Meisterzwang im Gerüstbau
beispielhaften ausgebildet wurde.
Selbst wenn durch den Meisterzwang die Ausbildungsleistung
sichergestellt werden könnte - was eine leere Behauptung des Handwerks ist -
bedarf es beim Gerüstbau des Meisterzwangs nicht, damit
beispielhaft ausgebildet wird.
Daß der Gerüstbau trotzdem dem Meisterzwang unterworfen wurde
macht also offensichtlich, daß der Gesetzgeber sich eben nicht
an die verfassungsrechtlichen Vorgaben gehalten hat.
- Änderung des Klammerhinweises "(Berufsbild)"zu
"(Meisterprüfungsberufsbild)"
- In der Begründung (Drucksache 13/9388) der Gesetzesänderung heißt :
Zu Nummer 14 (§ 45)
a) Das derzeitige "Berufsbild" der Meisterprüfungsverordnung
beschreibt durch Aufzählung von Tätigkeiten, Kenntnissen und
Fertigkeiten die Qualifikation, über die ein Handwerker verfügen muß,
damit er sein Gewerbe "meisterhaft" ausüben kann. Dieses
prüfungsbezogene Berufsbild ist deshalb ausführlich und detailliert
abgefaßt.
Die Berufsbilder enthalten "wesentliche" Tätigkeiten des
betreffenden Handwerks, aber auch anderer Handwerke, einfache
Tätigkeiten, anspruchsvolle Tätigkeiten, die nicht zum Kernbereich
dieses Handwerks gehören, und Tätigkeiten von "handwerksähnlichen"
Gewerben. Berufsbilder im Sinne der Vorschrift können alle diese
Elemente und damit Überschneidungen mit anderen Handwerken und mit
nichthandwerklichen Gewerben enthalten.
Zur Klarstellung des maßgeblichen Bezugs des in § 45 Nr. 1 HwO
verwendeten Begriffs "Berufsbild" auf die Meisterprüfung und zur
Abgrenzung gegenüber dem tatsächlichen und wirtschaftlichen Berufsbild
wird der Begriff in Anlehnung an die Bezeichnung
"Ausbildungsberufsbild" in den Ausbildungsordnungen nach § 25 geändert
in "Meisterprüfungsberufsbild".
b) Weiter kommen hinzu erhebliche Mißverständnisse, die durch die
derzeitige sprachliche Fassung der Ermächtigungsnorm verursacht werden.
In der täglichen Praxis der Behörden, unteren Gerichte und
Handwerksorganisationen werden die für die einzelnen Handwerke
erlassenen Meisterprüfungsverordnungen vielfach wie folgt
mißverstanden: Mit den in den Berufsbildern genannten Tätigkeiten sei
zugleich festgelegt oder es könne aus ihnen unmittelbar abgeleitet
werden, daß diese Tätigkeiten dem jeweiligen Handwerk "vorbehalten"
sind. Damit wird die Bedeutung der "Berufsbilder" überbewertet; dies
entspricht auch nicht den von der Rechtsprechung des
Bundesverwaltungsgerichts aufgestellten Grundsätzen, wonach § 45 HwO
keine Ermächtigung zur Festlegung von Vorbehaltsbereichen ist, aber
"ergänzend" zur Auslegung mit herangezogen werden kann.
c) Bei der Beantwortung der Frage, ob die Ausübung einer in der
Meisterprüfungsverordnung eines Handwerks genannte Tätigkeit die
Ablegung der Meisterprüfung erfordert, ist insbesondere zu
berücksichtigen, daß solche Tätigkeiten nicht dem Erfordernis der
Meisterprüfung unterliegen können, die sich nicht aus einer
wesentlichen Tätigkeit eines Gewerbes der Anlage A entwickelt haben.
Daraus folgt, daß z. B. die Durchführung von Trockenbauarbeiten keine
Meisterprüfung erfordert, da der Trockenbau aufgrund seiner Entwicklung
nicht dem Handwerk zugerechnet werden kann. Die Schließung von
Trockenbaubetrieben nach § 16 HwO und die Verhängung von Bußgeldern
gegen Trockenbaubetriebe nach § 117 HwO ist damit nicht zulässig.
d) Werden bei der Reform der Anlage A neue Gewerbebegriffe
geschaffen, so wird zugleich durch die Änderung des § 45 rechtlich
klargestellt, daß mit Inhalten einer Meisterprüfungsordnung nicht
gleichzeitig auch Festlegungen von Vorbehaltsbereichen getroffen werden
und getroffen werden können.
Unbeschadet der Frage, welchen Inhalt eine
Meisterprüfungsverordnung für das Handwerk haben wird, wird mit der
vorgesehenen Änderung des § 45 Nr. 1 klargestellt, daß Tätigkeiten,
Fertigkeiten und Kenntnisse, die in eine Meisterprüfungsverordnung für
dieses Handwerk aufgenommen werden, nicht durch diese Rechtsverordnung
dem Erfordernis der Meisterprüfung für das Handwerk unter der neuen
Gewerbebezeichnung unterstellt werden. Die Änderung des § 45 kann bei
der Auslegung der neuen Gewerbebezeichnung allerdings weiterhin
"ergänzend" herangezogen werden, aber diese nicht korrigierend
einschränken.
Diese Änderung ist für alle handwerksrechtlichen Abgrenzungsfragen von Bedeutung.
Mit dieser Gesetzesänderung wurde die Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts
(zum Beispiel BVerwG 1 C 55/88 vom 3.9.1991 - NVwZ-RR 1992, 472, 473) in den Gesetzestext überrnommen.
Der Gesetzgeber hat sich dazu veranlast gesehen, nachdem diese Rechtsprechung von der Verwaltung und
Gerichten berücksichtigt wurde - auch nicht, nachdem auf diese Rechtslage in der Veröffentlichung der Beschlüssen
des Bund-Länderausschuss Handwerksrecht zur Anwendung der Handwerksordnung in der Bekanntmachung vom 17.12.1987 -
(Bundesanzeiger 1987 Nr. 241 S. 16514) hingewiesen worden war.
Der Ausschusses für Wirtschaft hat bei seinen Beratungen die Beschlußempfehlung
und Bericht
Drucksache 13/9875 abgegeben.
Bundestags-Drucksache 13/9876: Die SPD-Fraktion forderte die Umwandlung
der Gesellenausschüsse bei den Handwerkskammern in Arbeitnehmerausschüsse und die Einführung
von Arbeitnehmerausschüssen bei den Kreishandwerkerschaften.
Die PDS hat einige Änderungsanträge zu dem Entwurf von CDU/CSU, SPD und FDP
gestellt, die alle abgelehnt wurden. Dabei handelt es sich um die
Drucksache 13/9902
bis Drucksache 13/9908, und 13/9911, 13/9915, 13/9916, 13/9917, 13/9918,
13/9921
Auch zu dem Problem der undemokratischen Wahlen zu den Vollversammlungen
der Handwerkskammern hat der Bundestag Stellung genommen Drucksache
13/9922 zur Anlage C der Handwerksordnung
Nachdem die Gesetzesnovelle verabschiedet war wurde zwei parlamentarische Anfragen zum
Handwerk von der Bundesregierung beantwortet:
-
Drucksache 13/10495: Situation und Perspektiven des Handwerks in der Bundesrepublik
Deutschland Anfrage der CDU/CSU
-
Drucksache 13/10396: Selbständige Tätigkeit im Handwerk ohne
Meisterbrief (Grüne)
Die Gesetzesänderung wurde im Gesetzesblatt
veröffentlicht.
Aktivitäten des BUH zu der Handwerksnovelle 1998
- Am 12.01.1998 erhielten die mit der HWO-Novelle befassten
Mitglieder des deutschen Bundestags folgenden Brief vom BUH...
- Die Verfassungsmässigkeit des Meisterzwangs ist schon seit
langem strittig. Zu dieser Frage dokumentieren wir einen Brief eines Betroffenen an
Bundespräsident Herzog. Er geht ausser auf die Frage der
Verfassungsmässigkeit auch ausführlich auf die
Bundestagsdebatte vom 11.12.1998 ein. (21.01.1998)
- BUH-Pressemitteilung
(12.01.1998): "Die gegenwärtig in den Ausschüssen des
Bundestages beratene Novellierung des Handwerksrechts versäumt,
Impulse zu geben für Arbeitsmarkt und Innovationen..."
- Handwerksrolle - die Gefahr
ist noch nicht gebannt (10.01.1998): Über die Bedeutung des
aktuellen Stands der HWO-Novellierung für die EDV- und IT-Branche
informiert der BUH in einem offenen Brief an alle Betroffenen.
Berichte zu der Handwerksnovelle
- Über die Bedeutung der Novellierung für die IT-Branche
berichtet die c't in der
Ausgabe 05/98
- Als Reaktion auf die aktuelle Version der Handwerksordnung und auf
die davon ausgehende Gefahr für Betriebe der IT-Branche wurde auf
der CeBit die "Aktion Gewerbefreiheit" gegründet.
Die Computerzeitschrift c't berichtet in der Ausgabe 09/98 über die
Hintergründe.
- Am 18.08.1997 protestierte der BUH in Bonn gegen
den Meisterzwang im Handwerk. Die meisten deutschen Zeitungen
berichteten.
Der Demoaufruf ist noch nachzulesen in der junge Welt vom
16.08.1997
Weitere Informationen
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